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Die äußeren Aspekte der deutschen Einheit

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Arbeitsteilung <strong>der</strong> Entscheidungsträger<br />

Eine „Arbeitsteilung“ unter den politischen Entscheidungsträgern konnte bei <strong>der</strong> schwierigen<br />

Aufgabe helfen, die richtige Geschwindigkeit für den Prozeß zu bestimmen. Übernahm <strong>der</strong><br />

Kanzler die Rolle, das Vakuum des plötzlich realistisch erscheinenden Traumes von einer<br />

<strong>deutschen</strong> <strong>Einheit</strong> durch Politikergebnisse zu füllen und damit die Einigungsdynamik<br />

voranzutreiben, so lag es beim Bundespräsidenten, Bonn vor unüberlegtem und vorschnellem<br />

Handeln zu warnen und an die Befindlichkeiten des Auslands zu erinnern. 117 Genscher<br />

wie<strong>der</strong>um war vor allem daran gelegen, den Prozeß in den Augen <strong>der</strong> Nachbarn und Partner<br />

vertrauenswürdig zu gestalten.<br />

Diplomatie<br />

Bonns Leistung bestand insbeson<strong>der</strong>e in <strong>der</strong> Gleichzeitigkeit einer bi- und multilateralen<br />

Diplomatie, die an Ausgleich und Kompromiß, also <strong>der</strong> außenpolitischen Konfliktkultur einer<br />

Zivilmacht, ausgerichtet war. <strong>Die</strong> Bundesregierung war bereit, ihre For<strong>der</strong>ungen in einzelnen<br />

Politikfel<strong>der</strong>n mit eigenen Angeboten/Zugeständnissen international abzufe<strong>der</strong>n. So sollte<br />

beispielsweise die For<strong>der</strong>ung nach NATO-Mitgliedschaft mit dem Angebot einer<br />

Transformation des westlichen Bündnisses bzw. einer Beschränkung <strong>der</strong> eigenen<br />

Militärpotentiale ausbalanciert werden. Genscher faßte später seine Taktik so zusammen:<br />

„Basically, my strategy was to say to the Russians..., the relationship you could have with a<br />

united Germany will be more important for you than the sum of your relations with the GDR<br />

and us.“ 118<br />

Wirtschaftliche Instrumente<br />

Weiterhin wird eine Linkage-Strategie Bonns in <strong>der</strong> Vergabe materieller Hilfe für die<br />

Sowjetunion erkennbar. Im Januar 1990, während sich die DDR immer weiter auf den<br />

wirtschaftlichen Kollaps zubewegte, bat <strong>der</strong> sowjetische Außenminister den Bundeskanzler um<br />

Unterstützung, wie sie Kohl während seines Besuchs in Moskau im Juni 1989 bereits zugesagt<br />

hatte. <strong>Die</strong> Bundesregierung subventionierte daraufhin eine Lieferung von u.a. 52.000 Tonnen<br />

Rindfleisch, 50.000 Tonnen Schweinefleisch und 20.000 Tonnen Butter mit 220 Millionen<br />

Mark, um den Sowjets zur Überwindung zeitweiliger Engpässe einen Freundschaftspreis<br />

anbieten zu können. 119 Kohl versuchte dann bei seinem Besuch in Moskau am 10./11. Februar<br />

1990, ein Linkage zwischen Moskaus Zustimmung zur <strong>Einheit</strong> und <strong>der</strong> Aussicht auf<br />

vorteilhafte deutsch-sowjetische Wirtschaftsbeziehungen anzudeuten. 120 Auf <strong>der</strong> Agenda stand<br />

ein deutsch-sowjetischer Kooperations- und Freundschaftsvertrag für die Zeit nach <strong>der</strong><br />

Vereinigung. Im Mai 1990, als die für ein Gelingen <strong>der</strong> <strong>Einheit</strong> entscheidenden Wiener<br />

Verhandlungen in einer Sackgasse steckten und die Sowjetunion verschiedentlich ihre<br />

ablehnende Haltung gegenüber einer NATO-Mitgliedschaft Gesamtdeutschlands vorgebracht<br />

hatte, bereitete Kanzler Kohl seine Reise nach Moskau vor. Zu den Verhandlungsgegenständen<br />

im Kreml sollte auch eine deutsche Kredithilfe für Moskau über mehrere Milliarden DM<br />

gehören. In einer Besprechung im Kanzleramt stellte Kohl am 21. Mai fest, daß in dieser Zeit<br />

117 Für diese Rolle des Bundespräsidenten vgl. Deutschland Deutschland über alles, Economist, 13. Januar<br />

1990, S. 26.<br />

118 Zitat bei Pond, 1993, S. 185.<br />

119 Vgl. Ash, 1993, S. 513.<br />

120 Vgl. Zelikow/Rice, 1995, S. 188.

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