wenn ich an uns denke … kommt's mir vor, als ob das ... - Burgtheater
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Das wundervolle Zwischending<br />
von Martin Heckm<strong>an</strong>ns<br />
Anne und Joh<strong>an</strong>n machen einen Film, der<br />
von Anne und Joh<strong>an</strong>n und ihrer Liebe<br />
nach sieben Jahren h<strong>an</strong>deln soll. Ihr Pr<strong>ob</strong>lem<br />
ist ein g<strong>an</strong>z bek<strong>an</strong>ntes: Wie erhält<br />
m<strong>an</strong> s<strong>ich</strong> die Liebe und die Euphorie des<br />
Anf<strong>an</strong>gs?<br />
»Das wundervolle Zwischending« erzählt<br />
die Gesch<strong>ich</strong>te einer Liebe, die ihr Außen<br />
fast verloren hat. Die implodiert und nur<br />
noch den inneren Raum der Beziehung<br />
ausmisst. Der in dem Maße, in der sie die<br />
Selbsterforschung zu ihrem einzigen Thema<br />
gemacht hat, die Luft ausgeht, s<strong>ich</strong><br />
weiterzuentwickeln. Das aber ist es gerade,<br />
was Anne und Joh<strong>an</strong>n erre<strong>ich</strong>en wollen:<br />
ihr Projekt, s<strong>ich</strong> in einem Film des<br />
schon Gelebten zu vergewissern, soll die<br />
Basis dafür schaffen, s<strong>ich</strong> verändern zu<br />
können. »10.000 Jahre Geschlechtsverkehr,<br />
und wir sind immer noch kein Stück<br />
weiter«, stöhnt Anne einmal, was ebenso<br />
gut <strong>das</strong> Gefühl der Stagnation in ihrer Beziehung<br />
meinen könnte wie auch <strong>als</strong> ein<br />
pessimistischer Kommentar zur Gesch<strong>ich</strong>te<br />
der Evolution im Allgemeinen und der<br />
Menschen im Besonderen verst<strong>an</strong>den<br />
werden k<strong>an</strong>n. Und ebenso ist Joh<strong>an</strong>ns vergebl<strong>ich</strong>er<br />
W<strong>uns</strong>ch – »Könnten wir n<strong>ich</strong>t<br />
<strong>vor</strong>sorgl<strong>ich</strong> grundsätzl<strong>ich</strong> von Anf<strong>an</strong>g <strong>an</strong><br />
alles <strong>an</strong>ders machen?« – n<strong>ich</strong>t nur auf ihre<br />
Situation gemünzt.<br />
Als Drama einer Beziehung wimmelt es<br />
in »Das wundervolle Zwischending« von<br />
subtilen Bosheiten, mit denen s<strong>ich</strong> Anne<br />
und Joh<strong>an</strong>n traktieren. Das macht n<strong>ich</strong>t<br />
zuletzt den Unterhaltungswert des Stückes<br />
aus, wie Beleidigungen und Verletzungen<br />
ausgeteilt und <strong>als</strong> dramaturgisches Argument,<br />
den gemeinsamen Film betreffend,<br />
getarnt werden. Wenn zum Beispiel<br />
Anne n<strong>ich</strong>t mit der Rekonstruktion<br />
der ersten Begegnung zufrieden ist: »Du<br />
warst irgendwie ... l<strong>an</strong>gweiliger. Dam<strong>als</strong>.<br />
Die Überraschung müsste stärker werden.<br />
Dass <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> in d<strong>ich</strong> verlieben konnte.<br />
Obwohl du so ein L<strong>an</strong>gweiler warst.«<br />
Doch Anne und Joh<strong>an</strong>n sind auch zwei<br />
Menschen, die um ihre Liebe kämpfen,<br />
weil sie n<strong>ich</strong>ts <strong>an</strong>deres haben. Das Private,<br />
um <strong>das</strong> ihr g<strong>an</strong>zer Kosmos kreist,<br />
hat einen ungeheuer hohen Stellenwert in<br />
der Rechtfertigung ihrer Existenz. Beide<br />
sind Künstler und stehen damit außerhalb<br />
Saison 2006/2007<br />
Sehen wir Freunde oder<br />
sehen wir fern? Machen<br />
wir Frühstück oder<br />
machen wir ein Kind?<br />
von Lohn- und Beschäftigungssystemen.<br />
Sie arbeiten, aber es gibt keine Nachfrage<br />
nach ihrer Arbeit. Das ist der Punkt,<br />
<strong>an</strong> dem die Außenwelt ihnen den Rücken<br />
kehrt und s<strong>ich</strong> desinteressiert zeigt. Und<br />
ihre Reaktion ist, <strong>das</strong> Innerste zum W<strong>ich</strong>tigsten<br />
zu erklären.<br />
Die Außenwelt tritt auf in der Figur des<br />
M<strong>an</strong>nes vom Amt. Er klopft ihr Verhältnis<br />
zur Norm ab, fragt nach ihrer Leistung<br />
für die Gesellschaft. Mit ihren Antworten<br />
»Wir erfinden die Liebe neu«, »Wir machen<br />
einen Film« versuchen sie ihre Gefühle,<br />
ihr Privatleben einzubringen in den<br />
Katalog von gesellschaftl<strong>ich</strong>en Leistungen<br />
und Tausch<strong>ob</strong>jekten. Da werden sie wieder<br />
<strong>als</strong> »Zwischending« erkennbar, <strong>das</strong><br />
s<strong>ich</strong> n<strong>ich</strong>t von den Forderungen, sein Leben<br />
zu rechtfertigen, lösen k<strong>an</strong>n. Die Liebe<br />
ist Teil ihrer Sinnstiftung.<br />
Das wundervolle Zwischending<br />
von Martin Heckm<strong>an</strong>ns<br />
Regie: Rudolf Frey<br />
Bühne: Vincent Mesnaritsch<br />
Kostüme: Elke Gattinger<br />
Musik: Karl Stirner<br />
H Premiere / Österre<strong>ich</strong>ische Erstaufführung<br />
am 5. Jänner 2007 im VESTIBÜL<br />
Vestibül<br />
Martin Heckm<strong>an</strong>ns<br />
MARTIN HEcKMANNS<br />
geboren 1971 in Mönchengladbach,<br />
studierte Komparatistik, Gesch<strong>ich</strong>te und<br />
Philosophie; Veröffentl<strong>ich</strong>ung von Prosa in<br />
Anthologien und Zeitschriften. Sein erstes<br />
Stück »Finnisch oder Ich möchte d<strong>ich</strong> vielle<strong>ich</strong>t<br />
berühren« wurde 1999 uraufgeführt,<br />
es folgten »Disco« (2001), »Schieß doch,<br />
Kaufhaus!« (2002), »Kränk« (2004), »Vier<br />
Millionen Türen« (zusammen mit Thomas<br />
Melle, 2004), »Anrufung des Herrn« (2004),<br />
»Das wundervolle Zwischending« (2005)<br />
und »Die Liebe zur Leere« (2006). Er<br />
erhielt zahlre<strong>ich</strong>e Preise, unter <strong>an</strong>deren den<br />
Jürgen-Ponto-Preis 2000 für »Disco«, mit<br />
»Schieß doch, Kaufhaus!« wurde er in der<br />
Theater heute-Kritikerumfrage zum Nachwuchsdramatiker<br />
des Jahres 2002 gewählt.<br />
Martin Heckm<strong>an</strong>ns lebt in Berlin.<br />
RUDOLF FREy<br />
geboren 1983 in Salzburg, beg<strong>an</strong>n 2002 sein<br />
Studium der Theater-, Film- und Medienwissenschaft<br />
<strong>an</strong> der Universität Wien. Im Musiktheater<br />
assistierte er bei den Salzburger<br />
Festspielen bei David McVicar 2003 und bei<br />
R<strong>ob</strong>ert Carsen 2004. Seit der Spielzeit 2004-<br />
2005 ist er Regieassistent am <strong>Burgtheater</strong>.<br />
Hier arbeitete er u.a. mit Andrea Breth,<br />
Karin Beier und Martin Kušej zusammen.<br />
Im Februar 2006 inszenierte er Spieltriebe 21<br />
»Es ist Zeit. Abriss« von Albert Ostermaier<br />
im <strong>Burgtheater</strong>-Kasino. Bei den »Autoren-<br />
Werkstatttagen <strong>an</strong> der Burg 2006« war Rudolf<br />
Frey einer der vier teilnehmenden Regisseure<br />
und r<strong>ich</strong>tete Stücke von Lothar Kittstein<br />
und Christopher Kloeble ein.<br />
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