wenn ich an uns denke … kommt's mir vor, als ob das ... - Burgtheater
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<strong>Burgtheater</strong><br />
8<br />
Eine neue Art des Sprechens erfinden<br />
Ein Gespräch mit dem Regisseur Theu Boerm<strong>an</strong>s <strong>an</strong>lässl<strong>ich</strong> seiner<br />
Inszenierung von Shakespeares »Ein Sommernachtstraum«<br />
Theu Boerm<strong>an</strong>s<br />
Im »Sommernachtstraum«, nach wie <strong>vor</strong> die beliebteste der Shakespeare’schen<br />
Komödien, zeigt s<strong>ich</strong> die enorme Leistungsfähigkeit des elisabeth<strong>an</strong>ischen Theaters,<br />
unterschiedl<strong>ich</strong>ste Erzähl- und Theaterformen in einem Stück zu vereinen, von<br />
ihrer re<strong>ich</strong>haltigsten Seite: Staatsakt und Familientragödie, Verwechslungskomödie,<br />
Märchenspiel und Parodie, Traumerzählung und psychologischer Horrortrip<br />
finden s<strong>ich</strong> hier auf engstem Raum nebenein<strong>an</strong>der und aufs K<strong>uns</strong>tvollste mitein<strong>an</strong>der<br />
verw<strong>ob</strong>en. Hermia und Lys<strong>an</strong>der fliehen <strong>vor</strong> dem strengen Athener Gesetz, <strong>das</strong><br />
ihre Liebe mit Verbot belegt, in den Wald; sie werden von Demetrius verfolgt, der<br />
Hermia liebt und seinerseits von Helena verfolgt wird. Dort werden die Liebenden in<br />
die Turbulenzen hineingezogen, die der Ehestreit zwischen dem Elfenkönig Oberon und<br />
seiner Gattin Tit<strong>an</strong>ia verursacht, eine Konstellation, die der in Athen <strong>vor</strong>bereiteten Fürstenhochzeit<br />
zwischen Theseus und der Amazonenkönigin Hippolyta verblüffend ähnl<strong>ich</strong><br />
sieht. Für diesen Anlass hält, ebenfalls im Wald, eine Truppe H<strong>an</strong>dwerker Pr<strong>ob</strong>en<br />
zu einem Theaterstück ab, in dem eine unglückl<strong>ich</strong>e Liebe mit einem Doppelselbstmord<br />
endet – ein Schicksal, <strong>das</strong> den <strong>an</strong>deren Paaren dieser Komödie immerhin erspart bleibt.<br />
Sie arbeiten jetzt zum dritten Mal in Wien:<br />
Vor etwa zehn Jahren haben Sie am Schauspielhaus<br />
bei H<strong>an</strong>s Gratzer ein Stück von<br />
Gustav Ernst inszeniert, d<strong>an</strong>n <strong>vor</strong> vier<br />
Jahren am Akademietheater »Gilgamesh«<br />
von Raoul Schrott. Sie haben in der Schweiz<br />
und Belgien gearbeitet, in Amsterdam leiten<br />
Sie ein eigenes Theater, <strong>das</strong> Compagnie Theater.<br />
Welche Erfahrungen haben Sie mit den<br />
verschiedenen Theater-Systemen gemacht?<br />
Das holländische System ist vom österre<strong>ich</strong>ischen<br />
sehr verschieden. Meine Gruppe<br />
zum Beispiel ist bei ihrer Gründung 1988 aus<br />
einer Klasse der Arnheimer Schauspielschule<br />
her<strong>vor</strong>geg<strong>an</strong>gen. Ich hatte deren Abschluss-<br />
arbeit inszeniert, <strong>das</strong> war ein großer Erfolg,<br />
und so haben wir beschlossen, zusammen zu<br />
bleiben.<br />
D<strong>an</strong>n best<strong>an</strong>d diese Gruppe aus lauter gle<strong>ich</strong><br />
alten Schauspielern?<br />
Ja, und wir haben auch hauptsächl<strong>ich</strong> Autoren<br />
aus deren Generation gespielt. Ich hatte<br />
zu<strong>vor</strong> schon einige Jahre <strong>als</strong> Schauspieler<br />
gearbeitet und war in Stücken von Thomas<br />
Bernhard und Botho Strauß aufgetreten. Jetzt<br />
spielten wir Werner Schwab, Rainald Goetz,<br />
Sarah K<strong>an</strong>e, Mark Ravenhill, in dieser Spielzeit<br />
führen wir erstm<strong>als</strong> ein Stück von Rol<strong>an</strong>d<br />
Schimmelpfennig auf. D<strong>an</strong>eben spielen<br />
Herzl<strong>ich</strong>en Glückw<strong>uns</strong>ch!<br />
Theu Boerm<strong>an</strong>s ist Ende Okt<strong>ob</strong>er in Berlin mit dem<br />
Prix Europa für die beste europäische Fernsehproduktion<br />
2006 ausgeze<strong>ich</strong>net worden. Der<br />
Film »De Uitverkorene/Der Auserwählte«, der<br />
die wahre Gesch<strong>ich</strong>te zweier Brüder, Angehörige<br />
einer holländischen protest<strong>an</strong>tischen Sekte, zum<br />
Ausg<strong>an</strong>gspunkt hat, die in den neunziger Jahren<br />
mit eigenwilligen IT-Geschäften und dem Kapital<br />
ihrer Glaubensbrüder ein millionenschweres<br />
Geschäft betrieben, bis die fromme Blase platzte,<br />
überzeugte die Jury durch »ein d<strong>ich</strong>t geschriebenes<br />
Drehbuch, eine starke Besetzung und die<br />
exzellente Regie«.<br />
wir internationale Klassiker: Shakespeare,<br />
Tschechow etc., in deutl<strong>ich</strong> konzeptionell<br />
geprägten Aufführungen. Die Schauspieler<br />
waren immer sehr stark in die Auswahl der<br />
Stücke einbezogen.<br />
Am Spielpl<strong>an</strong> Ihres Hauses wie auch <strong>an</strong><br />
Ihrer eigenen künstlerischen Biografie fällt<br />
eine starke Affinität zu deutschsprachiger<br />
Literatur auf. Sind Sie in dieser Hins<strong>ich</strong>t ein<br />
Einzelfall oder wird in Holl<strong>an</strong>d generell viel<br />
deutschsprachige Dramatik gespielt?<br />
In Holl<strong>an</strong>d fehlt ein K<strong>an</strong>on nationaler<br />
Dramatik seit der Aufklärung, auf den<br />
s<strong>ich</strong> eine starke Tradition gründen ließe.<br />
Neunzig Prozent von dem, was bei <strong>uns</strong><br />
über die Bühne geht, sind ausländische<br />
Stücke. Dieser M<strong>an</strong>gel, der s<strong>ich</strong> – mit<br />
einigen Ausnahmen – bis in die Gegenwart<br />
fortsetzt, führt dazu, <strong>das</strong>s bei <strong>uns</strong><br />
in noch viel größerem Ausmaß <strong>als</strong> im<br />
deutschsprachigen Raum auf Theatralisierungen<br />
von Filmdrehbüchern oder Rom<strong>an</strong>en<br />
zurückgegriffen wird. Ich persönl<strong>ich</strong><br />
finde <strong>das</strong> bedauerl<strong>ich</strong>, weil damit die<br />
eigene, unverwechselbare Sprache des<br />
Theaters zu verschwinden droht und <strong>das</strong><br />
intellektuelle Niveau sinkt. Alles wird<br />
einfacher: n<strong>ich</strong>t nur emotional oder visuell,<br />
auch intellektuell. Dadurch gerät<br />
<strong>das</strong> Sprechtheater bei <strong>uns</strong> sehr stark unter<br />
Druck. Wir sind eine der wenigen Gruppen,<br />
die konsequent Gegenwartsdramatik<br />
spielt, und die deutschsprachigen Autoren<br />
waren und sind ein w<strong>ich</strong>tiger Best<strong>an</strong>dteil.<br />
Aus dem deutschsprachigen Raum blickt<br />
m<strong>an</strong> mit einer gewissen Bewunderung auf die<br />
besondere Offenheit der Spiel- und Produktionsweisen<br />
des holländischen Theaters.<br />
2006/2007 Saison