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Die äußeren Aspekte der deutschen Einheit

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<strong>der</strong> ursprünglichen Unterstützung für Genscher zurückgewichen und for<strong>der</strong>te Anfang April<br />

während eines Treffens mit seinen außen- und sicherheitspolitischen Beratern, in Anlehnung an<br />

die zwischen Bush und Wörner ausgehandelte Position, „daß die Bundeswehr in<br />

Gesamtdeutschland stationiert werden und die Wehrpflicht überall gelten“ 218 müsse. <strong>Die</strong> USA<br />

und Bundeskanzler Kohl hatten somit ihre Position gegenüber Genscher durchgesetzt.<br />

Unter Zivilmachtsgesichtspunkten muß gefragt werden, ob Ziele und Interessen primär national<br />

o<strong>der</strong> vielmehr international definiert werden, d.h. die legitimen Interessen an<strong>der</strong>er<br />

mitberücksichtigen. Im Fall des militärischen Status <strong>der</strong> DDR haben die USA und letztlich die<br />

Bundesregierung ihre Ziele eindeutig national definiert und verwirklicht. Timothy Garton Ash<br />

geht in seiner Analyse des Vereinigungsprozesses über diesen Vorwurf noch hinaus: „Doch<br />

wäre es eindeutig falsch zu behaupten, daß die nationalen Interessen von allen an<strong>der</strong>en<br />

europäischen Staaten und Völkern - nach <strong>der</strong>en eigener Interessendefinition, und wer sonst<br />

sollte sie definieren? - im Prozeß <strong>der</strong> Vereinigung gleichermaßen respektiert wurden.“ 219<br />

An<strong>der</strong>erseits stellte ein funktionstüchtiges und starkes Bündnis einen zentralen Wert in den<br />

<strong>deutschen</strong> und amerikanischen Rollenvorstellungen dar, <strong>der</strong> durch eine Aufweichung<br />

einheitlicher Sicherheitsstrukturen innerhalb <strong>der</strong> NATO verletzt worden wäre. Ohne die<br />

Mitgliedschaft des vereinten Deutschlands wäre die NATO zudem ausgehöhlt worden, ihr<br />

Bestand an sich sogar in Gefahr geraten. <strong>Die</strong> Frage, inwieweit man auf die (legitimen)<br />

Sicherheitsinteressen des Verhandlungspartners Sowjetunion Rücksicht hätte nehmen müssen,<br />

führte also zu einem Rollen- und Wertekonflikt, den Kohl gegen Genscher für seine und die<br />

amerikanische Position entschied. Entlastend muß hier zusätzlich zumindest kurz erwähnt<br />

werden, daß auf dem NATO-Gipfel in Rom im Juli 1990, im Zusammenhang mit dem Prozeß<br />

<strong>der</strong> <strong>Einheit</strong>, auch weitreichende Reformen für eine kooperationswillige NATO und die<br />

Erweiterung des Bündnisses angeregt wurden, in denen sich ein zivilmachtorientiertes<br />

Verständnis von Sicherheit wi<strong>der</strong>spiegeln.<br />

Beschränkung <strong>der</strong> Obergrenze für die gesamt<strong>deutschen</strong> Streitkräfte<br />

Nachdem sich also die Sowjets we<strong>der</strong> mit ihren For<strong>der</strong>ungen nach Neutralität bzw. nach einem<br />

sicherheitspolitischen Son<strong>der</strong>status für das Territorium <strong>der</strong> ehemaligen DDR noch mit ihrem<br />

Ziel eines symmetrischen Truppenabbaus durchsetzen konnten, blieb ein letzter Versuch, dem<br />

Westen Zugeständnisse für die eigene Sicherheit abzutrotzen: Moskau wollte die<br />

Truppenstärke <strong>der</strong> gemeinsamen Armee des künftigen Gesamtdeutschlands reduzieren bzw.<br />

eine möglichst niedrige Obergrenze vereinbaren. 220 Bundeswehr und NVA hätten zusammen<br />

eine Personalstärke von etwa 670.000 Mann erreicht. <strong>Die</strong> Bemühungen <strong>der</strong> Sowjetunion, eine<br />

Reduzierung <strong>der</strong> <strong>deutschen</strong> Streitkräfte zu erwirken, wird umso verständlicher, als über den<br />

Abbau amerikanischer Truppen in Europa hinaus nur die Bundeswehr als Verhandlungsmasse<br />

in Frage kam, nachdem Franzosen und Briten eine Reduzierung ihrer Potentiale im Zuge <strong>der</strong><br />

<strong>Einheit</strong> abgelehnt hatten. In dieser Frage nun fand die Sowjetunion einen Partner in Frankreich.<br />

Vor allem <strong>der</strong> westliche Nachbar <strong>der</strong> Bundesrepublik drängte darauf, daß sich die zukünftige<br />

Stärke <strong>der</strong> Bundeswehr zwar an ihrem zentralen Beitrag zur Verteidigung des westlichen<br />

Bündnisses orientieren solle, aber wesentlich unter <strong>der</strong> Sollstärke <strong>der</strong> französischen Armee<br />

liegen müsse. 221 Washington und Moskau stritten in diesem Zusammenhang heftig darum, in<br />

218 Teltschik, 1991, S. 190.<br />

219 Ash, 1993, S. 518.<br />

220 Vgl. Soviets Demand Treaty Limits on German Forces, IHT, 22. Mai 1990.<br />

221 Vgl. Hellmann, <strong>Die</strong> West<strong>deutschen</strong>..., 1994, S. 115.

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