Judas-Kulturmagazin Juni 2008
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Meldungen<br />
Aus einem Artikel der Guardian-Kommentatorin<br />
Polly Toynbee über die wachsende Macht<br />
der Religion in Europa: Während Muslime mit<br />
Hilfe wohlmeinender Liberaler immer mehr religiös<br />
verbrämten Respekt für unterdrückerische<br />
Verhältnisse verlangen, nutzen die christlichen<br />
Kirchen ebenfalls die neue religiöse Inbrunst<br />
für ihre Zwecke. Eine unheilige Allianz! "Es ist<br />
höchste Zeit, dass die Europäer die freiheitlichen<br />
und demokratischen Werte der Aufklärung<br />
aufs Neue verteidigen. Deren neuer Gegner ist<br />
ein finsteres Bündnis aller Glaubensrichtungen,<br />
das den Nichtgläubigen die Macht entreißen<br />
will. Geht das weltliche Europa nicht sofort<br />
zum Gegenangriff über, wird Gott in die Politik<br />
zurückkehren. Aus Angst davor, irgendwen zu<br />
beleidigen, werden wir dann zum Schweigen gezwungen<br />
sein - selbst dann, wenn Europa noch<br />
immer ein Kontinent der Nichtgläubigen ist.“<br />
Der Vatikan ruft seine Opfer auf, amnesty international<br />
zukünftig nicht mehr zu unterstützen.<br />
Amnesty hatte sich dafür eingesetzt, dass vergewaltigte<br />
Frauen abtreiben dürfen.<br />
Der schillernde türkische Liedermacher, Regisseur,<br />
Romancier und Ex-Politiker Zülfü Livaneli<br />
erklärt seine Furcht vor einer schleichenden Is-<br />
lamisierung: "Wollt Ihr Europäer wissen, warum<br />
wir Angst haben? Weil sich der Islam in den Alltag<br />
einmischt. Moses war ein Exilant. Jesus war<br />
ein Verstoßener. Mohammed war anders: Er war<br />
reich und verheiratet. Und als er starb, hinterließ<br />
er einen Staat. Das war ein politisches System<br />
von Anfang an.“<br />
Arno Widman über den soeben erschienenen<br />
ersten Band im "Verlag der Weltreligionen“:<br />
"Der "Verlag der Weltreligionen“ macht alle Religionen<br />
gleich zugänglich. Das mindert sicher die<br />
Bedeutung einer jeden einzelnen. Wer die Bände<br />
liest, wenn sie denn jemand liest - das freilich<br />
wäre sehr zu wünschen -, wird auf Ähnlichkeiten,<br />
Bezüge, ja Entleihungen stoßen. Die Vorstellung<br />
irgendeiner dieser Texte sei wirklich heiliger<br />
Text, Gottes Wort, verliert so sehr schnell jeden<br />
Schein von Plausibilität. Die hier bereit gestellte<br />
Bibliothek ist ein Dokument der Säkularisierung,<br />
der Entweihung. Sie ist ein Werk der Kritik."<br />
Bernard Haykel, Professor für Nahoststudien<br />
an der Princeton University, untersucht den<br />
meisterhaften Einsatz der Poesie in den Reden<br />
Osama bin Ladens. "Lässt man den religiösen<br />
Chauvinismus und die antijüdischen Inhalte<br />
beiseite, so liegt der Einfluss bin Ladens in sei-<br />
ner Fähigkeit, das tief empfundene Gefühl der<br />
Ungerechtigkeit und Demütigung in Worte zu<br />
fassen, das unter Arabern und Muslimen heute<br />
weit verbreitet ist. Deswegen gehört seine Macht<br />
in die Kategorie "soft power‘ und findet weiten<br />
Anklang. Und zwar so weiten, dass eine meiner<br />
amerikanischen Studentinnen an der Universität<br />
Princeton in einem Seminar zugab, erschrocken<br />
zu sein, nachdem sie die Übersetzung einer seiner<br />
Botschaften gehört hatte. Erschrocken, weil<br />
sie merkte, dass sie mit bin Laden einer Meinung<br />
war, dass größere Gerechtigkeit in der Welt nötig<br />
und der westliche Materialismus ein Übel sei.“<br />
FEUILLETON IIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIII