angelangt, Konzentration, Koordination von Geist und Körper, Durchdringung und Vorwegnahme des bevorstehenden Ablaufs in bester Zentradition – so überwinden wir nacheinander das Hindernis, problemlos, mühelos, nahezu elegant. Auf dem Olymp! Ganz oben, in überirdischen, metaphysischen Sphären! Sieger fühlen sich federleicht, unantastbar, sie schweben auf dem Aufwind ihres Erfolgs, Einschränkungen durch die Gesetze der Physik weit unter sich lassend. Der weitere Weg durch den Parcours ist banale Routine, es gibt kein Halten mehr, kein Problem, das nicht schon im Ansatz gelöst, keine Aufgabe, die sich nicht als zahnloser Tiger erweist, sichern, klettern, gleiten, absteigen, sichern, nächste Plattform, dopamingesättigt gelingt selbst der Griff nach den Sternen. Und doch, aus wattierter nebliger Ferne zwar, aber unüberhörbar, nicht ignorierbar, sickert da plötzlich eine Stimme von irgendwo unten in das berauschte Bewusstsein, gewinnt an akustischer Klarheit und Schärfe, bahnt sich ihren Weg an die Oberfläche, formt Buchstaben, Worte, einen Satz, eine Frage, eine ungeheuerliche Frage, den Schleier der Entrückung zertrennend gleich einem Rasiermesser, eine Frage, deren Inhalt inmitten hochsommerlicher Hitze die Umgebung mit Permafrost überzieht, allein aufgrund der Tatsache, dass es sich nicht um eine Frage, sondern um eine verneinende Feststellung handelt: "Sind Sie gesichert?" Abstieg vom Olymp, freier Fall aus der schwerelosen Welt der Götter, schneller als es die Erdanziehungskraft erlaubt geht es abwärts, und kein Halt in Sicht, kein Stopp, keine Verlangsamung, keine Entschleunigung, kein Rettungsfallschirm, kein Auffangnetz, Grund und Boden schon lange erreicht, doch der Sturz geht weiter, unendlich weiter, oh menschliche Hybris, oh Ikarus, Bruder im Geiste, wir sind dazu verurteilt, das gleiche Schicksal zu erleiden. Der Austausch der Helme, gelb gegen kobaltblau, reine Formsache, die Plattform liegt ja auch nur wenig über dem Erdboden, vermutlich sowieso der Grund für die kurze Nachlässigkeit. Hier ist man sicher wie in Abrahams Schoß, auch wenn kurzfristig beide Karabiner ausgehängt, weder Erdbeben, Taifun noch eine Stampede aller schwäbischen Vierbeiner sind in der Lage, Unheil herbeizuführen. Die kleine Unaufmerksamkeit, ist sie wirklich angemessener Grund für diese Bloßstellung, diese Blamage, diese Schande? Hunderte, Tausende perfekter Sicherungsvorgänge absolviert, nicht beachtet, nicht gewürdigt, diese harmlose Verfehlung jedoch mit Argusaugen beobachtet und ohne Verzug mit der höchst möglichen Strafe geahndet, wo bleiben da Fairness und Gerechtigkeit? Doch es ist müßig, schmollend und grummelnd die asymmetrische Struktur des Daseins zu beklagen, lediglich ein kläglicher Versuch, Verantwortlichkeiten in vermeintlich übergeordnete philosophische Strukturen einzubetten, zu transponieren in Sphären persönlicher Unantastbarkeit und Integrität, ein schon im Ansatz zum Scheitern verurteiltes Unterfangen, denn Regelverletzung bleibt Regelverletzung, wer wüsste das nicht besser als der erfahrene Pädagoge, tagtäglich konfrontiert mit Vorgängen dieser Art. Und so, zurechtgestutzt auf das normale Maß menschlicher Fehlbarkeit, die Schwingen gekappt bis zum Ansatz, den Kopf zurechtgerückt in eine neue und doch wohlvertraute Stellung, die Endlichkeit am Horizont im Blick, dort, wo Himmel und Erde sich vereinen, wo physische und transzendente Strukturen ineinander übergehen, zerfließen, sich verbinden, amorph und kristallklar zugleich, da bekommt die Niederlage eine neue Dimension, gewinnt an Kontur, löst sich vom schweren Nebel, klärt sich, wird leichter, wandelt sich, Phönix aus der Asche: Die Bruchstücke des Absturzes finden wieder zusammen, vernieten und verschweißen sich zu einem neuen Fluggerät, bereit, sich erneut in transparente Lüfte zu erheben, den Äther zu erobern, an die Grenzen von Raum und Zeit vorzustoßen. Natürlich, aus Fehlern kann man lernen, das Klettern im Parcours des Lebens kann weitergehen, jetzt, heute, morgen, übermorgen, der gelbe Helm, er wird Geschichte sein, amüsant und verklärt, schon bald wird er wieder dem kobaltblauen weichen müssen. Der gelbe Helm: Zierde oder Schandmal, Auszeichnung oder Schmach, Trophäe oder Stigma? Eine Erfahrung. 14 <strong>Fritz</strong>-<strong>Leonhardt</strong>-Realschul-News B.S.
Unterwegs mit Pinsel und Staffelei <strong>Fritz</strong>-<strong>Leonhardt</strong>-Realschul-News 15