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Mitteilungen Sommer 2012 - Friedenspreis des Deutschen ...

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<strong>Mitteilungen</strong> zum <strong>Friedenspreis</strong> <strong>des</strong> <strong>Deutschen</strong> Buchhandels Frühling <strong>2012</strong><br />

Und jetzt wollen sie uns diktieren, was wir zu denken, zu<br />

sagen und zu tun haben – uns, die mit allen Mitteln versuchen,<br />

uns zu befreien. Und es gibt auch noch die anderen,<br />

jene anonymen, verschlossenen Individuen, angesäuert<br />

und verbittert, die den Hass im Internet verkünden.<br />

Durch sie, durch ihre Rachebekundungen und Beleidigungen<br />

habt ihr von meiner Reise erfahren und damit<br />

die Dinge zwischen uns klar sind, gebe ich es zu: Ja, ich<br />

bin nach Israel gefahren.<br />

Was für eine Reise und was für ein Empfang! Verzeiht,<br />

dass ich meine Abreise nicht selbst angekündigt habe,<br />

aber ihr müsst verstehen, es bedurfte der Diskretion,<br />

denn Israel ist kein Reiseziel für die Araber, oder doch? …<br />

Diejenigen, und es waren nicht die schlechtesten, die mir<br />

in das Land, wo Milch und Honig fließen, vorausgegangen<br />

sind, machten es im Geheimen, sogar mit falschen Namen<br />

oder Pässen, wie damals jene tapfere Frau Khalida Toumi,<br />

die sich vehement dem Polizeistaat und intriganten Regime<br />

von Algier entgegensetzt hat, heute ist sie die schillernde<br />

Kulturministerin, ein sehr konformistischer Kopf<br />

bei der hemmungslosen Jagd auf die Verräter, auf die<br />

Abtrünnigen und die anderen Harkis. Es liegt insbesondere<br />

an ihr, dass die Algerier jeden Tag mit Unannehmlichkeiten<br />

und Aggressionen in ihrem schönen Land leben<br />

müssen. Ihre Zöllner hätten mich nie heraus gelassen,<br />

wenn ich mich an ihrem Posten mit einem Flugticket für<br />

einen Direktflug von Algier nach Tel-Aviv in der einen<br />

Hand und in der anderen meinen schönen grünen Pass, in<br />

dem frisch ein israelisches Visum geklebt hätte, vorstellig<br />

geworden wäre. Ich frage mich, ob sie wirklich so weit<br />

gegangen wären und mich aus dem Weg geräumt hätten.<br />

Aber ich machte es anders, und der Trick hat funktioniert,<br />

indem ich den Weg über Frankreich genommen habe,<br />

mich in Paris mit einem israelischen Visum ausstattete,<br />

in der Rue Rabelais durch einen schnellen Sprung aus<br />

dem Taxi, und somit bin ich heute im Besitz von tausend<br />

und einer Geschichte, worüber ich euch, so Gott will, in<br />

einem nächsten Buch im Einzelnen erzählen werde. Ich<br />

werde euch dann von Israel und den Israelis erzählen, wie<br />

man sie mit eigenen Augen vor Ort ganz direkt und weit<br />

weg von jeder Doktrin sehen kann, mit der Gewissheit,<br />

diese Sicht bei der Rückkehr keinem Wahrheitstest unterziehen<br />

zu müssen. Tatsache ist, dass es in dieser Welt<br />

kein anderes Land und kein anderes Volk gibt, die sind<br />

wie sie. Was mich betrifft, bin ich beruhigt und zugleich<br />

fasziniert, dass ein jeder von uns einmalig ist – das ist oft<br />

anstrengend, aber wir neigen dazu, den einzelnen zu<br />

umsorgen, denn sein Verlust wäre unwiderruflich.Ich<br />

werde euch auch über Jerusalem, über Al-Qods erzählen.<br />

Für mich fühlte es sich an, als wäre dieser Ort nicht wirklich<br />

eine Stadt und seine Einwohner nicht wirklich Einwohner,<br />

denn es liegt dort eine Art Unwirklichkeit in der<br />

Luft und Überzeugungen am Boden, die uns fremd sind.<br />

Bei dieser Jahrtausende alten Stadt ist es einfach vergeblich,<br />

etwas verstehen zu wollen, alles ist Traum und Magie,<br />

man kommt hier mit den größten Propheten zusammen,<br />

und die majestätischsten Könige kann man befragen,<br />

man kann mit ihnen sprechen wie mit Freunden aus<br />

der Nachbarschaft, Abraham, David, Salomon, Maria,<br />

Boualem Boualem Boualem Sansal<br />

Sansal<br />

14<br />

Jesus und Mohammed, der Letzte der Linie, und Saladin,<br />

der heldenhafte Ritter, der Gruß gilt ihnen, man passiert<br />

ein Geheimnis, ein Mysterium nach dem anderen, ohne<br />

Übergang wechselt man zwischen den Jahrtausenden und<br />

dem Paradox, gleichzeitig unter einem weißen Himmel<br />

und einer immer glühenden Sonne zu sein. Die Gegenwart<br />

mit ihren Neuigkeiten scheint so vergänglich, dass<br />

man bald nicht mehr an sie denkt. Wenn es eine himmlische<br />

Reise in dieser Welt gibt, dann ist hier ihr Beginn.<br />

Denn war es nicht auch hier, wo Christus in den Himmel<br />

fuhr und Mohammed, begleitet vom Engel Gabriel, seinen<br />

Mi' râj, seine Himmelfahrt, auf seinem Pegasus-gleichem<br />

Reittier Bouraq machte?<br />

Man fragt sich, wie all das zusammengehalten wird, denn<br />

zugleich befinden wir uns hier in der modernen Zeit, in<br />

der Jerusalem ebenso eine wahre Hauptstadt ist mit sauberen<br />

Straßen, gepflasterten Bürgersteigen, befestigten<br />

Häusern, schnellen Autos, gut ausgestatteten Hotels und<br />

verlockenden Restaurants, Bäumen und so vielen Touristen<br />

aus aller Herren Länder – bis auf die arabischen Länder<br />

als die einzigen in der Welt, die nicht zu ihrer Wiege,<br />

zu diesem magischen Ort kommen oder kommen können,<br />

wo ihre Religionen entstanden sind, die christliche genauso<br />

wie die muslimische.<br />

Es sind nicht zuletzt die arabischen und jüdischen Israelis,<br />

die von den Touristen profitieren. Sie sehen sie jeden<br />

Tag, das ganze Jahr hindurch, am Morgen und am Abend,<br />

ohne dieser Passionsspiele jemals überdrüssig zu werden.<br />

Die Touristen in diesen Labyrinthen sind zu zahlreich, um<br />

sie zu zählen, zahlreicher als die Einheimischen, und die<br />

Mehrzahl verhält sich, als wären sie von weit her angereiste<br />

Pilger. Sie gehen gedrängt in dichten Gruppen, die<br />

sich, ohne sich zu mischen, kreuzen, die Engländer, die<br />

Hindus, die Japaner, die Chinesen, die Franzosen, die<br />

Holländer, die Äthiopier, die Brasilianer usw., geleitet von<br />

unermüdlichen und unter Eid stehenden Führern, die Tag<br />

um Tag und in allen Sprachen der Welt den sprachlosen<br />

Massen von den Legenden der Jahrhunderte erzählen.<br />

Wenn man hier die Ohren spitzt, begreift man wirklich,<br />

was eine himmlische und irdische Stadt zugleich sein<br />

kann, und warum ein jeder sie besitzen und für sie sterben<br />

will. Wenn man Ewigkeit will, muss man sterben, um<br />

sie zu erlangen, wie dumm und wie verständlich zugleich.<br />

Ich fühlte mich selbst ganz anders, zerquetscht vom Gewicht<br />

meiner eigenen Fragen, ich als einziger der Gruppe,<br />

der mit seinen Händen die drei heiligen Orte der Ewigen<br />

Stadt berühren durfte: die Klagemauer, das Heilige Grab<br />

und die Kuppel <strong>des</strong> Felsendoms. Als Juden oder Christen<br />

hatten meine Gefährten, die anderen Schriftsteller <strong>des</strong><br />

Festivals, keinen Zugang zum Tempelberg, dem drittheiligsten<br />

Ort <strong>des</strong> Islam, an <strong>des</strong>sen Gipfel der Felsendom<br />

steht, Qûbat as-Sakhrah, der in seinen himmelblauen<br />

Farben funkelt, mit der eindrucksvollen Al-Aqsa-Moschee<br />

Haram al-Sharif. Sie wurden ohne Zögern durch den Angestellten<br />

der Waqf, der Verwalterin dieses Ortes, zurückgedrängt.<br />

Zwei israelische Polizeibeamte unterstützten<br />

ihn dabei, sie waren angehalten, den Zugang zum<br />

Tempelberg zu sichern und es vor jedem Kontakt zu be-

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