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wenn ich an uns denke … kommt's mir vor, als ob das ... - Burgtheater

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<strong>vor</strong>spiel<br />

Das Magazin Des wiener <strong>Burgtheater</strong>s<br />

november / Dezember 2006<br />

nr. 37<br />

in Kooperation mit<br />

– was <strong>ich</strong> sagen will <strong>…</strong><br />

<strong>wenn</strong> <strong>ich</strong> <strong>an</strong> <strong>uns</strong> <strong>denke</strong> <strong>…</strong><br />

kommt’s <strong>mir</strong> <strong>vor</strong>, <strong>als</strong> <strong>ob</strong> <strong>das</strong><br />

ende n<strong>ich</strong>t sehr schön war <strong>…</strong><br />

– ah ja.<br />

»Some Girl(s)« von Neil LaBute


IMPRESSuM<br />

titelbild: Christi<strong>an</strong> nickel <strong>als</strong> M<strong>an</strong>n und Joh<strong>an</strong>na<br />

Wokalek <strong>als</strong> tyler in »Some Girl(s)« von neil laBute<br />

<strong>vor</strong>spiel. Das Magazin des Wiener <strong>Burgtheater</strong>s<br />

erscheint fünfmal jährl<strong>ich</strong> <strong>als</strong> Sonderbeilage der<br />

tageszeitung »Der St<strong>an</strong>dard«<br />

Medieninhaber und herausgeber:<br />

Direktion <strong>Burgtheater</strong> Gesmbh<br />

1010 Wien, Dr. Karl lueger-Ring 2<br />

Redaktion: Dramaturgie <strong>Burgtheater</strong><br />

Gestaltung: herbert Winkler / Collettiva Design<br />

herstellung: Goldm<strong>an</strong>n-Zeitungsdruck Gesmbh<br />

3430 tulln, Königstetter Straße 132<br />

Saison 2006/2007<br />

Inhalt<br />

4 leitartikel: Iv<strong>an</strong> nagel über Regietheater und Shakespeare<br />

6 »Reden wir n<strong>ich</strong>t über liebe« –<br />

Shakespeares übermütige Komödie »Viel lärm um n<strong>ich</strong>ts«<br />

8 »Eine neue art des Sprechens erfinden« –<br />

theu Boerm<strong>an</strong>s im Gespräch über »Ein Sommernachtstraum«<br />

10 »Das purpurne Muttermal« von René Pollesch<br />

12 »Könnte Medea meine Frau sein?« – Grzegorz Jarzyna im Gespräch<br />

14 »Dunkel lockende Welt« – händl Klaus im Porträt<br />

17 »Das wundervolle Zwischending« von Martin heckm<strong>an</strong>ns<br />

18 Die Feiertage im <strong>Burgtheater</strong><br />

20 Goldenes Ehrenze<strong>ich</strong>en des l<strong>an</strong>des Wien <strong>an</strong> Elisabeth Orth<br />

21 Wiederaufnahmen<br />

23 nachgefragt: Sylvie Rohrer<br />

24 Ortstermin: Marmor, Stuck und cooles Design –<br />

Das Kasino am Schwarzenbergplatz<br />

27 Rückschau auf die Werkstatttage 06<br />

28 Magazin<br />

Einladung<br />

Sitzen ist die Überg<strong>an</strong>gsposition zwischen liegen und Stehen. Im Sitzen sucht m<strong>an</strong> Ruhe<br />

und Rast, Kraft für neues h<strong>an</strong>deln. auf den neuen Sofas, entworfen von luigi Blau und<br />

umgesetzt von den Möbelwerkstätten Wittm<strong>an</strong>n, lässt es s<strong>ich</strong> ab 17. november gut sitzen,<br />

lümmeln, liegen. hier k<strong>an</strong>n m<strong>an</strong> s<strong>ich</strong> in der Pause auf ein Glas Sekt verabreden, im Programmheft<br />

schmökern oder auch einfach nur ausruhen.<br />

Kirsten Dene und Elisabeth Orth, deren Porträts in der neuen Galerie im Pausenfoyer zu<br />

sehen sind, haben schon Pr<strong>ob</strong>e gesessen. Im Rahmen ihrer Buchpräsentation* Elisabeth<br />

Orth Kirsten Dene »und <strong>vor</strong>rätig ist dein Herz <strong>vor</strong> jedem <strong>an</strong>deren«, <strong>das</strong> im Deuticke<br />

Verlag erscheint und zwei außergewöhnl<strong>ich</strong>e Künstlerinnen des <strong>Burgtheater</strong>s porträtiert,<br />

erlebt der neue »Wittm<strong>an</strong>n Salon« im ersten Pausenfoyer seine Eröffnung.<br />

H am 17. november um 16 uhr im Pausenfoyer im BuRGthEatER (kostenlose Zählkarten)<br />

Mit freundl<strong>ich</strong>er Unterstützung von<br />

Inhalt<br />

3


Leitartikel<br />

4<br />

Iv<strong>an</strong> Nagel über Regietheater und Shakespeare<br />

Der Shakespeare-Zyklus des <strong>Burgtheater</strong>s<br />

Das <strong>Burgtheater</strong> hat für diese Spielzeit fünf Shakespeare-Aufführungen <strong>an</strong>gekündigt. Nun<br />

kommt eine weitere hinzu: Statt »Wallenstein«, der aufgrund der Erkr<strong>an</strong>kung von Andrea<br />

Breth leider um ein Jahr versch<strong>ob</strong>en werden muss, pl<strong>an</strong>t <strong>das</strong> <strong>Burgtheater</strong> einen sechsten<br />

Shakespeare: den »Sommernachtstraum« – sechs Shakespeare-Stücke <strong>als</strong>o in einer Spielzeit,<br />

sechs Regieh<strong>an</strong>dschriften, sechs verschiedene S<strong>ich</strong>tweisen auf den Klassiker des Welt-<br />

theaters: von Regisseuren wie J<strong>an</strong> Bosse, Theu Boerm<strong>an</strong>s, Falk R<strong>ich</strong>ter, Karin Beier, Luc<br />

Bondy und Barbara Frey – ein einmaliges Unterf<strong>an</strong>gen. Der auf längere Zeit <strong>an</strong>gelegte<br />

Shakespeare-Zyklus wird auch in der nächsten Spielzeit fortgesetzt.<br />

Shakespeare ist u.a. deswegen so interess<strong>an</strong>t, weil er <strong>als</strong> Theaterkoloss der Renaiss<strong>an</strong>ce<br />

teilweise noch auf <strong>das</strong> Mittelalter zurück-, aber auch auf <strong>das</strong> Barock <strong>vor</strong>greift. Die Renaiss<strong>an</strong>ce<br />

ist bek<strong>an</strong>ntl<strong>ich</strong> die Wiege der neuzeitl<strong>ich</strong>en Kultur, die überall in Europa Großgestalten<br />

her<strong>vor</strong>brachte wie kaum eine <strong>an</strong>dere Epoche: von Fr<strong>an</strong>cis Bacon bis zu M<strong>ich</strong>el<strong>an</strong>gelo,<br />

Erasmus von Rotterdam oder Monteverdi, von Galilei, Kepler, Kolumbus, Luther<br />

bis zu Rembr<strong>an</strong>dt oder Cerv<strong>an</strong>tes, um nur einige zu nennen. M<strong>an</strong>che wie Galilei werden<br />

erst bei Brecht zum Gegenst<strong>an</strong>d des Theaters, <strong>an</strong>dere wie Dr. Heinr<strong>ich</strong> Faust oder wie<br />

Shakespeares Zeitgenosse Wallenstein werden schon bei den beiden Weimari<strong>an</strong>ern Schiller<br />

und Goethe zu Theaterstoffen.<br />

Die Renaiss<strong>an</strong>ce, die zeitversetzt in vielen Ländern stattf<strong>an</strong>d, hat dem europäischen Bild<br />

von Mensch, Politik, Natur und Wissenschaft ein völlig neues Ges<strong>ich</strong>t gegeben, wie später<br />

vielle<strong>ich</strong>t nur noch die fr<strong>an</strong>zösische Revolution. Der Spielpl<strong>an</strong> des <strong>Burgtheater</strong>s ist ein Angebot,<br />

Shakespeare neu zu sehen und s<strong>ich</strong> mit dem zentralen Paradox der Renaiss<strong>an</strong>ce zu<br />

beschäftigen: Eine der ersten Erkenntnisse des s<strong>ich</strong> seiner Kraft und Autonomie mehr und<br />

mehr bewusst werdenden Renaiss<strong>an</strong>ce-Menschen war bek<strong>an</strong>ntl<strong>ich</strong> die Eins<strong>ich</strong>t in die eigene<br />

Begrenztheit. Hierfür steht bis heute die bahnbrechende kopernik<strong>an</strong>ische Erkenntnis, <strong>das</strong>s<br />

der Mensch, <strong>an</strong>ders <strong>als</strong> jahrhundertel<strong>an</strong>g gedacht, n<strong>ich</strong>t im Zentrum des Kosmos steht.<br />

Auch Shakespeares Gestalten erzählen vom neuen Selbstbewusstsein des Menschen, der<br />

<strong>an</strong>fängt, die mittelalterl<strong>ich</strong>e Demut abzulegen und Erfahrungen mit seiner Autonomie, aber<br />

auch und <strong>vor</strong> allem seiner Gefährdung durch Hybris zu machen. So gesellen s<strong>ich</strong> in der Renaiss<strong>an</strong>ce<br />

zu den <strong>ob</strong>en gen<strong>an</strong>nten historischen Figuren Gestalten, die durch Shakespeare<br />

D<strong>ich</strong>tung wurden: Hamlet, Lear, Prospero u.a. – eine sp<strong>an</strong>nende Epoche, bei der es lohnt,<br />

s<strong>ich</strong> auch außerhalb des Theaters mit ihr zu beschäftigen. Wir beginnen <strong>uns</strong>eren Zyklus<br />

mit zwei Shakespeare-Komödien innerhalb von vier Wochen: »Viel Lärm um n<strong>ich</strong>ts« im<br />

Dezember und dem »Sommernachtstraum« im Jänner.<br />

Im Folgenden Iv<strong>an</strong> Nagel über die Vielfalt des modernen Regietheaters am Beispiel<br />

Shakespeare (Auszug aus seinem Buch »Drama und Theater«, <strong>das</strong> soeben im Carl<br />

H<strong>an</strong>ser Verlag erschienen ist).<br />

Joachim Lux<br />

01 Viel Lärm um n<strong>ich</strong>ts Jänner<br />

02 Ein Sommernachtstraum Jänner<br />

03 Julius Caesar März<br />

04 Maß für Maß April<br />

05 König Lear Mai<br />

06 Der Sturm Juni<br />

Die Eigenart des Dramas<br />

Seit hundert Jahren verbeißt s<strong>ich</strong> die Diskussion<br />

unter Kritikern wie Zuschauern in<br />

<strong>das</strong> Pr<strong>ob</strong>lem, dessen unglückl<strong>ich</strong>es Schlagwort-Schema<br />

heißt: Hie »Werktreue«, hie<br />

»Regietheater«! Das Pr<strong>ob</strong>lem selbst ist allerdings<br />

über zweitausend Jahre alt – seit hellenistische<br />

Bühnen in Kleinasien beg<strong>an</strong>nen,<br />

den »Klassiker« Euripides nachzuspielen.<br />

Der literarischen Gattung Drama, der<br />

darstellenden K<strong>uns</strong>t Theater ist eine Doppelfrage<br />

unauslöschl<strong>ich</strong> eingeschrieben. Ist eine<br />

theatrale Aufführung wesentl<strong>ich</strong> (oder ledigl<strong>ich</strong>):<br />

die Interpretation eines Textes? Oder<br />

ist ein dramatischer Text wesentl<strong>ich</strong> (oder ledigl<strong>ich</strong>):<br />

der Vorschlag für eine Aufführung?<br />

Unter ästhetischen Sprach-Werken ist <strong>das</strong><br />

Drama <strong>das</strong> einzige, <strong>das</strong> n<strong>ich</strong>t zu <strong>mir</strong>, sondern<br />

zu <strong>uns</strong> spr<strong>ich</strong>t. Es sucht s<strong>ich</strong>, statt intim einen<br />

Leser, publik ein Publikum. W<strong>ich</strong>tiger noch:<br />

Die wahre Stimme des Dramas gehört n<strong>ich</strong>t<br />

dem Dramatiker. N<strong>ich</strong>t nur bleibt diesem<br />

verwehrt, <strong>als</strong> »Ich« zu »Uns« zu reden. Authentisch<br />

überbringt <strong>uns</strong> niem<strong>als</strong> der Autor<br />

sein Wort – stets irgendein Zwischen-Träger.<br />

Wer Dramen schreibt, geht ein hohes Risiko<br />

ein. Er tritt die Verfügungsgewalt über <strong>das</strong>,<br />

was er schuf, <strong>an</strong> <strong>an</strong>dere ab: <strong>an</strong> die Schauspieler<br />

oder den Herrscher über alle Schauspieler,<br />

den Regisseur.<br />

Für jedes Drama gilt <strong>das</strong> Grundgesetz,<br />

<strong>das</strong> Grund-Paradoxon der Gattung:<br />

Das Werk überlebt in den tradierten, fest<br />

notierten Buchstaben des Autors – doch<br />

es lebt nur in Wort und Bewegung, Geist<br />

und Körper seiner rasch wechselnden Interpreten.<br />

Zum Beispiel: Shakespeare<br />

Von Shakespeares Tagen trennt <strong>uns</strong><br />

eine Kluft von vierhundert Jahren. Wenn<br />

wir Shakespeare bei allen Unterschieden<br />

der Lebensverhältnisse und Weltverständnisse<br />

spielen können, liegt <strong>das</strong> n<strong>ich</strong>t dar<strong>an</strong>,<br />

<strong>das</strong>s er für die Nachwelt oder die Ewigkeit<br />

schrieb. Sondern: Da er Dramen schrieb,<br />

schrieb er für seine Interpreten – von 1600<br />

oder 1800 oder 2000. Der Gemeinplatz,<br />

m<strong>an</strong> soll Theaterstücke spielen, »wie der<br />

D<strong>ich</strong>ter sie wollte«, ist sachfremd, weil<br />

k<strong>uns</strong>tfremd. Das Original des »Kaufm<strong>an</strong>n<br />

von Venedig« ist n<strong>ich</strong>t der redl<strong>ich</strong> redi-<br />

2006/2007 Saison


gierte Quarto-Erstdruck von 1600. Es ist<br />

Shakespeares Inszenierung der Uraufführung,<br />

um 1596, von der wir n<strong>ich</strong>ts wissen.<br />

Wer war der Uraufführungs-Antonio seinem<br />

Bass<strong>an</strong>io: ein edler, generöser Freund<br />

oder ein verzweifelt todessüchtiger Liebhaber?<br />

Pl<strong>an</strong>te der Uraufführungs-Shylock aus<br />

berechnendem Christenhass von Anf<strong>an</strong>g<br />

<strong>an</strong>, Antonio zu morden – oder trieb es ihn<br />

erst, seit Antonios Kump<strong>an</strong>e seine Juwelen<br />

geraubt, seine Tochter entführt hatten, s<strong>ich</strong><br />

rasend zu rächen? Der Text lässt beides zu.<br />

Doch <strong>das</strong> Stück wurde, je nach Regie-Entscheidung<br />

von 1596, ein radikal <strong>an</strong>deres.<br />

Wir kennen Shakespeares Entscheidungen<br />

n<strong>ich</strong>t. Als Dramatiker hat er die Zweideutigkeit<br />

von Text und H<strong>an</strong>dlung oft listig bewerkstelligt,<br />

oft überklar exhibiert. Wollte<br />

er <strong>als</strong> Regisseur <strong>an</strong>dere künftige Entscheidungen<br />

von <strong>an</strong>deren, künftigen Regisseuren<br />

ausschließen oder herausfordern?<br />

»Der Kaufm<strong>an</strong>n von Venedig« redet<br />

mit zwei Zungen. Schon sein erster seriöser<br />

Herausgeber N<strong>ich</strong>olas Rowe str<strong>an</strong>dete<br />

1709 in Zweifeln: »Obwohl wir <strong>das</strong><br />

Stück <strong>als</strong> Komödie gespielt und die Rolle<br />

des Juden von einem prachtvollen Komödi<strong>an</strong>ten<br />

gespielt sahen, meine <strong>ich</strong>, <strong>das</strong>s<br />

der Autor es <strong>als</strong> Tragödie entwarf.« N<strong>ich</strong>t<br />

nur die Welt besteht – mit Venedig und<br />

Belmont – aus zwei Welten; n<strong>ich</strong>t nur Venedig<br />

selbst hat – mit dem Kaufherrn und<br />

dem Wucherer – zweierlei Ges<strong>ich</strong>ter. Doppeldeutig<br />

gerieten vielmehr alle Protagonisten:<br />

Bass<strong>an</strong>io ein Held oder Mitgiftjäger,<br />

Antonio ein Helfer oder Höriger,<br />

Shylock ein Bösew<strong>ich</strong>t oder Verfolgter.<br />

Ihre Worte widersprechen s<strong>ich</strong> – und werden<br />

verspottet von ihren Taten.<br />

Hat Shakespeare mithin seine Geschöpfe,<br />

le<strong>ich</strong>tfertig bis zum Verrat, der<br />

Willkür jedes hergelaufenen Deuters ausgeliefert?<br />

Oder hat er sie voller K<strong>uns</strong>tabs<strong>ich</strong>t<br />

und Weisheit mehrdeutig, <strong>das</strong> heißt,<br />

deutbar geformt? Wir glauben <strong>an</strong> ihre Existenz<br />

n<strong>ich</strong>t allein, weil sie mit so re<strong>ich</strong>en,<br />

realen Zügen ausgestattet sind. Wir glauben<br />

<strong>an</strong> sie, weil wir ihnen genau so begegnen,<br />

wie wir vom Kindergarten bis zum<br />

Sterbebett, am Stammtisch oder bei einem<br />

Raubüberfall jedem realen fremden Menschen<br />

begegnen: mit dem lust- oder <strong>an</strong>gstvollen<br />

Versuch, seine Mehrdeutigkeit zu<br />

deuten, Vorsätze hinter seinen Haltungen<br />

Saison 2006/2007<br />

zu erkennen, sein Wesen zu erraten. Selbst<br />

Hamlet wird erst durch <strong>uns</strong>ere Vermutungsarbeit<br />

im Zuschauerraum, die er erzwingt,<br />

groß und wirkl<strong>ich</strong>.<br />

Authentizität lebt nur in der Interpretation.<br />

Große Inszenierungen verfallen<br />

dem Vergängnis gerade durch ihre Bestimmtheit<br />

– große Dramen entgehen ihm<br />

d<strong>an</strong>k ihrer Mehrdeutigkeit.<br />

Der Große Regisseur trat um 1880-<br />

1900 im Gefolge des Großen Dramatikers<br />

auf. Ihr Pakt veränderte Spielart und<br />

Hierarchien des europäischen Theaters.<br />

– Vom Dionysos-Theater in Athen wissen<br />

wir: Aischylos und Sophokles studier-<br />

ten selber ihre Tragödien ein. In Shakespeares<br />

und Molières Truppen waren<br />

Autor, Pr<strong>ob</strong>enleiter, Darsteller, Theaterunternehmer<br />

ein und dieselbe Person.<br />

Diese Einheit schw<strong>an</strong>d spät aber unver-<br />

meidl<strong>ich</strong>: Wir müssen <strong>uns</strong>ere Begriffe<br />

ändern. Aischylos und Sophokles, Shakespeare<br />

und Molière verschafften ihren<br />

Werken n<strong>ich</strong>t »Interpretation« – sondern<br />

»Verwirkl<strong>ich</strong>ung«. Das Theaterstück war<br />

zusammengewachsen mit seiner (Ur-)Aufführung,<br />

schien nur um ihretwillen da zu<br />

sein. Erst nach Aischylos’ Tod durfte in<br />

Athen ein »altes« Stück wiederaufgeführt<br />

werden; über hundert Jahre später wurde<br />

die Staatsausgabe seiner Werke <strong>an</strong>gefertigt.<br />

N<strong>ich</strong>t allein im Agon des Dionysos-Festes,<br />

auch im Wettkampf zwischen<br />

drei oder vier Londoner, Pariser Truppen<br />

um Kommerzerfolg und königl<strong>ich</strong>es<br />

Patronat fehlte dem D<strong>ich</strong>ter die Muße,<br />

s<strong>ich</strong> <strong>als</strong> Klassiker <strong>vor</strong>zukommen: Abgott<br />

oder Opfer künftiger Interpreten.<br />

»Interpretation« <strong>als</strong> sinnvolles Denk-<br />

und Arbeitsmodell hat zwei Bedingungen:<br />

Wiederholbarkeit und Vergle<strong>ich</strong>barkeit<br />

des theatralen Produkts. Einen fast unglaubl<strong>ich</strong>en<br />

Sprung bewirkten die Ausweitung<br />

des bürgerl<strong>ich</strong>en Publikums,<br />

die Beschleunigung der Kommunikation<br />

und die maschinelle Vervielfältigung der<br />

Dramentexte <strong>vor</strong> dem Ende des 19. Jahrhunderts.<br />

Jetzt schienen Figur und Funktion des<br />

Inszenators-<strong>als</strong>-Innovators vollends erfunden.<br />

Der Regisseur wuchs zum Alter<br />

ego des Dramatikers: zu dessen unentbehrl<strong>ich</strong>em<br />

Spiegel- oder Zerrbild auf der<br />

<strong>an</strong>deren Seite der Rampe.<br />

Drama und Theater<br />

– Von Shakespeare bis Jelinek<br />

Iv<strong>an</strong> Nagel präsentiert sein neues Buch<br />

Leitartikel<br />

Iv<strong>an</strong> Nagel hat seine Analysen und Ans<strong>ich</strong>ten<br />

zu Drama und Theater gesammelt.<br />

An Stück<strong>an</strong>alysen wie Shakespeares »Troilus<br />

und Cressida«, <strong>an</strong> großen Klassiker-Inszenierungen<br />

wie Kortners »Emilia Galotti«, <strong>an</strong><br />

Porträts von Autoren, Theatermachern und<br />

Schauspielern arbeitet er exemplarisch die<br />

ästhetischen Beziehungen zwischen Drama<br />

und Theater, Text und Aufführung heraus.<br />

Iv<strong>an</strong> Nagel, 1931 in Budapest geboren,<br />

studierte in Paris und Heidelberg Germ<strong>an</strong>istik,<br />

Philosophie und Soziologie, ab 1954 bei<br />

Adorno in Fr<strong>an</strong>kfurt. Von 1962 bis 1969 arbeitete<br />

er <strong>als</strong> Chefdramaturg <strong>an</strong> den Münchner<br />

Kammerspielen, von 1971 bis 1979 <strong>als</strong><br />

Intend<strong>an</strong>t des Deutschen Schauspielhauses in<br />

Hamburg. Er begründete <strong>das</strong> Festival »Theater<br />

der Welt«. Als Theater- und Musikkritiker<br />

schrieb er für die Süddeutsche Zeitung,<br />

<strong>als</strong> Kulturkorrespondent in New York für<br />

die Fr<strong>an</strong>kfurter Allgemeine Zeitung. Von<br />

1989 bis 1996 lehrte Nagel <strong>als</strong> Professor für<br />

Gesch<strong>ich</strong>te und Ästhetik der darstellenden<br />

Künste <strong>an</strong> der Hochschule der Künste in Berlin.<br />

Er verfasste Bücher über Mozart, Goya<br />

und über heutiges Theater sowie eine Reihe<br />

von »Streitschriften« zur Politik und Kulturpolitik.<br />

Nagel lebt in Berlin und lehrt <strong>an</strong> der<br />

Central Europe<strong>an</strong> University in Budapest.<br />

Am 13. Dezember 2006 im KASINO<br />

5


<strong>Burgtheater</strong><br />

6<br />

Reden wir n<strong>ich</strong>t über Liebe<br />

Shakespeares übermütige Komödie »Viel Lärm um n<strong>ich</strong>ts«<br />

Vor gut 400 Jahren hat Shakespeare ein Stück geschrieben, <strong>das</strong> noch immer aktuell ist:<br />

die selbstern<strong>an</strong>nten Experten in Liebesdingen sind wortgewaltige Schaumschläger, denen<br />

es <strong>an</strong> Mut fehlt, s<strong>ich</strong> zum Bekenntnis durchzuringen. Liebe zuzulassen scheint schwerer,<br />

<strong>als</strong> m<strong>an</strong> denkt oder einen <strong>das</strong> Theater glauben macht. Hier allerdings darf s<strong>ich</strong> der Zuschauer<br />

dar<strong>an</strong> erfreuen, wie der größte Dramatiker der Weltliteratur Menschen skizziert,<br />

die wahre Verbal-Eroten sind, und deren Fetisch der Witz und die eigene Schlagfertigkeit<br />

sind. Vor Selbstverliebtheit blasen sie ihr Ego so weit auf, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> wahre Objekt der<br />

Leidenschaft fast aus ihrem Blickfeld gerät.<br />

Im Zentrum von »Viel Lärm um n<strong>ich</strong>ts«<br />

stehen zwei Paare, die verschiedener n<strong>ich</strong>t<br />

sein könnten: Auf der einen Seite Claudio<br />

und Hero, die lieber heute <strong>als</strong> morgen<br />

heiraten wollen, <strong>ob</strong>wohl sie s<strong>ich</strong> kaum<br />

kennen, und durch die Intrigen des bösartigen<br />

Don John dar<strong>an</strong> gehindert werden.<br />

Ihnen gegenüber steht <strong>das</strong> Paar Beatrice<br />

und Benedict, die geschworen haben, s<strong>ich</strong><br />

niem<strong>als</strong> und unter keinen Umständen<br />

mit dem <strong>an</strong>deren Geschlecht einzulassen,<br />

aber schließl<strong>ich</strong> doch heiraten. Der Titel<br />

des Stücks »Much Ado About Nothing«<br />

fasst den Plot zusammen, denn die beiden<br />

Paare werden durch eine Reihe unwahrer<br />

Ber<strong>ich</strong>te, durch Intrigen, aber auch durch<br />

f<strong>als</strong>che Schlüsse – <strong>als</strong>o durch buchstäbl<strong>ich</strong><br />

»n<strong>ich</strong>ts« –, zu ihren H<strong>an</strong>dlungen<br />

ver<strong>an</strong>lasst. Gle<strong>ich</strong>zeitig hat der Titel eine<br />

<strong>ob</strong>szöne Nebenbedeutung: »nothing«<br />

war im Gegensatz zum »something« des<br />

M<strong>an</strong>nes auch ein Synonym für die weibl<strong>ich</strong>en<br />

Genitalien.<br />

Zudem passt der Titel auch glänzend auf<br />

<strong>das</strong> Liebespaar Beatrice und Benedict,<br />

dessen Beziehung im Ze<strong>ich</strong>en der Unkonventionalität<br />

beginnt. Der »Lärm«, den<br />

die beiden machen, ist n<strong>ich</strong>t zu überhören,<br />

dafür sorgen die unermüdl<strong>ich</strong>en Redner.<br />

All ihre witzigen Aussprüche gegen<br />

die Ehe im Allgemeinen und ihre bissigen<br />

Ausfälle gegenein<strong>an</strong>der erweisen s<strong>ich</strong> <strong>als</strong><br />

viel Wind um n<strong>ich</strong>ts, verwehen im Bewusstwerden<br />

und Akzeptieren einer Liebe,<br />

deren Mögl<strong>ich</strong>keiten die beiden trotz<br />

ihres Anspruchs auf Klars<strong>ich</strong>t einfach<br />

n<strong>ich</strong>t sehen wollten.<br />

Der Preis der Liebe<br />

Die Gründe von Beatrice und Benedict, so<br />

sehr darauf zu beharren, im allgemeinen<br />

Liebeswerben zwischen M<strong>an</strong>n und Frau<br />

eine Sonderrolle zu spielen, lassen s<strong>ich</strong> mit<br />

Schlagworten nur gr<strong>ob</strong> umreißen: Eigenliebe<br />

und Bindungs<strong>an</strong>gst, Freiheitsdr<strong>an</strong>g<br />

und Eitelkeit oder Vors<strong>ich</strong>t und Klugheit.<br />

S<strong>ich</strong> im <strong>an</strong>deren zu finden, hieße auch für<br />

die beiden, s<strong>ich</strong> im <strong>an</strong>deren verlieren zu<br />

müssen. Leidenschaftl<strong>ich</strong>e Liebe zwingt<br />

dazu, s<strong>ich</strong> in die Hände des Gegenübers zu<br />

geben und die Kontrolle abzugeben, denn<br />

große Gefühle übersteigen die Mögl<strong>ich</strong>-<br />

Alles dreht s<strong>ich</strong> ums Gefühl, mag die Welt<br />

s<strong>ich</strong> auch noch so rational geben.<br />

keiten einer Person und treiben <strong>das</strong> Ich <strong>an</strong><br />

die Grenzen seines Selbst. Ein Preis, den<br />

keiner der beiden zu zahlen bereit ist. Sie<br />

schützen s<strong>ich</strong> <strong>vor</strong> dem Ausbruch von Liebe<br />

durch der Empfindung »<strong>vor</strong>gelagerte«<br />

Witzgefechte. Für <strong>das</strong> Paar bedarf es daher<br />

der Vermittlung durch die Gesellschaft,<br />

der es nur mit Hilfe von Intrigen gelingt,<br />

der Liebe zum Erfolg zu verhelfen. Denn<br />

jeder, Beatrice wie auch Benedict, klammert<br />

s<strong>ich</strong> <strong>an</strong> seine Unabhängigkeit und<br />

versucht, s<strong>ich</strong> hinter der eigenen Klugheit<br />

und Zungenfertigkeit zu versch<strong>an</strong>zen.<br />

Doch die spitzen Stacheln, mit denen die<br />

beiden s<strong>ich</strong> zu schützen versuchen, sind<br />

mit Widerhaken bestückt. So haben Kuppler<br />

ein le<strong>ich</strong>tes Spiel mit ihnen: einmal zu<br />

d<strong>ich</strong>t <strong>an</strong>ein<strong>an</strong>der geraten, verhaken sie<br />

s<strong>ich</strong> so fest inein<strong>an</strong>der, <strong>das</strong>s sie n<strong>ich</strong>t mehr<br />

ausein<strong>an</strong>der können. So wird ihr Spaß am<br />

Spiel mit den Worten, mit dem Schein und<br />

dem Sein, zum Fallstrick. Beatrice und<br />

Benedict – die ersten überzeugten Singles<br />

der Theatergesch<strong>ich</strong>te – fallen auf die Intrige<br />

herein. Jeder glaubt, der <strong>an</strong>dere liebe<br />

ihn, und sie reagieren mit Gegenliebe<br />

auf Gefühle, die nur scheinbar existieren.<br />

Als sie zu wissen glauben, was der <strong>an</strong>dere<br />

<strong>an</strong>gebl<strong>ich</strong> zu verbergen sucht, werden<br />

sie gegen den eigenen Willen selbst zum<br />

Opfer ihrer Schlagfertigkeit und spitzen<br />

Zungen. Durch die behauptete Spiegelung<br />

entsteht, was mögl<strong>ich</strong>erweise nie da<br />

war: Liebe.<br />

Jedenfalls will der Komödienschluss <strong>das</strong><br />

glauben machen. Die beiden wären, ohne<br />

die Intrige, vermutl<strong>ich</strong> unverheiratet geblieben.<br />

Statt s<strong>ich</strong> in einer von Konventionen<br />

durchdrungenen Welt <strong>als</strong> Individuum<br />

zu behaupten, geben die beiden<br />

ihren Autonomie<strong>an</strong>spruch auf. Sie wurden<br />

zur Ehe verführt, weil sie die Gesellschaft<br />

mit ihrem Andersseinwollen provozierten.<br />

Dabei hatten sie allen Grund, auf ihrem<br />

Single-Dasein zu beharren, denn ihre Welt<br />

hatte strikte Vorstellungen von dem, wie<br />

M<strong>an</strong>n und Frau zu leben haben. Es ist der<br />

Hahnrei-Komplex, welcher alle Männer in<br />

Shakespeares Komödie perm<strong>an</strong>ent verfolgt<br />

und bei dem leisesten Verdacht zu einem<br />

reflexartigen Zurückziehen in eine Heerlager-Mentalität<br />

führt. Vor allem Benedict<br />

sieht s<strong>ich</strong> in seiner Rolle <strong>als</strong> M<strong>an</strong>n gefährdet<br />

und fürchtet, von der intellektuell<br />

em<strong>an</strong>zipierten Beatrice Hörner aufgesetzt<br />

zu bekommen. Aber auch Beatrice weiß,<br />

<strong>das</strong>s sie ihre Unabhängigkeit nach der<br />

Hochzeit verlieren wird, weil sie s<strong>ich</strong> von<br />

den Entscheidungen eines M<strong>an</strong>nes abhängig<br />

macht. Es ist n<strong>ich</strong>t nur Selbstverliebtheit,<br />

sondern <strong>das</strong> Insistieren auf der<br />

eigenen souveränen Intellektualität, <strong>das</strong><br />

s<strong>ich</strong> einer tiefen menschl<strong>ich</strong>en Liebe in<br />

den Weg stellt. So können s<strong>ich</strong> die beiden<br />

auch n<strong>ich</strong>t die Hände re<strong>ich</strong>en, ohne<br />

nochm<strong>als</strong> darauf hinzuweisen, <strong>das</strong>s sie s<strong>ich</strong><br />

ihrer prekären Lage bewusst sind: »Du<br />

und <strong>ich</strong>, wir sind zu klug, um friedl<strong>ich</strong> zu<br />

werben.«<br />

Ihre Heirat ist ein Triumph der Gesellschaft<br />

über den unbedingten Anspruch<br />

auf die Unabhängigkeit des Single-Lebens,<br />

die aber mit gesellschaftl<strong>ich</strong>er Isolation<br />

erkauft ist. Benedict sagt: »Ich häng<br />

den Junggesellen <strong>an</strong> den Nagel, adieu!<br />

2006/2007 Saison


Sarah Lucas: Au naturel (1994)<br />

Die Welt muss bevölkert werden!« und<br />

Beatrice stimmt ein: »Hochmut, leb wohl!<br />

Mädchenstolz adieu! / Auf euren matten<br />

Ruhm k<strong>an</strong>n <strong>ich</strong> verz<strong>ich</strong>ten. / Lieb weiter,<br />

Benedict, <strong>ich</strong> werde dir n<strong>ich</strong>t nachstehen, /<br />

Und zähmen schnell mein wildes Herz für<br />

deine H<strong>an</strong>d.«<br />

Die Zerbrechl<strong>ich</strong>keit der Liebe<br />

Der spielerischen Liebe zwischen den zwei<br />

Streithähnen ist die Gesch<strong>ich</strong>te von Hero<br />

und Claudio gegenübergestellt. Wurden<br />

Benedict und Beatrice durch geschickte<br />

Kuppelei aufein<strong>an</strong>der gehetzt, werden<br />

die Verliebten Claudio und Hero hingegen<br />

durch geschickte Täuschung in eine<br />

Eifersuchtsmaschinerie getrieben, aus der<br />

nur ein <strong>vor</strong>getäuschter Tod herausführt.<br />

Die Idealisierung des <strong>an</strong>deren kippt in<br />

eine vollkommene Entwertung des Gegenübers.<br />

In der Gesch<strong>ich</strong>te von Hero und<br />

Claudio zeigt s<strong>ich</strong> die destruktive Seite der<br />

Liebe, ihre Nähe zum Hass und zur Kälte.<br />

Die unbedingte Liebe gerät unter dem<br />

Druck der Gesellschaft <strong>an</strong> ihre Grenzen<br />

und schlägt in egoistische Zerstörungswut<br />

um. Wie vern<strong>ich</strong>tend die gekränkte Liebe<br />

Saison 2006/2007<br />

Das Reden steigert<br />

die Lust und verhindert<br />

ihre Erfüllung.<br />

sein k<strong>an</strong>n, zeigt s<strong>ich</strong> auf der Hochzeit.<br />

Es genügt Claudio n<strong>ich</strong>t, einfach auf die<br />

Ehe zu verz<strong>ich</strong>ten. Er will Hero für den<br />

Schmerz, den er erleidet, öffentl<strong>ich</strong> demütigen<br />

und sie <strong>als</strong> Hure bloßstellen. Alle<br />

Vorurteile Beatrices über die Gefahren der<br />

Liebe und die Idiotie der Männer scheinen<br />

s<strong>ich</strong> hier zu bestätigen. Denn lieber<br />

vern<strong>ich</strong>tet Claudio die Frau, die er liebt,<br />

<strong>als</strong> seinen männl<strong>ich</strong>en Unbedingtheits<strong>an</strong>spruch<br />

zu korrigieren. Nachdem m<strong>an</strong><br />

ihn erfolgre<strong>ich</strong> überzeugt hat, <strong>das</strong>s die<br />

Frau, die er liebt, einen <strong>an</strong>deren begehrt,<br />

will er n<strong>ich</strong>t nur <strong>das</strong> idealisierte Bild von<br />

ihr, sondern auch sie selbst zerstören.<br />

Erneut bedarf es der Korrektur des emotional<br />

gesteuerten Verhaltens durch die Gesellschaft.<br />

Claudio wird bewusst gemacht,<br />

wie sehr er s<strong>ich</strong> dem Schein überließ und<br />

welches Unrecht er damit Hero tat. Die<br />

Gesetze der Komödie ermögl<strong>ich</strong>en es<br />

schließl<strong>ich</strong>, <strong>das</strong>s er eine <strong>an</strong>dere Hero, die<br />

<strong>Burgtheater</strong><br />

der toten ähnelt und <strong>als</strong> deren Wiedergeburt<br />

erscheint, heiratet.<br />

So bleibt am Schluss die Frage bestehen,<br />

<strong>ob</strong> in diesem Stück die Liebe ihren Triumph<br />

feiert, die Harmonie des wahren<br />

Witzes und der harmlosen Torheit, oder<br />

<strong>ob</strong> die Gesellschaft siegt, mit ihrer Welt<br />

des verwirrenden Scheins und der verschlagenen<br />

Täuschung, die von allen ihren<br />

Tribut fordert.<br />

Britta Kampert<br />

J<strong>an</strong> Bosse, der bisher am Hamburger Schauspielhaus<br />

und <strong>an</strong> den Münchner Kammerspielen,<br />

in Zür<strong>ich</strong> und Berlin <strong>als</strong> Regisseur gearbeitet hat,<br />

inszeniert erstm<strong>als</strong> am <strong>Burgtheater</strong>.<br />

Viel Lärm um n<strong>ich</strong>ts<br />

von William Shakespeare<br />

Regie: J<strong>an</strong> Bosse<br />

Bühne: Stéph<strong>an</strong>e Laimé<br />

Kostüme: Kathrin Plath<br />

Mit Dorothee Hartinger, Christi<strong>an</strong>e von Poelnitz;<br />

M<strong>ich</strong>ael Masula, Joachim Meyerhoff,<br />

Christi<strong>an</strong> Nickel, N<strong>ich</strong>olas Ofczarek,<br />

Jörg Ratjen, Martin Reinke<br />

H Premiere am 8. Dezember 2006<br />

im BURGTHEATER<br />

7


<strong>Burgtheater</strong><br />

8<br />

Eine neue Art des Sprechens erfinden<br />

Ein Gespräch mit dem Regisseur Theu Boerm<strong>an</strong>s <strong>an</strong>lässl<strong>ich</strong> seiner<br />

Inszenierung von Shakespeares »Ein Sommernachtstraum«<br />

Theu Boerm<strong>an</strong>s<br />

Im »Sommernachtstraum«, nach wie <strong>vor</strong> die beliebteste der Shakespeare’schen<br />

Komödien, zeigt s<strong>ich</strong> die enorme Leistungsfähigkeit des elisabeth<strong>an</strong>ischen Theaters,<br />

unterschiedl<strong>ich</strong>ste Erzähl- und Theaterformen in einem Stück zu vereinen, von<br />

ihrer re<strong>ich</strong>haltigsten Seite: Staatsakt und Familientragödie, Verwechslungskomödie,<br />

Märchenspiel und Parodie, Traumerzählung und psychologischer Horrortrip<br />

finden s<strong>ich</strong> hier auf engstem Raum nebenein<strong>an</strong>der und aufs K<strong>uns</strong>tvollste mitein<strong>an</strong>der<br />

verw<strong>ob</strong>en. Hermia und Lys<strong>an</strong>der fliehen <strong>vor</strong> dem strengen Athener Gesetz, <strong>das</strong><br />

ihre Liebe mit Verbot belegt, in den Wald; sie werden von Demetrius verfolgt, der<br />

Hermia liebt und seinerseits von Helena verfolgt wird. Dort werden die Liebenden in<br />

die Turbulenzen hineingezogen, die der Ehestreit zwischen dem Elfenkönig Oberon und<br />

seiner Gattin Tit<strong>an</strong>ia verursacht, eine Konstellation, die der in Athen <strong>vor</strong>bereiteten Fürstenhochzeit<br />

zwischen Theseus und der Amazonenkönigin Hippolyta verblüffend ähnl<strong>ich</strong><br />

sieht. Für diesen Anlass hält, ebenfalls im Wald, eine Truppe H<strong>an</strong>dwerker Pr<strong>ob</strong>en<br />

zu einem Theaterstück ab, in dem eine unglückl<strong>ich</strong>e Liebe mit einem Doppelselbstmord<br />

endet – ein Schicksal, <strong>das</strong> den <strong>an</strong>deren Paaren dieser Komödie immerhin erspart bleibt.<br />

Sie arbeiten jetzt zum dritten Mal in Wien:<br />

Vor etwa zehn Jahren haben Sie am Schauspielhaus<br />

bei H<strong>an</strong>s Gratzer ein Stück von<br />

Gustav Ernst inszeniert, d<strong>an</strong>n <strong>vor</strong> vier<br />

Jahren am Akademietheater »Gilgamesh«<br />

von Raoul Schrott. Sie haben in der Schweiz<br />

und Belgien gearbeitet, in Amsterdam leiten<br />

Sie ein eigenes Theater, <strong>das</strong> Compagnie Theater.<br />

Welche Erfahrungen haben Sie mit den<br />

verschiedenen Theater-Systemen gemacht?<br />

Das holländische System ist vom österre<strong>ich</strong>ischen<br />

sehr verschieden. Meine Gruppe<br />

zum Beispiel ist bei ihrer Gründung 1988 aus<br />

einer Klasse der Arnheimer Schauspielschule<br />

her<strong>vor</strong>geg<strong>an</strong>gen. Ich hatte deren Abschluss-<br />

arbeit inszeniert, <strong>das</strong> war ein großer Erfolg,<br />

und so haben wir beschlossen, zusammen zu<br />

bleiben.<br />

D<strong>an</strong>n best<strong>an</strong>d diese Gruppe aus lauter gle<strong>ich</strong><br />

alten Schauspielern?<br />

Ja, und wir haben auch hauptsächl<strong>ich</strong> Autoren<br />

aus deren Generation gespielt. Ich hatte<br />

zu<strong>vor</strong> schon einige Jahre <strong>als</strong> Schauspieler<br />

gearbeitet und war in Stücken von Thomas<br />

Bernhard und Botho Strauß aufgetreten. Jetzt<br />

spielten wir Werner Schwab, Rainald Goetz,<br />

Sarah K<strong>an</strong>e, Mark Ravenhill, in dieser Spielzeit<br />

führen wir erstm<strong>als</strong> ein Stück von Rol<strong>an</strong>d<br />

Schimmelpfennig auf. D<strong>an</strong>eben spielen<br />

Herzl<strong>ich</strong>en Glückw<strong>uns</strong>ch!<br />

Theu Boerm<strong>an</strong>s ist Ende Okt<strong>ob</strong>er in Berlin mit dem<br />

Prix Europa für die beste europäische Fernsehproduktion<br />

2006 ausgeze<strong>ich</strong>net worden. Der<br />

Film »De Uitverkorene/Der Auserwählte«, der<br />

die wahre Gesch<strong>ich</strong>te zweier Brüder, Angehörige<br />

einer holländischen protest<strong>an</strong>tischen Sekte, zum<br />

Ausg<strong>an</strong>gspunkt hat, die in den neunziger Jahren<br />

mit eigenwilligen IT-Geschäften und dem Kapital<br />

ihrer Glaubensbrüder ein millionenschweres<br />

Geschäft betrieben, bis die fromme Blase platzte,<br />

überzeugte die Jury durch »ein d<strong>ich</strong>t geschriebenes<br />

Drehbuch, eine starke Besetzung und die<br />

exzellente Regie«.<br />

wir internationale Klassiker: Shakespeare,<br />

Tschechow etc., in deutl<strong>ich</strong> konzeptionell<br />

geprägten Aufführungen. Die Schauspieler<br />

waren immer sehr stark in die Auswahl der<br />

Stücke einbezogen.<br />

Am Spielpl<strong>an</strong> Ihres Hauses wie auch <strong>an</strong><br />

Ihrer eigenen künstlerischen Biografie fällt<br />

eine starke Affinität zu deutschsprachiger<br />

Literatur auf. Sind Sie in dieser Hins<strong>ich</strong>t ein<br />

Einzelfall oder wird in Holl<strong>an</strong>d generell viel<br />

deutschsprachige Dramatik gespielt?<br />

In Holl<strong>an</strong>d fehlt ein K<strong>an</strong>on nationaler<br />

Dramatik seit der Aufklärung, auf den<br />

s<strong>ich</strong> eine starke Tradition gründen ließe.<br />

Neunzig Prozent von dem, was bei <strong>uns</strong><br />

über die Bühne geht, sind ausländische<br />

Stücke. Dieser M<strong>an</strong>gel, der s<strong>ich</strong> – mit<br />

einigen Ausnahmen – bis in die Gegenwart<br />

fortsetzt, führt dazu, <strong>das</strong>s bei <strong>uns</strong><br />

in noch viel größerem Ausmaß <strong>als</strong> im<br />

deutschsprachigen Raum auf Theatralisierungen<br />

von Filmdrehbüchern oder Rom<strong>an</strong>en<br />

zurückgegriffen wird. Ich persönl<strong>ich</strong><br />

finde <strong>das</strong> bedauerl<strong>ich</strong>, weil damit die<br />

eigene, unverwechselbare Sprache des<br />

Theaters zu verschwinden droht und <strong>das</strong><br />

intellektuelle Niveau sinkt. Alles wird<br />

einfacher: n<strong>ich</strong>t nur emotional oder visuell,<br />

auch intellektuell. Dadurch gerät<br />

<strong>das</strong> Sprechtheater bei <strong>uns</strong> sehr stark unter<br />

Druck. Wir sind eine der wenigen Gruppen,<br />

die konsequent Gegenwartsdramatik<br />

spielt, und die deutschsprachigen Autoren<br />

waren und sind ein w<strong>ich</strong>tiger Best<strong>an</strong>dteil.<br />

Aus dem deutschsprachigen Raum blickt<br />

m<strong>an</strong> mit einer gewissen Bewunderung auf die<br />

besondere Offenheit der Spiel- und Produktionsweisen<br />

des holländischen Theaters.<br />

2006/2007 Saison


Die Abwesenheit von historischen Stücken<br />

gibt natürl<strong>ich</strong> auch viel Freiheit. Bei<br />

<strong>uns</strong> ist seit 20 Jahren die Av<strong>an</strong>tgarde der<br />

Mainstream. Die Theaterl<strong>an</strong>dschaft ist<br />

aber extrem von kleinen Gruppen oder<br />

Einzelpersonen geprägt, die zum Teil sehr<br />

subjektive und experimentelle Ansätze<br />

verfolgen. Und davon gibt es hunderte.<br />

Das sind für s<strong>ich</strong> genommen oft sehr interess<strong>an</strong>te<br />

Arbeiten, im G<strong>an</strong>zen führt <strong>das</strong><br />

aber zu einer Zersplitterung und Kleinteiligkeit,<br />

die <strong>uns</strong> auf Dauer n<strong>ich</strong>t gut tut.<br />

Bei <strong>mir</strong> wächst in letzter Zeit <strong>das</strong> Bedürfnis<br />

nach einem Ort, wo s<strong>ich</strong> die Kräfte bündeln<br />

ließen, um dieser wünschenswerten<br />

Vielfalt etwas entgegensetzen zu können.<br />

Wollen Sie damit sagen, <strong>das</strong>s Sie finden,<br />

Holl<strong>an</strong>d brauche ein Nationaltheater?<br />

Ja. Aber n<strong>ich</strong>t, um auch eines zu haben,<br />

sondern um einen Raum zu schaffen, der<br />

zu einer völlig zersplitterten Theaterl<strong>an</strong>dschaft<br />

ein Gegengew<strong>ich</strong>t bietet und Arbeitsbedingungen<br />

zur Verfügung stellt, die die<br />

Abw<strong>an</strong>derung <strong>uns</strong>erer besten Regisseure ins<br />

Ausl<strong>an</strong>d eindämmt.<br />

Haben Sie <strong>als</strong> Schauspieler Shakespeare<br />

gespielt?<br />

Ja, mehrfach. Einmal, kurz nach der Schauspielschule,<br />

sogar »Sommernachtstraum«<br />

– da habe <strong>ich</strong> Demetrius oder Lys<strong>an</strong>der<br />

gespielt – <strong>ich</strong> weiß es, ehrl<strong>ich</strong> gesagt, n<strong>ich</strong>t<br />

mehr so genau. Inszeniert habe <strong>ich</strong> »Hamlet«,<br />

»Was ihr wollt« und eine Bearbeitung<br />

von »Wie es euch gefällt«. Und wir pl<strong>an</strong>en<br />

einen »König Lear«.<br />

Ist Shakespeare ein schwieriger Autor?<br />

Ja. M<strong>an</strong> muss versuchen, <strong>das</strong> herauszufiltern,<br />

was heute noch relev<strong>an</strong>t ist, was für heute<br />

noch gilt, ohne plakativ zu modernisieren.<br />

Es gibt vieles <strong>an</strong> Shakespeare, was wir n<strong>ich</strong>t<br />

mehr verstehen können, weil <strong>uns</strong> <strong>das</strong> Wissen<br />

fehlt, die Bezüge verloren geg<strong>an</strong>gen sind. Die<br />

symbolische Bedeutung der verschiedenen<br />

Blumen in Ophelias großem Monolog kennen<br />

wir einfach n<strong>ich</strong>t mehr. Das lässt s<strong>ich</strong><br />

<strong>an</strong> einem Theaterabend n<strong>ich</strong>t rückgängig<br />

machen und muss auch n<strong>ich</strong>t sein. Aber<br />

solche Schwierigkeiten werden mehr <strong>als</strong> aufgewogen<br />

durch die unheiml<strong>ich</strong> sp<strong>an</strong>nende<br />

Psychologie der Figuren. Das ist <strong>das</strong> Ent-<br />

scheidende, <strong>das</strong> muss m<strong>an</strong> versuchen s<strong>ich</strong>tbar<br />

Saison 2006/2007<br />

und erfahrbar zu machen. D<strong>an</strong>n ist er auch<br />

n<strong>ich</strong>t schwerer <strong>als</strong> <strong>an</strong>dere große Autoren.<br />

Trotzdem ist diesen Stücken doch immer<br />

abzulesen, <strong>das</strong>s sie für ein <strong>an</strong>deres Theater<br />

<strong>als</strong> <strong>das</strong> <strong>uns</strong>ere geschrieben sind, für eine<br />

<strong>an</strong>dere Architektur, ein <strong>an</strong>deres Zuschauerverhalten<br />

etc.<br />

In Shakespeares Theater wird sehr viel über<br />

die Sprache vermittelt. Den Sturm auf der<br />

Heide im »König Lear« k<strong>an</strong>n m<strong>an</strong> in den<br />

Vokalen des Monologs wüten hören. Die<br />

Sprachempfindl<strong>ich</strong>keit des Publikums dam<strong>als</strong><br />

war viel größer, viel re<strong>ich</strong>er. Aber <strong>das</strong><br />

k<strong>an</strong>n m<strong>an</strong> auch von den alten Griechen<br />

sagen. Wir müssen dafür eine neue Art des<br />

Sprechens erfinden. M<strong>an</strong> k<strong>an</strong>n <strong>das</strong> n<strong>ich</strong>t<br />

mehr rhetorisch spielen. Die Arbeit besteht<br />

darin, die Kraft und die Bildsprache der<br />

Rhetorik zu erhalten und gle<strong>ich</strong>zeitig die<br />

g<strong>an</strong>ze Psychologie rauszuholen. Eine Bal<strong>an</strong>ce<br />

zu finden zwischen Rhetorik, Psychologie<br />

und Identifikation.<br />

Bei aller Fremdheit haben wir einen n<strong>ich</strong>t<br />

unbeträchtl<strong>ich</strong>en Teil dessen, was wir<br />

heute über Menschen <strong>denke</strong>n, aus Shakespeares<br />

Stücken.<br />

Er hat s<strong>ich</strong> sehr stark auf die Antike bezogen,<br />

viele Themen zum Beispiel von Plutarch über-<br />

nommen und den Stoff s<strong>ich</strong> und den Menschen<br />

seiner Zeit neu erklärt. Da sind viele<br />

Grundmech<strong>an</strong>ismen schon <strong>an</strong>gelegt. So<br />

bezieht s<strong>ich</strong> »Hamlet« zum Beispiel g<strong>an</strong>z<br />

deutl<strong>ich</strong> auf die »Orestie« von Aischylos und<br />

ihre Konstellation. Shakespeare hat den <strong>an</strong>tiken<br />

Stoff neu übersetzt und die Frage gestellt:<br />

Wie sind diese Gesch<strong>ich</strong>ten zu erzählen,<br />

<strong>wenn</strong> m<strong>an</strong> n<strong>ich</strong>t mehr davon ausgehen k<strong>an</strong>n,<br />

<strong>das</strong>s ein metaphysisches System existiert, ein<br />

Schicksal, ein Götterhimmel, sondern die<br />

Menschen selber ver<strong>an</strong>twortl<strong>ich</strong> sind? Er ist<br />

<strong>als</strong>o seinen literarischen Vorlagen so begegnet,<br />

wie wir <strong>uns</strong> heute mit ihm ausein<strong>an</strong>dersetzen:<br />

in dem Bewusstsein eines großen Werts, einer<br />

w<strong>ich</strong>tigen, gültigen Überlieferung, aber unter<br />

geänderten Bedingungen. Heute tauchte<br />

auf der Pr<strong>ob</strong>e des ersten Akts die Frage auf:<br />

Ist <strong>das</strong> noch aktuell, <strong>das</strong>s ein Vater seiner<br />

Tochter eine Beziehung verbieten k<strong>an</strong>n und<br />

ihr bei Ungehorsam von Gesetz wegen die<br />

Todesstrafe droht? Ich habe gesagt: Lasst <strong>uns</strong><br />

einfach <strong>vor</strong>stellen, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> gilt – <strong>wenn</strong> m<strong>an</strong><br />

diese Spielregel, die Shakespeare aufstellt,<br />

<strong>Burgtheater</strong><br />

akzeptiert, findet m<strong>an</strong> plötzl<strong>ich</strong>, <strong>das</strong>s es vieles<br />

davon noch gibt: Es gibt den Tod noch immer.<br />

Es gibt noch die Unterdrückung der Frauen.<br />

Es kommt <strong>vor</strong>, <strong>das</strong>s Väter ihre Töchter n<strong>ich</strong>t<br />

loslassen. Wir halten <strong>uns</strong> für so demokratisch,<br />

aber in diesem absurden Gesetz, <strong>das</strong> ja auch<br />

zu Shakespeares Zeiten n<strong>ich</strong>t galt, sind viele<br />

Elemente enthalten, die weiterhin gelten.<br />

An Shakespeares Komödien werden häufig<br />

besonders die glückl<strong>ich</strong>en Ausgänge für<br />

pr<strong>ob</strong>lematisch gehalten.<br />

Shakespeare dekonstruiert die gesamten<br />

menschl<strong>ich</strong>en Verhältnisse und zeigt auch<br />

in den Komödien, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> eigentl<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t<br />

klappen k<strong>an</strong>n, <strong>das</strong> Happy End. Aber Komödien<br />

erfordern nun mal einen guten Ausg<strong>an</strong>g,<br />

und d<strong>an</strong>n lässt er eben einen Deus<br />

ex machina einschweben. Dass <strong>das</strong> niem<strong>als</strong><br />

glaubwürdig ist, war Shakespeare bewusst,<br />

davon bin <strong>ich</strong> überzeugt. Aber <strong>das</strong> macht<br />

<strong>das</strong> Leben ja auch: Wenn kein Happy End<br />

mögl<strong>ich</strong> ist, d<strong>an</strong>n machen wir <strong>uns</strong> eins. Mit<br />

den Kompromissen, die wir schließen.<br />

Das ist auch <strong>das</strong> Menschenwürdige <strong>an</strong> den<br />

glückl<strong>ich</strong>en Schlüssen. Also n<strong>ich</strong>t nur eine<br />

Forderung des Genres, der der D<strong>ich</strong>ter nolens<br />

volens nachkommt.<br />

Wir sehnen <strong>uns</strong> d<strong>an</strong>ach zu wissen, warum<br />

wir leben und worum es geht. Und <strong>ob</strong>wohl<br />

wir es n<strong>ich</strong>t wissen, tun wir so <strong>als</strong> <strong>ob</strong> und<br />

machen weiter. M<strong>an</strong> malt, komponiert oder<br />

schreibt, um ein Gefühl von Ordnung zu er-<br />

zeugen. Das Gefühl, <strong>das</strong>s es nur Widersprü-<br />

che gibt und n<strong>ich</strong>ts geht – dieses Gefühl muss<br />

m<strong>an</strong> in eine Form bringen.<br />

Das hat d<strong>an</strong>n letztl<strong>ich</strong> etwas Tröstl<strong>ich</strong>es.<br />

Ja. Wenn die Dinge zu einer Tr<strong>an</strong>sparenz<br />

gel<strong>an</strong>gen, <strong>wenn</strong> m<strong>an</strong> Schönheitserfahrungen<br />

macht, zu denen einem die K<strong>uns</strong>t verhelfen<br />

k<strong>an</strong>n, d<strong>an</strong>n ist <strong>das</strong> ein Trost.<br />

Ein Sommernachtstraum<br />

von William Shakespeare<br />

Regie: Theu Boerm<strong>an</strong>s<br />

Bühne: Bernhard Hammer<br />

Kostüme: Marion Münch<br />

Mit Andrea Clausen, Maria Happel, Pauline Knof,<br />

Adina Vetter, Bibi<strong>an</strong>a Zeller; Patrick O. Beck,<br />

Bernd Birkhahn, Karim Chérif, Philipp Hauß,<br />

Urs Hefti, H<strong>an</strong>s Dieter Knebel, Juergen Maurer,<br />

Udo Samel, Peter Simonischek, Joh<strong>an</strong>nes Terne<br />

H Premiere am 7. Jänner 2007<br />

im BURGTHEATER<br />

9


Akademietheater<br />

10<br />

Sachiko Hara und Herm<strong>an</strong>n Scheidleder<br />

Sachiko Hara, Sophie Rois und Caroline Peters<br />

D<strong>an</strong>iel Jesch und Caroline Peters<br />

Das purpurne Muttermal<br />

von René Pollesch<br />

René Pollesch ist seit seiner Ausze<strong>ich</strong>nung mit dem Mülheimer Dramatikerpreis<br />

(2001 und 2006) einer der gefragtesten deutschen Theatermacher.<br />

Für <strong>das</strong> <strong>Burgtheater</strong> schreibt und arbeitet Pollesch nun nach »Hallo Hotel<strong>…</strong>!«<br />

und »Häuser gegen Etuis« zum dritten Mal, auch dieses Mal kommt Sophie Rois<br />

wieder mit ihm nach Wien und erstmalig Martin Wuttke <strong>an</strong> die Burg.<br />

M: M<strong>an</strong> könnte meinen, <strong>ich</strong> wäre der Ehegatte,<br />

aber <strong>ich</strong> bin es n<strong>ich</strong>t. Ich bin zwar hier<br />

drin, aber wäre <strong>ich</strong> der Ehem<strong>an</strong>n, wäre <strong>ich</strong><br />

die Ruhe selbst, aber so bin <strong>ich</strong> der Andere,<br />

und deshalb schlägt mein Herz wie wild.<br />

Darüber hinaus hab <strong>ich</strong> aber keinen Anhaltspunkt,<br />

<strong>ob</strong> <strong>ich</strong> ihr Schoßhündchen oder<br />

ihr Geliebter bin. Ich bin jedenfalls immer<br />

der Andere! Ich muss dem Publikum sagen,<br />

nein, <strong>ich</strong> bin n<strong>ich</strong>t der Ehem<strong>an</strong>n! Es sieht<br />

zwar alles so aus, aber <strong>ich</strong> bin hier drin, im<br />

Haus, weil <strong>ich</strong> ihr Schoßhündchen bin! Und<br />

n<strong>ich</strong>t ihr Ehem<strong>an</strong>n. Das ist so schade. Ich<br />

bin so verwirrt. Wir können <strong>uns</strong> <strong>an</strong> n<strong>ich</strong>ts<br />

mehr halten. Wir können <strong>an</strong> der Länge<br />

eines Stammbaums n<strong>ich</strong>t mehr festmachen,<br />

<strong>ob</strong> es s<strong>ich</strong> bei <strong>uns</strong> um einen Hund oder um<br />

einen Menschen h<strong>an</strong>delt.<br />

S: (zu M) Ach Eve! Weißt du noch, <strong>als</strong> wir<br />

für m<strong>ich</strong> ein Geschenk gekauft haben, und<br />

du warst so zornig, weil es n<strong>ich</strong>t für d<strong>ich</strong><br />

war! Du hattest Tränen in den Augen, <strong>als</strong><br />

du es <strong>mir</strong> überre<strong>ich</strong>test! Weißt du noch?<br />

Und <strong>ich</strong> war g<strong>an</strong>z gerührt über soviel<br />

Zorn. Ich k<strong>an</strong>n nur n<strong>ich</strong>t davon erzählen!<br />

Wie soll m<strong>an</strong> <strong>das</strong> erzählen? Da kamen<br />

Dinge zusammen, die normalerweise ausein<strong>an</strong>dergehalten<br />

werden. Aber es gäbe<br />

soviel mehr Wissen auf der Welt, <strong>wenn</strong><br />

m<strong>an</strong> es n<strong>ich</strong>t diszipliniert. Und es könnte<br />

s<strong>ich</strong> <strong>vor</strong> <strong>uns</strong> beiden ausbreiten! M<strong>an</strong> wird<br />

durch die Disziplinierung des Wissens so<br />

enorm blockiert. Warum ist es n<strong>ich</strong>t frei?<br />

Frei wie ein Vogel! Warum ist es so gef<strong>an</strong>gen<br />

wie in diesem Befehl: Ein<strong>an</strong>der verstehen<br />

zu müssen! Das fesselt <strong>uns</strong> so <strong>an</strong> Ba-<br />

nalitäten. Ein<strong>an</strong>der zu verstehen! Es gibt<br />

n<strong>ich</strong>ts, was <strong>uns</strong> unglückl<strong>ich</strong>er macht, <strong>als</strong><br />

der W<strong>uns</strong>ch ein<strong>an</strong>der zu verstehen! Ist es<br />

n<strong>ich</strong>t viel vielversprechender, alles Wissen<br />

<strong>vor</strong> <strong>uns</strong> auszubreiten? Und dar<strong>an</strong> Gefühle<br />

zu koppeln, die nur <strong>uns</strong> rühren und niem<strong>an</strong>den<br />

sonst?<br />

M: Die Darstellung der inein<strong>an</strong>der verschlungenen<br />

Hände einer weißen Frau und<br />

eines afrik<strong>an</strong>ischen Affen ruft zw<strong>an</strong>gsläufig<br />

die Gesch<strong>ich</strong>te der rassistischen Ikonographie<br />

her<strong>vor</strong>. Und dieses Bild soll nun<br />

dafür herhalten, ein<strong>an</strong>der zu verstehen?!<br />

Gorillas im Nebel soll für die Hoffnung<br />

stehen, zwischen Kultur und Natur zu vermitteln?!<br />

ICH DENKE, NICHT!<br />

S: Ich liebe einen Schimp<strong>an</strong>sen! Was gibt’s<br />

denn da zu glotzen?! (zu M) J<strong>an</strong>e, <strong>das</strong> erklärt<br />

mein verliebtes Lächeln, <strong>wenn</strong> <strong>ich</strong><br />

versuche alles Wissen <strong>vor</strong> <strong>uns</strong> auszubreiten<br />

und für eine Liebe zu arbeiten, die s<strong>ich</strong> <strong>als</strong><br />

Liebe einfach n<strong>ich</strong>t erkennt.<br />

2006/2007 Saison


Martin Wuttke und Sophie Rois<br />

Stef<strong>an</strong> Wiel<strong>an</strong>d und Caroline Peters<br />

Sachiko Hara, Sophie Rois und Caroline Peters<br />

M: Aber <strong>ich</strong> bin Dr. J<strong>an</strong>e Goodall! Ich bin<br />

kein Schimp<strong>an</strong>se. Hier liegt eine Verwechslung<br />

<strong>vor</strong>. Andererseits, mein Hund hat einen<br />

längeren Stammbaum <strong>als</strong> <strong>ich</strong>. Die<br />

Grenze zwischen Mensch und Tier ist hier<br />

im Moment zieml<strong>ich</strong> durchtrieben.<br />

Ich k<strong>an</strong>n <strong>an</strong> ein ausgebreitetes Feld von<br />

Wissen <strong>vor</strong> <strong>uns</strong> Gefühle koppeln, <strong>an</strong> <strong>das</strong><br />

hochm<strong>ob</strong>ile Feld strategischer Differenzen,<br />

<strong>das</strong> <strong>ich</strong> bin und <strong>das</strong> du bist. Dar<strong>an</strong> k<strong>an</strong>n<br />

<strong>ich</strong> Gefühle koppeln, <strong>an</strong> dauernd versch<strong>ob</strong>ene<br />

Grenzen, <strong>an</strong> Paradoxien – die immer<br />

erscheinen, <strong>wenn</strong> wir Klarheit gewinnen<br />

wollen – und n<strong>ich</strong>t <strong>an</strong> diesen narrativen<br />

Sumpf von Liebe.<br />

S: Ich k<strong>an</strong>n n<strong>ich</strong>t mit Gesch<strong>ich</strong>ten operiern!<br />

Das gibt es n<strong>ich</strong>t <strong>als</strong> »Leben«, was wir<br />

sind. Und <strong>als</strong> eine Gesch<strong>ich</strong>te von Leben.<br />

Die Liebe <strong>als</strong> eine Gesch<strong>ich</strong>te k<strong>an</strong>n <strong>uns</strong> nur<br />

immer wieder sagen, <strong>das</strong>s wir Menschen<br />

sind. Alles <strong>an</strong>dere schreibt sie raus.<br />

M: Ich glaube, <strong>ich</strong> k<strong>an</strong>n riechen, <strong>das</strong>s du<br />

Saison 2006/2007<br />

was g<strong>an</strong>z <strong>an</strong>deres bist. Und vielle<strong>ich</strong>t sind<br />

wir schon Tiere, die versuchen soziale Beziehungen<br />

zu führn und n<strong>ich</strong>t dieser ewige<br />

ewige Mensch, dieser Dreck.<br />

C: Ich k<strong>an</strong>n d<strong>ich</strong> verstehen, weil wir keine<br />

einheitl<strong>ich</strong>en Subjekte sind, deshalb<br />

können wir Verbindungen mit <strong>an</strong>deren<br />

eingehen. Ich k<strong>an</strong>n d<strong>ich</strong> lieben, weil <strong>ich</strong><br />

ein Feld von Wissen <strong>vor</strong> <strong>uns</strong> ausbreite.<br />

Das ist die Liebe, die s<strong>ich</strong> <strong>als</strong> Liebe<br />

n<strong>ich</strong>t erkennt. Wie s<strong>ich</strong> <strong>das</strong> Gelbe Trikot<br />

n<strong>ich</strong>t erkennt <strong>als</strong> Technologie, sondern<br />

versucht, Biologie zu performen.<br />

Dieses Miststück. Warum bist du n<strong>ich</strong>t<br />

hier bei <strong>mir</strong>. Du Null. Du hochm<strong>ob</strong>iles<br />

Feld strategischer Differenzen. Warum<br />

k<strong>an</strong>n <strong>ich</strong> lächeln? Warum diese deplatzierte<br />

Reaktion auf <strong>uns</strong>ere Liebe? Weil<br />

<strong>ich</strong> d<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t entdeckt habe. Wie sonst<br />

eine neue Form von Bakterie entdeckt<br />

wird, die es aber schon Milliarden Jahre<br />

gibt und die längst ihre eigene soziale<br />

Welt konstruiert hat.<br />

Akademietheater<br />

M: (beiseite) Bakterien? Bakterien. Bakterien...<br />

Wie meint sie <strong>das</strong>? Wie meint sie<br />

<strong>das</strong>? Ich weiß, <strong>ich</strong> bin n<strong>ich</strong>t ihr Ehem<strong>an</strong>n,<br />

<strong>ich</strong> bin der Andere! Aber doch n<strong>ich</strong>t so <strong>an</strong>ders<br />

wie eine Bakterie! Wie spr<strong>ich</strong>t sie mit<br />

der? Wie sehen ihre Abende aus mit Bakterien?<br />

Bei Kerzenschein... Sehn sie s<strong>ich</strong> verliebt<br />

in die Augen? Wie würden sie mitein<strong>an</strong>der<br />

reden? Die beiden?<br />

René Pollesch<br />

Das purpurne Muttermal<br />

von René Pollesch<br />

Regie: René Pollesch<br />

Bühne: Bert Neum<strong>an</strong>n<br />

Kostüme: J<strong>an</strong>ina Audick<br />

Video: Meika Dresenkamp<br />

Mit Sachiko Hara, Caroline Peters, Sophie Rois;<br />

D<strong>an</strong>iel Jesch, Herm<strong>an</strong>n Scheidleder, Stef<strong>an</strong><br />

Wiel<strong>an</strong>d, Martin Wuttke<br />

H Premiere / Uraufführung am 26. November<br />

2006 im AKADEMIETHEATER<br />

11


Kasino<br />

12<br />

Könnte Medea meine Frau sein?<br />

Ein Gespräch mit Grzegorz Jarzyna während der Baupr<strong>ob</strong>e<br />

für »Ein MEdEa-Projekt« im Kasino<br />

Regisseur Grzegorz Jarzyna und Bühnen- und Kostümbildnerin Magda Maciejewska<br />

GRZEGORZ JARZYNA, 1968 in Chorzow geboren, ist einer der w<strong>ich</strong>tigsten Theaterregisseure<br />

der jüngeren Generation in Polen. Er studierte Philosophie und ab 1993 Regie <strong>an</strong><br />

der Staatl<strong>ich</strong>en Theaterhochschule in Krakau. Seit 1998 ist er künstlerischer Direktor des<br />

TR Warszawa, einem der innovativsten Theater in Polen.<br />

Im deutschsprachigen Raum wurde er <strong>vor</strong> allem durch Gastspiele bek<strong>an</strong>nt, z.B. seiner Bühnenadaptionen<br />

von »Doktor Faustus« (1999 beim Festival »Theater der Welt« in Berlin)<br />

und Thomas Vinterbergs »Das Fest« (2002 bei den Wiener Festwochen).<br />

»Ein Charakteristikum des Theaters von Grzegorz<br />

Jarzyna besteht im Zurückgreifen auf Ze<strong>ich</strong>en<br />

und Symbole der Massenkultur, auf ihre Stereotype,<br />

Klischees und Schemata, die, konfrontiert mit dem<br />

Grauen des Unerkennbaren, ihr groteskes Antlitz<br />

zeigen.«<br />

Piotr Gruszczynski<br />

Sie sagten einmal, »Medea« zu inszenieren,<br />

<strong>das</strong> bedeute für Sie, s<strong>ich</strong> wieder einer<br />

»alten Liebe« zuzuwenden <strong>…</strong><br />

Mit der Liebe ist es so: Sie überfordert<br />

m<strong>ich</strong> immer wieder, deshalb bleibt sie<br />

auch immer eine Herausforderung für<br />

m<strong>ich</strong>. Und genau diese Herausforderung<br />

suche <strong>ich</strong> im Leben; ja genauso, wie <strong>ich</strong><br />

eine Überforderung in der arbeit suche.<br />

Medea ist ein Mythos, der bis heute existiert<br />

und m<strong>ich</strong> beschäftigt. Er lebt n<strong>ich</strong>t<br />

nur in der <strong>an</strong>tike, sondern er ist gegenwärtig.<br />

Ich möchte sogar behaupten, <strong>das</strong>s<br />

dieser Mythos ein archetypus ist, der in<br />

Zyklen immer wiederkehrt und bei verschiedenen<br />

autoren und unterschiedl<strong>ich</strong>en<br />

Zeiten präsent ist. <strong>das</strong> bedeutet für m<strong>ich</strong>,<br />

<strong>das</strong>s in diesem Mythos ein Urelement des<br />

Menschen verborgen sein muss.<br />

2006/2007 Saison


Was m<strong>ich</strong> <strong>an</strong> dem Medea-Mythos interessiert,<br />

ist, <strong>das</strong>s wir über Kräfte verfügen,<br />

die <strong>uns</strong> selbst n<strong>ich</strong>t bewusst sind. <strong>das</strong><br />

heißt, wir sind fähig zu g<strong>an</strong>z radikalen<br />

Taten, <strong>wenn</strong> die Umstände es bedingen.<br />

Interess<strong>an</strong>terweise wird Medea erst bei<br />

Euripides, <strong>als</strong>o durch einen Dramatiker,<br />

zu dem, was m<strong>an</strong> bis heute mit ihrem<br />

Namen assoziiert – zur Mörderin ihrer<br />

eigenen Kinder. Die Figur und ihre Tat<br />

beschäftigen bis heute zahllose Künstler.<br />

So gibt es über 20 dramatische Bearbeitungen<br />

des Stoffes und Filme u.a. von<br />

Pier Paolo Pasolini, Lars von Trier und<br />

Theo v<strong>an</strong> Gogh. Aber auch viele bildende<br />

Künstler haben s<strong>ich</strong> mit Medea ausein<strong>an</strong>dergesetzt.<br />

Was fasziniert Sie <strong>an</strong> dieser<br />

Mutter, die ihre Kinder umbringt?<br />

Wenn m<strong>an</strong> <strong>an</strong> die eigene arbeit denkt,<br />

würde m<strong>an</strong> gerne die Kinder verschonen;<br />

<strong>wenn</strong> m<strong>an</strong> s<strong>ich</strong> l<strong>an</strong>ge mit dem Mythos beschäftigt,<br />

so gel<strong>an</strong>gt m<strong>an</strong> hier <strong>an</strong> <strong>das</strong> Ende<br />

der eigenen Vorstellungskraft. Und <strong>das</strong> ist<br />

genau die Kraft dieses dramas, weil es unbegreifl<strong>ich</strong><br />

bleibt. Genau der Mord ist der<br />

Punkt, den <strong>ich</strong> <strong>mir</strong> unmögl<strong>ich</strong> <strong>vor</strong>stellen<br />

k<strong>an</strong>n, und <strong>das</strong> fasziniert m<strong>ich</strong> sehr.<br />

Alle dramatischen Bearbeitungen des<br />

Mythos setzen unterschiedl<strong>ich</strong>e Schwerpunkte.<br />

Und Medea ist eine <strong>an</strong>dere bei<br />

Euripides oder Seneca oder Fr<strong>an</strong>z Grillparzer<br />

oder H<strong>an</strong>s Henny Jahnn. Warum<br />

wollten Sie gemeinsam mit dem jungen<br />

polnischen Dramatiker M<strong>ich</strong>ał Walczak<br />

eine neue Medea schreiben?<br />

die meisten Bearbeitungen beschäftigen<br />

s<strong>ich</strong> mit dem politischen Kontext des dramas,<br />

wie zum Beispiel die Verfilmung von<br />

Theo v<strong>an</strong> Gogh, oder mit den äußeren<br />

Umständen, in die Medea verstrickt ist.<br />

M<strong>ich</strong> interessiert am meisten <strong>das</strong> Psychogramm<br />

einer Mörderin. Ich will sie weder<br />

beurteilen, noch entschuldigen, sondern<br />

<strong>ich</strong> will untersuchen, was im Inneren<br />

des Menschen <strong>vor</strong>geht, der s<strong>ich</strong> plötzl<strong>ich</strong><br />

in einem dunklen Tunnel befindet oder<br />

am abgrund steht. Was ist der auslöser,<br />

was befähigt <strong>uns</strong>, die verborgene, ungeahnte<br />

Grenze zu überschreiten? Ich glaube,<br />

es passiert einfach, m<strong>an</strong> geht Schritt<br />

für Schritt in diesen Tunnel hinein und<br />

steht von dunkelheit umgeben, völlig ver-<br />

Saison 2006/2007<br />

loren da. Ich will erforschen – wertfrei erforschen,<br />

unabhängig von äußeren und<br />

politischen Umständen – und zeigen, <strong>das</strong>s<br />

jeder von <strong>uns</strong> fähig ist zu töten.<br />

Bei allen <strong>an</strong>deren Bearbeitungen des Mythos<br />

kamen <strong>mir</strong> die Frauen n<strong>ich</strong>t nah genug,<br />

sie waren n<strong>ich</strong>t modern, n<strong>ich</strong>t heutig<br />

genug. Ich war n<strong>ich</strong>t in der Lage, diese<br />

Figur <strong>an</strong>zufassen. Ich will <strong>mir</strong> <strong>vor</strong>stellen<br />

können, <strong>das</strong>s diese Medea meine Frau sein<br />

könnte oder jem<strong>an</strong>d, der <strong>mir</strong> sehr nahe<br />

steht. Euripides z.B. zeigt <strong>uns</strong> <strong>das</strong> Motiv<br />

der Rache und <strong>das</strong> Einwirken der äußeren<br />

Kräfte, <strong>ich</strong> aber möchte ein unmittelbarer<br />

Zeuge des Veränderungsprozesses sein. Es<br />

muss m<strong>ich</strong> betreffen.<br />

Medea soll <strong>uns</strong>ere Zeitgenossin sein?<br />

Ja, unbedingt.<br />

Das Theater braucht zeitgenössische<br />

Texte, um <strong>uns</strong>ere Zeit zu reflektieren. Das<br />

ist ein Punkt. Auf der <strong>an</strong>deren Seite heißt<br />

es aber auch, <strong>das</strong>s ein Mythos, je öfter<br />

m<strong>an</strong> ihn wiedererzählt, auch verblasst, er<br />

seine Kraft einbüßt <strong>…</strong><br />

Mein St<strong>an</strong>dpunkt ist, <strong>das</strong>s m<strong>an</strong> den Mythos<br />

nur in einem Mitmenschen aufspüren<br />

k<strong>an</strong>n. Es ist doch immer schwer, s<strong>ich</strong><br />

in die Verg<strong>an</strong>genheit zu versetzen und –<br />

speziell in der <strong>an</strong>tiken Mythologie – die<br />

religiösen Motive in die heutige Welt zu<br />

tr<strong>an</strong>sferieren. Es bleibt <strong>als</strong>o nur ein Weg:<br />

Einen konkreten Menschen zu untersuchen,<br />

besser gesagt, ihn sinnl<strong>ich</strong> zu erfassen.<br />

M<strong>an</strong> k<strong>an</strong>n n<strong>ich</strong>t nur die inneren<br />

Parameter des Mythos übertragen – und<br />

deshalb verwischt s<strong>ich</strong> dieser Mythos auch<br />

für m<strong>ich</strong>, sondern <strong>ich</strong> will eine Figur r<strong>ich</strong>tig<br />

erspüren. Ich will mit dieser Mörderin<br />

tägl<strong>ich</strong> zusammen sein. Ich will m<strong>ich</strong> ihrer<br />

Tat mit allen Sinnen nähern.<br />

Wenn Sie sagen, es sei auch <strong>das</strong> Psychogramm<br />

einer Mörderin, d<strong>an</strong>n wirft <strong>das</strong><br />

die Frage auf: Welche Moral steht hinter<br />

Ihrer Bearbeitung? Für wen ergreifen Sie<br />

Partei?<br />

Kasino<br />

Wie <strong>ich</strong> bereits gesagt habe, es ist <strong>mir</strong><br />

w<strong>ich</strong>tig, sie n<strong>ich</strong>t zu beurteilen. Und <strong>ich</strong><br />

maße <strong>mir</strong> kein moralisches Urteil <strong>an</strong>. Ich<br />

hoffe, <strong>das</strong>s es <strong>mir</strong> gelingt, sie so zu durchleuchten<br />

und zu <strong>an</strong>alysieren, <strong>das</strong>s <strong>ich</strong> sie<br />

am Ende verstehen k<strong>an</strong>n. Vielle<strong>ich</strong>t wird<br />

d<strong>an</strong>n die nächste Katastrophe zu vermeiden<br />

sein.<br />

Ich will mit dieser Mörderin tägl<strong>ich</strong> zusammen sein.<br />

Ich will m<strong>ich</strong> ihrer Tat mit allen Sinnen nähern.<br />

K<strong>an</strong>n m<strong>an</strong> Medea überhaupt verstehen?<br />

M<strong>an</strong> k<strong>an</strong>n ihre Situation verstehen, s<strong>ich</strong> in<br />

ihre Lage hineinversetzen. M<strong>an</strong> k<strong>an</strong>n aber<br />

mit der Tat n<strong>ich</strong>t einverst<strong>an</strong>den sein, auch<br />

n<strong>ich</strong>t, <strong>wenn</strong> m<strong>an</strong> die letzte Konsequenz in<br />

der Entwicklung der Gesch<strong>ich</strong>te rationell<br />

nachvollziehen k<strong>an</strong>n. da sind wir wieder<br />

am <strong>an</strong>f<strong>an</strong>g: <strong>an</strong> diesem Punkt beginnt <strong>das</strong><br />

Unbegreifl<strong>ich</strong>e, <strong>das</strong> abscheul<strong>ich</strong>e.<br />

Sie würden sagen, <strong>das</strong>s Medea unter <strong>uns</strong><br />

lebt?<br />

Ja, sie ist unter <strong>uns</strong>.<br />

Würden Sie Ihre Tochter »Medea« nennen?<br />

Nein, meine Tochter würde <strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t<br />

Medea nennen. aber in Georgien gibt es<br />

Frauen und Mädchen, die diesen Namen<br />

tragen.<br />

Das Gespräch führte Andreas Beck, Übersetzung<br />

aus dem Polnischen: Rita Czapka.<br />

Ein MEDEA-Projekt<br />

von Grzegorz Jarzyna<br />

Mitarbeit: M<strong>ich</strong>ał Walczak<br />

deutsch von Olaf Kühl<br />

Regie: Grzegorz Jarzyna<br />

ausstattung: Magda Maciejewska<br />

Video: Bartek Macias<br />

L<strong>ich</strong>t: Jaqueline S<strong>ob</strong>iszewska<br />

Musik: Jacek Grudzien, Piotr domnski<br />

Mit Barbara Petritsch, Sylvie Rohrer,<br />

Mareike Sedl; M<strong>ich</strong>ael Gempart, Ronald K.<br />

Hein, Rol<strong>an</strong>d Koch, Wolfg<strong>an</strong>g M<strong>ich</strong>ael<br />

H Premiere / Uraufführung<br />

am 30. dezember 2006 im KaSINO<br />

13


Kasino<br />

14<br />

Dunkel lockende Welt<br />

Händl Klaus ist Dramatiker des Jahres 2006. Die gle<strong>ich</strong>e Kritikerumfrage hatte ihn<br />

zwei Jahre zu<strong>vor</strong> schon <strong>als</strong> Nachwuchsdramatiker ausgerufen. Und tatsächl<strong>ich</strong> darf<br />

der junge Tiroler Autor <strong>als</strong> einer der auffälligsten und eigenständigsten Dramatiker<br />

gelten, die <strong>das</strong> deutschsprachige Theater derzeit hat. Diesmal wurde er ausgeze<strong>ich</strong>net<br />

für sein Stück »Dunkel lockende Welt«, dessen österre<strong>ich</strong>ische Erstaufführung<br />

am 30. November 2006 unter der Regie von Tom Kühnel im Kasino stattfindet.<br />

Das Stück beginnt mit einem Abschied. Corinna Schneider übergibt ihre Wohnung.<br />

Ein letztes Gespräch mit dem Vermieter. Der zeigt s<strong>ich</strong> sehr interessiert, doch wor<strong>an</strong>?<br />

Da findet s<strong>ich</strong> plötzl<strong>ich</strong> eine kleine abgetrennte menschl<strong>ich</strong>e Zehe, die beim Putzen<br />

übersehen wurde. Das Stück spielt mit dem Genre des Krimis – <strong>an</strong> der Oberfläche.<br />

Doch eigentl<strong>ich</strong> geht es um Abwesenheit und um eine Sprache, die s<strong>ich</strong> aus dieser<br />

Abwesenheit nährt. Mit ihr umzugehen ist die Herausforderung, denn Händl Klaus<br />

ist ein Sprachkünstler. Der Anf<strong>an</strong>g eines Porträts.<br />

Die eigentl<strong>ich</strong>e Versuchung des <strong>denke</strong>nden<br />

Menschen sei die, zu verstummen,<br />

schrieb Elias C<strong>an</strong>etti. Händl Klaus’ Figu-<br />

ren reden, sie reden viel – es scheint:<br />

gerade eingedenk dieses Diktums, aus<br />

Trotz, so <strong>als</strong> würden sie mit ihrer Redseligkeit<br />

dieser Versuchung entkommen<br />

wollen, s<strong>ich</strong> <strong>vor</strong> dem endgültigen Verstummen<br />

auch, dem Tod, schützen wollen.<br />

Demonstrativ verw<strong>an</strong>deln sie ihre<br />

Lebendigkeit in Worte und Sätze, atemlos<br />

mitunter, d<strong>an</strong>n stockend, tastend den<br />

Rändern entl<strong>an</strong>g. Denn die, die da reden,<br />

wissen, <strong>das</strong>s die Sprache nur eine Krücke<br />

ist, die n<strong>ich</strong>t her<strong>an</strong>re<strong>ich</strong>t <strong>an</strong> <strong>das</strong>, was gesagt<br />

werden möchte und müsste, <strong>an</strong> <strong>das</strong>,<br />

von dem womögl<strong>ich</strong> nur eine unbestimmte<br />

Ahnung besteht. So empfindet denn<br />

auch Händl Klaus selbst sein Schreiben<br />

<strong>als</strong> »Stümperei, <strong>als</strong> ein einziges Scheitern.<br />

Was d<strong>an</strong>n am Ende da steht, sind doch<br />

alles nur Hilfskonstruktionen.« Er lacht,<br />

<strong>wenn</strong> er <strong>das</strong> sagt und meint es ernst. Dem<br />

Scheitern ist n<strong>ich</strong>t auszuwe<strong>ich</strong>en. Die<br />

Unzulängl<strong>ich</strong>keit der Sprache bedingt<br />

es. Aber in dieser Unzulängl<strong>ich</strong>keit sieht<br />

Händl Klaus zugle<strong>ich</strong> ihr kapitales Vermögen,<br />

denn in ihr und durch sie wird<br />

zu allererst die Differenz s<strong>ich</strong>tbar. Die<br />

Sprache ist der Ort, von dem aus s<strong>ich</strong> auf<br />

Unsagbares verweisen lässt. Außerdem<br />

– und <strong>das</strong> ist vielle<strong>ich</strong>t zunächst w<strong>ich</strong>tiger<br />

für den Dramatiker Händl – k<strong>an</strong>n<br />

<strong>das</strong> Unvermögen der Sprache auch eine<br />

Gnade sein, denn sie erlaubt die Flucht<br />

ins Missverständnis, hinter dem es s<strong>ich</strong><br />

verstecken oder gar verschwinden lässt.<br />

Gerade <strong>das</strong> Ungefähre der Sprache, die<br />

Bedeutungsambivalenzen sind es denn<br />

auch, die s<strong>ich</strong> Händls Figuren in »Dun-<br />

kel lockende Welt« zunutze machen. Sie<br />

verwenden sie wie Schutzschilde und wie<br />

Pfeile, sie stellen mit ihnen ein<strong>an</strong>der Fallen<br />

und bauen behelfsmäßige Brücken,<br />

sie üben mit ihnen die Annäherung und<br />

schaffen s<strong>ich</strong> durch sie Dist<strong>an</strong>z, sie legen<br />

Spuren und verwischen sie. Vielle<strong>ich</strong>t, so<br />

scheint es m<strong>an</strong>chmal, verleihen diese Uneindeutigkeiten<br />

seinen Figuren überhaupt<br />

erst den Mut, mitein<strong>an</strong>der zu reden, den<br />

ersehnten und zugle<strong>ich</strong> gefürchteten sozialen<br />

Kontakt zu wagen, diese soziale<br />

Reibung, die Wärme erzeugt – zumindest<br />

auf Zeit.<br />

Die Mitteilungen, die ein<strong>an</strong>der gemacht<br />

werden, tr<strong>an</strong>sportieren s<strong>ich</strong> dabei weniger<br />

in dem, was gesagt wird, sondern im<br />

Wie, zum Beispiel über den Kl<strong>an</strong>g, den<br />

es erzeugt. In ihm vermag Wahrhaftiges<br />

tatsächl<strong>ich</strong> für Momente aufzuscheinen.<br />

Händl Klaus’ Sprache lässt s<strong>ich</strong> daher<br />

auch <strong>als</strong> Musik beschreiben, <strong>als</strong> Musik,<br />

die s<strong>ich</strong> versteht <strong>als</strong> Konfiguration bewegter<br />

Worte. Es ist kein K<strong>uns</strong>tgriff, dessen er<br />

s<strong>ich</strong> da bedient, keine Attitüde, sondern<br />

eine elementare Potenz der Sprache. Denn<br />

die Rhythmisierungen, die dieser Autor in<br />

seinen Texten <strong>vor</strong>nimmt, eröffnen oftm<strong>als</strong><br />

etwas, <strong>das</strong> außerhalb der Abs<strong>ich</strong>t st<strong>an</strong>d,<br />

mit der er s<strong>ich</strong> <strong>an</strong> den Schreibtisch setzte,<br />

etwas, <strong>das</strong> er in der »normalen«, ungesetzten<br />

Sprache übergehen würde. Es entstehen<br />

Spitzen und Auslassungen, in denen<br />

<strong>das</strong> eigentl<strong>ich</strong>e Kraftfeld des Textes verborgen<br />

ist, wo dieses Etwas, <strong>das</strong> s<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t direkt<br />

benennen lässt, hockt, kauert, haust.<br />

Händl Klaus arbeitet l<strong>an</strong>ge <strong>an</strong> seinen<br />

Texten. Es braucht seine Zeit, bis sie<br />

zu ihrer eigenen Sprache gel<strong>an</strong>gen, bis<br />

sie »bei s<strong>ich</strong> sind«, wie er es nennt.<br />

L<strong>an</strong>ge hat er gewartet, bis er <strong>vor</strong> nunmehr<br />

zwölf Jahren einen ersten Text<br />

der Veröffentl<strong>ich</strong>ung <strong>an</strong>bot, eine kleine<br />

Gesch<strong>ich</strong>te, »Bewahren«, die, wie ihm<br />

schien, einen Eigengeschmack entwi-<br />

ckelt hatte. Er schickte sie <strong>an</strong>s Literarische<br />

Quartier Alte Schmiede, wurde<br />

zu einer Lesung eingeladen und von<br />

Rainer Götz, dem Lektor des Grazer<br />

Verlags Droschl, gefragt, <strong>ob</strong> er noch<br />

mehr Texte hätte, aus denen s<strong>ich</strong> ein<br />

Buch machen ließe. Händl Klaus hatte<br />

n<strong>ich</strong>ts, doch bekam er zwei Jahre Zeit.<br />

Entst<strong>an</strong>den ist ein wunderschöner B<strong>an</strong>d<br />

mit dem bescheiden in Klammern gesetzten<br />

Titel »(Legenden)«, 35 kurze,<br />

zum Teil g<strong>an</strong>z kurze Gesch<strong>ich</strong>ten, die<br />

die Abgründe der Normalität ausloten,<br />

befremdl<strong>ich</strong>, eigen, mit einer sehr<br />

eigenen Sprache, die durch ihre Einfachheit<br />

bestach (ohne s<strong>ich</strong> mit dieser<br />

Einfachheit aufzuplustern) und einen<br />

so besonderen, ungek<strong>an</strong>nten Ton <strong>an</strong>schlug,<br />

<strong>das</strong>s Händl Klaus dafür mit einem<br />

Schlag den R<strong>ob</strong>ert-W<strong>als</strong>er-Preis,<br />

den Rauriser Literaturpreis und ein Stipendium<br />

am Literarischen Colloquium<br />

Berlin erhielt.<br />

2006/2007 Saison


Ursprüngl<strong>ich</strong> war Händl für eine<br />

Schauspielausbildung von Innsbruck<br />

nach Wien gekommen. Er wurde <strong>an</strong><br />

H<strong>an</strong>s Gratzers Schauspielhaus engagiert<br />

und spielte in Filmen von Jessica Hausner,<br />

Urs Egger und M<strong>ich</strong>ael H<strong>an</strong>eke.<br />

Nun überwog aber <strong>das</strong> Schreiben – w<strong>ob</strong>ei<br />

<strong>das</strong> Theater <strong>als</strong> Sp<strong>an</strong>nungsfeld blieb.<br />

Sein erster Theatertext hieß »Ich ersehne<br />

die Alpen; so entstehen die Seen« –<br />

ein Doppelmonolog, den er für Olivia<br />

Grigolli und Bruno Cathomas schrieb.<br />

Die szenische Anweisung lautet: »Am<br />

Fuß einer L<strong>an</strong>dschaft mit Toten spr<strong>ich</strong>t<br />

Olivia. Bruno w<strong>an</strong>dert und stolpert; er<br />

stößt auf einige Tote, die er am Ende<br />

versenkt.« Tote und Verschwundene<br />

spielen in den Texten von Händl Klaus<br />

eine große Rolle. Vielle<strong>ich</strong>t, weil es<br />

diejenigen sind, die die Kommunikation<br />

abgebrochen haben und deren Schweigen<br />

zuweilen die L<strong>an</strong>dschaft der Lebendigen<br />

zu überfluten droht.<br />

Der zweite Theatertext hatte den Titel<br />

»(Wilde) – M<strong>an</strong>n mit traurigen Augen«.<br />

Es ist die Gesch<strong>ich</strong>te eines M<strong>an</strong>nes,<br />

genauer eines Arztes ohne Grenzen, der<br />

bei seiner Heimkehr wegen unerträgl<strong>ich</strong>er<br />

Hitze in Atemnot gerät, aus dem<br />

Zug flieht und s<strong>ich</strong> <strong>an</strong> einem seltsam<br />

verwaist wirkenden Un-Ort wieder findet,<br />

näml<strong>ich</strong> in Neumünster <strong>an</strong> der Lau<br />

– und dort sehr schnell in befremdl<strong>ich</strong>er<br />

Gesellschaft.<br />

»Dunkel lockende Welt« ist sein drittes<br />

Theaterstück (ein viertes schreibt er<br />

derzeit für <strong>das</strong> <strong>Burgtheater</strong>). Befragt<br />

nach dem Thema, kommt die Antwort<br />

prompt: Abwesenheit. Sie ist die Ladung<br />

dieses Textes. Jeder seiner Texte<br />

hat eine Grundladung, die er s<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t<br />

Saison 2006/2007<br />

wählt, sondern die ihn <strong>an</strong>fliegt. Es gibt<br />

einen Anf<strong>an</strong>g, einen ersten Absatz – und<br />

auch der lässt s<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t herbeiführen,<br />

sondern muss kommen, unbewusst.<br />

Daraus leitet s<strong>ich</strong> jeweils die Form des<br />

G<strong>an</strong>zen ab. Diesem Absatz hört er nach<br />

und beginnt mit vielen Umwegen und<br />

Verwerfungen seinen Text zu bauen.<br />

Bauen ist tatsächl<strong>ich</strong> der r<strong>ich</strong>tige Ausdruck.<br />

Denn Händls Schreiben gle<strong>ich</strong>t<br />

einem architektonischen Akt. Seine<br />

Texte gle<strong>ich</strong>en Häusern, deren Wände<br />

immer wieder eingerissen und umgebaut<br />

Händl Klaus<br />

werden, in denen s<strong>ich</strong> beständig neue<br />

(Bedeutungs-)Räume auftun, aus denen<br />

n<strong>ich</strong>t selten der Rückweg versperrt bleibt<br />

und Löcher im Boden die Untiefen<br />

offenbaren, die die Ambivalenzen der<br />

Sprache bereit halten. Die Textbewegung<br />

verläuft labyrinthisch und löst<br />

beim Leser und Zuschauer eine ver<strong>uns</strong><strong>ich</strong>ernde<br />

Wahrnehmungsverschiebung<br />

aus. N<strong>ich</strong>t zufällig ließ s<strong>ich</strong> Händl<br />

Klaus auch für sein zweites Stück von<br />

dem bildenden Künstler Gregor Schneider<br />

und dessen K<strong>uns</strong>twerk »Totes Haus<br />

u r« inspirieren, diesem <strong>uns</strong>cheinbaren<br />

elterl<strong>ich</strong>en Wohnhaus des Künstlers in<br />

Mönchengladbach-Rheydt, <strong>das</strong> er immer<br />

wieder umbaut, Wände <strong>vor</strong> Wände<br />

setzt, Türen einbaut, die in Sackgassen<br />

münden, Fenster vermauert und <strong>an</strong><br />

<strong>an</strong>derer Stelle öffnet, doppelte Böden<br />

einzieht, so <strong>das</strong>s <strong>das</strong> Vertraute für den<br />

Besucher plötzl<strong>ich</strong> ins Unbek<strong>an</strong>nte,<br />

Unheiml<strong>ich</strong>e kippt. Zu einem Motiv<br />

geronnen, kehrt dieses »Haus u r«<br />

auch in »Dunkel lockende Welt« wieder,<br />

doch ist die Schwelle hier entscheidender,<br />

die Schwelle, diese Todesmetapher<br />

auch, dieses unverz<strong>ich</strong>tbare<br />

Kasino<br />

Element menschl<strong>ich</strong>er Raumordnung,<br />

<strong>das</strong> Innen von Außen, Oben und Unten,<br />

aber auch Vorher und Nachher trennt.<br />

Und vielle<strong>ich</strong>t noch entscheidender und<br />

damit verbunden geht es in »Dunkel<br />

lockende Welt« um Stärkegewinnung,<br />

Stärkebildung, <strong>das</strong> heißt um n<strong>ich</strong>ts weniger<br />

<strong>als</strong> um die Grundlage <strong>uns</strong>erer<br />

Existenz und um den ernsthaften Versuch,<br />

diese zu erfassen. »M<strong>an</strong> l<strong>an</strong>det«,<br />

sagt Händl Klaus, »ja doch zuverlässig<br />

bei den Fragen: Woher kommen<br />

wir? Wer sind wir? Wohin gehen wir?<br />

Eigentl<strong>ich</strong> erledigt dieser Satz, ebenso<br />

wie er her<strong>vor</strong>ruft, alles, was gespielt,<br />

geschrieben und gesungen wird.« Das<br />

wäre ein schöner Schlusssatz, doch<br />

leider ist m<strong>an</strong> durch ihn n<strong>ich</strong>t entlassen.<br />

Das sagt Händl Klaus auch.<br />

W<strong>ich</strong>tig scheint (mindestens) noch eines:<br />

Händl Klaus’ Texte rufen nach Ver-<br />

stimml<strong>ich</strong>ung, doch was herbeigerufen<br />

wird, ist zugle<strong>ich</strong> ein drohender Verlust.<br />

Denn in der Verstimml<strong>ich</strong>ung, in<br />

jeder Entscheidung für eine Betonung,<br />

liegt die Gefahr, die Spiegelges<strong>ich</strong>te der<br />

Sprache, denen s<strong>ich</strong> Händl Klaus <strong>an</strong>vertraut<br />

und mit ihnen zu spielen weiß,<br />

zum Erlöschen zu bringen und den graphischen<br />

Raum, den <strong>das</strong> Schriftbild <strong>als</strong><br />

bedeutsame Ze<strong>ich</strong>nung in s<strong>ich</strong> trägt,<br />

zum Verblassen. Doch ist es wohl gerade<br />

diese <strong>als</strong> Risiko eingeg<strong>an</strong>gene Sp<strong>an</strong>nung<br />

zwischen Schrift und Rede, die diese<br />

Texte zum Flirren bringen und die es<br />

verbieten, sie <strong>als</strong> Sprachk<strong>uns</strong>twerk zu<br />

zelebrieren, sondern einfordern, Menschen<br />

in ihrem schweißtreibenden Versuch<br />

zu zeigen, damit umzugehen, mitein<strong>an</strong>der<br />

zu kommunizieren oder eben<br />

– weit öfter – ein<strong>an</strong>der auszuwe<strong>ich</strong>en.<br />

Judith Gerstenberg<br />

Dunkel lockende Welt<br />

von Händl Klaus<br />

Regie: Tom Kühnel<br />

Bühne: Etienne Pluss<br />

Kostüme: Nina Wetzel<br />

Mit Regina Fritsch, Libgart Schwarz;<br />

Joh<strong>an</strong>n Adam Oest<br />

H Premiere / Österre<strong>ich</strong>ische Erstaufführung<br />

am 30. November 2006 im Kasino<br />

Im Anschluss <strong>an</strong> die Vorstellung am 2. Dezember 2006<br />

findet ein Publikumsgespräch mit dem Autor statt.<br />

15


Das wundervolle Zwischending<br />

von Martin Heckm<strong>an</strong>ns<br />

Anne und Joh<strong>an</strong>n machen einen Film, der<br />

von Anne und Joh<strong>an</strong>n und ihrer Liebe<br />

nach sieben Jahren h<strong>an</strong>deln soll. Ihr Pr<strong>ob</strong>lem<br />

ist ein g<strong>an</strong>z bek<strong>an</strong>ntes: Wie erhält<br />

m<strong>an</strong> s<strong>ich</strong> die Liebe und die Euphorie des<br />

Anf<strong>an</strong>gs?<br />

»Das wundervolle Zwischending« erzählt<br />

die Gesch<strong>ich</strong>te einer Liebe, die ihr Außen<br />

fast verloren hat. Die implodiert und nur<br />

noch den inneren Raum der Beziehung<br />

ausmisst. Der in dem Maße, in der sie die<br />

Selbsterforschung zu ihrem einzigen Thema<br />

gemacht hat, die Luft ausgeht, s<strong>ich</strong><br />

weiterzuentwickeln. Das aber ist es gerade,<br />

was Anne und Joh<strong>an</strong>n erre<strong>ich</strong>en wollen:<br />

ihr Projekt, s<strong>ich</strong> in einem Film des<br />

schon Gelebten zu vergewissern, soll die<br />

Basis dafür schaffen, s<strong>ich</strong> verändern zu<br />

können. »10.000 Jahre Geschlechtsverkehr,<br />

und wir sind immer noch kein Stück<br />

weiter«, stöhnt Anne einmal, was ebenso<br />

gut <strong>das</strong> Gefühl der Stagnation in ihrer Beziehung<br />

meinen könnte wie auch <strong>als</strong> ein<br />

pessimistischer Kommentar zur Gesch<strong>ich</strong>te<br />

der Evolution im Allgemeinen und der<br />

Menschen im Besonderen verst<strong>an</strong>den<br />

werden k<strong>an</strong>n. Und ebenso ist Joh<strong>an</strong>ns vergebl<strong>ich</strong>er<br />

W<strong>uns</strong>ch – »Könnten wir n<strong>ich</strong>t<br />

<strong>vor</strong>sorgl<strong>ich</strong> grundsätzl<strong>ich</strong> von Anf<strong>an</strong>g <strong>an</strong><br />

alles <strong>an</strong>ders machen?« – n<strong>ich</strong>t nur auf ihre<br />

Situation gemünzt.<br />

Als Drama einer Beziehung wimmelt es<br />

in »Das wundervolle Zwischending« von<br />

subtilen Bosheiten, mit denen s<strong>ich</strong> Anne<br />

und Joh<strong>an</strong>n traktieren. Das macht n<strong>ich</strong>t<br />

zuletzt den Unterhaltungswert des Stückes<br />

aus, wie Beleidigungen und Verletzungen<br />

ausgeteilt und <strong>als</strong> dramaturgisches Argument,<br />

den gemeinsamen Film betreffend,<br />

getarnt werden. Wenn zum Beispiel<br />

Anne n<strong>ich</strong>t mit der Rekonstruktion<br />

der ersten Begegnung zufrieden ist: »Du<br />

warst irgendwie ... l<strong>an</strong>gweiliger. Dam<strong>als</strong>.<br />

Die Überraschung müsste stärker werden.<br />

Dass <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> in d<strong>ich</strong> verlieben konnte.<br />

Obwohl du so ein L<strong>an</strong>gweiler warst.«<br />

Doch Anne und Joh<strong>an</strong>n sind auch zwei<br />

Menschen, die um ihre Liebe kämpfen,<br />

weil sie n<strong>ich</strong>ts <strong>an</strong>deres haben. Das Private,<br />

um <strong>das</strong> ihr g<strong>an</strong>zer Kosmos kreist,<br />

hat einen ungeheuer hohen Stellenwert in<br />

der Rechtfertigung ihrer Existenz. Beide<br />

sind Künstler und stehen damit außerhalb<br />

Saison 2006/2007<br />

Sehen wir Freunde oder<br />

sehen wir fern? Machen<br />

wir Frühstück oder<br />

machen wir ein Kind?<br />

von Lohn- und Beschäftigungssystemen.<br />

Sie arbeiten, aber es gibt keine Nachfrage<br />

nach ihrer Arbeit. Das ist der Punkt,<br />

<strong>an</strong> dem die Außenwelt ihnen den Rücken<br />

kehrt und s<strong>ich</strong> desinteressiert zeigt. Und<br />

ihre Reaktion ist, <strong>das</strong> Innerste zum W<strong>ich</strong>tigsten<br />

zu erklären.<br />

Die Außenwelt tritt auf in der Figur des<br />

M<strong>an</strong>nes vom Amt. Er klopft ihr Verhältnis<br />

zur Norm ab, fragt nach ihrer Leistung<br />

für die Gesellschaft. Mit ihren Antworten<br />

»Wir erfinden die Liebe neu«, »Wir machen<br />

einen Film« versuchen sie ihre Gefühle,<br />

ihr Privatleben einzubringen in den<br />

Katalog von gesellschaftl<strong>ich</strong>en Leistungen<br />

und Tausch<strong>ob</strong>jekten. Da werden sie wieder<br />

<strong>als</strong> »Zwischending« erkennbar, <strong>das</strong><br />

s<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t von den Forderungen, sein Leben<br />

zu rechtfertigen, lösen k<strong>an</strong>n. Die Liebe<br />

ist Teil ihrer Sinnstiftung.<br />

Das wundervolle Zwischending<br />

von Martin Heckm<strong>an</strong>ns<br />

Regie: Rudolf Frey<br />

Bühne: Vincent Mesnaritsch<br />

Kostüme: Elke Gattinger<br />

Musik: Karl Stirner<br />

H Premiere / Österre<strong>ich</strong>ische Erstaufführung<br />

am 5. Jänner 2007 im VESTIBÜL<br />

Vestibül<br />

Martin Heckm<strong>an</strong>ns<br />

MARTIN HEcKMANNS<br />

geboren 1971 in Mönchengladbach,<br />

studierte Komparatistik, Gesch<strong>ich</strong>te und<br />

Philosophie; Veröffentl<strong>ich</strong>ung von Prosa in<br />

Anthologien und Zeitschriften. Sein erstes<br />

Stück »Finnisch oder Ich möchte d<strong>ich</strong> vielle<strong>ich</strong>t<br />

berühren« wurde 1999 uraufgeführt,<br />

es folgten »Disco« (2001), »Schieß doch,<br />

Kaufhaus!« (2002), »Kränk« (2004), »Vier<br />

Millionen Türen« (zusammen mit Thomas<br />

Melle, 2004), »Anrufung des Herrn« (2004),<br />

»Das wundervolle Zwischending« (2005)<br />

und »Die Liebe zur Leere« (2006). Er<br />

erhielt zahlre<strong>ich</strong>e Preise, unter <strong>an</strong>deren den<br />

Jürgen-Ponto-Preis 2000 für »Disco«, mit<br />

»Schieß doch, Kaufhaus!« wurde er in der<br />

Theater heute-Kritikerumfrage zum Nachwuchsdramatiker<br />

des Jahres 2002 gewählt.<br />

Martin Heckm<strong>an</strong>ns lebt in Berlin.<br />

RUDOLF FREy<br />

geboren 1983 in Salzburg, beg<strong>an</strong>n 2002 sein<br />

Studium der Theater-, Film- und Medienwissenschaft<br />

<strong>an</strong> der Universität Wien. Im Musiktheater<br />

assistierte er bei den Salzburger<br />

Festspielen bei David McVicar 2003 und bei<br />

R<strong>ob</strong>ert Carsen 2004. Seit der Spielzeit 2004-<br />

2005 ist er Regieassistent am <strong>Burgtheater</strong>.<br />

Hier arbeitete er u.a. mit Andrea Breth,<br />

Karin Beier und Martin Kušej zusammen.<br />

Im Februar 2006 inszenierte er Spieltriebe 21<br />

»Es ist Zeit. Abriss« von Albert Ostermaier<br />

im <strong>Burgtheater</strong>-Kasino. Bei den »Autoren-<br />

Werkstatttagen <strong>an</strong> der Burg 2006« war Rudolf<br />

Frey einer der vier teilnehmenden Regisseure<br />

und r<strong>ich</strong>tete Stücke von Lothar Kittstein<br />

und Christopher Kloeble ein.<br />

17


Die Feiertage<br />

18<br />

Frohes Fest im <strong>Burgtheater</strong><br />

Unser Programm <strong>an</strong> den Weihnachtsfeiertagen,<br />

zwischen den Jahren, zu Silvester und Neujahr<br />

Kirsten Dene und Libgart Schwarz<br />

Arsen und<br />

Spitzenhäubchen<br />

von Joseph Kesselring<br />

»Es ist friedl<strong>ich</strong> bei <strong>uns</strong>, n<strong>ich</strong>t wahr?«<br />

– Mit ihrer Einschätzung stehen die<br />

Schwestern Martha und Abby Brewster<br />

recht alleine da. Die beiden liebenswerten<br />

T<strong>an</strong>ten haben aus »reiner Nächstenliebe«<br />

mehr <strong>als</strong> eine Le<strong>ich</strong>e im Keller begraben<br />

– im wahrsten Sinne des Wortes. Schlechte<br />

Auss<strong>ich</strong>ten für den Neffen Mortimer, der<br />

doch n<strong>ich</strong>ts <strong>an</strong>deres will <strong>als</strong> die Pfarrerstochter<br />

von neben<strong>an</strong> heiraten, und s<strong>ich</strong><br />

jetzt in den Wirren der absurdesten Kriminalgesch<strong>ich</strong>te<br />

aller Zeiten wiederfindet.<br />

Am 25. und 26. Dezember um 19 Uhr, am 31.<br />

Dezember 2006 um 18.30 Uhr und am 1. Jänner<br />

2007 um 19 Uhr im AKADEMIETHEATER<br />

Caroline Peters, Dietmar König, D<strong>an</strong>iel Jesch,<br />

Alex<strong>an</strong>dra Henkel und Joachim Meyerhoff<br />

Höllen<strong>an</strong>gst<br />

von Joh<strong>an</strong>n Nestroy<br />

Der arbeitslose Schustersohn Wendelin<br />

fristet eine trübe, von Geldnot und Verfolgung<br />

gekennze<strong>ich</strong>nete Existenz. Aber<br />

n<strong>ich</strong>t nur die weltl<strong>ich</strong>en Machthaber sind<br />

gegen ihn, auch der himmlischen Fügung<br />

ist kein Vertrauen zu schenken:<br />

Warum es <strong>als</strong>o n<strong>ich</strong>t einmal mit dem<br />

Teufel <strong>als</strong> Verbündetem versuchen?<br />

Am 25. Dezember 2006 um 19 Uhr<br />

im BURGTHEATER<br />

Viel Lärm um n<strong>ich</strong>ts<br />

von William Shakespeare<br />

Shakespeares aberwitzige Komödie über<br />

die ersten überzeugten Singles der Theatergesch<strong>ich</strong>te<br />

verrät schon im Titel ihren<br />

Kern: Vor lauter Selbstverliebtheit und<br />

Freude am eigenen Witz und der eigenen<br />

Schlagfertigkeit verlieren die beiden Verbal-<br />

Eroten Beatrice und Benedict <strong>das</strong> wahre<br />

Objekt der Leidenschaft fast aus ihrem<br />

Blickfeld. Denn Liebe zuzulassen fällt<br />

m<strong>an</strong>chmal schwerer, <strong>als</strong> m<strong>an</strong> denkt oder<br />

einen <strong>das</strong> Theater glauben machen will.<br />

Am 26. und 31. Dezember 2006<br />

sowie am 1. Jänner 2007 jeweils um 19 Uhr<br />

im BURGTHEATER<br />

Außerdem im BURGTHEATER: »Was lachen Sie?« mit Karlheinz Hackl und Heinz Marecek<br />

am 31. Dezember um 15.30 und 23 Uhr; im AKADEMIETHEATER: »Das Werk« von Elfriede Jelinek<br />

am 27. Dezember um 20 Uhr (zum letzten Mal!), »Die Unvernünftigen sterben aus« von Peter H<strong>an</strong>dke am<br />

Weihnachts-Plätzchen<br />

2006/2007 Saison


Peter Simonischek und Udo Samel<br />

»K<strong>uns</strong>t«<br />

von Yasmina Reza<br />

Ein weißes Bild, darauf ein weißer Streifen.<br />

Der Kaufpreis: 40.000 Euro. Da<br />

können die beiden Freunde des »K<strong>uns</strong>tkenners«<br />

n<strong>ich</strong>t <strong>an</strong> s<strong>ich</strong> halten. Die Rituale<br />

einer jahrzehntel<strong>an</strong>gen Männerfreundschaft<br />

stürzen ein, Weltbilder geraten ins<br />

W<strong>an</strong>ken, ungek<strong>an</strong>nte Risse im eigenen<br />

Leben kommen zum Vorschein. Eine<br />

Katastrophe, »furchtbar« komisch.<br />

Am 29. und 30. Dezember 2006 um 20 Uhr<br />

im BURGTHEATER<br />

Saison 2006/2007<br />

Mnozil Brass<br />

Das troj<strong>an</strong>ische Boot<br />

von Mnozil Brass / Bernd Jeschek<br />

»Das troj<strong>an</strong>ische Boot« ist die erste<br />

Theaterarbeit des Wiener Bläserseptetts<br />

Mnozil Brass, die m<strong>an</strong> mit Fug und Recht<br />

<strong>als</strong> die »Monty Pythons der Musik« beze<strong>ich</strong>net.<br />

Bei ihrem Singspiel übernehmen<br />

sie sowohl alle musikalischen wie auch<br />

darstellerischen Aufgaben und heben –<br />

g<strong>an</strong>z nebenbei und mit sehr viel Witz –<br />

die Grenze zwischen Bühne und Orchestergraben<br />

auf.<br />

Am 31. Dezember 2006 um 23 Uhr<br />

im AKADEMIETHEATER<br />

Pauline Knof<br />

im <strong>Burgtheater</strong><br />

Die Weihnachtsg<strong>an</strong>s<br />

Auguste<br />

Pauline Knof liest zum Advent<br />

aus Friedr<strong>ich</strong> Wolfs Kinderbuch<br />

Der guten G<strong>an</strong>s Auguste ist zu Weihnachten<br />

<strong>das</strong> triste Schicksal aller Weihnachtsgänse<br />

zugedacht – sie soll <strong>als</strong> Festbraten der<br />

Familie auf dem Teller enden. So will es<br />

Vater Löwenhaupt. Er hat aber n<strong>ich</strong>t mit<br />

dem hartnäckigen kleinen Peter gerechnet.<br />

Burgschauspielerin Pauline Knof liest<br />

Friedr<strong>ich</strong> Wolfs rührend komische Erzählung,<br />

musikalisch begleitet wird sie von<br />

Otmar Klein auf der Klarinette.<br />

Am 2. Dezember um 16 Uhr, am 3. Dezember um<br />

16.30 Uhr, am 8., 9., 10., 16., 17. Dezember jeweils<br />

um 16 Uhr und am 23. Dezember 2006 um 15 Uhr<br />

im VESTIBÜL<br />

28. Dezember um 20 Uhr, »Das purpurne Muttermal« von René Pollesch am 29. und 30. Dezember um<br />

19.30 Uhr; im KASINO: »Ein MEDEA-Projekt« von Grzegorz Jarzyna am 30. Dezember (Premiere!) und<br />

1. Jänner um 20 Uhr, »Sputnik Sweetheart« von Haruki Murakami am 26. Dezember um 20 Uhr<br />

M<strong>an</strong> nehme 2 Shakespeare-Komödien mit zahllosen Küssen, vielen Umarmungen, ein paar Verwechslungen,<br />

gewürzt mit einer schönen Intrige und viel Eifersucht, sowie 1 Thomas Bernhard mit einer gr<strong>an</strong>diosen Familienhölle –<br />

dazu einen guten Platz und fertig ist ein sp<strong>an</strong>nendes Weihnachtsgeschenk für Ihre Lieben:<br />

<strong>das</strong> Geschenk-Abonnement für 3 Theaterabende im <strong>Burgtheater</strong>!<br />

Ein Sommernachtstraum · Viel Lärm um n<strong>ich</strong>ts · Elisabeth II.<br />

Ab sofort bis 22. Dezember erhältl<strong>ich</strong> im Wert von 41,- bis 115,- Euro<br />

BURGTHEATER<br />

Infos unter Telefon 01 51444 4178 und www.burgtheater.at<br />

19<br />

Änderungen <strong>vor</strong>behalten


Laudatio<br />

20<br />

Goldenes Ehrenze<strong>ich</strong>en<br />

des L<strong>an</strong>des Wien <strong>an</strong> Elisabeth Orth<br />

Elisabeth Orth <strong>als</strong> Margarethe von Österre<strong>ich</strong> in<br />

»König Ottokars Glück und Ende«<br />

[<strong>…</strong>] Am Beginn der Karriere von Elisabeth<br />

Orth st<strong>an</strong>d eine Namensänderung,<br />

die Übernahme des Namens der Großmutter<br />

ist der Startpunkt für Selbstorientierung:<br />

in einem frühen Interview sagte<br />

sie, sie wollte s<strong>ich</strong>er sein können, <strong>das</strong>s <strong>das</strong><br />

Publikum sie n<strong>ich</strong>t nur deshalb interess<strong>an</strong>t<br />

findet, weil sie ein Spross der Hörbiger-<br />

Wessely-Dynastie war. Elisabeth Orth ist<br />

von da <strong>an</strong> der Name eines s<strong>ich</strong> selbst entwickelnden<br />

Programms zur Herstellung<br />

von Schauspielk<strong>uns</strong>t. [<strong>…</strong>]<br />

Ihr Debüt f<strong>an</strong>d 1958 am Volkstheater<br />

statt, sie wählt d<strong>an</strong>n aber die Ferne und<br />

Ulm, um zu lernen, wie sie sagt. Das Ulmer<br />

Theater von dam<strong>als</strong> war ein brodelndes<br />

Reagenzglas des neuen deutschen Theaters.<br />

Die nächsten Jahre verbringt Elisabeth<br />

Orth am Bayerischen Staatsschauspiel<br />

in München, wo sie <strong>vor</strong> allem mit<br />

den Regisseuren Heinz Hilpert und H<strong>an</strong>s<br />

Lietzau zusammenarbeitet. Sie vertieft<br />

s<strong>ich</strong> in <strong>das</strong> klassische Rollenfach und<br />

spielt die Jungfrau von Orle<strong>an</strong>s, Emilia<br />

Galotti, Porzia im Kaufm<strong>an</strong>n von Venedig,<br />

die Marie im Woyzeck, die Jüdin von<br />

Toledo.<br />

1972 kehrt sie zurück nach Wien und<br />

wird Mitglied des <strong>Burgtheater</strong>s. Sie entwickelt<br />

s<strong>ich</strong> hier zu einer der g<strong>an</strong>z großen<br />

Schauspielerinnen ihrer Zeit. Allein<br />

Elisabeth Orths<br />

unverwechselbares<br />

Spiel lässt spüren, <strong>das</strong>s<br />

<strong>das</strong> Theater s<strong>ich</strong> selbst<br />

n<strong>ich</strong>t genügen darf, <strong>das</strong>s<br />

K<strong>uns</strong>t einen gesellschaftl<strong>ich</strong>en<br />

Auftrag hat.<br />

die Liste der Regisseure, mit denen sie hier<br />

arbeitet, liest s<strong>ich</strong> wie ein Who’s Who des<br />

neueren deutschsprachigen Theaters. Sie<br />

spielt die Luise (Kabale und Liebe), <strong>das</strong><br />

Klärchen (Egmont), die Eboli, die Nora,<br />

die Elektra, die Iphigenie, die Julie (D<strong>an</strong>tons<br />

Tod), die Mutter Courage, die Portia<br />

(Julius Caesar) und die Fr<strong>an</strong>cine in Max<br />

Frischs Triptychon.<br />

Dennoch: ihre beste Zeit, <strong>wenn</strong> m<strong>an</strong> <strong>das</strong><br />

so sagen darf, beginnt erst nach der offiziellen<br />

Pensionierung in der Zusammenarbeit<br />

mit der Regisseurin Andrea Breth, zunächst<br />

<strong>an</strong> der Schaubühne in Berlin, d<strong>an</strong>n<br />

gemeinsam am <strong>Burgtheater</strong>. Sie ist die<br />

Louise Rafi (Bond), Frau Hudetz (Horváth),<br />

der Großinquisitor in Don Carlos,<br />

Big Mama, Elisabeth von Engl<strong>an</strong>d und<br />

unter der Regie von Martin Kušej Margarethe<br />

von Österre<strong>ich</strong>.<br />

Über ihre Elisabeth wurde geschrieben:<br />

»Was für eine Schauspielerin! Unerschrocken<br />

gibt die Orth ihrer Rolle alles, <strong>das</strong><br />

Kokette, <strong>das</strong> Peinl<strong>ich</strong>e, <strong>das</strong> Spielerische,<br />

<strong>das</strong> Frivole und <strong>das</strong> Gemeine. Mit welch<br />

bezwingend natürl<strong>ich</strong>er Musikalität<br />

bringt sie, ohne Scham s<strong>ich</strong> entblößend,<br />

Schillers Verse zum Tönen.«<br />

Die Meisterschaft, die darin gel<strong>ob</strong>t wird,<br />

ist eben n<strong>ich</strong>t nur Schauspielk<strong>uns</strong>t, n<strong>ich</strong>t<br />

nur Technik und geniale Verstellung, son-<br />

dern <strong>das</strong> Einbringen der eigenen Person,<br />

indem die Rolle mit einem Selbst ausgestattet<br />

wird. Dieser Vorg<strong>an</strong>g ist im Leben<br />

alltägl<strong>ich</strong> und vollzieht s<strong>ich</strong> – <strong>wenn</strong> er s<strong>ich</strong><br />

vollzieht! – bei <strong>uns</strong> allen zumeist unbewusst.<br />

Nur auf der Bühne wird m<strong>an</strong>chmal<br />

s<strong>ich</strong>tbar, <strong>das</strong>s es dabei n<strong>ich</strong>t um Identifikation<br />

mit der Rolle geht – <strong>das</strong> würde die<br />

Differenz von Mensch und Rolle verwaschen<br />

und wäre eine plumpe Täuschung<br />

–, sondern um Orientierung am Selbst.<br />

Über ihre Margarethe wurde geschrieben:<br />

»Als Margarethe erzählt Orth in ihrer<br />

souveränen Art zugle<strong>ich</strong> von ihrem<br />

Einsatz für Hum<strong>an</strong>ität und Toler<strong>an</strong>z. Das<br />

mag eigenartig klingen, aber Elisabeth<br />

Orths unverwechselbares Spiel bleibt nie<br />

bei einer Bühnenfigur, sondern lässt spüren,<br />

<strong>das</strong>s <strong>das</strong> Theater s<strong>ich</strong> selbst n<strong>ich</strong>t genügen<br />

darf, <strong>das</strong>s K<strong>uns</strong>t einen gesellschaftl<strong>ich</strong>en<br />

Auftrag hat.«<br />

Das leitet über zur politischen Funktion<br />

der Ehrung. Der große Paukenschlag erfolgt<br />

1986 durch die so gen<strong>an</strong>nte Waldheim-Affäre.<br />

Orth, die <strong>das</strong> Elend der jüngeren<br />

österre<strong>ich</strong>ischen Gesch<strong>ich</strong>te in ihrer<br />

eigenen Familie greifen konnte, hat s<strong>ich</strong><br />

schon l<strong>an</strong>ge <strong>vor</strong> der Waldheim-Affäre in<br />

einem Buch damit ausein<strong>an</strong>der gesetzt.<br />

Doch jetzt wird aus <strong>vor</strong>s<strong>ich</strong>tiger Reflexion<br />

offenes Engagement: sie wird Präsidentin<br />

der Aktion gegen den Antisemitismus<br />

des Dokumentationsarchivs des Österre<strong>ich</strong>ischen<br />

Widerst<strong>an</strong>ds und org<strong>an</strong>isiert u.a.<br />

Ver<strong>an</strong>staltungen mit ehemaligen jüdischen<br />

MitbürgerInnen, die in der Nazizeit aus<br />

Österre<strong>ich</strong> vertrieben worden waren. [<strong>…</strong>]<br />

Was m<strong>ich</strong> <strong>an</strong> Frau Orths Engagement am<br />

meisten beeindruckt hat, ist aber die genial-<br />

pragmatische Art, mit der sie den Blick<br />

auf die dunklen Seiten <strong>uns</strong>erer Gesch<strong>ich</strong>te<br />

mit einem fröhl<strong>ich</strong>en Blick auf deren Sonnenseiten<br />

verbunden hat, indem sie im<br />

Fernsehen <strong>das</strong> »Schatzhaus Österre<strong>ich</strong>«<br />

präsentierte und in allerlei Kirchen und<br />

Museen die positiven Spuren <strong>uns</strong>erer Verg<strong>an</strong>genheit<br />

aufzeigte. [<strong>…</strong>]<br />

Ich hoffe, s<strong>ich</strong>tbar gemacht zu haben, wie<br />

sehr hier Selbstorientierung n<strong>ich</strong>t zu Egom<strong>an</strong>ie<br />

und Egozentrismus führte, sondern mit sozialer<br />

Ver<strong>an</strong>twortung gekoppelt ist. Nur wer<br />

g<strong>an</strong>z bei s<strong>ich</strong> ist, k<strong>an</strong>n für <strong>an</strong>dere da sein.<br />

Auszug aus der Laudatio<br />

von Dr. Wolfg<strong>an</strong>g Dür am 9. Okt<strong>ob</strong>er 2006<br />

2006/2007 Saison


M<strong>ich</strong>ael Maertens und T<strong>ob</strong>ias Moretti<br />

Saison 2005/2006<br />

König Ottokars Glück und Ende<br />

Trauerspiel in fünf Aufzügen von Fr<strong>an</strong>z Grillparzer<br />

»Mit notwendigen kräftigen Str<strong>ich</strong>en, einigen wenigen Textneuerungen,<br />

mit gr<strong>an</strong>dioser Bildfindung und <strong>vor</strong> allem mit zwei her<strong>vor</strong>ragenden<br />

Protagonisten – T<strong>ob</strong>ias Moretti und M<strong>ich</strong>ael Maertens –<br />

hat Martin Kušej den Fünfakter in die Moderne geholt. Hat ihn<br />

aktuell, <strong>das</strong> heißt spielbar gemacht für <strong>uns</strong>ere Zeit: ein Europa-<br />

Drama im besten Sinn. Und dennoch ein herrl<strong>ich</strong>es, durchweg<br />

sp<strong>an</strong>nendes Historienspektakel, in dem s<strong>ich</strong> jenes 13. Jahrhundert<br />

der Gründung von Habsburgs großem Österre<strong>ich</strong>, Grillparzers<br />

Klassizismus und <strong>uns</strong>ere Gegenwart treffen.«<br />

(Münchner Merkur)<br />

Ab 12. Dezember 2006 wieder im BURGTHEATER<br />

Elisabeth II.<br />

von Thomas Bernhard<br />

»Gert Voss schiebt die Herrenstein-Brille mit den dicken Gläsern ins dick<br />

gewellte graue Herrenstein-Haar und treibt den böse und sehnsüchtig<br />

glotzenden Herrenstein-Blick ins Aberwitzige. Der Regisseur Thomas<br />

L<strong>an</strong>ghoff, der die Gesellschaftsmaschine zu gut kennt, um ihr seine<br />

Menschenfreundl<strong>ich</strong>keit zu opfern, entmaschiniert die Maschine, entbuttert<br />

<strong>das</strong> Papier – und spitzt dafür den Kopf. Die Inszenierung macht aus<br />

der privaten Katastrophe eine gr<strong>an</strong>diose gesellschaftl<strong>ich</strong>e Studie: M<strong>an</strong> verweigert<br />

dem Herrschenden die Droge, die er einzig braucht. Gert Voss ist<br />

der liebe Gott <strong>als</strong> armer Teufel, der alle und alles in der H<strong>an</strong>d hat, aber<br />

mit leeren Händen <strong>das</strong>teht. Das macht ihn zu einer wundervoll traurigen<br />

und zu einer wahnwitzig komischen Figur.«<br />

(Fr<strong>an</strong>kfurter Allgemeine Zeitung)<br />

Dietmar König und Markus Hering<br />

Ab Jänner 2007 wieder im BURGTHEATER<br />

Die versunkene Kathedrale<br />

von Gert Jonke<br />

Wiederaufnahmen<br />

Maresa Hörbiger, Libgart Schwarz, Gert Voss und Ignaz Kirchner<br />

»Christi<strong>an</strong>e Pohle hat <strong>das</strong> Ensemble perfekt auf Gert Jonkes Text abgestimmt.<br />

Die Musikalität des Stücks, dessen Titel s<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t ohne Grund einem Werk<br />

Claude Debussys verd<strong>an</strong>kt, bleibt in jedem Augenblick spürbar. Die unerlösten<br />

Dinge lässt Gert Jonke zu Wort kommen. Und er wäre kein ausgewiesener<br />

D<strong>ich</strong>ter, <strong>wenn</strong> es dabei n<strong>ich</strong>t auch um die Wörter ginge. Virtuos schraubt der<br />

Text <strong>an</strong> den Sätzen und damit <strong>an</strong> der Welt. Er nimmt sie ausein<strong>an</strong>der, um <strong>das</strong><br />

Chaos zu zeigen. Bei Jonke aber ist alles <strong>das</strong> keine krude Dekonstruktion, sondern<br />

ein Spiel mit Denkmögl<strong>ich</strong>keiten. Ein fröhl<strong>ich</strong>er Ausflug in die Ph<strong>an</strong>tasie.«<br />

(Neue Zürcher Zeitung)<br />

Dreimal für den »Nestroy« nominiert (Christi<strong>an</strong>e Pohle für die beste Regie, Gert Jonke für<br />

<strong>das</strong> beste Stück und Dietmar König für die beste Nebenrolle)!<br />

Ab 5. Dezember 2006 wieder im AKADEMIETHEATER<br />

21


Nachgefragt:<br />

Sylvie Rohrer, Schauspielerin<br />

Was wäre für Sie <strong>das</strong> größte Unglück?<br />

Wo möchten Sie leben?<br />

Was ist für Sie <strong>das</strong> vollkommene irdische Glück?<br />

Ihre liebster Rom<strong>an</strong>held?<br />

Ihre liebste Rom<strong>an</strong>heldin?<br />

Ihre Lieblingsgestalt in der Gesch<strong>ich</strong>te?<br />

Ihr Lieblingsheld in der D<strong>ich</strong>tung?<br />

Ihre Lieblingsmaler?<br />

Ihr Lieblingskomponist?<br />

Welche Eigenschaften schätzen Sie<br />

bei einem M<strong>an</strong>n am meisten?<br />

Welche Eigenschaften schätzen Sie<br />

bei einer Frau am meisten?<br />

Ihre Lieblingstugend?<br />

Ihre Lieblingsbeschäftigung?<br />

Wer oder was hätten Sie sein mögen?<br />

Ihr Hauptcharakterzug?<br />

Was schätzen Sie bei Ihren Freunden am meisten?<br />

Ihr größter Fehler?<br />

Ihr Traum vom Glück?<br />

Was möchten Sie sein?<br />

Ihre Lieblingsfarbe?<br />

Ihre Lieblingsblume?<br />

Ihre Lieblingsvogel?<br />

Ihr Lieblingslyriker?<br />

Ihr Lieblingsdramatiker?<br />

Ihr Lieblingsstück?<br />

Ihre Helden in der Wirkl<strong>ich</strong>keit?<br />

Ihre Lieblingsnamen?<br />

Was verabscheuen Sie am meisten?<br />

Welche militärischen Leistungen<br />

bewundern Sie am meisten?<br />

Welche Reform bewundern Sie am meisten?<br />

Welche natürl<strong>ich</strong>e Gabe möchten Sie besitzen?<br />

Wie möchten Sie sterben?<br />

Ihre gegenwärtige Geistesverfassung?<br />

Ihr Motto?<br />

Saison 2006/2007<br />

Lähmung. In jeder Hins<strong>ich</strong>t.<br />

In einer Stadt wie Paris, mit einem Theater wie<br />

der Burg, <strong>vor</strong> der Tür Berge wie in den Alpen<br />

und in der Nähe <strong>das</strong> Meer<br />

Ein glänzender Augenblick<br />

Fabrice del Dongo, in »Kartause von Parma«<br />

Die Frauenfiguren in »Kartause von Parma«<br />

Marc Aurel<br />

M<strong>ich</strong>ael Kohlhaas<br />

Ferdin<strong>an</strong>d Hodler<br />

Bach<br />

Klugheit, Witz und Feingefühl<br />

Humor, Geist und Feingefühl<br />

Großzügigkeit<br />

Höhenluft atmen<br />

Geigenvirtuosin<br />

Neugierde<br />

Vertrauen, Humor und Verständnis<br />

Überstürzte H<strong>an</strong>dlungsbereitschaft<br />

Schwerelosigkeit<br />

Nah bei <strong>mir</strong><br />

Nachtblau<br />

Amaryllis, weiß<br />

Der Adler<br />

Hölderlin<br />

Shakespeare, Büchner<br />

Woyzeck<br />

Menschen im hum<strong>an</strong>itären Einsatz<br />

Pierre, Jacques et Je<strong>an</strong><br />

Das Gefühl der Rastlosigkeit<br />

Das troj<strong>an</strong>ische Pferd<br />

Die Abschaffung der Irrenhäuser in Italien<br />

Fliegen<br />

Einfach<br />

Wach und begierig<br />

Schritt für Schritt<br />

Porträt<br />

Sylvie Rohrer wurde 1968 in Bern<br />

geboren und besuchte in Zür<strong>ich</strong><br />

die Schauspielakademie. Be<strong>vor</strong> sie<br />

1999 unter der Direktion von Klaus<br />

Bachler <strong>an</strong>s <strong>Burgtheater</strong> kam, war<br />

sie <strong>an</strong> der L<strong>an</strong>desbühne Niedersachsen,<br />

am Zürcher Schauspielhaus, in<br />

Dortmund und am Thalia Theater<br />

in Hamburg engagiert. Zum Beginn<br />

ihrer Karriere wurde die Schweizerin<br />

von Theater heute zur Nachwuchsschauspielerin<br />

des Jahres<br />

gekürt: 1995 und 1996.<br />

Die Boy-G<strong>ob</strong>ert-Preisträgerin<br />

arbeitete u.a. mit Jürgen Flimm,<br />

Martin Kušej, Sven-Eric Bechtolf,<br />

Jens-D<strong>an</strong>iel Herzog, Niels Peter Rudolph,<br />

Dieter Giesing, Luc Bondy<br />

und Igor Bauersima zusammen – in<br />

Werken aller Epochen, von Sophokles<br />

bis Botho Strauß. International<br />

gastiert sie mit Schönbergs »Pierrot<br />

lunaire«. Derzeit ist Sylvie Rohrer<br />

in Hesses »Steppenwolf«, Bärfuss’<br />

»Der Bus«, Fosses »Schlaf«, Bauersimas<br />

»Bérénice de Molière« und<br />

seit 26. Okt<strong>ob</strong>er in LaButes’ »Some<br />

Girl(s)« zu sehen. Demnächst beginnen<br />

die Pr<strong>ob</strong>en für »Ein MEDEa-<br />

Projekt«, eine Uraufführung von<br />

Grzegorz Jarzyna – Premiere ist am<br />

30. Dezember 2006 im Kasino am<br />

Schwarzenbergplatz.<br />

23


Ortstermin<br />

24<br />

Marmor, Stuck und cooles Design<br />

Das Kasino am Schwarzenbergplatz<br />

Es ist <strong>das</strong> Haus eines Erzherzogs – Insignien<br />

vielerorts. Drei große Tore öffnen <strong>das</strong><br />

Gebäude zum Schwarzenbergplatz, eine<br />

prunkvolle, mit rotem Tepp<strong>ich</strong> ausgelegte<br />

Treppe führt in den ersten Stock, zum einstigen<br />

Ballsaal. Seit Anf<strong>an</strong>g der 80er Jahre<br />

zählt <strong>das</strong> Kasino am Schwarzenbergplatz<br />

zu den Spielstätten des <strong>Burgtheater</strong>s. Das<br />

Palais wurde aber schon <strong>vor</strong> dem »Haupthaus«<br />

erbaut: 1869 gab es Erzherzog Ludwig<br />

Viktor, der jüngste Bruder von Kaiser<br />

Fr<strong>an</strong>z Joseph, bei Heinr<strong>ich</strong> Ferstel in<br />

Auftrag. Ein Stadtdomizil sollte es werden<br />

– für ausgelassene Feste: prestigeträchtig,<br />

exklusiv, laut und teuer. Die Decke des<br />

Ballsa<strong>als</strong> ist üppig mit Goldstuck verziert,<br />

Stiegengeländer – ja selbst Abortsysteme –<br />

aus Untersberger Marmor!<br />

Der Name der dritten Bühne des <strong>Burgtheater</strong>s<br />

ist auf den »Militärwissenschaftl<strong>ich</strong>en<br />

und Casinoverein« zurückzuführen,<br />

der 1910 <strong>das</strong> Gebäude vom sk<strong>an</strong>dalträchtigen<br />

Hausherrn zur Verfügung gestellt bekam<br />

– seinen Sitz hat der »Neustädter Offiziersverein«<br />

hier bis heute. Das <strong>Burgtheater</strong><br />

bespielt den Ballsaal. Während <strong>das</strong> Haupthaus<br />

über eine große Bühne, viele Garder<strong>ob</strong>en,<br />

Herren- und Damenmaske verfügt,<br />

werken Norbert Gottwald und sein Team<br />

auf engstem Raum. Hier im Kasino gibt es<br />

Das Kasino-Team: M<strong>ich</strong>ael Steinkellner, Norbert Gottwald, Irene Petutschnig,<br />

Dominik Hofm<strong>an</strong>n, Leopold Nekola, Helmut Preissler (von <strong>ob</strong>en nach unten)<br />

alles im Mini-Format: eine kleine Bühne,<br />

einen kleinen Zuschauerraum, Ton- und<br />

L<strong>ich</strong>ttechnik, sowie ein Inspizientenpult auf<br />

einem Anbau hinter der Tribüne, alles im<br />

feudalen Ambiente des Erzherzogs. In den<br />

prunkvollen Nebenräumen sind Maske und<br />

die Garder<strong>ob</strong>en der Schauspieler untergebracht.<br />

Stuckdecken, Kristallluster, Holzvertäfelungen<br />

– mehrflügelige Fenster eröffnen<br />

den Blick auf den Ring. Die Nähmaschine<br />

steht <strong>vor</strong> einem riesigen Spiegel, <strong>das</strong> Bügelbrett<br />

<strong>vor</strong> einem mit Löwen verzierten, marmornen<br />

Kamin. Auch <strong>das</strong> Lager mit all den<br />

Bühnenrequisiten, der technischen Equipage<br />

– von Scheinwerfern bis zu den Kabeln –<br />

2005/2006 Saison


ist ein hoher Raum mit impos<strong>an</strong>ter Decke!<br />

Für den jetzigen Verwendungszweck ist<br />

Heimo Z<strong>ob</strong>ernigs schl<strong>ich</strong>te Blackbox ideal.<br />

2003 wurde der Künstler mit der neuen<br />

Raumlösung beauftragt. Während<br />

da<strong>vor</strong> die Karyatiden, der Stuck, der Marmor,<br />

die Größe des Sa<strong>als</strong> in jedem Inszenierungskonzept<br />

bedacht werden mussten,<br />

vereinfacht die Blackbox mit dem Flair einer<br />

Studi<strong>ob</strong>ühne nun <strong>das</strong> Theaterspielen.<br />

Bühnen- und Zuschauerbere<strong>ich</strong> werden<br />

optisch durch einen schwarzen Aush<strong>an</strong>g<br />

von der Architektur getrennt, dadurch befindet<br />

s<strong>ich</strong> der Zuschauer in einem zwölf<br />

Meter hohen, schwarzen Theaterraum,<br />

Saison 2006/2007<br />

nur die Decke ist noch zu sehen. Die Tribüne<br />

bietet Platz für 198 Zuseher, für ein Publikum,<br />

<strong>das</strong> neugierig ist auf aktuelle Theaterformen,<br />

zum Beispiel »Hamlet³«, »Der<br />

Meister und Margarita« oder die beiden<br />

jüngsten Inszenierungen »Dunkel lockende<br />

Welt« und »Medea«.<br />

Die »schwarze Schachtel« k<strong>an</strong>n auch umg<strong>an</strong>gen<br />

werden, und ein Barraum bietet die<br />

Mögl<strong>ich</strong>keit, <strong>das</strong> monarchistische Ambiente<br />

auf s<strong>ich</strong> wirken zu lassen. Durch riesige<br />

Rundbogenfenster lässt s<strong>ich</strong> <strong>das</strong> Geschehen<br />

auf der Ringstraße be<strong>ob</strong>achten. Ferngesteuerte<br />

Rollos können die Welt jedoch auch<br />

draußen lassen. Seit dem Einzug der Black-<br />

Ortstermin<br />

box werden eine halbe Stunde <strong>vor</strong> Vorstellungsbeginn<br />

und auch nach dem Theaterabend<br />

Cocktails und <strong>an</strong>dere Erfrischungen<br />

serviert. Ja, selbst künstlerische Programme<br />

finden im intimen Rahmen der Bar statt.<br />

Der Regisseur Nicolas Stem<strong>an</strong>n hat eine<br />

eigene Reihe dafür konzipiert: Die »Gefahr-Bar«.<br />

Außerdem finden hier »kleine«<br />

Formate wie die »Spieltriebe«-Reihe der<br />

Regie- und Dramaturgie-Assistenten sowie<br />

Soloprogramme wie H<strong>an</strong>s Dieter Knebels<br />

Ringelnatz-Abend »Nie bist du ohne Nebendir«<br />

statt. All <strong>das</strong>: einmal erdacht und<br />

gebaut für einen kaiserl<strong>ich</strong>en Spross!<br />

Ulrike Sp<strong>an</strong>n<br />

NEUGIER AUF NEUES?<br />

WILLKOMMEN IM CLUB!<br />

KASINOClub – einmal zahlen und<br />

so oft wie mögl<strong>ich</strong> ins Theater!<br />

Theaterabende, Lesungen, Spieltriebe-Inszenierungen<br />

oder Konzerte<br />

(KasiNote) – mit der KASINOClub-<br />

Karte zahlen Sie einmalig 40 Euro<br />

(ermäßigt 25 Euro) und können<br />

dafür ein Jahr l<strong>an</strong>g <strong>das</strong> vielfältige<br />

Programm im KASINO und in der<br />

KASINOBar besuchen.<br />

25


Rückschau auf die Werkstatttage 06<br />

Präsentation der Arbeiten der Autoren-Werkstatttage<br />

<strong>an</strong> der Burg am 15. Okt<strong>ob</strong>er 2006<br />

14 Tage hatten acht junge Autoren die Mögl<strong>ich</strong>keit im <strong>Burgtheater</strong> gemeinsam mit<br />

Schauspielern, Regisseuren, Dramaturgen und Lektoren <strong>an</strong> ihren noch unfertigen Stücken<br />

zu arbeiten. Nach Diskussionen, Lesungen und Erpr<strong>ob</strong>ung der Texte gemeinsam<br />

mit den Schauspielern st<strong>an</strong>d am Ende der zweiten Woche die WerkstattNacht. Im ausverkauften<br />

Kasino konnten die Zuschauer die acht Autorinnen und Autoren mit Auszügen<br />

aus ihren Texten – präsentiert von den Schauspielern des <strong>Burgtheater</strong>ensembles<br />

– kennen lernen.<br />

Die Werkstatttage werden vom <strong>Burgtheater</strong> und dem Deutschen Literaturfonds e. V. ver<strong>an</strong>staltet,<br />

in Zusammenarbeit mit literarmech<strong>an</strong>a und Prohelvetia.<br />

Montag, 2. Okt<strong>ob</strong>er. Der Beginn der Werkstatttage. Autoren, Regisseure, Juroren und die Schauspieler<br />

des <strong>Burgtheater</strong>s treffen s<strong>ich</strong> zum ersten Kennenlernen im Erzherzog-Zimmer des <strong>Burgtheater</strong>s. Vorne<br />

im Bild von links: Ewald Palmetshofer, der bei den Werkstatttagen am seinem Stück »wohnen. unter<br />

glas« arbeitete, Gerhard Meister, sein Werkstatttage-Stück heißt »Fluchtburg«, und Laura deWeck,<br />

die mit »SumSum« da war.<br />

WerkstattNacht am 15. Okt<strong>ob</strong>er. Joh<strong>an</strong>na<br />

Kaptein (rechts) stellt ihr Stück mit dem Titel<br />

»Isabell« bei der WerkstattNacht im Kasino <strong>vor</strong>.<br />

Saison 2006/2007<br />

WerkstattNacht am 15. Okt<strong>ob</strong>er. Nino Haratischwili<br />

(links) stellt gemeinsam mit der Regisseurin<br />

Barbara-David Brüesch in der WerkstattNacht<br />

zwei Figuren (Sylvia Luk<strong>an</strong> und Paul Wolff-<br />

Plottegg) aus ihrem Stück »3 Sekunden« <strong>vor</strong>.<br />

Werkstatttage 06<br />

Donnerstag, 5. Okt<strong>ob</strong>er. Zeit für ausführl<strong>ich</strong>e<br />

Diskussionen. Im Bild Christopher Kloeble in der<br />

Diskussion seines Stücks »Morgen war gestern«.<br />

Mittwoch, 11. Okt<strong>ob</strong>er. Alle Beteiligten treffen<br />

s<strong>ich</strong> auf dem Lusterboden des <strong>Burgtheater</strong>s, um<br />

den Arbeitsst<strong>an</strong>d nach zwei Tagen Pr<strong>ob</strong>en zu<br />

diskutieren: Im Bild Nina Ender, die mit ihrem<br />

Stück »Ges<strong>ich</strong>ter« zu den Werkstatttagen kam.<br />

WerkstattNacht am 15. Okt<strong>ob</strong>er. Lothar Kittstein<br />

kündigt in der WerkstattNacht die Lesung<br />

aus seinem Stück »Vogelhaus (AT)« <strong>an</strong>.<br />

27


Magazin<br />

28<br />

Anna Politkowskaja im Dezember 2005 im Akademietheater<br />

bei der Ver<strong>an</strong>staltung »Warum Krieg?«<br />

»UND DENNocH ScHREIBEN SIE«<br />

In Memoriam Anna Politkowskaja<br />

Am 7. Okt<strong>ob</strong>er 2006 wurde in Moskau die bek<strong>an</strong>nte regime-<br />

kritische russische Journalistin Anna Politkowskaja in ihrem<br />

Haus mit fünf Schüssen ermordet. Demokratische Gesinnung und<br />

Pressefreiheit haben damit in Russl<strong>an</strong>d ihre w<strong>ich</strong>tigste Stimme<br />

verloren. Vor einem Jahr war Anna Politkowskaja, gemeinsam mit<br />

Giuli<strong>an</strong>a Sgrena und Slavenka Drakulic, zu Gast im Akademietheater.<br />

Es war einer der wenigen letzten öffentl<strong>ich</strong>en Auftritte Anna<br />

Politkowskajas im Westen, bei dem sie in aller Offenheit über<br />

die Situation in Russl<strong>an</strong>d und den Bürgerkrieg in Tschetschenien<br />

sprach. In Memoriam Anna Politkowskaja laden wir in diesem<br />

Jahr zu der Ver<strong>an</strong>staltung »Und dennoch schreiben sie« ein.<br />

Zu Gast sind Nina Chruschtschowa, Sergej Kowalow, Gallina<br />

Mursaljewa und Sus<strong>an</strong>ne Scholl, die über Anna Poltikowskaja<br />

sprechen und die Situation in Russl<strong>an</strong>d in einem Bühnengespräch<br />

diskutieren. Außerdem wurden M<strong>ich</strong>ail Gorbatschow und<br />

Garri Kasparow <strong>an</strong>gefragt. Mitglieder des <strong>Burgtheater</strong>-Ensembles<br />

lesen Texte von Anna Politkowskaja aus ihren Büchern »Putins<br />

Russl<strong>an</strong>d« und »Tschetschenien, die Wahrheit über den Krieg«<br />

sowie den offenen Brief von Anna Tregubova. Es moderiert<br />

Rubina Möhring.<br />

Eine Ver<strong>an</strong>staltung von »Bruno Kreisky Forum für internatio-<br />

nalen Dialog«, »Reporter ohne Grenzen« und <strong>Burgtheater</strong><br />

Am 14. Dezember 2006 im AKADEMIETHEATER<br />

TÜR AN TÜR MIT EINEM<br />

ANDEREN LEBEN<br />

Alex<strong>an</strong>der Kluge präsentiert sein neues Buch<br />

»350 neue Gesch<strong>ich</strong>ten« heißt <strong>das</strong> neue Opus des deutschen<br />

Film- und Fernsehmachers, Essayisten und Prosaschriftstellers<br />

Alex<strong>an</strong>der Kluge im Untertitel und weist damit schon auf die<br />

enorme Produktivität dieses Autors hin, der erst <strong>vor</strong> wenigen<br />

Jahren in zwei jeweils tausendseitigen Bänden unter dem<br />

Titel »Die Chronik der Gefühle« sein bisheriges erzählerisches<br />

Werk zusammengefasst und ergänzt hatte und <strong>vor</strong> zwei Jahren<br />

mit »Die Lücke, die der Teufel lässt« einen weiteren umf<strong>an</strong>gre<strong>ich</strong>en<br />

Erzählb<strong>an</strong>d <strong>vor</strong>gelegt hat. In den neun Kapiteln des<br />

neuen Buches geht es um Welt- und Wirtschaftskriege, um<br />

Liebes- und Familiengesch<strong>ich</strong>ten, um den Zeitbedarf von<br />

Revolutionen und um Bastionen des Überlebens, die einer<br />

n<strong>ich</strong>t aufgibt, ohne auf Leben und Tod zu kämpfen. Es geht<br />

um die l<strong>an</strong>gen Zeiten der Gesch<strong>ich</strong>te und <strong>das</strong> kurze Leben des<br />

Einzelnen, um Bombenleger und Blitzkrieger, Liebende und<br />

Hassende, um <strong>uns</strong>ere Ahnen und <strong>das</strong> »moderne Raubtier«,<br />

<strong>das</strong> in Gestalt gl<strong>ob</strong>alisierter Unternehmen <strong>uns</strong> Menschen<br />

gelegentl<strong>ich</strong> überholt und scheinbar zurücklässt. Es geht<br />

darum, wie in einer »Welt des M<strong>an</strong>gels und der Abstiege«<br />

Menschen ungeahnte Kräfte entfalten und <strong>an</strong> ihrer Glückssuche<br />

festhalten, zwischen Liebe und Barbarei. Es geht um<br />

<strong>das</strong> Babylon verschiedener Realitäten, in dem wir existieren.<br />

In jedem Moment: Tür <strong>an</strong> Tür mit einem <strong>an</strong>deren Leben.<br />

Am 15. November 2006 im AKADEMIETHEATER<br />

Alex<strong>an</strong>der Kluge<br />

2005/2006 Saison


Saison 2006/2007<br />

DER SpAzIERgANg<br />

Ignaz Kirchner<br />

liest R<strong>ob</strong>ert W<strong>als</strong>er<br />

R<strong>ob</strong>ert W<strong>als</strong>er ist – auch <strong>wenn</strong><br />

er viel geschrieben hat, auch<br />

<strong>wenn</strong> er oft daherzuplappern<br />

scheint – ein Schweiger.<br />

Eigentl<strong>ich</strong> taugen ja Worte<br />

überhaupt n<strong>ich</strong>t viel, die eigentl<strong>ich</strong>en<br />

Gefühle und Ged<strong>an</strong>ken<br />

liegen irgendwo jenseits der<br />

Sprache. R<strong>ob</strong>ert W<strong>als</strong>er stapelt<br />

tief, er sagt »n<strong>ich</strong>ts« auch da,<br />

wo er »etwas« meint. Der kontaktscheue<br />

W<strong>als</strong>er ist auch in<br />

seiner Prosa kontaktscheu.<br />

Das Schreiben war für ihn<br />

sowieso die einzige Mögl<strong>ich</strong>keit,<br />

seine Schamschwelle zu<br />

überspringen: er flüchtete s<strong>ich</strong><br />

Ignaz Kirchner<br />

in die Maske des Mittell<strong>an</strong>d-<br />

Tölpels, um seine Ängste und<br />

Sehnsüchte vermitteln zu können,<br />

um endl<strong>ich</strong> »von s<strong>ich</strong>« reden zu dürfen. R<strong>ob</strong>ert W<strong>als</strong>er schreibt von<br />

s<strong>ich</strong> und nur von s<strong>ich</strong>. Seine Arbeiten sind, <strong>wenn</strong> m<strong>an</strong> sie <strong>an</strong>ein<strong>an</strong>derreiht,<br />

eine Art innere Aut<strong>ob</strong>iographie mit verstellter Stimme. Seine Rollen erlauben<br />

ihm erst, überhaupt etwas zu sagen, er k<strong>an</strong>n nur »<strong>ich</strong>« sagen, <strong>wenn</strong><br />

dieses Ich <strong>als</strong> Kind, <strong>als</strong> Schüler, <strong>als</strong> Angestellter, <strong>als</strong> Spaziergänger etc. verkleidet<br />

ist. So sagt er <strong>das</strong> ihm w<strong>ich</strong>tige »Etwas« je nach der <strong>an</strong>genommenen<br />

Rolle nur halbwegs oder d<strong>an</strong>eben oder dumm oder ungeschickt. Ja, auch<br />

diese Tölpelhaftigkeit war wiederum durchaus Methode: R<strong>ob</strong>ert W<strong>als</strong>er<br />

erfüllte bewusst die Erwartungen n<strong>ich</strong>t, die m<strong>an</strong> auch schon zu seiner Zeit<br />

<strong>an</strong> einen Schriftsteller stellte. Er funktionierte n<strong>ich</strong>t in einem Gesellschaftsgefüge,<br />

in dem auch die D<strong>ich</strong>ter zu funktionieren hatten. 1927 schrieb er<br />

z.B. in einem Brief: »Jeweilen, d.h. von Zeit zu Zeit werfe <strong>ich</strong> zerrissene<br />

M<strong>an</strong>uskripte in den Papierkorb, im Instinkt, daß es hübsch, fein, propper,<br />

n<strong>ob</strong>el sei, stets irgendwas aufzuopfern, und damit <strong>das</strong> Schaffen mäßig<br />

bleibe.« W<strong>als</strong>er wollte n<strong>ich</strong>t, <strong>an</strong>alog der Konsumartikelindustrie, »jährl<strong>ich</strong><br />

irgendwelche neue Hundertprozentigkeit <strong>an</strong>s Tagesl<strong>ich</strong>t gel<strong>an</strong>gen lassen.«<br />

Eine seiner Qualitäten ist gerade, <strong>das</strong>s er <strong>das</strong> n<strong>ich</strong>t wollte. Er war kein<br />

Leistungs-Schriftsteller, der Literatur in stets gle<strong>ich</strong>bleibender Qualität<br />

liefern konnte und wollte. Eher schon schrieb er, wie er atmete und dachte,<br />

ja beinahe, wie m a n atmet und denkt.<br />

W<strong>als</strong>ers Ged<strong>an</strong>ken sind keine besonders großen, schlauen, ph<strong>an</strong>tastischen,<br />

einmaligen Ged<strong>an</strong>ken, sie sind eher so dahergesagt. W<strong>als</strong>er hat – überspitzt<br />

ausgedrückt – überhaupt keine Einfälle, denn Einfälle haben die, die s<strong>ich</strong> in<br />

ihrer gelassenen Muße solche leisten können. R<strong>ob</strong>ert W<strong>als</strong>er aber kämpft<br />

um sein Leben, auch <strong>wenn</strong> er von seinem s<strong>an</strong>ften Spazierg<strong>an</strong>g durch Biel<br />

ber<strong>ich</strong>tet. Fast verstehe <strong>ich</strong> m<strong>an</strong>chmal, <strong>das</strong>s l<strong>an</strong>ge Zeit niem<strong>an</strong>d so recht<br />

W<strong>als</strong>ers Skizzen aus seinem tägl<strong>ich</strong>en Leben drucken wollte. Sie sahen so<br />

<strong>an</strong>ders aus <strong>als</strong> all <strong>das</strong>, was m<strong>an</strong> <strong>als</strong> »große« Literatur zu sehen gewohnt<br />

war. Sie sahen beinah so aus, <strong>als</strong> könnte eigentl<strong>ich</strong> ein jeder so etwas machen<br />

– und wer druckt <strong>das</strong> schon. Nur wenige merkten, <strong>das</strong>s kaum jem<strong>an</strong>d<br />

so nahe am Selbstverständl<strong>ich</strong>en war wie W<strong>als</strong>er und damit der »Wahrheit«,<br />

was immer <strong>das</strong> auch sei, am nächsten. Ich glaube, R<strong>ob</strong>ert W<strong>als</strong>er ist<br />

am ehesten über die g<strong>an</strong>z einfachen Gefühle zu erre<strong>ich</strong>en. M<strong>an</strong> muss ihm<br />

ein gutes Stück Verständnis und Liebe <strong>vor</strong>geben, oder m<strong>an</strong> hat es schwer<br />

mit ihm. Seine Prosa macht traurig und glückl<strong>ich</strong>, Kategorien wie »gut«<br />

oder »schlecht« sind irgendwie sinnlos bei ihm. Ist er n<strong>ich</strong>t so »gut«, weil<br />

er so tolpatschig und hilflos ist? Ist er n<strong>ich</strong>t da besonders rührend, wo alles<br />

besonders d<strong>an</strong>ebenzugehen scheint, gemessen <strong>an</strong> den h<strong>an</strong>delsübl<strong>ich</strong>en<br />

Erwartungen? Urs Widmer<br />

Ab Jänner 2007 im VESTIBÜL<br />

»VERTRAULIcH«<br />

Joh<strong>an</strong>na Wokalek und Rol<strong>an</strong>d Jaeger<br />

singen Ch<strong>an</strong>sons von Serge Gainsbourg<br />

»Die Sonne ist rar<br />

und <strong>das</strong> Glück so wie sie<br />

doch wie wunderbar<br />

ist Melody.«<br />

Serge Gainsbourg (Melody Nelson)<br />

Magazin<br />

Die Dinge, die ihn umgeben, diktieren ihm Gesch<strong>ich</strong>ten.<br />

In den frühen 70er Jahren erwirbt Gainsbourg einen Rolls<br />

Royce, ohne Zweifel ein Kindertraum. Serge hat weder<br />

einen Führerschein, noch die Abs<strong>ich</strong>t, einen Chauffeur<br />

einzustellen. Ihn faszinieren vielmehr der Kl<strong>an</strong>g der Worte<br />

»Rolls Royce« und die Kühlerfigur, die ihn berauscht.<br />

Dadurch inspiriert, entsteht ein Konzeptalbum »Melody<br />

Nelson«. Serge behält <strong>das</strong> Auto zehn Jahre, d<strong>an</strong>n trennt er<br />

s<strong>ich</strong> davon, wie m<strong>an</strong> eine alte Liebesgesch<strong>ich</strong>te wegwirft.<br />

Die Kühlerfigur aber behält er, <strong>als</strong> Souvenir.<br />

Serge Gainsbourg, vielen nur durch <strong>das</strong> berühmte, gemein-<br />

sam mit J<strong>an</strong>e Birkin interpretierte »Je t’aime, moi non<br />

plus« bek<strong>an</strong>nt, hat zahlre<strong>ich</strong>e Ch<strong>an</strong>sons geschrieben, die<br />

den Ausdruck von Mel<strong>an</strong>cholie, Bitterkeit und oft die<br />

Direktheit eines Polizeiber<strong>ich</strong>ts haben. »Nouvelle Vague«<br />

– »New Style«, wie m<strong>an</strong> dam<strong>als</strong> sagte. Dahinter aber versteckt<br />

s<strong>ich</strong> der scheue Serge, der am Straßenr<strong>an</strong>d zurückbleibt,<br />

mit seiner Sehnsucht im Arm.<br />

Musikalische Unterstützung bekommen Joh<strong>an</strong>na Wokalek<br />

und Rol<strong>an</strong>d Jaeger, die die Ch<strong>an</strong>sons in deutscher Übersetzung<br />

präsentieren, von Martin Holter (Keyboards), Rainer<br />

Lidauer (Drums, Percussion), Steph<strong>an</strong> Dickbauer (Reeds),<br />

Simon Radner (Bass) und Engel Mayr (Gitarre).<br />

Am 9. und 10. November 2006 im KASINo<br />

Rol<strong>an</strong>d Jaeger und Joh<strong>an</strong>na Wokalek<br />

29


Magazin<br />

30<br />

SuCHERS LEIDENSCHAfTEN<br />

C. Bernd Sucher präsentiert Beckett und Flaubert<br />

Samuel Beckett steht im Zentrum des zweiten »Leidenschaften«-Vortrags<br />

dieser Spielzeit. Die meisten Menschen verbinden mit dem Namen<br />

Beckett <strong>vor</strong> allem Theaterstücke: »Warten auf Godot«, »Endspiel«,<br />

»Glückl<strong>ich</strong>e Tage«. Einige kennen seine Rom<strong>an</strong>e; aber nur<br />

g<strong>an</strong>z wenige wissen seine Ged<strong>ich</strong>te, Hörspiele und Essays zu schätzen.<br />

C. Bernd Sucher wird den Dramatiker n<strong>ich</strong>t übergehen, aber s<strong>ich</strong><br />

auch ausführl<strong>ich</strong> mit dem Rom<strong>an</strong>cier, dem Lyriker und dem Denker<br />

beschäftigen und entdecken, <strong>das</strong>s Beckett in seinem Werk sehr viel<br />

von s<strong>ich</strong> und seinem Leben verrät, verrätselt allerdings.<br />

Gustave flaubert war<br />

ein seltsamer Kauz und<br />

zugle<strong>ich</strong> einer der besten<br />

Schriftsteller des 19.<br />

Jahrhunderts. Heinr<strong>ich</strong><br />

M<strong>an</strong>n galt der Autor von<br />

»Salambô« und »Madame<br />

Bovary« <strong>als</strong> »der<br />

Heilige des Rom<strong>an</strong>s«.<br />

Gut schreiben, die rechte<br />

form zu finden, galt<br />

flaubert <strong>als</strong> Hauptziel.<br />

Er war ein akribischer<br />

Wort- und Syntax-Sucher,<br />

ein Perfektionist.<br />

C. Bernd Sucher widmet<br />

s<strong>ich</strong> in seinem Vortrag<br />

in der »Leidenschaften«-<br />

Reihe besonders einem<br />

Werk, dem Rom<strong>an</strong> »Die<br />

Versuchung des heiligen Antonius«; und er wird die Zuhörer bek<strong>an</strong>nt<br />

machen mit dem Menschen flaubert, dem (unglückl<strong>ich</strong>en) Liebhaber,<br />

der all sein unerfülltes Begehren in seinen Werken chiffrierte.<br />

»Samuel Beckett« am 16. November 2006,<br />

»Gustave flaubert« am 18. Jänner 2007 im KASINO<br />

NACHWEISE<br />

BILDER: Christi<strong>an</strong> Brachwitz (S.23/3), K. Horvath (S.29/2), Sarah Lucas, Courtesy Sadie Cloes HQ, London<br />

(S.7), H<strong>an</strong>sjörg M<strong>ich</strong>el (S.18/2, 20, 21 <strong>ob</strong>en), Isolde Ohlbaum (S.5, 28/2), Jim Rakete (Titel), Georg Soulek<br />

(S.19/1, 21 Mitte), Suhrkamp Verlag (S.17), Reinhard Werner (S.3, 8, 10, 11, 12, 14-15, 18/1, 19/2, 19/3, 21<br />

unten, 23/1, 23/2, 23/4, 24-25, 27, 28/1, 29/1). TEXTE: S.4-5: Auszug aus Iv<strong>an</strong> Nagel, Drama und Theater,<br />

Carl H<strong>an</strong>ser Verlag; S.6-7: Originalbeitrag; S.8-9: Originalbeitrag – Das Gespräch führte Sebasti<strong>an</strong> Huber;<br />

S.10-11: Originalbeitrag; S.12-13: Originalbeitrag; S.14-15: Originalbeitrag; S.17: Auszug aus »Ich ist eine<br />

Bildstörung« von Katrin Bettina Müller, in: Spectaculum 76, Suhrkamp Verlag; S.24-25: Originalbeitrag.<br />

Wir d<strong>an</strong>ken <strong>uns</strong>eren Jubiläums- und Hauptsponsoren<br />

Schenken Sie auch so gerne Bücher?<br />

Die persönl<strong>ich</strong>sten, intimsten, dauerhaftesten, wissensintensivsten<br />

und unendl<strong>ich</strong> viel Gesprächsstoff liefernden Geschenke<br />

sind nach wie <strong>vor</strong> Bücher: <strong>ob</strong> druckfrische Rom<strong>an</strong>e<br />

(vielle<strong>ich</strong>t den diesjährigen N<strong>ob</strong>elpreisträger: Pamuks<br />

»Schnee« ist seit Erscheinen eine <strong>uns</strong>erer Empfehlungen),<br />

faszinierende neue Theaterbücher (n<strong>ich</strong>t nur über den Regenten<br />

Shakespeare!) oder Sachbücher zu brennenden Themen<br />

aus Zeitgesch<strong>ich</strong>te, Philosophie, K<strong>uns</strong>t – und d<strong>an</strong>n die<br />

wunderschönen frischen Kochbücher (hat m<strong>an</strong>/frau d<strong>an</strong>n ja<br />

auch selber viel Genuss davon), oder Sie wählen aus den<br />

traumhaft schönen neuen Reisebänden: die wecken Reiselust,<br />

sind auch eine gute Ticket-Verpackung – und <strong>als</strong> Abenteuer<br />

im Kopf <strong>an</strong>regend über mehrere Abende. Mein Liebling<br />

aus diesem Genre ist der neue Asienb<strong>an</strong>d aus der Reihe<br />

»Legendäre Reisen«: Schenken Sie diese nostalgische und<br />

opulente (Bilder-)Reise durch Indien, China, Indochina, Jap<strong>an</strong>,<br />

Malaysia und Ceylon. Nehmen Sie Platz <strong>an</strong> den damastgedeckten<br />

Tischen der Luxushotels und Luxuszüge,<br />

wo m<strong>an</strong> von Silber und Kristall speiste. Staunen Sie, wie die<br />

Herrschaften schwierige Wege in kostbaren Sänften überw<strong>an</strong>den,<br />

lassen Sie s<strong>ich</strong> verführen von exotischen Farben<br />

und Düften. Reisen Sie wie <strong>an</strong>no dazumal – steigen Sie ab<br />

im »Raffles Hotel« in Singapur oder im »Gr<strong>an</strong>d Oriental« in<br />

Colombo, deren Namen <strong>an</strong> eine Zeit erinnern, in der <strong>das</strong><br />

Reisen noch diesen gewissen Hauch von Eleg<strong>an</strong>z, Luxus<br />

und g<strong>an</strong>z besonderem Stil hatte. Zahlre<strong>ich</strong>e, auch bisl<strong>an</strong>g<br />

unveröffentl<strong>ich</strong>te historische Fotos sowie eine Reihe zeitgenössischer<br />

Aufnahmen setzen L<strong>an</strong>dschaften und Szenen<br />

zauberhaft und atmosphärisch in Szene. Eine Fülle literarischer<br />

Zitate zeitgenössischer Asienreisender, von Herm<strong>an</strong>n<br />

Hesse oder Marguerite Duras bis Alex<strong>an</strong>dra David-Neel, von<br />

André Malraux bis William Somerset Maugham legen beredtes<br />

Zeugnis ab, wie der Zauber des Orients dam<strong>als</strong> die<br />

größten Geister entzückte. Welche Reise, welches Jahrhundert,<br />

welches Wissensgebiet Sie auch suchen: bei Leporello<br />

finden Sie <strong>das</strong> passende Buch – vers<strong>ich</strong>ert Ihnen<br />

Ihre Rotraut Schöberl<br />

Buchh<strong>an</strong>dlung Leporello im Foyer des <strong>Burgtheater</strong>s<br />

und <strong>uns</strong>eren Freunden und Förderern: agensketterl Druckerei GmbH, ART AND GARDEN, Austri<strong>an</strong> Airlines, BA/CA, BAWAG-PSK, Weingut Bründlmayer, Fernwärme, Jac<strong>ob</strong>s,<br />

Josef M<strong>an</strong>ner & Comp. AG, Kartenbüro Jirsa, Magna International, Möbelwerkstätten WITTMANN, OENB Oesterre<strong>ich</strong>ische Nationalb<strong>an</strong>k, Österre<strong>ich</strong>ische Elektrizitäts-Wirtschafts AG<br />

Verbund, Österre<strong>ich</strong>isches Verkehrsbüro AG, Palmers, Römerquelle, S-Bausparkasse, Schlumberger Wein- und Sektkellerei AG, Schuhm<strong>an</strong>ufaktur Ludwig Reiter, Staud´s Wien,<br />

TELEKOM Austria, waagner-biro, WIENENERGIE, Wiener Städtische Vers<strong>ich</strong>erungs AG, WKO Wirtschaftskammer Österre<strong>ich</strong><br />

2005/2006 Saison

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