Die äußeren Aspekte der deutschen Einheit

die amerikanische Berichterstattung in ihrer Tendenz allerdings vorsichtig wohlwollend. 34 In
der öffentlichen Meinung erlangte die deutsche Einheit eine ungewöhnlich hohe Popularität. In
einer Umfrage im Dezember sprachen sich zwei von drei amerikanischen Befragten (67%) für
eine Einheit der beiden deutschen Staaten aus, nur 16% äußerten Bedenken. Vergleichswerte
für Frankreich ergaben zwar 75% für eine Wiedervereinigung (Großbritannien 61%).
Allerdings hielten auch ganze 49% der Franzosen nur eine langfristige Einheit für
wünschenswert. 35 Insbesondere der Fall der Berliner Mauer am 9. November erlangte höchste
Medienaufmerksamkeit: Unter Amerikanern wurde er als das wichtigste außeramerikanische
Ereignis des Jahres 1989 überhaupt angesehen. 36 Auch Entscheidungsträger in Washington
kommentierten den 9. November überschwenglich. Außenminister Baker meinte beispielsweise
dazu: „The most dramatic event in East-West relations since the end of the war.“ 37
3.1.2 Grundsätze und Ziele
Prinzipien amerikanischer Deutschlandpolitik 1989/90
In einer Grundsatzrede vor der Foreign Policy Association in New York legte Außenminister
Baker im Oktober 1989 die Eckpunkte der neuen amerikanischen Deutschlandpolitik fest: Ein
wiedervereinigtes Deutschland könne es nur in Gestalt eines Volkes geben, das in die
Gemeinschaft demokratischer europäischer Nationen integriert sei. Aussöhnung durch
Selbstbestimmung dürfe nur in Frieden und Freiheit erreicht werden und müsse sich auf der
Grundlage westlicher Werte vollziehen. Die Einbettung einer möglichen Wiedervereinigung
(Baker vermied diesen Begriff damals noch) in ein europäisches Gesamtkonzept wurde von
Baker damals schon unterstrichen. Es sei wichtig, daß die Entwicklung in Verbindung mit
„größeren Veränderungen in Ost- und Westeuropa auf der Grundlage fundamentaler
westlicher Werte stattfindet.“ 38
Präsident Bush machte die Wertorientierung der amerikanischen Politik im Kontext der
deutschen Einheit auf dem NATO-Gipfel in Brüssel am 4. Dezember 1989 deutlich: „The end
of the unnatural division of Europe, and of Germany, must proceed in accordance with and be
How to Slow the East German Exodus, New York Times, October 6, 1989, S. A30; Deutschland uber
alles, Christian Science Monitor, October 13, 1989, S. 18. Eher positiv bewertete dagegen der
Kommentar Once Again, the „German Question“, Christian Science Monitor, October 6, 1989, S. 19,
die Ereignisse.
34 Für einen frühen Überblick der amerikanischen Pressestimmen, vgl. In den Vereinigten Staaten
Gelassenheit, Vorsicht und Sympathien, FAZ, 9. November 1989; Sehr ausführlich, insbesondere für
ausländische Pressestimmen auf frühe Eckdaten im Einigungsprozeß, Die ausländischen Medien und die
offene deutsche Frage, DW Monitor, Deutsche Welle, Köln 1989. Einen umfassenden Überblick der
internationalen Pressereaktionen zur deutschen Einheit des Jahres 1990 haben auch Harold James und
Marla Stone zusammengetragen. When the Wall Came Down. Reactions to German Unification, New
York 1992. Für amerikanische Stimmen vgl. dies., S. 167-217; auch Arthur M. Hanhardt, Die deutsche
Vereinigung im Spiegelbild der amerikanischen veröffentlichten Meinung, in: Friedrich, 1991, S. 407-
417. Hanhardt gibt einen systematischen Überblick der Berichterstattung einzelner Tageszeitungen.
35 Vgl. Unification is supported in U.S. Poll, IHT, 3. Dezember 1989.
36 Wolfgang G. Gibowski, Amerikanische öffentliche Meinung und deutsche Einheit, in: Friedrich, 1991, S.
391-406, hier S. 393.
37 Vgl. Growing Fear of Summit Surprises, FT, 11. November 1989.
38 Vgl. Baker unterstützt die „Aussöhnung“ des deutschen Volkes, FAZ, 18. Oktober 1989.