wenn ich an uns denke … kommt's mir vor, als ob das ... - Burgtheater

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Magazin 28 Anna Politkowskaja im Dezember 2005 im Akademietheater bei der Veranstaltung »Warum Krieg?« »UND DENNocH ScHREIBEN SIE« In Memoriam Anna Politkowskaja Am 7. Oktober 2006 wurde in Moskau die bekannte regime- kritische russische Journalistin Anna Politkowskaja in ihrem Haus mit fünf Schüssen ermordet. Demokratische Gesinnung und Pressefreiheit haben damit in Russland ihre wichtigste Stimme verloren. Vor einem Jahr war Anna Politkowskaja, gemeinsam mit Giuliana Sgrena und Slavenka Drakulic, zu Gast im Akademietheater. Es war einer der wenigen letzten öffentlichen Auftritte Anna Politkowskajas im Westen, bei dem sie in aller Offenheit über die Situation in Russland und den Bürgerkrieg in Tschetschenien sprach. In Memoriam Anna Politkowskaja laden wir in diesem Jahr zu der Veranstaltung »Und dennoch schreiben sie« ein. Zu Gast sind Nina Chruschtschowa, Sergej Kowalow, Gallina Mursaljewa und Susanne Scholl, die über Anna Poltikowskaja sprechen und die Situation in Russland in einem Bühnengespräch diskutieren. Außerdem wurden Michail Gorbatschow und Garri Kasparow angefragt. Mitglieder des Burgtheater-Ensembles lesen Texte von Anna Politkowskaja aus ihren Büchern »Putins Russland« und »Tschetschenien, die Wahrheit über den Krieg« sowie den offenen Brief von Anna Tregubova. Es moderiert Rubina Möhring. Eine Veranstaltung von »Bruno Kreisky Forum für internatio- nalen Dialog«, »Reporter ohne Grenzen« und Burgtheater Am 14. Dezember 2006 im AKADEMIETHEATER TÜR AN TÜR MIT EINEM ANDEREN LEBEN Alexander Kluge präsentiert sein neues Buch »350 neue Geschichten« heißt das neue Opus des deutschen Film- und Fernsehmachers, Essayisten und Prosaschriftstellers Alexander Kluge im Untertitel und weist damit schon auf die enorme Produktivität dieses Autors hin, der erst vor wenigen Jahren in zwei jeweils tausendseitigen Bänden unter dem Titel »Die Chronik der Gefühle« sein bisheriges erzählerisches Werk zusammengefasst und ergänzt hatte und vor zwei Jahren mit »Die Lücke, die der Teufel lässt« einen weiteren umfangreichen Erzählband vorgelegt hat. In den neun Kapiteln des neuen Buches geht es um Welt- und Wirtschaftskriege, um Liebes- und Familiengeschichten, um den Zeitbedarf von Revolutionen und um Bastionen des Überlebens, die einer nicht aufgibt, ohne auf Leben und Tod zu kämpfen. Es geht um die langen Zeiten der Geschichte und das kurze Leben des Einzelnen, um Bombenleger und Blitzkrieger, Liebende und Hassende, um unsere Ahnen und das »moderne Raubtier«, das in Gestalt globalisierter Unternehmen uns Menschen gelegentlich überholt und scheinbar zurücklässt. Es geht darum, wie in einer »Welt des Mangels und der Abstiege« Menschen ungeahnte Kräfte entfalten und an ihrer Glückssuche festhalten, zwischen Liebe und Barbarei. Es geht um das Babylon verschiedener Realitäten, in dem wir existieren. In jedem Moment: Tür an Tür mit einem anderen Leben. Am 15. November 2006 im AKADEMIETHEATER Alexander Kluge 2005/2006 Saison
Saison 2006/2007 DER SpAzIERgANg Ignaz Kirchner liest Robert Walser Robert Walser ist – auch wenn er viel geschrieben hat, auch wenn er oft daherzuplappern scheint – ein Schweiger. Eigentlich taugen ja Worte überhaupt nicht viel, die eigentlichen Gefühle und Gedanken liegen irgendwo jenseits der Sprache. Robert Walser stapelt tief, er sagt »nichts« auch da, wo er »etwas« meint. Der kontaktscheue Walser ist auch in seiner Prosa kontaktscheu. Das Schreiben war für ihn sowieso die einzige Möglichkeit, seine Schamschwelle zu überspringen: er flüchtete sich Ignaz Kirchner in die Maske des Mittelland- Tölpels, um seine Ängste und Sehnsüchte vermitteln zu können, um endlich »von sich« reden zu dürfen. Robert Walser schreibt von sich und nur von sich. Seine Arbeiten sind, wenn man sie aneinanderreiht, eine Art innere Autobiographie mit verstellter Stimme. Seine Rollen erlauben ihm erst, überhaupt etwas zu sagen, er kann nur »ich« sagen, wenn dieses Ich als Kind, als Schüler, als Angestellter, als Spaziergänger etc. verkleidet ist. So sagt er das ihm wichtige »Etwas« je nach der angenommenen Rolle nur halbwegs oder daneben oder dumm oder ungeschickt. Ja, auch diese Tölpelhaftigkeit war wiederum durchaus Methode: Robert Walser erfüllte bewusst die Erwartungen nicht, die man auch schon zu seiner Zeit an einen Schriftsteller stellte. Er funktionierte nicht in einem Gesellschaftsgefüge, in dem auch die Dichter zu funktionieren hatten. 1927 schrieb er z.B. in einem Brief: »Jeweilen, d.h. von Zeit zu Zeit werfe ich zerrissene Manuskripte in den Papierkorb, im Instinkt, daß es hübsch, fein, propper, nobel sei, stets irgendwas aufzuopfern, und damit das Schaffen mäßig bleibe.« Walser wollte nicht, analog der Konsumartikelindustrie, »jährlich irgendwelche neue Hundertprozentigkeit ans Tageslicht gelangen lassen.« Eine seiner Qualitäten ist gerade, dass er das nicht wollte. Er war kein Leistungs-Schriftsteller, der Literatur in stets gleichbleibender Qualität liefern konnte und wollte. Eher schon schrieb er, wie er atmete und dachte, ja beinahe, wie m a n atmet und denkt. Walsers Gedanken sind keine besonders großen, schlauen, phantastischen, einmaligen Gedanken, sie sind eher so dahergesagt. Walser hat – überspitzt ausgedrückt – überhaupt keine Einfälle, denn Einfälle haben die, die sich in ihrer gelassenen Muße solche leisten können. Robert Walser aber kämpft um sein Leben, auch wenn er von seinem sanften Spaziergang durch Biel berichtet. Fast verstehe ich manchmal, dass lange Zeit niemand so recht Walsers Skizzen aus seinem täglichen Leben drucken wollte. Sie sahen so anders aus als all das, was man als »große« Literatur zu sehen gewohnt war. Sie sahen beinah so aus, als könnte eigentlich ein jeder so etwas machen – und wer druckt das schon. Nur wenige merkten, dass kaum jemand so nahe am Selbstverständlichen war wie Walser und damit der »Wahrheit«, was immer das auch sei, am nächsten. Ich glaube, Robert Walser ist am ehesten über die ganz einfachen Gefühle zu erreichen. Man muss ihm ein gutes Stück Verständnis und Liebe vorgeben, oder man hat es schwer mit ihm. Seine Prosa macht traurig und glücklich, Kategorien wie »gut« oder »schlecht« sind irgendwie sinnlos bei ihm. Ist er nicht so »gut«, weil er so tolpatschig und hilflos ist? Ist er nicht da besonders rührend, wo alles besonders danebenzugehen scheint, gemessen an den handelsüblichen Erwartungen? Urs Widmer Ab Jänner 2007 im VESTIBÜL »VERTRAULIcH« Johanna Wokalek und Roland Jaeger singen Chansons von Serge Gainsbourg »Die Sonne ist rar und das Glück so wie sie doch wie wunderbar ist Melody.« Serge Gainsbourg (Melody Nelson) Magazin Die Dinge, die ihn umgeben, diktieren ihm Geschichten. In den frühen 70er Jahren erwirbt Gainsbourg einen Rolls Royce, ohne Zweifel ein Kindertraum. Serge hat weder einen Führerschein, noch die Absicht, einen Chauffeur einzustellen. Ihn faszinieren vielmehr der Klang der Worte »Rolls Royce« und die Kühlerfigur, die ihn berauscht. Dadurch inspiriert, entsteht ein Konzeptalbum »Melody Nelson«. Serge behält das Auto zehn Jahre, dann trennt er sich davon, wie man eine alte Liebesgeschichte wegwirft. Die Kühlerfigur aber behält er, als Souvenir. Serge Gainsbourg, vielen nur durch das berühmte, gemeinsam mit Jane Birkin interpretierte »Je t’aime, moi non plus« bekannt, hat zahlreiche Chansons geschrieben, die den Ausdruck von Melancholie, Bitterkeit und oft die Direktheit eines Polizeiberichts haben. »Nouvelle Vague« – »New Style«, wie man damals sagte. Dahinter aber versteckt sich der scheue Serge, der am Straßenrand zurückbleibt, mit seiner Sehnsucht im Arm. Musikalische Unterstützung bekommen Johanna Wokalek und Roland Jaeger, die die Chansons in deutscher Übersetzung präsentieren, von Martin Holter (Keyboards), Rainer Lidauer (Drums, Percussion), Stephan Dickbauer (Reeds), Simon Radner (Bass) und Engel Mayr (Gitarre). Am 9. und 10. November 2006 im KASINo Roland Jaeger und Johanna Wokalek 29
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Seite 21 und 22: Ortstermin 24 Marmor, Stuck und coo
Seite 23: Rückschau auf die Werkstatttage 06

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