2011 - Alpmann Schmidt
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n inneren Tatsachen: Vorgänge des Seelenlebens,<br />
C. Die Erfassung des Prozessstoffes<br />
z.B.: Wille, Kenntnis, Absicht, Irrtum, Schmerzen, Bösgläubigkeit.<br />
Die Feststellung solcher innerer Tatsachen ist dadurch möglich, dass Umstände festgestellt werden,<br />
die nach der Lebenserfahrung auf ihr Vorliegen schließen lassen (Indiztatsachen). 7<br />
n negativen Tatsachen: dass etwas nicht geschehen ist oder nicht geschehen kann,<br />
z.B.: keine Anwesenheit an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit, fehlender Besitz, Unmöglichkeit<br />
der Herausgabe.<br />
n hypothetischen Tatsachen: was unter bestimmten Umständen geschehen wäre,<br />
z.B.: hypothetischer Verlauf für Irrtumsanfechtung oder für Schadensberechnung, Verhalten bei<br />
ordnungsgemäßer Aufklärung.<br />
b) Die Verwendung von Rechtsbegriffen<br />
n ist grundsätzlich kein Tatsachenvortrag: Tatsachen sind vielmehr die den Rechtsbegriff<br />
ausfüllenden tatsächlichen Voraussetzungen. Die Parteien müssen diese tatsächlichen<br />
Voraussetzungen vortragen; die – wertende – Beurteilung, ob die vorgetragenen<br />
Umstände den Rechtsbegriff ausfüllen, ist die Aufgabe des Gerichts.<br />
z.B.: Der Vorwurf der „Fahrlässigkeit“ ist kein Tatsachenvortrag. Tatsachen – und damit vorzutragen<br />
– sind die tatsächlichen Umstände, aus denen der Vortragende die Fahrlässigkeit folgert: z.B.<br />
Geschwindigkeit von 95 km/h bei Abblendlicht auf 4,5 m breiter Straße. Ob dies die Annahme von<br />
Fahrlässigkeit begründet, unterliegt dann der Beurteilung des Gerichts.<br />
n Die Verwendung eines Rechtsbegriffes kann aber dann als eine Tatsachenbehauptung<br />
angesehen werden, wenn<br />
n der Begriff einfach und eindeutig ist – i.d.R.: einen Rechtsbegriff des täglichen<br />
Lebens darstellt –,<br />
z.B.: Kauf, Miete, Darlehen, Eigentum, Kfz-Halter; auch: „Öffentlichkeit“ eines Weges, 8 Abnahme<br />
i.S.v. § 640 BGB, 9 Abtretung; 10 nicht: Fahrlässigkeit, Gläubigerbenachteiligungsvorsatz i.S.d. Anfechtungsrechts,<br />
Sittenwidrigkeit, höhere Gewalt. 11<br />
n und beide Parteien den Rechtsbegriff – den mit dem Begriff umschriebenen<br />
Vorgang oder Zustand – zutreffend und übereinstimmend verstehen, ein Missverständnis<br />
bei ihnen insoweit also ausgeschlossen ist. 12<br />
Die Feststellung, dass der Rechtsbegriff als Tatsache zu werten ist, setzt daher den<br />
„Blick zur anderen Partei“ – zum Vortrag der Gegenseite – voraus,<br />
z.B.: Falls der auf den Kaufpreis klagende Kläger vorträgt, der Beklagte habe den Pkw „gekauft“, und der<br />
Beklagte Mängelansprüche wegen Sachmängel einwendet, so reicht die Angabe „Kauf“ als entsprechende<br />
Tatsachenbehauptung aus, da die Parteien diesen Begriff offensichtlich richtig verstehen und<br />
über den Kaufvorgang als solchen nicht streiten.<br />
7 s. BVerfG NJW 1993, 2165; BGH Urt. v. 05.11.2003 – VIII ZR 218/01, MDR 2004, 497.<br />
8 BGH MDR 1998, 769 @ .<br />
9 OLG Frankfurt NJW-RR 1994, 530.<br />
10 BGH Urt. v. 19.03.2004 – V ZR 104/03, NJW 2004, 2152.<br />
11 BL/Hartmann Einf. § 284 Rdnr. 21.<br />
12 BGH NJW 1992, 906; NJW-RR 1994, 1085; MDR 1998, 769 @ ; OLG Koblenz NJW-RR 1993, 571; StJ/Leipold § 284 Rdnr. 14;<br />
Zimmermann Rdnr. 107; Schellhammer Rdnr. 75; Anders/Gehle A Rdnr. 31.<br />
10<br />
1. Teil<br />
7