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Mitteilungen Sommer 2012 - Friedenspreis des Deutschen ...

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<strong>Mitteilungen</strong> zum <strong>Friedenspreis</strong> <strong>des</strong> <strong>Deutschen</strong> Buchhandels <strong>Sommer</strong> <strong>2012</strong><br />

„Widerreden „Widerreden – Der Der <strong>Friedenspreis</strong> <strong>des</strong> <strong>Deutschen</strong> Buchhandels“<br />

Solche Vorstellungen zur Kindererziehung sind in unserer<br />

Gesellschaft weit verbreitet. Vielleicht könnte es sogar<br />

gelingen, diese Form mitmenschlicher und psychologischer<br />

Erziehung auch als Leitbild für eine größere Gruppe<br />

von Menschen zu etablieren. Die Geschichte zeigt, dass<br />

mit der Vision der Humanität vieles möglich wird. Die<br />

Vereinigten Staaten von Amerika haben heute einen farbigen<br />

Präsidenten. Und die einst verfeindeten Nachbarländer<br />

Frankreich und Deutschland, auch Polen und<br />

Deutschland, sind heute friedliche und miteinander befreundete<br />

Partner in der Europäischen Union. Sie werden<br />

keinen Krieg mehr gegeneinander führen. In meiner<br />

Kindheit war das noch anders. Frankreich galt als Erbfeind<br />

der <strong>Deutschen</strong>, ein dunkelhäutiger Präsident in den<br />

USA war unvorstellbar. Ich möchte <strong>des</strong>halb an meinem<br />

Glauben festhalten, dass der Mensch entwicklungsfähig<br />

ist, dass er zum Frieden taugt.<br />

Die Rolle der Eltern ist dabei von besonderer Bedeutung.<br />

Eltern tragen unendlich viel zum Frieden bei. Zum Beispiel,<br />

indem sie ihren Kindern beibringen, dass es im<br />

Zusammensein mit anderen immer verschiedene Positionen<br />

gibt, dass der, der einen selbst verletzt hat, es vielleicht<br />

unabsichtlich getan hat. Wenn Eltern die Fähigkeit<br />

fördern, dass Kinder Distanz zu sich selber gewinnen und<br />

den Standpunkt <strong>des</strong> anderen mit einbeziehen können –<br />

wo immer sich das Kind aufgrund seiner Entwicklung und<br />

seiner Lebenssituation befindet –, dann verfallen Kinder<br />

nicht so schnell in Zustände der Aggression und der Gewalt.<br />

Oft geschieht eine solche Erziehung auch intuitiv,<br />

schweigend, ohne Worte. Manchmal ist es die Art, wie<br />

Eltern ihre Kinder anschauen. Oder die Geste, mit der sie<br />

ihr Kind auf den Arm nehmen und ihm sagen: „Schluss<br />

jetzt!“<br />

Börsenvereinsvorsteher Werner Stichnote und Margarete<br />

Mitscherlich in der ersten Reihe. © Lutz Kleinhans<br />

V. Trauer als möglicher Weg zum Frieden<br />

Auch in der Trauer und der Auseinandersetzung mit ihr<br />

kann der Weg zum Frieden gefunden werden. Zum einen<br />

natürlich, wenn die persönliche Trauer durch einen Krieg<br />

verursacht wurde, wenn ein nahestehender Mensch bei<br />

einem Militäreinsatz ums Leben gekommen ist. Eine<br />

24<br />

andere Form der Trauer wird verursacht durch die Erkenntnis<br />

der Unmenschlichkeit, etwa am Beispiel der<br />

nationalsozialistischen Gewaltverbrechen. Auch diejenigen,<br />

die nicht persönlich daran beteiligt waren und keine<br />

persönliche Schuld auf sich geladen haben, können diese<br />

Trauer empfinden, zumal als Deutsche. Sie werden dazu<br />

aufgefordert, sich mit der Trauer und ihren Ursachen<br />

auseinanderzusetzen. Und sie empfinden das Gefühl, dass<br />

solche Verbrechen nie wieder geschehen dürfen. Wir<br />

entdecken in uns, dass wir, wenn ein solches menschenverachten<strong>des</strong><br />

System wieder an die Macht kommen sollte,<br />

alles dagegen unternehmen und bereit sein werden, unter<br />

Umständen auch unser Leben für die Verteidigung der<br />

Menschlichkeit einzusetzen.<br />

Unter Umständen kann diese moralische Verpflichtung<br />

auch zur Abkehr vom Frieden führen. Ich denke zum<br />

Beispiel an den Militäreinsatz in Afghanistan, an dem<br />

auch die Bun<strong>des</strong>wehr beteiligt ist. Es stellen sich dabei<br />

schwierige Fragen: Ist das ein Krieg? Wenn ja, müssen<br />

wir dort Krieg führen, damit die Taliban mit ihrer wahnhaften<br />

Ideologie nicht zur Herrschaft kommen? Sollen wir<br />

die Menschen in Afghanistan ihrem Schicksal überlassen<br />

oder sollen wir das nicht? Wie erreichen wir Frieden,<br />

wenn wir zuerst einen Krieg darum führen müssen? All<br />

das ist schwer zu beantworten. Wie es scheint, ist<br />

manchmal doch Krieg erforderlich, um einen Frieden zu<br />

gewinnen, der zu einer neuen und gerechteren Ordnung<br />

führt. Im Fall <strong>des</strong> Dritten Reiches war es der Krieg, der<br />

das Ende der verbrecherischen Gewalt bewirkte.<br />

Wir alle wissen, was es bedeutet, wenn ein Mensch, der<br />

uns sehr nahe steht, zu dem wir eine enge Beziehung<br />

haben, stirbt. Oder ein Kind, das unseres Schutzes bedurfte.<br />

Diese Trauer ist jedem von uns bekannt, es ist individuelle<br />

Trauer. Wir können aber nicht um Millionen Menschen<br />

trauern. Wir können jedoch um bestimmte verlorene<br />

Ideale trauern, um die verlorene Menschlichkeit zum<br />

Beispiel. Wenn sich Menschen heute mit den Konzentrationslagern<br />

und dem Mord an den europäischen Juden<br />

beschäftigen, dann geschieht das immer im Gefühl der<br />

Trauer. Es gibt Situationen, in denen wir weinen müssen.<br />

Wir weinen aus dem Gefühl, dass eine solche Unmenschlichkeit<br />

möglich ist. Doch geht uns diese Trauer anders zu<br />

Herzen als die Trauer über einen Menschen, der zu uns<br />

gehört hat. Viele sagen, man kann nur persönlich trauern.<br />

Ich halte das für einen Irrtum. Phantasie und Einfühlung<br />

sind menschliche Fähigkeiten, die weit über das nur Persönliche<br />

hinausgehen und den Menschen zu seinem sozialen<br />

Wesen machen.<br />

VI. Die Erziehung zum Frieden als künftige Aufgabe<br />

Die Auseinandersetzung mit der Geschichte, zumal der<br />

<strong>des</strong> Dritten Reiches, muss auch künftig eine wichtige<br />

Rolle in der Erziehung junger Menschen spielen. Mädchen<br />

und Jungen in Deutschland wissen heute um die<br />

Verbrechen, die im vergangenen Jahrhundert verübt wurden.<br />

Dennoch gibt es einen Unterschied zu früheren Generationen:<br />

Sie können sich, nach einer so langen und<br />

guten Friedenszeit das Ausmaß der Gewalt, die damals

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