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So Nicht!

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55 Jahre<br />

Judas<br />

Thomas<br />

Kuhl<br />

Judas<br />

hintergründiges aus Duisburg<br />

issn 1864-1180<br />

In eigener Sache<br />

Katastrophe<br />

Kapitalismus<br />

Wieder Weimar<br />

Ratzingers<br />

religiöses Roulette<br />

Januskopf Israel:<br />

Antisemitismus<br />

bis Gaza<br />

ARGE Arbeit<br />

Armut<br />

<strong>So</strong> nicht!<br />

Feuilleton


Navigator<br />

In eigener Sache<br />

Navigator<br />

Judas<br />

Echo<br />

Echo-Debatte<br />

Impressum<br />

Katastrophe Kapitalismus Wieder Weimar<br />

Das globale <strong>Nicht</strong>s<br />

Play it again, Sam<br />

Mit dem <strong>So</strong>zialstaat stirbt die Demokratie<br />

Reichsarbeitsdienst heute: Ein-Euro-Jobs<br />

Monotonie des Lebens<br />

Traditionell unmenschlich<br />

...schland<br />

Hitler, Porsche, Volkswagen<br />

Wer kennt schon Delaware<br />

Seid Ihr verrückt?<br />

Täter, Opfer, Hartz und Weimar<br />

Der Malocher<br />

<strong>Nicht</strong>s Neues unter der <strong>So</strong>nne<br />

Zumwinkels und die wegschauende Journaille!<br />

Schafott<br />

Abbitte<br />

Das Krisengespenst<br />

Krisenbekämpfung<br />

Die Krise tötet Menschen<br />

Von dumpfen Ideologien und allzu Irdischem<br />

Weiterführendes<br />

Das Wort zur Krise<br />

Überleben nach dem Supergau<br />

Ratzingers religiöses Roulette<br />

- Papst inkommuniziert Holocaustleugner<br />

Wachablösung 2005<br />

Die frommen Verfassungsfeinde<br />

- Sind Christen natürliche Antisemiten?<br />

Ein Papst auf Erden<br />

Totentanz<br />

Januskopf Israel: Antisemitismus bis Gaza<br />

Antisemitismus als Normalität in Duisburg<br />

- Gemetzel in Gaza<br />

Die dritte Kraft<br />

Deutschland weltweit drittgrößter Rüstungsexporteur<br />

ARGE Arbeit Armut<br />

Menschenhandel bei der ARGE<br />

- Postfaschistischer Hygienewahn in Duisburg<br />

Bürger für Bürger<br />

<strong>So</strong> <strong>Nicht</strong>!<br />

I. Necati’s <strong>Nicht</strong>s<br />

Necati 2: PIANO Beschiß in Leise<br />

II. Hello Mr. Buddywuggy<br />

III. Dagmar Sall’s OB-Lotto<br />

IV. Zlatans Fäkalien - 2.Folge<br />

Feuilleton<br />

Aphorismen<br />

An die Narzissen<br />

Nach des Tages Mühen<br />

- Eartha Kitt, ein Nachruf<br />

FSK 18 – Tendenziell menschenverachtend<br />

menschenverachtend<br />

Use Condoms or Make Hitler<br />

Modernes Stilleben<br />

Cem, Cem, Cherie<br />

Rogalla Tunes<br />

Es macht doch „bumm, bumm“<br />

Aspekte<br />

Wo hängt der Elefant?<br />

Verrückt<br />

Leichenstück<br />

Defecation Area<br />

Meldungen<br />

Massenmörder<br />

Obama kann’s nicht lassen<br />

Zweigleisig<br />

Letzte Seite


Judas<br />

Jahrtausende bin ich inzwischen unterwegs, manchmal habe<br />

ich jahrhundertelang geschlafen, manchmal musste ich ran:<br />

als Luzifer, <strong>So</strong>krates, Judas, Eulenspiegel, Villon, Nietzsche...<br />

Nun heiße ich Thomas Kuhl – und bin der Letzte aus der Bruderschaft<br />

der Unbeugsamen, der ewige Judas, weshalb mir<br />

der Judas vor dem Thomas Ehre, Verpflichtung und Beruf ist.<br />

Ein Verräter ist einer, der ein Recht wahrnimmt. Einer, der<br />

etwas preisgibt, was er weiß. Ein Zeuge, kein Heimlichtuer<br />

oder gar Mittäter. Er sagt Ihnen, was wirklich ist – und das<br />

ärgert die Dunkelmänner. Verrat ist immer noch der beste<br />

Rat.<br />

Satire und Aufklärung<br />

Satire ist Subversion aus der Dialektik von Lachmitteln und<br />

Lachverhältnissen. Aufklärung mit Aufheiterung feuilletonistisch<br />

gestrickt, „Aha“ wie „Haha“ - als Periodikum für den<br />

denkenden Menschen.<br />

Judas bringt die großen Themen , lässt sich von der Fachwelt<br />

attestieren, „Deutschlands einziges Satiremagazin mit aufklärerischem<br />

Niveau“ zu sein und genießt den Kultstatus als<br />

„Deutschlands freie Fresse“ sowie sein Leben im untergehenden<br />

Duisburg.<br />

Samisdat<br />

ist eine Abkürzung aus dem russischen Samsebjaisdat =<br />

Sichselbstverlag. Eine Parodie auf die Namen der Staatsverlage,<br />

die zum Beispiel Goslitisdat = Staatsverlag für Literatur<br />

oder Politisdat = Militärverlag hießen. Der Begriff verkürzte<br />

sich später auf Samisdat und wurde zum Inbegriff für unzensierte<br />

Literatur: Polit-literarischer Underground.<br />

Unter repressiven Bedingungen lässt sich Wahrheit nur so<br />

publizieren - egal ob bei Bushs, Putins oder Merkels.<br />

Magazin<br />

In eigener Sache<br />

...kommt ursprünglich vom arabischen „machzan“, was<br />

„Munitionslager“ bedeutete. Dann verstand sich das Bibliotheksmagazin<br />

so – als Lagerort von Büchern, die ja auch<br />

Munition sein können.<br />

Als Feuilleton im Magazinformat in PDF per Email munitionieren<br />

wir unsere Leser mit „Judas“-Patronen, die von<br />

der Deutschen Nationalbibliothek geprüft und mit der ISSN<br />

1864-1180 zum Abschuß freigegeben sind.<br />

Feuilleton<br />

„Feuilleton“ heißt „Blättchen“. Berichte, Essays, Kommentare<br />

und kritische Besprechungen sind heute Bestandteil des<br />

Feuilletons in verschiedenen Periodika.<br />

Der Intellektuelle liest das Feuilleton zuerst, weil dort die<br />

grundsätzlichen Fragen unserer Kultur abgehandelt werden,<br />

und blättern erst dann zum Tagesaktuellen wie Politik oder<br />

Wirtschaft, um dort – als humoristische Beilage sozusagen<br />

– nachzulesen, was heute schon wieder verbockt oder wer<br />

diesmal beschissen wurde.<br />

In der Tradition von Heine, Börne, Benjamin oder Kracauer,<br />

die gerne die sogenannte Realität satirisch zu würzen<br />

wussten, ist der ganze Judas durchgängig Feuilleton. Unser<br />

Vorbild ist „Die Fackel“ von Karl Kraus. Was uns nicht daran<br />

hindert, in jeder Ausgabe als großen Block am Ende nochmals<br />

das Kapitel „Feuilleton“ aufzuschlagen.


Dokumentation<br />

Ich verstehe den Judas als mit jeder Ausgabe kumulativ<br />

wachsendes Gesamtwerk und jedes Kapitel bezieht sich auf<br />

gewesene oder antizipiert kommende.<br />

Mein Wissenschaftsbegriff basiert auf <strong>So</strong>krates, Schopenhauer<br />

und Nietzsche, wobei ich aufklärerische Sachartikel<br />

essayistisch verfasse. Mir ist die philosophische Durchdringung<br />

wichtiger als statistische Nebelspaltereien. Den Ballast<br />

des Anmerkungsapparates überlasse ich gerne naturwissenschaftlich<br />

gestörten Erbsenzählern.<br />

Ein winziger Teil der deutschen Presse ist nach meinen<br />

Kriterien seriös. Die bringe ich Ihnen hier gerne zur Kenntnis:<br />

In ganzen ungekürzten Artikeln: Entweder als Großzitat<br />

im Kapitel-Kontext oder als Dokumentation. Die jeweiligen<br />

Quellen finden Sie dann unter dem Artikel sowie im Impressum<br />

unter „Dokumentation“.<br />

Geschäftsgrundlage<br />

Email-Adressen. Wir können davon nicht genug kriegen. Ihre<br />

Zahl bestimmt unsere Auflage und damit nicht nur unsere<br />

Reichweite sondern auch die Höhe der Annoncenpreise. Und<br />

damit das Geld, das wir für Projekte verwenden können.<br />

Wir hören immer wieder, dass unsere Leser den Judas an ihre<br />

Freunde weiterversenden, was an sich eine tolle Sache ist.<br />

Doch bleibt das ohne Effekt für unsere Email-Adressen-Datenbank,<br />

deren Volumen für uns so entscheidend ist.<br />

Schicken Sie uns Email- Adressen. Alles, was Sie kriegen<br />

können. Danke!<br />

Layout<br />

Bisher unser <strong>So</strong>rgenkind. Layouter blieben im Schnitt zwei<br />

Ausgaben, was das Blattmachen nicht unbedingt erleichtert<br />

hat. Nun ist Nadine Pilger seit der letzten Nummer zuständig.<br />

Sie hat sich zügig in Indesign eingearbeitet und<br />

die letzte Ausgabe in Rekordzeit fertiggestellt. Danke und<br />

Willkommen an Bord!<br />

Katastrophe Kapitalismus Wieder Weimar<br />

Inzwischen hat auch der Letzte gemerkt, dass das, was uns<br />

aus Politikaster- und Profiteurskreisen entgegenschallt,<br />

nicht Fortschritt ist – sondern uns weit zurückwirft. Wir<br />

befinden uns wieder in Weimarer Zeiten.<br />

Was wir durch den Puffreisen-Finanzier Hartz als Hartz-<br />

Gesetze kennenlernen durften, hatte sich sein Namensvetter<br />

Gustav Hartz vor 80 Jahren ausgedacht. Die Katastrophe,<br />

die dann zu Hitler führte, nennt man heute beschönigend<br />

„Reformen“. Lesen Sie die auffälligen Parallelen zwischen<br />

dem Weimarer Original und den heutigen Verantwortungslosigkeiten<br />

hier nach.<br />

Seit der Machtergreifung des Herrn Kohl vor einem Vierteljahrhundert<br />

ist die Bananenrepublik das geltende Politikmodell:<br />

Die Regierung macht, was sie will, die Reichen kriegen<br />

alles in den Arsch geblasen und die Armen richtig was auf die<br />

Schnauze bei zunehmender Bürgerbespitzelung mit Aushebelung<br />

von Grundrechten.<br />

In eigener Sache<br />

Nun haben die Banksters zu hoch gezockt und Banken, die<br />

an der Börse gerade mal 270 Millionen wert sind, kriegen<br />

über 100 Milliarden aus den Taschen der ausgepressten<br />

Steuerzahler. Nur damit die barbarischen Wirtschaftsbedingungen<br />

so bleiben können.<br />

Hartz4er sind immer noch auf die Lebensmittelspenden der<br />

Tafel angewiesen während Geldanlagebetrüger hunderte von<br />

Milliarden an Millionärssozialhilfe bekommen.<br />

Die Hälfte wählt schon nicht mehr und hält die Demokratie<br />

für gescheitert. Genauso war es nach der Wirtschaftskrise<br />

von 1929.<br />

Ratzingers religiöses Roulette<br />

Die „kriminelle Organisation“ (Karl Heinz Deschner: Kriminalgeschichte<br />

des Christentums, zehn Bände – unbedingt<br />

empfehlenswert!), deren Vorläufer schon damals die von<br />

Römern vollzogene Kreuzigung eines nazarenischen Rabbiners<br />

den Juden in die Schuhe geschoben haben, bestraft das<br />

Volk Israel nun wieder mal für das, was sie ihnen sowieso<br />

schon jahrhundertelang mit ihrem christlichen Antisemitismus<br />

angetan haben.


Januskopf Israel: Antisemitismus bis Gaza<br />

Hitlers Traditionen wirken fort. Die Duisburger Polizei bricht<br />

in eine Wohnung ein, um den „gesunden Volkszorn“ von<br />

Demokratiefeinden zu beschwichtigen. Israel fackelt Palästinenser<br />

mit Phosphorbomben ab. Und Naomi Klein kriegt die<br />

Antisemitismuskeule übergebraten weil sie die Unmenschlichkeit<br />

des Staates Israel geißelt.<br />

ARGE, Arbeit, Armut<br />

Wenn die Arge analog zu geltendem Strafrecht gewertet<br />

würde, säße sie wegen Menschenhandel im Knast. Und der<br />

Duisburger Oberbürgermeister schult Opfer zu Tätern um.<br />

<strong>So</strong> nicht!<br />

Wenn man glaubwürdig aufklären will, muß man selbst eine<br />

ehrliche Haut sein. Integrität lässt sich nur aufrechterhalten,<br />

indem man klare Kante zeigt.<br />

Egal, ob gegenüber abzockenden Wirten, pöbelnden DJs oder<br />

unseriösen OB-Kandidatur-Angeboten.<br />

Andererseits macht es Spaß, im Vergleich zu stehen. Ich<br />

mache Satire. Die genannten „Persönlichkeiten“ sind Satire.<br />

Vergnügen Sie sich selbst an frischem Duisburger Alltagswahn.<br />

Feuilleton<br />

Die wunderbare Eartha Kitt ist gestorben, Cem Özdemir<br />

reüssiert als Comic-Held, ein Elefant nimmt Reißaus, zwei<br />

abgetretene Massenmörder winken noch mal und der neue<br />

Messias Obama steht in der Gefahr, das heilige Weiße Haus<br />

mit Zigarettenqualm zu entweihen. Selten haben wir Weinen,<br />

Kotzen und Lachen so dicht beieinander gehabt...<br />

Heiße Nächte mit Judas wünscht Ihnen Ihr Personal Brain-<br />

Trainer<br />

Judas Thomas Kuhl<br />

PS:<br />

Heben Sie Ihr Geld baldmöglichst ab.<br />

Im Strumpf oder unter der Matratze ist es sicherer...<br />

Echo )))<br />

In eigener Sache<br />

Hallo Thomas!<br />

Der neue Judas ist klasse geworden. Hab zwar noch nicht alles<br />

lesen können, aber es macht echt Spaß, mal was anderes,<br />

als das Gesülze und Gelalle der üblichen Medien vor die<br />

Augen zu bekommen. Weiter so!<br />

Michaela Paarmann<br />

Lieber Thomas, danke für „Judas“. Das Magazin wird immer<br />

besser, manches habe ich erkannt und deine Artikel haben<br />

Biß. Für 2009 wünsche ich dir die Power und Gesundheit,<br />

oder umgekeht.<br />

Herzlich Sigrid Kruse<br />

Moin Thomas,<br />

tu mir bitte einen Gefallen und nimm mich aus dem Judas-Verteiler.<br />

Mir ist das Alles ‚n bisken zu negativ und zu<br />

verbittert. Interessiert mich einfach nicht.<br />

Nix für ungut<br />

Gruss Christoph<br />

O.K. sunnyboy...<br />

hab eben bei nem bier nochmal drüber nachgedacht<br />

da fiel mir ein dass ich schon über euch geschrieben hatte


Hallo Thomas!<br />

Der neue Judas ist klasse geworden. Hab zwar noch nicht alles<br />

lesen können, aber es macht echt Spaß, mal was anderes,<br />

als das Gesülze und Gelalle der üblichen Medien vor die<br />

Augen zu bekommen. Weiter so!<br />

Michaela Paarmann<br />

Lieber Thomas, danke für „Judas“. Das Magazin wird immer<br />

besser, manches habe ich erkannt und deine Artikel haben<br />

Biß. Für 2009 wünsche ich dir die Power und Gesundheit,<br />

oder umgekeht.<br />

Herzlich Sigrid Kruse<br />

Moin Thomas,<br />

tu mir bitte einen Gefallen und nimm mich aus dem Judas-Verteiler.<br />

Mir ist das Alles ‚n bisken zu negativ und zu<br />

verbittert. Interessiert mich einfach nicht.<br />

Nix für ungut<br />

Gruss Christoph<br />

O.K. sunnyboy...<br />

hab eben bei nem bier nochmal drüber nachgedacht<br />

da fiel mir ein dass ich schon über euch geschrieben hatte<br />

im juni 07 hatte ich „die maria von der tagesschau“<br />

und darin eine unterüberschrift „die eva aus duisburg“<br />

jetzt wo ich dich endgültig lösche<br />

gebe ich dir das noch mit<br />

viele deiner freunde haben geschmunzelt oder gelacht<br />

eigentlich müsstest du ja negativ und verbittert sein<br />

und ich lache mich kaputt<br />

wie immer<br />

machs gut<br />

ah – prima, danke<br />

Uwe Gotzes<br />

... that`s me , Heiligabend 18.00 Uhr MEWZ 2008<br />

Schöne Feiertage<br />

Einar<br />

Wein Wahn Weihnachten<br />

Hi, das war ja ganz nett, die Show gestern. <strong>So</strong> insiderhafte<br />

Literatursausen sollteste mindestens vierteljährlich machen.<br />

Gerade in dem Umstand, daß daß so überschaubar war, liegt<br />

ja der Charme des Ich-lasse-mich-nicht-kaufen. Und die Galerie<br />

kannte ich nicht mal, obwohl ich oft um die Ecke wohne.<br />

In eigener Sache<br />

Auch das mit dem fahrigen Revuekonzept paßte ja nett in die<br />

<strong>Nicht</strong>raucherveranstaltung, Raucherpausen als dramaturgische<br />

Funktion gewissermassen.<br />

Deine Texte - nun ja; für meinen Geschmack arbeitest Du<br />

Dich zu stark an Gott ab. Dabei ist Gott tot und Deschner<br />

auch.<br />

Deshalb: Weitermachen!<br />

Thomas Meiser<br />

Der Spendenkomplex<br />

Hallo Thomas,<br />

ja du warst mal wieder fleißig!<br />

Sieht gut aus und du hast auch über den Spendenkomplex<br />

etwas gebracht. Prima! Freut mich, dass Alexander Glück da<br />

mitgemacht hat. Er war jetzt beim mdr.<br />

Christa Schudeja<br />

Feuilleton<br />

Hallo Thomas,<br />

vielen lieben dank für das neue Mag und vor Allem dafür,<br />

dass Du mir die Möglichkeit gegeben hast, 3 meiner Texte bei<br />

Dir veröffentlicht sehen zu<br />

dürfen.<br />

Heidi ad Hoc<br />

„Im Land des Grafen“ ist ein Super-Artikel!<br />

Harald Landgraf


Leopold Lapsus<br />

Hallo Thomas,<br />

keine Ahnung, wie ich auf Deinen Verteiler gekommen bin,<br />

aber Gottes Radschloss ist ja bekanntlich untergründlich.<br />

Interessiert mich aber dennoch.<br />

Zwar erschwert ein Kasten an etlichen Stellen, wo ein Leerzeichen<br />

sein sollte, das Lesen Deines Magazins sehr, aber<br />

der Inhalt macht bekanntlich die Musik – und Film Kino erst<br />

schön. Dass das Inhaltsverzeichnis nicht mit den entsprechenden<br />

Seiten verlinkt ist, ist auch nicht hohe Schule, aber<br />

Bildung wird ja auch immer teurer... Das war der kritische<br />

Teil, denn so im Ganzen ist das Sammelsurium schon gut bestückt,<br />

ob elefantenmäßig, sei dahingestellt. Etliches kennt<br />

der aufmerksame Nachrichtenverfolger eben dann doch<br />

schon aus einigen Quellen... Ja, jetzt ist aber wirklich gut.<br />

Ich wollte erstens auf unser (nicht ganz unverwandtes)<br />

Fanzine hinweisen:<br />

http://www.lapsus-gil.de/lover/lover-c.htm<br />

Grund: Gleiches Pech für alle!<br />

Und zweitens auf ein Buch aufmerksam machen, das bei BoD<br />

erschienen ist und dessen Text man auf unseren Heimseiten<br />

lesen kann, falls man nicht in<br />

Unbekanntes investieren will:<br />

http://www.lapsus-gil.de/lover/lover20.htm#Meyer<br />

Das Buch selbst (und Links zu Quellen) findet man hier:<br />

http://www.lapsus-gil.de/lover/lovesell.htm#Odyssee<br />

Falls es Dich reizen könnte, eine Leseprobe in Dein nächstes<br />

Magazin zu übernehmen, lass es mich wissen.<br />

Die Revanche wäre eine beliebig gestaltbare Werbeseite in<br />

unserem Lover (Leserschaft allerdings


Echo Debatte<br />

Hand oder Hirn?<br />

sorry thomas, aber ich komm darauf nicht klar! wenn es für<br />

dich erfolgreich ist, dann ist es ok, aber es hat mit mir nichts<br />

zu tun. das ist für mich nur hohles pla, pla! ich versorge<br />

menschen in meiner stadt, die hunger und kein geld haben,<br />

ich versorge suchtkranke menschen meiner stadt, die überall<br />

anders nicht erwünscht sind. alle 30 sekunden stirbt ein<br />

kind auf dieser welt an unterernährung. meine welt ist eine<br />

andere, hat mit deiner absolut nichts zu tun! elend beseitigst<br />

du mit den händen, nicht mit dem maul! bitte erspar mir in<br />

zukunft weitere mails mit diesem geistigen dünnschiss, wer<br />

auch immer diesen verfasst hat. danke für dein verständnis!<br />

gruss rolf<br />

Lieber Rolf<br />

Daß Hände nicht denken können, ist dir sicherlich entgangen. Hände<br />

können auch nichts arbeiten, das nicht vorher gedacht wurde. Die<br />

aufklärerische Hälfte des Judas erreicht viel mehr, als deine Flossen<br />

jemals zu packen kriegen.<br />

Daß Du das nicht verstehst liegt an deiner Verbohrtheit und Geistfeindlichkeit,<br />

weswegen du dir schleunigst einen Therapeuten suchen<br />

musst, da ich annehme, dass du den Menschen, denen du zu helfen<br />

glaubst, mit deinem Gesülze schadest, was du aber nicht merkst,<br />

weil du ja nicht denkst.<br />

Judas wirft keine Perlen vor Säue. <strong>So</strong>lche Leser wollen wir nicht<br />

haben.<br />

Deshalb danken wir dir für deine Dummheitserklärung. Selbstverständlich<br />

bist du jetzt gelöscht.<br />

werter thomas,<br />

das war wieder einmal der treffer voll ins schwarze. du angeblich<br />

so gebildeter, so über den dingen stehende persönlichkeit<br />

überschreitest die grenzen des guten geschmacks.<br />

diese variante, unter der gürtellinie, habe ich auch drauf,<br />

du kleines arschloch! du sprichst von tätigen händen, was<br />

haben die deinen für die menschen dieser stadt bisher geleistet,<br />

nichts haben sie getan! du willst mich kritisieren?...lol!<br />

who the fuck is judas?? war das nicht der, der jesus verraten<br />

hat?? hast den richtigen namen gewählt, passt zu untätigen,<br />

unwissenden, unfähigen schreibtischtätern deiner kategorie!<br />

lass es gut sein, schreib deinen theroretischen müll, mach<br />

kasse bei denen die so blöd sind dich ernst zu nehmen aber<br />

leg dich nicht mit mir an, denn dieses spiel wirst du verlieren!<br />

gruss rolf<br />

du verstehst es nicht<br />

mir ist das egal<br />

Der barmherzige Samariter<br />

In eigener Sache<br />

Die ganze Zeit hatte ich mir überlegt, wer denn dieser Rolf<br />

Karling sei. Unter seinem Namen fand ich nichts in meinem<br />

Email-Verteiler. Geschrieben hatte er mir unter bfb.<br />

Dann kam es mir doch noch. Er ist der Chef des gemeinnützigen<br />

Vereins „Bürger für Bürger“, der mit seinen Tafelähnlichen<br />

Häusern den Duisburger Westen und Norden<br />

abdeckt und darüber hinaus mit seiner rollenden Streetworker-Ambulanz<br />

Junkies und Obdachlose betreut. Sehr gute<br />

Arbeit – im Gegensatz zur Duisburger Tafel, die Hilfesuchende<br />

demütigt und seit vielen Jahren nicht in der Lage ist, ihre<br />

Lebensmittelausgabe zu organisieren.<br />

Heiligabend hab ich ihn dann angerufen und ihm kurz vor<br />

Eröffnung seiner Lebensmittelausgabe noch erklärt, dass<br />

ich nicht gewusst hätte, wer mir da so schreibt. Das hat uns<br />

dann beide zum Lachen gebracht.<br />

Inzwischen haben wir uns wieder gesehen und weiter über<br />

Zusammenarbeit gesprochen – wie zuvor, woran uns unsere<br />

konträren Ansichten in Sachen Hand und Hirn nicht hindern<br />

werden. Zusammen können wir für unsere gemeinsamen<br />

Ziele mehr erreichen.<br />

Mehr dazu unter „Bürger für Bürger“ hier im Heft.<br />

Judas Thomas Kuhl


Impressum<br />

des dicksten judas aller zeiten<br />

herausgeber<br />

verantwortlich im sinne des pressegesetzes<br />

redaktion<br />

judas thomas kuhl<br />

friedrich wilhelm platz 7<br />

47051 duisburg<br />

autoren bernd barenberg<br />

gerry x, gerryx.com<br />

regina gorsleben<br />

heidi-ad-hoc.de<br />

werner jurga, jurga.de<br />

walter krebs<br />

judasthomaskuhl.de<br />

harald landgraf<br />

rogallatunes.de<br />

thomas meiser<br />

fabian müller<br />

michaela paarmann<br />

loredana tavola<br />

reina ilona vildebrand<br />

ralf wassilowski<br />

dokumentation daniel bax (tageszeitung - taz)<br />

christoph butterwegge (uni köln)<br />

friedrich krotz (tageszeitung – digitaz)<br />

phillipp lichterbeck (tagesspiegel)<br />

willa paskin (slate)<br />

perlentaucher.de<br />

achim pollmeier (plusminus, wdr)<br />

florian rötzer (telepolis)<br />

ralf schwartz (mediaclinique)<br />

tagesschau.de<br />

arno widman (fr-online.de)<br />

bettina winsemann (telepolis)<br />

controlling hans-günter tietje<br />

layout nadine pilger<br />

schriften ptl touja, verena gerlach, primetype.com<br />

ff quadraat, fred smeijers<br />

modus pdf per email<br />

zyklus zweimonatlich bis vierteljährlich<br />

auflage 7000<br />

kontakt thomaskuhl@gmx.de<br />

issn 1864-1180<br />

In eigener Sache


Katastrophe Kapitalismus<br />

Wieder Weimar<br />

Das globale <strong>Nicht</strong>s<br />

vom religiösen zum Wirtschaftswahn<br />

Der Gläubige hat sich Scheiße erzählen lassen und ist insofern<br />

Gläubiger, er kann fordern, ausbezahlt zu werden. Nun<br />

ist der Scheck auf das ewige Leben nicht gedeckt, was aber<br />

nicht bewiesen werden kann, da im <strong>Nicht</strong>s nichts ist. Er gibt<br />

Kredit ohne dafür eine Deckung zu sehen. (Das nennt man<br />

auch „Futures“ oder „Derivate“)<br />

Andererseits ist das ein gutes Geschäft für die Betrüger, die<br />

das <strong>Nicht</strong>s so erfolgreich vermarkten indem sie sagen, es sei<br />

das Höchste. Die religiösen Gangster nennen es „heilig“, die<br />

ökonomischen „Marktwirtschaft“. Die einen versprechen die<br />

Wiederkunft des Messias, die anderen Aufschwung, Gewinn,<br />

Wohlstand.<br />

Daß in der Religion die Guten reich belohnt und die Bösen<br />

böse bestraft werden, führt zu der Wahnvorstellung, dass die<br />

Reichen gut seien und die Armen ihre gerechte Strafe hätten.<br />

Beide sind – so gesehen – selber schuld weil die göttliche<br />

Ordnung es so will.<br />

Der Teufel hat den Schnaps gemacht<br />

Credo ich glaube<br />

Credit er, sie, es glaubt<br />

Credimus wir glauben<br />

Der Teufel hat den Schnaps gemacht, um uns zu verderben... redet<br />

man uns ein. Wobei der Rausch aus Gier und Geiz als seriös ausgegeben<br />

wird.<br />

Schuld und Schulden<br />

Scheinbar nur ein falscher Plural ist doch diese Stammgleichheit<br />

an Perfidie nicht zu übertreffen. Menschen, die<br />

von verantwortungslosen Kreditinstituten in die Schuldenfalle<br />

gelockt wurden, um sich so den überflüssigen Scheiß<br />

kaufen zu können, der „die Wirtschaft“ am Laufen hält,<br />

werden wie Schuldige gedemütigt. Wenn die Schuldner nicht<br />

mehr ein- noch auswissen, „hilft“ die „Privatinsolvenz“.<br />

Nach „Sieben fette Jahre“ kommt dann „Sieben dürre Jahre“,<br />

in Umkehrung des alttestamentarischen Weges durch<br />

das Jammertal zur reichen Beschenkung. Sieben Jahre lang<br />

muss das Opfer dann jeden noch so miesen Job annehmen<br />

– sehr zur Freude derer, die davon profitieren.<br />

Der Tanz ums goldene Kalb<br />

Katastrophe Kapitalismus<br />

Wieder Weimar<br />

Rabbi Jehoschuah, hier als „Jesus“ mit dem angdichteten Titel<br />

„Christus“ missbraucht – falls es ihn überhaupt gegeben<br />

haben sollte - war ein <strong>So</strong>zialist reinsten Wassers. Das Abendmahl:<br />

Man isst dasselbe Brot und trinkt aus demselben<br />

Becher, es gilt der Gleichheitsgrundsatz. (<strong>Nicht</strong>: vampirisch<br />

Blut saufen und kannibalisch Leib fressen)<br />

Schon lange bevor die Banken mit dem Unsinn angefangen<br />

haben, hat er die Derivatehändler aus dem Tempel geprügelt.<br />

„Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr als ein<br />

Reicher ins Himmelreich“. Als Moses mit seinen Gesetzestafeln<br />

vom Berge kam und sein Völkchen ums goldene Kalb<br />

tanzte, hat er 3000 ermorden lassen – doppelt so viele wie<br />

Israel diesmal in Gaza ins Jenseits befördert hat. Man soll<br />

also nicht dem Mammon dienen...<br />

Den Seinen gibt’s der Herr im Schlafe<br />

Calvins Lehre besagte, dass Menschen sehen könnten, ob<br />

sie zum Heil vorausbestimmt seien. Reiche konnten sich<br />

so einreden, „auserwählt“ zu sein. (<strong>So</strong> kann man Reagan<br />

oder Bush verstehen). <strong>So</strong> begünstigte er das Ethos, das die<br />

Grundlage für das Gewinnstreben im Kapitalismus bildete.<br />

Diese Zusammenhänge wurden von dem Wirtschaftswissenschaftler<br />

und <strong>So</strong>ziologen Max Weber entdeckt und in seinem<br />

Werk“ Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus“<br />

formuliert.<br />

Das Himmelreich auf Erden war also für die auserwählten<br />

Reichen da. Und die anderen müssen dafür schuften. Das ist<br />

also neuerdings gottgewollte Ordnung.


Die Herrenrasse beklaut Juden<br />

Ist man also auserwählt oder gar Mitglied einer Herrenrasse,<br />

darf man auch – Gott will das ja – <strong>Nicht</strong>auserwählte,<br />

rassisch Minderwertige beklauen. <strong>So</strong> hat der deutsche<br />

Messias Adolf Schicklgruber alias Hitler die „Arisierungen“<br />

organisiert. Heute gibt man den Armen immer weniger und<br />

den Reichen immer mehr- die Armuts-Reichtum-Schere wird<br />

immer weiter aufgerissen.<br />

Der Antikapitalismus der CDU<br />

Nachdem Hitler seine Hölle ausgebreitet hatte, hat man in<br />

der jungen CDU nicht nur erkannt – sondern auch Konsequenzen<br />

ziehen wollen. Ihr Ahlener Programm von 1947<br />

beginnt so:<br />

Das kapitalistische Wirtschaftssystem ist den staatlichen und sozialen<br />

Lebensinteressen des deutschen Volkes nicht gerecht geworden.<br />

(…) Inhalt und Ziel (einer) sozialen und wirtschaftlichen Neuordnung<br />

kann nicht mehr das kapitalistische Gewinn- und Machtstreben,<br />

sondern nur das Wohlergehen unseres Volkes sein. Durch eine<br />

gemeinschaftliche Ordnung soll das deutsche Volk eine Wirtschafts-<br />

und <strong>So</strong>zialverfassung erhalten, die dem Recht und der Würde des<br />

Menschen entspricht, dem geistigen und materiellen Aufbau unseres<br />

Volkes dient und den inneren und äußeren Frieden sichert.<br />

Adenauers Nazis und ihr Kapitalismus<br />

Doch schon während es verfasst wurde gab es einige, die<br />

dem massiv entgegenarbeiteten. Konrad Adenauer hatte<br />

schon früh tausende „Persilscheine“ ausgestellt, Bescheinigungen<br />

für die Alliierten, die aussagten, der X oder Y sei kein<br />

Nazi gewesen. Eine Flut dieser Falschurkunden erlöste eine<br />

Menge Menschen von den Folgen ihrer NS-Schweinereien.<br />

Adenauers Kamarilla war von vorne bis hinten mit Nazis<br />

durchsetzt. Er war sogar so dreist, den Kronjuristen des III.<br />

Reiches, Verfasser des „Blutschutzgesetz“ und Kommentator<br />

der Rassengesetze, Globke, zum Chef seines Kanzleramtes<br />

zu machen. Daß Israel dem die Einreise verbot – wen<br />

wundert das?<br />

Der machte ihm dann „Personalvorschläge“ und „bereitete<br />

Gesetzesvorlagen“ auf. (Wen wunderts, wenn ein paar Jahre<br />

später ein Karrierenazi aus Goebbels’ Reichspropagandaministerium<br />

Bundeskanzler wird – Kiesinger?). Der Nachfolgestaat<br />

war also in klarer Traditionsfolge des Vorgängerstaates<br />

geblieben. Deshalb hatte das Ahlener Programm von Anfang<br />

an keine Chance.<br />

Hinzu kamen die Krupps, Flicks und andere kapitalträchtige<br />

Kriegsverbrecher, die alle vorzeitig aus der Haft entlassen<br />

wurden, um dem neuen alten Kapitalismus den „Wiederaufbau“<br />

angedeihen zu lassen. (Dass die „Wiedervereinigung“<br />

dann zur Mobilmachung der Jungnazis wurde – wattn<br />

Katastrophe Kapitalismus<br />

Wieder Weimar<br />

Ding!). Der „Rheinische Kapitalismus“ von Adenauer,<br />

Pferdmenges und Konsorten wurde zur postfaschistischen<br />

Ordnung. Die einmalige historische Chance zu einer menschenwürdigen<br />

Wirtschaftsverfassung war damit endgültig<br />

vergeigt.<br />

Wirtschaft ist nicht 50 Prozent Psychologie.<br />

Sie ist 100 Prozent Religion!<br />

Jetzt haben wir den Salat: Banker verkaufen „Futures“,<br />

deutsch „Zukünfte“ wie die Kirche Logenplätze im Jenseits,<br />

„Fette Jahre“ heißen „Aufschwung“, „Dürre Jahre“ „Rezession“,<br />

„Propheten“ werden zu „Wirtschaftsweisen“,<br />

„Schuldbeladene“ zu „Schuldnern“, „Wunder“ wird „Aktiengewinn“,<br />

„Strafe“ oder „Züchtigung“ wird „Hartz4“...


Religion ist Opium fürs Volk<br />

Kapitalismus ist Gift für die Massen<br />

Die Auserwählten an den Börsen haben uns tief in die Scheiße<br />

geritten.<br />

Der Herr hat’s gegeben.<br />

Der Herr hat’s genommen.<br />

Der Herr sei gelobt!<br />

Marx hat das alles sehr schön analysiert. Er hat die Religion<br />

zwar rausgenommen, aber einen Religionsersatz hinzugefügt.<br />

Bei ihm ist der Kapitalismus des Teufels und das ewige<br />

Leben heißt „Klassenlose Gesellschaft“.<br />

Es gibt kein Naturgesetz nach dem Reiche reich und Arme<br />

arm sein müssen.<br />

Unsere Wirtschaftsordnung muß geändert werden. Das<br />

Ahlener Programm weist in die richtige Richtung.<br />

Das sollte man jedoch nicht von christoiden Heuchlern,<br />

Arbeiterverrätern, liberalen Gierlappen und grünen Karrieristen<br />

erwarten.<br />

Die kapitalistische Demokratur bleibt das effizienteste Untergangs-Modell,<br />

das wir je hatten.<br />

Der Tanz auf dem Vulkan bringt mehr als bloß verbrannte<br />

Füße.<br />

Dises Jahr sind Wahlen.<br />

Denken Sie dran! Judas Thomas Kuhl<br />

Play it again, Sam<br />

vom religiösen zum Wirtschaftswahn<br />

Wie die Demokratie und der Wohlfahrtsstaat damals zerstört<br />

wurden, ist bis heute ein Lehrstück historisch-politischer Bildung.<br />

Weimar war insofern ein Menetekel, als ganz ähnliche Vorschläge<br />

wie jetzt gemacht und mit den bekannten Folgen größtenteils auch<br />

verwirklicht wurden: Flächentarifverträge schleifen, den Kündigungsschutz<br />

verringern, die Arbeitszeit verlängern, die - damals noch<br />

nicht so genannten - Lohnnebenkosten senken und den Staatshaushalt<br />

sanieren. Selbst die Hauptakteure hießen teilweise genauso wie<br />

heute: Ein deutschnationaler Politiker, Gustav Hartz, schlug zum<br />

Beispiel unter Hinweis auf die nötige „Selbstverantwortung“ vor,<br />

die <strong>So</strong>zialversicherung durch privates Zwangssparen zu ersetzen.<br />

Der deutschnationale Medienzar Alfred Hugenberg gab im Februar<br />

1933 die Parole „<strong>So</strong>zial ist, wer Arbeit schafft“ aus, ohne dass deren<br />

Art, Bedingungen und Entlohnung noch eine Rolle spielten. Und<br />

wohin haben diese arbeitgeberfreundliche Politik und eine solche<br />

Sklavenhalterideologie kurze Zeit später geführt? Ohne die gravierenden<br />

Unterschiede gegenüber der damaligen Weltwirtschaftskrise<br />

zu übersehen, kann man gar nicht genug vor einer Wiederholung der<br />

Geschichte warnen.<br />

<strong>So</strong>weit Professor Christoph Butterwegge, der den auf diesen Artikel<br />

folgenden Aufsatz „Mit dem <strong>So</strong>zialstaat stirbt die Demokratie“<br />

verfasst hat.<br />

Katastrophe Kapitalismus<br />

Wieder Weimar<br />

Es ist tatsächlich die alte Melodie, die schon einmal in die Katastrophe<br />

geführt hat. Das „Gut ist, was der Arbeit nützt“ von Merkel<br />

klingt nicht nur nach Hugenberg, es erinnert auch an den Torspruch<br />

„Arbeit macht frei“ von Auschwitz.<br />

Du bist Deutschland<br />

hieß die Kampagne, die von Wirtschaft, Politik und DFB vor<br />

wenigen Jahren verbrochen wurde und vom Führer abgeschaut<br />

war. Durch diesen durchsichtigen Apell ans Nationalbewusstsein<br />

wie an den Narzismus derer, die drauf reinfallen,<br />

glaubte man, Menschen motivieren zu können. Adolf<br />

Urheber hat ja dann mit dem Geschwätz von der „arischen<br />

Herrenrasse“ auch richtig auf die Kacke gehauen. Die<br />

Kohlbande, der Vorsitzende des „Ring christ-demokratischer<br />

Studenten“ an der Duisburger Uni sowie die von denen<br />

ermutigten Neonazis waren „stolz, Deutsche zu sein“. Und<br />

in diesem Jahrtausend dann wieder Original-Ton Hitler.<br />

Deflation<br />

Seit einem Vierteljahrhundert (seit Kohls Amtsantritt 1983)<br />

geht die Armut-Reichtum-Schere immer weiter auf. Das<br />

Rezept ist ein ziemlich einfaches: die Reichen werden „entlastet“<br />

und die Armen müssen „Verantwortung“ übernehmen.<br />

<strong>So</strong> entsteht eine Abwärtsspirale in bestimmten Sektoren,<br />

Deflation, das Gegenteil von Inflation. Wir hatten de facto<br />

über zwanzig Jahre Lohndeflation weil die Löhne stehengeblieben<br />

sind und die sonstigen Preise der üblichen Inflation<br />

unterworfen waren. In England oder Frankreich hätte das zu


Streiks geführt. An die 1929er Krise schloß sich schon einmal<br />

eine Lohndeflation an.<br />

Das wirkt sich dann aufgrund geschwächter Nachfrage<br />

auf die Preise in bestimmten Sektoren aus. Lebensmittel<br />

brauchen schließlich alle. Der Preiskampf der Dicounter ist<br />

hier mörderisch. Doch auch in der Unterhaltungselektronik<br />

bewirbt man mit „Geiz ist geil“ oder „wir hassen teuer“<br />

Produkte aus Fernost, wo Menschen zu Lhnen arbeiten, die<br />

sich hier nichtmal ein Hartz4er vorstellen könnte.<br />

Dabei gehen hier Unternehmen kaputt, die für diese Preise,<br />

die geprellte Billig-Lohn-Sklaven gerade noch ausgeben<br />

können, nicht mehr produzieren können. Oder man machts<br />

gleich auf die Faule indem an Hungerlöhne zahlt und den<br />

Rest von der ARGE zahlen lässt. Dieser Kombi-Lohn ist nichts<br />

anderes als eine versteckte Unternehmenssubvention.<br />

Inzwischen ist die Inlandsnachfrage kaputt, der Binnenmarkt<br />

kann durch diesen gigantischen Kaufkraftmangel die<br />

Schwächen des Außenhandels (wie jetzt in der Krise) nicht<br />

mehr auffangen<br />

Neoliberalismus<br />

Milton Friedman und Konsorten sind die Gründer der Sekte, die<br />

heute am radikalsten von Westerwelle, Sinn, Ackermann oder Hundt<br />

vertreten wird. Der Kerngedanke, das Saysche Theorem besagt, dass<br />

jedes Angebot sich seine Nachfrage selbst schafft.<br />

Diese angebotsorientierte Wirtschaftspolitik, nach den jeweiligen<br />

Staatsoberhäuptern Reaganomics oder Thatcherismus genannt,<br />

wurde hier von Kohl brutalstmöglich umgesetzt und ist seitdem der<br />

gültige Standard in Wirtschaft, Politik und Medien.<br />

Deregulierung der Märkte, Senkung der Lohnnebenkosten, <strong>So</strong>zialabbau,<br />

Steuersenkungen und umfangreiche Privatisierungen haben uns<br />

nun in den Schlamassel geritten. Fast 20 Millionen Deutsche stehen<br />

draußen, der Mittelstand kämpft ums Überleben und die Finanzmarktblase<br />

ist explodiert.<br />

Judas Thomas Kuhl<br />

Katastrophe Kapitalismus<br />

Wieder Weimar<br />

Mit dem <strong>So</strong>zialstaat<br />

stirbt die Demokratie<br />

Die Geschichte der Weimarer Republik<br />

als warnendes Beispiel<br />

In der Weimarer Republik erlebte der <strong>So</strong>zialstaat zuerst<br />

einen bis dahin nicht gekannten Aufschwung. Während<br />

der Weltwirtschaftskrise gegen Ende der 20er-/Anfang der<br />

30er-Jahre wurden er und mit ihm die Demokratie aber<br />

schrittweise zerstört. Wie die steigende Massenarbeitslosigkeit,<br />

mehr noch jedoch der Abbau des <strong>So</strong>zialstaates die junge<br />

Republik untergruben, stellt ein Lehrstück historisch-politischer<br />

Bildung dar.<br />

Siegeszug des <strong>So</strong>zialstaates<br />

Weimar erlebte zunächst einen Siegeszug des <strong>So</strong>zialstaates,<br />

vor allem im Hinblick auf den öffentlichen Wohnungsbau,<br />

die Entwicklung des Gesundheitswesens und die Ausweitung<br />

der <strong>So</strong>zialversicherung. An die Stelle der Kriegswohlfahrtspflege<br />

trat nach dem Ersten Weltkrieg die Erwerbslosenfürsorge.<br />

Die an das Fragebogen-Verfahren beim Arbeitslosengeld<br />

II erinnernde Bedürftigkeitsprüfung erfasste nicht nur<br />

den Antragsteller, sondern auch mit ihm in einer Wohnung<br />

zusammenlebende Verwandte, die nach geltendem Recht<br />

gar nicht zum Unterhalt verpflichtet waren. Dadurch wurden<br />

keineswegs die Familienbande gestärkt, wie man amtlicherseits<br />

hoffte, sondern umgekehrt eher zerstört: Besonders<br />

jüngere Arbeitslose, denen man die Unterstützung kürzte<br />

oder versagte, zogen von zu Hause aus.


Kernstück der im Oktober 1919 geschaffenen „produktiven<br />

Erwerbslosenfürsorge“ waren öffentliche Notstandsarbeiten,<br />

zu denen man Arbeitslose zwangsverpflichten konnte.<br />

Träger solcher Maßnahmen, die dem „Neubau des Wirtschaftslebens“<br />

dienen, volkswirtschaftlich wertvoll sein und<br />

zusätzlichen Charakter tragen mussten, waren meist die<br />

Gemeinden und Gemeindeverbände. Es ging den Behörden<br />

darum, die Arbeitswilligkeit der Antragsteller zu testen und<br />

diese im Weigerungsfall von Leistungen auszuschließen. In<br />

der Arbeitsverwaltung wie im Finanzministerium nahm man<br />

an, die Gesamtsumme der Transferleistungen würde durch<br />

das Verlangen einer Gegenleistung sinken. Schon bald stellte<br />

sich jedoch heraus, dass die Beschäftigung der Erwerbslosen<br />

nicht nur sehr viel mehr kostete als die bloße Unterstützung,<br />

sondern auch erheblich mehr, als veranschlagt worden war.<br />

Bei den sog. 1-Euro-Jobs, mit Hartz IV in deutlicher Analogie<br />

zur „produktiven Erwerbslosenfürsorge“ geschaffen, ist das<br />

heute nicht anders.<br />

Ein auch zukünftig zu befürchtendes Resultat der Kluft zwischen<br />

übertriebenen Erwartungen und harter Wirklichkeit<br />

bestand darin, dass weniger Notstandsarbeiten finanziert<br />

und dass öffentliche Aufgaben zu solchen umfunktioniert,<br />

also reguläre Stellen vernichtet bzw. Arbeitnehmer/innen,<br />

die sie sonst besetzt hätten, verdrängt wurden. Im Oktober<br />

1923 wurde zudem die „Pflichtarbeit“ eingeführt. Seither<br />

sollten die Gemeinden ihre Unterstützung möglichst von<br />

einer Arbeitsleistung der Betroffenen abhängig machen, die<br />

bis zu 24 Stunden (bei schwerer körperlicher Belastung: bis<br />

zu 16 Stunden) wöchentlich dauern durfte. In der Alltagspraxis<br />

handelte es sich dabei oft nicht um die Erledigung von<br />

„zusätzlichen“, sondern von Regelaufgaben, etwa Bau- und<br />

Reinigungsarbeiten der Gemeinden, für die sie zwangsver-<br />

pflichtete Arbeitslose einsetzten, um Lohnkosten zu sparen.<br />

Den sozialpolitischen Höhepunkt und die Krönung der Weimarer<br />

Wohlfahrtsstaatsentwicklung bildete das nach langen<br />

Debatten zwischen Reichsregierung, Gewerkschaften und<br />

Unternehmerverbänden verabschiedete Gesetz über Arbeitsvermittlung<br />

und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) vom 16.<br />

Juli 1927. Da der Winter 1928/29 hart und die Konjunktur<br />

nicht stabil war, geriet der das <strong>So</strong>zialsystem vorerst komplettierende<br />

vierte Versicherungszweig bereits kurz darauf in<br />

finanzielle Schwierigkeiten.<br />

Volkswirtschaft, Wohlfahrtsstaat und<br />

Demokratie im Niedergang<br />

Kaum ging die Periode der relativen Stabilisierung (1924<br />

bis 1928) zu Ende, schon begann mit der Diskussion über<br />

wachsende „<strong>So</strong>ziallasten“ ein argumentativer Sturmlauf<br />

gegen den Wohlfahrtsstaat. Hauptträger dieser Angriffe<br />

waren Großindustrielle des Ruhrgebiets, die hofften, das<br />

Katastrophe Kapitalismus<br />

Wieder Weimar<br />

Versicherungs- durch das Fürsorgeprinzip ersetzen, sich einer<br />

paritätischen Finanzierung des <strong>So</strong>zialsystems entziehen<br />

und ihre Gewinne auf diese Weise steigern zu können. Ein<br />

intellektueller Wortführer der Bewegung zur Zerschlagung<br />

des Weimarer <strong>So</strong>zialsystems hieß - man höre und staune<br />

- Gustav Hartz. Den im Unternehmerlager favorisierten<br />

Privatisierungsplänen entsprechend, schlug dieser deutschnationale<br />

Kritiker in seinem Buch „Irrwege der deutschen<br />

<strong>So</strong>zialpolitik und der Weg zur sozialen Freiheit“ schon 1928<br />

vor, die <strong>So</strong>zialversicherung à la Bismarck durch persönliches<br />

Zwangssparen zu ersetzen.<br />

Über bis zur eher kuriosen Namensgleichheit von Hauptakteuren<br />

reichenden Gemeinsamkeiten dürfen die gravierenden<br />

Unterschiede zwischen Gegenwart und Vergangenheit<br />

aber nicht übersehen werden. Die soziale Lage der auf<br />

dem Höhepunkt der Weltwirtschaftskrise über 6 Mio. offiziell<br />

registrierten Erwerbslosen war viel dramatischer als die der<br />

Betroffenen heute. Sie und ihre Familien lebten unter Elendsbedingungen.<br />

Zudem war die Arbeitslosenquote mehr als<br />

doppelt so hoch wie in der Gegenwart und auch die Weltmarktdynamik<br />

längst nicht so ausgeprägt.<br />

Während der Weltwirtschaftskrise 1929/33 zerbrach nicht<br />

nur der gesellschaftspolitische Basiskonsens zwischen den<br />

Klassen bzw. deren organisierter Interessenrepräsentanz,<br />

Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften, sondern im<br />

März 1930 auch die Große Koalition, deren beide Flügelparteien<br />

keine Einigung über den Weg zur finanziellen<br />

Konsolidierung der Arbeitslosenversicherung erzielten.<br />

Die unternehmernahe DVP bestand auf einer Kürzung von<br />

Leistungen, wohingegen die SPD-Fraktion im Unterschied zu<br />

ihrem Reichskanzler Hermann Müller und seinen Minister-


kollegen nur eine Anhebung der Beiträge (damaliger Satz:<br />

3,5 Prozent) unterstützte. In heutiger Diktion würde man<br />

sagen, dass die Beitragssatzstabilität bei den bürgerlichen<br />

Koalitionären absolute Priorität genoss, weil die Erhöhung<br />

der Lohnnebenkosten verhindert und die internationale<br />

Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Deutschland<br />

nicht gefährdet werden sollte.<br />

<strong>So</strong>zialstaat als Sündenbock<br />

In kürzer werdenden Abständen folgten der Regierung Müller<br />

immer weniger legitimierte (Präsidial)Kabinette, die zwar<br />

kein Konzept zur Krisenbewältigung hatten, aber die sozialen<br />

Grundrechte der Arbeitnehmer/innen und Erwerbslosen<br />

mit rasantem Tempo beschnitten sowie den Wohlfahrtsstaat<br />

und die Demokratie demontierten. Man hat rückblickend den<br />

Eindruck, dass die Weimarer Republik und ihr <strong>So</strong>zialsystem<br />

bewusst zugrunde gerichtet wurden, wobei die Arbeitslosenversicherung<br />

ganz oben auf der Agenda stand. Aufgrund<br />

der wachsenden Massenarbeitslosigkeit und entsprechender<br />

Beitragsausfälle stieg der Beitragssatz auf 6,5 Prozent. Er<br />

war damit genauso hoch wie heute. Mittels einer politischen<br />

Salamitaktik wurden die Leistungen durch schrittweise<br />

Kürzung der Unterstützung bei gleichzeitiger Ausdehnung<br />

der Wartezeiten und Sperrfristen für Arbeitslose beschnitten,<br />

worunter die Akzeptanz des <strong>So</strong>zialstaates insgesamt litt, weil<br />

er seine Hauptfunktion kaum noch zu erfüllen vermochte.<br />

Unter dem christlichen Gewerkschafter und Zentrumspolitiker<br />

Heinrich Brüning, der vom 30. März 1930 bis zum 1.<br />

Juni 1932 Reichskanzler war, verschärfte ein Austeritätskurs<br />

die Wirtschaftskrise noch mehr. Brüning hoffte auf die<br />

„Selbstheilungskräfte“ des Marktes, während seiner Ansicht<br />

nach das Geld für Konjunkturprogramme fehlte, solange die<br />

Reparationsverpflichtungen des Versailler Vertrages bestanden.<br />

Durch den neoklassischen Mainstream der Nationalökonomie<br />

bestärkt, drang Brüning auf mehr Zurückhaltung<br />

in der Lohnpolitik sowie bei den Staatsausgaben, wovon er<br />

sich eine Sanierung des Budgets und eine Reaktivierung der<br />

Wirtschaft versprach.<br />

Mit der Schwächung des Tarif- und Schlichtungswesens, dem<br />

Abbau der Arbeitslosenversicherung und der als „<strong>So</strong>nderopfer<br />

des öffentlichen Dienstes“ deklarierten Senkungen von<br />

Beamtengehältern und -pensionen begann unter Brüning<br />

ein Rückzug des <strong>So</strong>zialstaates, der den Weg zur NS-Diktatur<br />

ebnete. Dabei verschärfte eine für die Exportbranchen<br />

vorteilhafte Deflationspolitik die Wirtschafts- und Beschäftigungskrise.<br />

Erschreckend sind historische Parallelen zur<br />

Gegenwart, gleichen doch Vorschläge, mit denen Unternehmerverbände<br />

und Politiker heute das System der sozialen<br />

Sicherung „verschlanken“ wollen, den schon damals<br />

diskutierten bzw. ergriffenen Maßnahmen teilweise bis ins<br />

Detail. Dies gilt z.B. für die Reform des Föderalismus, den<br />

Bürokratieabbau, die Schwächung des Tarifvertragssystems<br />

bzw. des staatlichen Schlichtungswesens, die Verlängerung<br />

der Arbeitszeit und die Erleichterung von Kündigungen,<br />

womit man die Wirtschaft bzw. ihre Konkurrenzfähigkeit auf<br />

dem Weltmarkt stärken wollte, genauso wie für Lohn- bzw.<br />

Gehaltssenkungen, die dem Handwerk und dem Einzelhandel<br />

zu schaffen machten.<br />

Brünings nur ein halbes Jahr lang amtierender Nachfolger<br />

Franz von Papen stützte sich unverhohlen auf Vorschläge<br />

der (Schwer-)Industrie, die eine Entrechtung der abhängig<br />

Katastrophe Kapitalismus<br />

Wieder Weimar<br />

Beschäftigten und eine Entmachtung ihrer Gewerkschaften<br />

anstrebte. Übereinstimmend erklärten beide Reichskanzler<br />

zwar, den <strong>So</strong>zialstaat durch Reformen „in der Substanz erhalten“<br />

zu wollen, demontierten ihn aber Schritt um Schritt,<br />

was seiner weiteren Zerstörung eher Vorschub leistete.<br />

Sanierung der Arbeitslosenversicherung<br />

als <strong>So</strong>zialabbau<br />

<strong>So</strong>wohl zwischen den gesellschaftlichen Interessengruppen<br />

bzw. den Verbänden von Unternehmern und Beschäftigten<br />

wie auch zwischen den Gebietskörperschaften war umstritten,<br />

wem die enormen Kosten der Massenarbeitslosigkeit<br />

aufgebürdet werden sollten. Das deutsche Unterstützungssystem<br />

war dreigliedrig: Versicherte, die erwerbslos wurden,<br />

erhielten zunächst höchstens 26 Wochen lang Arbeitslosenhilfe<br />

(Hauptunterstützung) und Familienzuschläge für ihre<br />

engsten Angehörigen. Danach gab es im Falle der Bedürftigkeit<br />

gleichfalls 26, später sogar 52 Wochen lang Krisenfürsorge,<br />

bevor die allgemeine Wohlfahrt (der Gemeinden)<br />

einsprang. Während das Reich erwerbsfähige Arbeitslose<br />

unterstützte, die ohne Versicherungsleistungen blieben,<br />

oblag den Gemeinden die Zahlung der Wohlfahrtsunterstützung<br />

für nicht oder nur eingeschränkt Erwerbsfähige.<br />

Innerhalb des dreigliedrigen Systems kam es zu Umschichtungen,<br />

die Finanzierungsschwierigkeiten entsprachen, aber<br />

auch unterschiedlichen Interessenlagen der Hauptakteure<br />

und Machtverschiebungen entsprangen, die nicht zuletzt<br />

der steigenden Arbeitslosigkeit geschuldet waren. Gab es<br />

anfangs sogar Bemühungen, die kommunale Erwerbslosen-<br />

in der staatlichen und teilweise aus Versicherungsmitteln


finanzierten Krisenfürsorge aufgehen zu lassen, dominierten<br />

ungefähr seit dem Jahreswechsel 1930/31 Bestrebungen,<br />

die Krisenunterstützung mit der Wohlfahrtsfürsorge unter<br />

einheitlicher Verwaltung der Gemeinden zu verschmelzen.<br />

Am Ende des zuletzt genannten Jahres kursierten Pläne der<br />

Kommunen wie der Arbeitgeberverbände, alle Zweige des<br />

bestehenden Unterstützungssystems auf der Grundlage des<br />

(für die Erwerbslosen kargen und sie entrechtenden) Fürsorgeprinzips<br />

zusammenzulegen.<br />

Da die Arbeitslosen wegen der Wirtschaftskrise immer<br />

schneller (aus der staatlichen Krisenfürsorge) „ausgesteuert“<br />

wurden, stiegen die finanzielle Belastung und die<br />

Verschuldung der Kommunen seit 1929/30 enorm. <strong>So</strong>wohl<br />

die öffentliche Reformdebatte wie auch die Regierungspolitik<br />

verschoben sich von einer Fusion der beiden Fürsorgesysteme<br />

auf dem (niedrigeren) Niveau der Wohlfahrtshilfe in<br />

Richtung einer Preisgabe des Versicherungsprinzips. Dezentralisierung<br />

und Kommunalisierung der Arbeitslosenunterstützung<br />

führten zu einer sozialen Nivellierung nach unten.<br />

In der ersten Verordnung des Reichspräsidenten „zur Behebung<br />

finanzieller, wirtschaftlicher und sozialer Notstände“,<br />

die 1 Monat nach Auflösung des Parlaments am 26. Juli 1930<br />

erlassen wurde, ergänzten sich Steuererhöhungen einerseits<br />

sowie Leistungskürzungen im Bereich der Arbeitslosen-und<br />

Krankenversicherung andererseits. Obwohl das Reichsarbeitsministerium<br />

noch einen weiteren Ausbau der Krankenversicherung<br />

vorgeschlagen hatte, dominierten „Sparbemühungen“,<br />

die eine Mehrbelastung der Versicherten durch<br />

eine Krankenscheingebühr und einen Arzneimittelbeitrag<br />

hervorbrachten. Eine weitere Notverordnung vom 1. Dezember<br />

1930 beinhaltete u.a. eine Erhöhung der Tabaksteuer,<br />

während die Vermögen-, Grund- und Gewerbesteuer gesenkt<br />

wurden.<br />

Kurzfristig wurde im Frühjahr 1931 eine nach ihrem Vorsitzenden,<br />

dem früheren Arbeitsminister Heinrich Brauns<br />

benannte „Gutachterkommission zur Arbeitslosenfrage“<br />

gebildet. Ihre Mitglieder, die innerhalb weniger Monate drei<br />

Berichte (zur Arbeitszeitfrage und zum sog. Doppelverdienertum,<br />

zur Arbeitsbeschaffung sowie zur Arbeitslosenhilfe)<br />

unterbreiteten, ohne damit viel Wirkung zu erzielen, kamen<br />

nicht mehr aus der Politik, sondern aus Verwaltung und<br />

Wissenschaft. Dies war ein Indiz dafür, dass immer stärker<br />

expertokratisch statt demokratisch agiert und am Parlament<br />

vorbei regiert wurde.<br />

Die sozialdemokratische Reichstagsfraktion trug in der<br />

Opposition sogar Gesetzesvorhaben mit, die deutliche<br />

Verschlechterungen für von ihr repräsentierte Bevölkerungsschichten<br />

beinhalteten. Diese sog. Tolerierungspolitik zahlte<br />

sich aber keineswegs aus, trug vielmehr zur massenhaft<br />

verbreiteten Enttäuschung über die reformistische Arbeiterpartei<br />

und das Parteiensystem der Weimarer Republik<br />

insgesamt bei. Ganz ähnlich verhielt es sich bei den Freien<br />

Gewerkschaften, deren Mitgliederzahl nicht nur aufgrund<br />

der ständig wachsenden Arbeitslosigkeit und dadurch<br />

bedingter Austritte rapide sank. Viele aktive Gewerkschafter/<br />

innen wandten sich von der SPD ab, fühlten sich aber auch<br />

von der ADGB-Spitze nicht mehr repräsentiert.<br />

Am 14. Juni 1932 höhlte Reichskanzler von Papen das<br />

Unterstützungssystem für Arbeitslose weiter aus, ohne<br />

es allerdings formal abzuschaffen. Durch die Verordnung<br />

des Reichspräsidenten über Maßnahmen zur Erhaltung<br />

Katastrophe Kapitalismus<br />

Wieder Weimar<br />

der Arbeitslosenhilfe und der <strong>So</strong>zialversicherung sowie zur<br />

Erleichterung der Wohlfahrtslasten der Gemeinden wurden<br />

die Struktur und das Leistungsniveau der drei Systeme noch<br />

mehr angeglichen. Schließlich wurde die (dem heutigen<br />

Arbeitslosengeld I entsprechende) Arbeitslosenhilfe höchstens<br />

6 Wochen lang gezahlt, sodass weniger als 10 Prozent<br />

der registrierten Arbeitslosen sie überhaupt noch erhielten.<br />

Die mit dem heutigen Arbeitslosengeld II vergleichbare,<br />

ursprünglich als Brücke zwischen Arbeitslosenhilfe und Armenfürsorge<br />

gedachte Krisenunterstützung durfte nunmehr<br />

das Niveau der Fürsorgeleistung nicht mehr überschreiten.<br />

Schon damals wollte man die Wettbewerbsfähigkeit der<br />

deutschen Industrie durch eine „Sparpolitik“ bei den Löhnen<br />

und in den öffentlichen Haushalten wiederherstellen bzw.<br />

spürbar erhöhen. Als das nur noch halbdemokratische<br />

Regierungs- und Parteiensystem diese Aufgabe gegen Ende<br />

der Weimarer Republik trotz drastischer Beschneidung vieler<br />

<strong>So</strong>zialleistungen nicht erfüllte, befürworteten Industrie-und<br />

Bankenkreise eine Kabinettsbeteiligung der NSDAP, die am<br />

31. Juli 1932 zur stärksten Partei im Reichstag geworden war<br />

und ihren größten Wahlsieg gefeiert, bei der Novemberwahl<br />

desselben Jahres aber erstmals auch wieder Stimmen<br />

verloren hatte.<br />

Christoph Butterwegge


Christoph Butterwegge<br />

Christoph Butterwegge ist Professor für Politikwissenschaft<br />

an der Universität Köln.<br />

In der zweiten Hälfte der 80er Jahre war er ein junger Dozent<br />

und ich ein alter Student (fast gleichaltrig) an der Duisburger<br />

Uni. Ich habe einige Scheine bei ihm gemacht und unsere<br />

Unterhaltungen am Rande der Seminare drehten sich im<br />

Wesentlichen um <strong>So</strong>zialabbautendenzen in der SPD, die wir<br />

beide fatal fanden. Damals bin ich als Juso-Chef Duisburg<br />

Mitte/Duissern aus der SPD ausgetreten. Doch eine solche<br />

Sauerei wie Hartz4 hätten wir der „Partei der kleinen Leute“<br />

damals nie zugetraut.<br />

Dieser Artikel beweist vieles – auch dass wir uns in der Beurteilung<br />

dessen, was leider Politik geworden ist, noch immer<br />

einig sind.<br />

<strong>So</strong>lidarische Grüße aus Duisburg an den aufrechten Professor<br />

in Köln!<br />

Judas Thomas Kuhl<br />

Reichsarbeitsdienst<br />

heute: Ein-Euro-Jobs<br />

1914 wurde die Reichszentrale für Arbeitsnachweise gegründet.<br />

Sie organisierte Massentransporte zur Erntehilfe, zog<br />

Kriegsgefangene zur Arbeit heran. 1919 sollte der Arbeitsdienst<br />

auch in die Weimarer Verfassung eingehen. Anfang<br />

der zwanziger Jahre gab es den ersten Versuch, öffentliche<br />

Pflichtarbeit einzuführen. 1925 wurde ein erstes Arbeitsbeschaffungsprogramm<br />

aufgelegt. 1927 trat dann das Gesetz<br />

über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung in<br />

Kraft, das die Erwerbslosenfürsorge ersetzte.<br />

Wall Street Crash<br />

Katastrophe Kapitalismus<br />

Wieder Weimar<br />

1929 setzte die Weltwirtschaftskrise eine verheerende Spirale<br />

von Massenarbeitslosigkeit, höheren Beitragssätzen, steigenden<br />

Lohnnebenkosten und Leistungskürzungen in Gang.<br />

Die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes wurde für Erwachsene<br />

auf 36 und für Jugendliche auf 21 Wochen begrenzt,<br />

Saisonarbeiter erhielten nichts. Ab Mitte 1931 bekamen Jugendliche<br />

und verheiratete Frauen keinen Pfennig mehr. Die<br />

Anregung zu diesen drastischen Einschnitten kam von den<br />

Arbeitgeberverbänden. Notverordnungen des Reichskanzlers<br />

Heinrich Brüning ergänzten die Leistungskürzungen<br />

für Arbeitslose durch Lohnsenkung, Abbau der Tariffreiheit<br />

und Steuervergünstigungen für Unternehmer. Ergebnis der<br />

Reformen: die Zahl der Arbeitslosen verdreifachte sich.


Ein-Euro-Job-Shop oder ARGE<br />

Ein RADler war gegen Krankheit versichert, bekam Kleidung,<br />

Kost und Logis und 25 Reichspfennig pro Tag. Von den<br />

250000 Dienstverpflichteten arbeiteten Mitte der dreißiger<br />

Jahre 135000 Menschen an den Straßen und Reichsautobahnen,<br />

die schnell fertig werden sollten. Ende der dreißiger<br />

Jahre arbeiteten sie fast ausschließlich für den Bau einer<br />

kriegswichtigen Infrastruktur.<br />

Was wir heute erleben, erinnert an den Reichsarbeitsdienst<br />

(RAD), an Leistungskürzungen und an die Bildung einer Reservearmee,<br />

die mit eingeschränkten Rechten zu möglichst<br />

geringen Kosten arbeiten.<br />

Fromme Abzocker<br />

Caritas und Diakonie setzen im Jahr zusammen 45 Milliarden<br />

Euro um (Caritas 25 Milliarden, Diakonie 20 Milliarden<br />

Euro). Das Geld kommt aus öffentlichen Mitteln, nur 828 Millionen<br />

Euro (1,8 Prozent) zahlen die Kirchen. Die restlichen<br />

44 Milliarden Euro (98,2 Prozent) berappt der Steuerzahler.<br />

Am Ende eines langen Berufs lebens hat er soviel Geld an<br />

die Kirche gezahlt, daß er als Durchschnittsverdiener davon<br />

locker ein Einfamilienhaus hätte bauen können. Was mit den<br />

gut 44 Milliarden Euro an öffentlichen Geldern geschieht,<br />

bleibt im Dunkeln, beide Wohlfahrtskonzerne stehen außerhalb<br />

der Kontrolle der Rechnunghöfe. Diakonie und Caritas<br />

behaupten, sie stünden unter dem Schutz des Artikels 40 GG,<br />

wonach sie staatlicher Kontrolle nicht unterliegen.<br />

Caritas und Diakonie besitzen zusammen<br />

ein Immobilienvermögen im Wert<br />

von 230 Milliarden Euro.<br />

Die Amtskirchen haben die Gesellschaft fest im Griff. Beide<br />

Kirchen schwimmen im Geld, als Kirchen- betriebe zahlen<br />

beide Wohlfahrtskonzerne keine Steuern. VW, Daimler<br />

Chrysler und BMW - kommen hierzulande zusammen auf<br />

etwa 434 000 Mitarbeiter - die Caritas auf 715 000, die<br />

Diakonie sogar auf 732 000 Menschen. In den vergangenen<br />

Jahrzehnten haben sich <strong>So</strong>zialkonzerne geformt, die zum<br />

größten privaten Arbeitgeberverbund der Welt aufgestiegen<br />

sind. Viel Gutes tun die Kirchen nicht. Das, was sie tun,<br />

geschieht mit öffentl. Geldern, über die sie unkontrolliert<br />

verfügen.<br />

<strong>So</strong> „kauft“ die Diakonie Ein-Euro-Jobber günstig ein und<br />

wirtschaftet z.B. in Sachen Gartenbau wie ein ganz normaler<br />

Gartenbaubetrieb. Ich weiß nicht, ob die der ARGE überhaupt<br />

was für die Billig-Sklaven zahlen müssen; schließlich<br />

ist das ja „gemeinnützige Arbeit“ (es ist gemein und nützt<br />

der Diakonie). In den Kostenvoranschlägen tauchen diese<br />

„Helfer“ dann zum zehnfachen Preis für 16-20 Euro auf. Das<br />

ist wahre christliche Nächstenliebe. (Vom Duisburger Forstamt<br />

hört man Ähnliches). Und die renditeträchtigen Blutgeschäfte<br />

des Roten Kreuzes wären eine weitere Geschichte.<br />

Katastrophe Kapitalismus<br />

Wieder Weimar<br />

<strong>So</strong>zialverbände und Selbsthilfegruppen<br />

ziehen Bilanz: nicht ein einziger positiver Aspekt zum ALG II<br />

ist zu vermelden. Die Behörde funktioniert nicht. Fordern,<br />

verfolgen, schikanieren und verwalten schon. Der Euphemismus<br />

„Fördern und Fordern“ im Praxistest: <strong>So</strong>ziologen<br />

sprechen inzwischen von „Verfolgungsbetreuung“.<br />

Hartz IV ist nicht als einfaches Verarmungsprogramm<br />

angelegt, sondern als Spirale nach ganz weit unten. Menschen<br />

werden gedemütigt, schikaniert und ausgebeutet. <strong>So</strong><br />

schlimm war der Reichsarbeitsdienst nicht...<br />

Judas Thomas Kuhl


Monotonie des<br />

Lebens<br />

Die Uhr gibt uns das erste Signal des Tages:<br />

Wir stehen auf, ziehen uns an, frühstücken und fahren zur<br />

Arbeit.<br />

Dort verrichten wir jeden verdammten, stinklangweiligen<br />

Tag die gleichen, öden Tätigkeiten.<br />

Wir sehen immer und immer wieder dieselben seelen- und<br />

leblosen Hüllen der uns Umgebenden.<br />

Jeder erfüllt seine Aufgabe als klitzekleines Rädchen im<br />

Gesamtgetriebe:<br />

Schau Dich um und Du musst zugeben, dass Dich dieses<br />

Verhalten und der Anblick an eine Legebatterie erinnert:<br />

Alle sind gleich:<br />

Die Verrichtung Aller ist das Selbe, die Klamotten, Make-Ups<br />

und Frisuren ähneln sich. Clonengleich!!<br />

Wir Alle arbeiten ohne Nachdenken, ohne Abweichung, ohne<br />

Persönlichkeit, einfach nur stupide vor uns her!!<br />

Jeden und jeden und jeden verfickten Tag dieselbe Scheiße,<br />

dieselben leeren Hüllen und verlorenen Existenzen!!<br />

Die Uhr lässt uns zum zweiten Mal wissen, dass der erste Abschnitt<br />

des Tages unserer Sklaverei beendet ist: die Roboter<br />

dürfen nun wieder heim.<br />

Abgeschottet, Jeder für sich, einsam und alleine.<br />

Der Zug ist voll, aber Jeder ist nur für, allein bei sich!<br />

Angekommen, gehen wir nach Hause, essen Etwa, knallen<br />

uns vor die Glotze und warten mal wieder darauf, dass uns<br />

die beschissene Uhr das dritte Signal des Tages gibt, uns<br />

hinzuhauen und zu pennen.<br />

Schlafen, damit wir auch am nächsten verwichsten Tag<br />

wieder mit voller Kraft unserer stupiden und einfältigen<br />

Monotonie nachgehen können!!<br />

Am nächsten verkackten Tag stehen wir wieder auf, duschen<br />

uns, ziehen uns an, frühstücken und fahren erneut zur<br />

Arbeit...<br />

...stupide, monotone, eingefahrene Routine jeden unerträglichen<br />

neuen Tag...<br />

DOCH HALT!!!!:<br />

Manchmal bemerken wir abgestumpften, seelenlosen Roboter<br />

eine Abweichung von der verfuckten Routine, ein ungutes<br />

Gefühl, welches sich langsam aber gewaltig in unserem Kopf<br />

ausbreitet, mit aller Macht versuchend uns aufzurütteln, uns<br />

auf die Monotonie unseres Lebens stoßend!!<br />

Wissend, dass wir dieses Gefühl, diese Anwandlung auf<br />

Gedeih und Verderb unterdrücken und bezwingen müssen,<br />

damit wir uns unserer ekelerregenden Routine und unserer<br />

schauderhaften Abgestumpftheit auf gar keinen Fall bewusst<br />

werden,<br />

Katastrophe Kapitalismus<br />

Wieder Weimar<br />

denn wäre dem so, dass wir dies zuließen, würden wir ausbrechen<br />

müssen aus der Monotonie unseres Lebens!<br />

Um diese mit Allmacht drohende Gefahr zu bannen, betäuben<br />

wir uns mit Alkohol, Drogen oder Sex!!<br />

Jedem das Seine!!<br />

Dieses ätzende, an uns nagende Gefühl wird von Mal zu Mal<br />

allmächtiger, so dass wir immer und immer mehr Betäubung<br />

benötigen, um dessen Herr zu werden.<br />

Und am nächsten, verhassten Tag wieder die gleiche, abgewichste<br />

Scheiße:<br />

Wir stehen auf, duschen uns, ziehen uns an, frühstücken und<br />

fahren zur Arbeit wie geistlos, sinnlos, stupide und einfach<br />

nur zum kotzen!!!<br />

Weicht endlich ab von dieser verhaßten Routine,<br />

streift eure blechernen Roboter-Hüllen ab,<br />

befreit euch endlich aus der stupiden Monotonie des Lebens!!<br />

Erkennt endlich, den Augenblick zu genießen,<br />

bemerkt EUCH!!,<br />

Eure Wünsche und Bedürfnisse<br />

Und lernt vor Allem EUCH auszuleben!!<br />

Verbleibt nicht als Roboter, werdet endlich MENSCH!!!<br />

Durchbrecht die Monotonie des Lebens!!<br />

Heidi-ad-Hoc


Traditionell<br />

unmenschlich<br />

Geblendet durch den Megaerfolg, der „Schindlers Liste“<br />

zuteil wurde, könnte man sich glatt zu der Illusion versteigen,<br />

Filme mit dem Sujet Vernichtung Anderer im sog. III.<br />

Reich würden hierzulande angemessen aufgenommen.<br />

Jedoch scheint neben den Tagesschaunotorischen hirnlosen<br />

Totschlägern auch die Machtelite dieser Republik einem<br />

menschenfeindlichen Wahn verfallen. Eine Retrospektive<br />

postfaschistischer Filmrezeption sowie der Konsequenzen.<br />

Vor nunmehr einer halben Generation erschütterte ein<br />

abendfüllender US-Vierteiler die Wohnzimmer der Nation:<br />

HOLOCAUST. Die Wirkung des Films war so groß, daß er ... als<br />

das größte Medienereignis seit vielen Jahren bezeichnet wird. Was<br />

jahrzehntelange politische Aufklärungsarbeit nicht vermocht hatte,<br />

war auf einmal Wirklichkeit geworden: Millionen Menschen waren<br />

betroffen, sahen sich mit ihrer eigenen Geschichte, der Vergangenheit<br />

ihrer Väter konfrontiert. Ein Tabu war verletzt worden, und ein ganzes<br />

Volk, so scheint es, begann - unter dem Eindruck eines Fernsehfilms<br />

- plötzlich offen über das dunkelste Kapitel seiner Geschichte<br />

zu diskutieren.<br />

NBC, damals auf dem US-Serienmarkt unter starkem Konkurrenzdruck,<br />

konzipierte eine <strong>So</strong>ap-Opera, History als Story,<br />

etwas Dramatisches, einen Jahrhundert-Stoff:<br />

Gerald Green erfand die Berliner Arztfamilie Weiss, großbürgerliches,<br />

angepaßtes Judentum, das bei der Hochzeit<br />

des <strong>So</strong>hnes mit einer katholischen Blondine die Lorelei singt.<br />

Diese schickt er dann wohldosiert in den Holocaust: Kristallnacht,<br />

Euthanasie, Ghetto, Partisanentum, Progrom in<br />

Babi Yar und die bekannteren Konzentrationslager. <strong>So</strong>weit<br />

die Guten. Alles Böse findet sich in der Familie Dorf. Erich,<br />

Bäckersohn, Jurist und SS-Karrierist, erfindet - angetrieben<br />

von seiner ehrgeizigen Frau - die Kristallnacht, Massaker im<br />

Osten und die Gaskammern.<br />

Das Konzept des auf breite Identifikation angelegten Epos<br />

ging auf. Das Ungeheure ließ sich plötzlich im Privaten<br />

erfassen, da es auf Miniszenen verkleinert in mundgerechten<br />

Häppchen verabreicht wurde. Die durchgehende Geschichte einer<br />

Familie entsetzte Millionen, Überlebende fühlten sich wieder<br />

wie mitten drin, vielen kamen die Tränen, die Einschaltquote<br />

lag bei 48% und nach der ersten Ausstrahlung gingen 5 200<br />

Anrufe bei den Sendern ein.<br />

Julius Schoeps‘ Studionotizen während der Sendung „Anruf<br />

erwünscht‘ zu ‚Holocaust“: Starke Emotionalität - mit<br />

zunehmender Tendenz. Die meisten Anrufe kreisten um die Begriffe<br />

‚Vergessen‘, ‚Schuld‘ und ‚Wie konnte es dazu kommen?‘ Mir drängte<br />

sich das Gefühl auf, als ob viele Anrufer das Bedürfnis verspürten,<br />

mit irgend jemandem zu reden, ihre Betroffenheit, Bestürzung und<br />

Scham loszuwerden. Einige der jungen Leute, die pausenlos damit<br />

beschäftigt waren, Anrufe entgegenzunehmen, meinten auf meine<br />

Frage nach ihren ersten Eindrücken, so etwas hätten sie noch nie erlebt,<br />

sie hätten fast den Eindruck, ‚seelsorgerische Dienste‘ zu leisten.<br />

Hitlers Erbe - Kohls Reform<br />

Die Reaktion sah Handlungsbedarf. Konnte es doch nicht<br />

angehen, daß die großartige Verdrängungsleistung der<br />

Adenauerära leichtfertig aufs Spiel gesetzt wurde. Schon war<br />

Enkel Kohl verantwortungsbewußt zur Stelle, um Schaden<br />

vom deutschen Volke abzuwenden. Ungeheuerlich, daß Milli-<br />

Katastrophe Kapitalismus<br />

Wieder Weimar<br />

onen Menschen plötzlich Mitleid mit den Opfern der Nazis<br />

hatten. Eine geistig, moralische Wende mußte her, um alte<br />

deutsche Tugenden zu re-implementieren:<br />

Die Menschen wollen wieder stolz sein auf ihr Land. Sie haben guten<br />

Grund dazu. Heimat und Vaterland, Nation und Geschichte gewinnen<br />

wieder an Rang und Wertschätzung. Menschen suchen wieder<br />

Sinn, Halt und Orientierung in Religion und Glauben, in der Bindung<br />

an Werte, in der Geborgenheit der Familie, in partnerschaftlicher<br />

Treue, Gemeinschaft, in Nachbarschaft... so Kohl.<br />

Konsequenterweise wurde die freiheitlich, demokratische<br />

Grundordnung außer Kraft gesetzt, um einen autoritären<br />

Staat, die modernisierte Form des längst überholten, zu<br />

etablieren:<br />

- Der <strong>So</strong>zialstaat wird zersetzt.<br />

- Der Bundesverteidigungsminister schickt seine Truppen<br />

wohin er will.<br />

- Das Asylrecht wird faktisch aufgehoben.<br />

- Eine Gebärpflichtsdiskussion wird angeleiert.<br />

- Die Außenpolitik realisiert Großmachtphantasien.<br />

- Die Staatsfinanzen werden zerrüttet.<br />

- Die Aidshilfe wird zusammengekürzt.<br />

- Stadtteile werden ausländerfrei gemeldet.<br />

Natürlich gibts auch eine wissenschaftliche Dimension: den<br />

Historikerstreit. Kohls Hofschreiberriege war allzeit bereit,<br />

auch die Interpretation des Nationalsozialismus zu wenden.<br />

Unsägliches konnte plötzlich - unter dem Deckmäntelchen<br />

der Freiheit der Wissenschaft - wieder reüssieren, wie z. B.:<br />

- das III. Reich habe sich gegen Großbritannien und die Juden<br />

gewehrt,<br />

- Auschwitz sei eine Kopie der russischen Revolution,


- man solle den Nationalsozialisten die Menschlichkeit nicht<br />

absprechen,<br />

- Juden zu erschlagen, sei geschmacklos,<br />

- die NS-Diskussion lenke ab von der Tötung ungeborenen<br />

Lebens,<br />

- Gleichsetzung von Auschwitz und Archipel Gulag.<br />

Seitdem ist einiges geschehen. Deutsche Produktionen, wie<br />

Feuchtwangers GESCHWISTER OPPERMANN und Giordanos<br />

DIE BERTINIS, flimmerten mit hoher Einschaltquote über<br />

deutsche Mattscheiben. Es gibt eine Kontinuität der Täterverharmlosung<br />

von Bitburg bis zur Neuen Wache in Berlin.<br />

Die Reichshauptstadt und der Reichstag werden wieder ihrer<br />

alten Funktion zugeführt. Ralph Giordano schrieb einen<br />

Offenen Brief an Kohl, als Jude müsse man sich in Deutschland<br />

wieder bewaffnen, um sich seiner Haut wehren zu können.<br />

Allein Joschka Fischer bezeichnete Rostock im Bundestag als<br />

Progrom, während Schäuble eine Minute von dieser Schande<br />

für Deutschland sprach, um dann eine halbe Stunde lang zu<br />

räsonieren, wie man denn Ausländer schnell wieder loswird.<br />

Riesenstaatsmann Abs<br />

Gerade war er gestorben und gemäß der Devise, daß Täter,<br />

Mitläufer und Profiteure des Nationalsozialismus Gold sind<br />

für diese Republik, auch mit großartigem Staats- und Medientamtam<br />

unter die Erde gebracht, gefeiert und gewürdigt<br />

worden. Ein wichtiger Mann, über den der Grosse Brockhaus<br />

profund schreibt: Abs, Hermann Josef, Bankfachmann, *Bonn<br />

15.10.1901, war 1957-67 Sprecher des Vorstands der Deutschen<br />

Bank AG, bis 1974 Vors. des Verwaltungsrates der Kreditanstalt für<br />

Wiederaufbau.<br />

Seine Karriere begann also erst 56jährig?<br />

Natürlich nicht. Schon vor einem halben Jahrhundert wußte<br />

ein mit Hitler und Papen verbundener Banker: De facto waren<br />

die Großbanken eine zweite Regierung ... Männer wie Abs, Rösler,<br />

Kimmich und Urbig ... wurden von der Regierung und Parteiführern<br />

ständig zu Rate gezogen ... sehr oft wurde das, was sie sagten, als<br />

letztes Wort in der Angelegenheit gewertet ... Abs hat sich als sehr<br />

wertvoll für die Regierung erwiesen.<br />

1970 noch erklärte Abs höchstderoselbst, daß die Beschäfti-<br />

Katastrophe Kapitalismus<br />

Wieder Weimar<br />

gung von Zwangsarbeitern als solche nicht zu beanstanden sei. Er<br />

muß es ja wissen, hat er doch als Aufsichtsrat des Auschwitz-<br />

Konzerns IG Farben im Mai 1942 dem Einsatz von Frauen,<br />

Fremdarbeitern und Kriegsgefangenen zugestimmt. Daß Einsatz<br />

das ist, was in den Ofen und im KZ in die Gaskammern<br />

eingesetzt wurde, läßt sich in Dolf Sternbergers ‚Wörterbuch<br />

des Unmenschen‘ nachschlagen.<br />

Konsequenterweise reklamierte er 1970 - zwölf Jahre vor der<br />

Wende - eine Verschmelzung von lateinischem Denken, germanischer<br />

Besonnenheit und angelsächsischem Empirismus und wollte<br />

dem Unverständnis der marxistischen Doktrinäre (der APO) mit<br />

einer regelrecht militanten Unternehmensart begegnen.<br />

Wie sich ‚seine‘ Bank im Dritten Reich mit Blut besudelt hat,<br />

läßt sich im ‚Omgus-Report‘ der Alliierten nachlesen. Die<br />

Deutsche Bank, laut Kohl das Geldinstitut in Deutschland blieb<br />

solchem Bewußtsein traditionellerweise ebenso treu, wie die<br />

jüngste deutsche Politik. Der langjährige Vorstandsvorsitzende<br />

Herrhausen war, bis die RAF ihn ermordete, Intimus<br />

und Berater des Bundeskanzlers. Auch <strong>So</strong>zialdemokraten<br />

stützen solch traditionell staatstragende und menschenfeindliche<br />

Bankkamarilla. Lobte Kanzlerkandidat Scharping<br />

doch Herrn Abs ob der Erwerbung von bedeutenden mittelalterlichen<br />

Werken der Sammlung Hirsch, die der Jude Hirsch 1933<br />

auf der Flucht mitgenommen hatte. Und weil der Auschwitz-<br />

Aufsichtsrat geholfen hatte, die Sammlung nach Jahrzehnten<br />

endlich heim ins Reich zu holen, bezeichnete ihn Präsidentschaftskandidat<br />

Rau als Europäer, Weltbürger und Patrioten<br />

- ein eminent bedeutender Mann für diesen Staat, der Herr<br />

Abs.


Nobody Schindler<br />

Während die Mächtigen dieser Republik noch um Abs<br />

trauerten stieg jenseits des großen Teiches ein Phoenix aus<br />

der Asche: Oskar Schindler, bis dato unbekannt. Artur ‚Atze‘<br />

Brauner, ein renommierter deutscher Filmproduzent, als<br />

Jude selbst KZ-Häftling gewesen, plante bereits Mitte der<br />

Achtziger, das Sujet mit großem Aufwand und Klaus Maria<br />

Brandauer als Schindler zu umzusetzen. Er beantragte<br />

Zuschüsse bei der deutschen Filmförderung. Das Gremium<br />

lehnte die Förderung mit der Begründung, dem Stoff mangele<br />

es an Seriösität, dies sei nichts Reales, einstimmig (!) ab.<br />

Das Drehbuch bezöge sich nur aufs Hörensagen - wenn man<br />

die Aussagen von Zeitzeugen zitiert oder sonstwie verwertet,<br />

ist das eben ‚Hörensagen‘ - was ist daran ‚unseriös‘? Das ist<br />

sehr einfach, diese alten Knaben werden weder von Erinnerungen<br />

noch von Gewissensqualen zermürbt - so Bölls Clown.<br />

Der Plot: Oskar Schindler, ein sudetendeutscher Kriegsgewinnler,<br />

Geschäftsmann, Ladykiller, Lebemann, der gerne<br />

mal einen hob und ausgab, ein Schlitzohr, verdiente sich<br />

eine goldene Nase mit der Germanisierung nicht-arischen<br />

Besitzes und der Ausbeutung jüdischer Arbeitskraft. Etwas<br />

ist in ihm vorgegangen, hat ihn berührt, so, daß er forthin<br />

seine ganze Energie darauf verwandte, Juden zu retten: er<br />

richtete eine Munitionsfabrik ein, die zum Asyl für Tausende<br />

Juden wurde und ansonsten nur Ausschuß produzierte. Er<br />

rettete ca. 1100 Leben. Seine Beobachtungen bei der Zwangsräumung<br />

des Krakauer Ghettos hatten ihn erkennen lassen,<br />

was geschah und welche Möglichkeiten er hatte.<br />

Januskopf Deutschland<br />

Wir haben es grundsätzlich mit beiden Traditionen zu tun - so<br />

Ralph Giordano zum 40. Geburtstag dieser Republik unter<br />

dem Titel Januskopf Deutschland. Im TV wurde gerade KORCZ-<br />

AK wiederholt, Leni Riefenstahl kritisch gewürdigt, tausende<br />

kommen mit den gleichen Gedanken aus den Kinos, die<br />

damals Anrufer nach HOLOCAUST bewegten. Ganze Seiten<br />

der Kohl-treuen FAZ sind mit Abs-Nachrufen gefüllt.<br />

Ein weiteres regierungsnahes Blatt, die WELT, druckt Will<br />

Trempers Rezension von „Schindlers Liste“. Der läßt Himmler<br />

als Menschen auftreten, der von Tötung ungern spricht,<br />

während Spielberg derjenige sei, der junge polnische <strong>So</strong>ldaten<br />

in SS-Uniform rücksichtslos herumballern ließ. Außerdem hätten<br />

die Insassen ihre Zeit in Krakau dramatisiert.<br />

Während Schönhuber - als Europarlamentarier strafrechtlich<br />

immun - Ignatz Bubis als größten Volksverhetzer aller Zeiten<br />

bezeichnen darf ohne strafrechtlich belangt zu werden,<br />

schreibt Tremper Für Ignatz Bubis ... wird es allerhand zu bedenken<br />

geben, wenn er ... an der Deutschland-Premiere ... teilnimmt.<br />

Seite an Seite mit dem Bundespräsidenten, der seinen Landsleuten<br />

unterstellt, die Augen verschlossen zu haben vor dem Holocaust.<br />

Himmler hat es besser gewußt.<br />

Ich kann gar nicht soviel fressen, wie ich kotzen möchte!<br />

Judas Thomas Kuhl 1992<br />

Katastrophe Kapitalismus<br />

Wieder Weimar


...schland<br />

Heil Hitler, Aids und Negerschwanz,<br />

Die Liebe hat hier keine Chance,<br />

Die Freiheit wird im Keim erstickt,<br />

Es wird nicht mehr herumgefickt.<br />

Familie ist ein Eigenheim,<br />

Und wer sich einmischt, ist ein Schwein,<br />

Der Papst, der macht `nen heil`gen Stuhl,<br />

Das Volk kommt in den Sündenpfuhl.<br />

Der Asylant im Asi-Land,<br />

Als Volkssport ist dort Mord bekannt,<br />

Kanaken-Klatschen, Heidenspaß,<br />

Bei Blutvergiftung Aderlaß.<br />

Bei Überfremdung Abschieb`haft,<br />

In deutschen Betten fließt dann Saft,<br />

Die Kinder sind zum Züchten da,<br />

Und keiner weiß, was dann geschah:<br />

Geschichte wird dann ausradiert,<br />

Gemeinschaft völkisch dekliniert.<br />

Advent, Advent, ein Lichtlein brennt,<br />

Erst eins, dann zwei, dann drei, dann vier,<br />

Dann steht Gestapo vor der Tür<br />

Walter Krebs<br />

Hitler<br />

Porsche<br />

Volkswagen<br />

Katastrophe Kapitalismus<br />

Wieder Weimar<br />

Es muß vor 1937 gewesen sein, als Adolf Hitler und Ferdinand<br />

Porsche wieder mal zusammenhockten. Bei diesem<br />

Treffen habe Hitler die Silhouette des VW-Käfer auf einem<br />

Zeichenblatt skizziert, den Seitenriß, der später leicht geduckt<br />

und verschlankt auch zum markanten Design des 911er<br />

Porsche führen sollte. Sagt Ferdinand Porsche, der dann für<br />

die weitere Entwicklung des Gefährts verantwortlich zeichnete.<br />

Als KdF-Wagen (Kraft durch Freude) wurde die Schüssel<br />

dann in Massen von der Volkswagen GmbH produziert und<br />

war nicht nur beim Überfall auf Polen mit dabei, sondern<br />

hat durch den gesamten Weltkrieg zuverlässig <strong>So</strong>ldaten und<br />

Gerät transportiert.<br />

Seit der Gröfaz (Größter Führer aller Zeiten) sich von seinem<br />

Fahrer erschießen lassen hatte, Berlin und somit das „Tausendjährige<br />

Reich“ „untergegangen“ war, hatten dann die<br />

Briten die Finger drauf und produzierten den Käfer erstmals<br />

auch für Zivilisten.<br />

Am 19. Januar 2009 wird die Bundesrepublik sechzig Jahre<br />

alt – und VW feiert feste mit. „2009 wird die Bundesrepublik<br />

sechzig Jahre alt“, heißt es auf der Website des Konzerns,<br />

„und von Anfang an hat Volkswagen dazugehört.“ Unter<br />

dem Motto „Sechzig Jahre Wertigkeit“ und dem Slogan


„Gemeinsam haben wir viel erlebt - gemeinsam haben wir<br />

viel vor“ sollen zu einem Wettbewerb die „schönsten Volkswagen-Geschichten“<br />

eingereicht werden. „Am 8. Oktober<br />

1949“, rechnet uns Volkswagen vor, „wurde der jungen<br />

Republik die Treuhänderschaft über das Volkswagen-Werk<br />

übertragen: der Beginn unserer gemeinsamen Geschichte.“<br />

Sechzig Jahre? Wenn wir uns nicht verrechnet haben, wurden<br />

hier ein paar Jährchen unter den Nierentisch gefegt -<br />

schließlich war der Volkswagen, als es 1949 mit Bundesrepublik,<br />

Buttercremetörtchen und Touren nach Italien losging,<br />

schon ein Teenie. Korrekt wäre: „Über Siebzig Jahre Wertigkeit<br />

- gemeinsam hatten wir viel vor. Gemeinsam haben wir<br />

viel erlebt, was wir lieber nicht erlebt hätten“.<br />

Hitlers Ikone wurde nur ein Vierteljahrhundert später, ästhetisch<br />

völlig umcodiert, zum Lieblingsgefährt amerikanischer<br />

Teenager und Hippies, die ihm Wimpern anmalten, ihn Herbie<br />

nannten und überhaupt als lustiges, defensives Blechkugeltierchen<br />

betrachteten, als motorisierten Gegenentwurf zu<br />

den aggressiven amerikanischen Muscle-Cars. Und weil der<br />

ein günstiges Auto war, das noch in Zeiten selbsttragender<br />

Karossen aus einer auf ein Chassis geschraubten Karosserie<br />

bestand, waren so ziemlich jeder Buggy oder Lotus-Bausatz<br />

auf Käfer-Basis. Die Transformation der Produktmythologie<br />

von Hitler zu Herbie, von „Kraft durch Freude“ zum Fun-<br />

Car, das in Filmen eine Seele hat und sprechen kann – ein<br />

Exorzismus.<br />

Die Nachfahren von Hitlers Kumpel Porsche sind da ehrlicher:<br />

Im neuen Porsche-Museum beginnt die Geschichte<br />

mit dem „Berlin-Rom-Wagen“ von 1939. Der große Kühlergrill<br />

der neuen Audis wurde mit der Studie „Audi Rose-<br />

meyer“ erstmals vorgestellt - und die ist im Namen und in<br />

der Form eine Hommage an die Autos des Rennfahrers und<br />

SS-Hauptsturmführers Bernd Rosemeyer, der 1938 bei über<br />

400 Stundenkilometern in einem Testwagen verunglückte.<br />

Judas Thomas Kuhl<br />

Wer kennt schon<br />

Delaware...<br />

Katastrophe Kapitalismus<br />

Wieder Weimar<br />

...fragt Werner Rügemer, Autor von ‚Cross Border Leasing‘.<br />

Und schreibt dann weiter: Im zweitkleinsten Bundesstaat der<br />

USA an der Atlantikküste südlich von New York leben gerade<br />

mal 850 000 Menschen und 250 Millionen Hühner. Delaware<br />

ist nicht mal halb so groß wie das Saarland. Aber hier haben<br />

die größten Konzerne der Welt ihren Sitz, Daimler-Chrysler<br />

zum Beispiel. Die juristische Zentrale von Daimler sitzt in<br />

Wilmington.<br />

In Wilmington werden Geschäfte mit der Verwaltung von<br />

Briefkastenfirmen gemacht. Sie sind die Eigen- tümer der<br />

wertvollsten Anlagen deutscher und europäischer Städte.<br />

Berlin, Hamburg, Wien, Köln, Stuttgart, Düsseldorf, Leipzig<br />

und weitere Städte haben ihre Trinkwasserbrunnen, ihre<br />

Kanalisationen, ihre Messehallen, ihre Schienennetze, Müllverbrennungsanlagen<br />

und Straßenbahnen an US-Investoren<br />

verkauft und mieten sie seitdem für 30 Jahre zurück. Die<br />

Investoren gründeten für jeden dieser Verträge eine Briefkastenfirma<br />

in Wilmington/Delaware. Sie ist der juristische<br />

Vertragspartner der Städte und der Eigentümer der Anlagen.<br />

Kämmerer und Oberbürgermeister haben Kaufverträge (als<br />

Leasingverträge getarnt) unterschrieben.<br />

Etwa 300 der 500 größten US-Konzerne haben ihren Sitz in<br />

Wilmington/Delaware: zum Beispiel Ford, General Motors,<br />

Coca-Cola, Boeing, Honeywell, Motorola, Dell, Rockwell,<br />

Disney und Dupont.


Das<br />

was in der Öffentlichkeit<br />

als Globalisierung bezeichnet wird<br />

ist nichts weiter als Untergrundökonomie.<br />

Die Deutsche Bank besteht gegenwärtig aus 2107 rechtlich<br />

selbständigen Einheiten. Unter diesen sind sage und schreibe<br />

331 Trusts mit Sitz in Wilmington/Delaware. Nur der<br />

Treuhänder weiß, was in diesen Briefkästen versteckt wird.<br />

Das Wirtschaftsprüfungsunternehmen KPMG, das mit 99 000<br />

Mitarbeitern in 140 Staaten tätig ist, auch in Deutschland,<br />

hat seine Zentrale in Delaware. Wie mögen Unternehmensbilanzen<br />

aussehen, die von KPMG geprüft und als richtig<br />

testiert werden?<br />

Judas Thomas Kuhl<br />

Seid Ihr verrückt?<br />

Über 70 Jahre ist es her<br />

Ein Artikel aus der Welt am <strong>So</strong>nnabend, Köln, 28.05.1932.<br />

Sehr interessant.<br />

Seid Ihr verrückt?<br />

Als man euch vor Monaten frug, ob ihr auf die Wirtschaft neue<br />

Steuern legen würdet, habt ihr euch gerühmt: Wir brauchen es<br />

nicht! Ihr wisst ja, dass es übereinstimmende Meinung der Baseler<br />

Sachverständigen war, die deutsche Steuerkraft sei völlig erschöpft!<br />

Zeit genug hattet ihr, den Reichshaushaltsetat zusammenzustellen,<br />

damit der Reichstag unbarmherzig auf allen Gebieten die Ausgaben<br />

kürzte. Jede Million Ersparnis hätte in uns die Überzeugung geweckt,<br />

dass weitere Opfer doch noch von uns verlangt werden können.<br />

<strong>Nicht</strong>s von alledem habt ihr getan! Nur verschwendet habt ihr! Wie<br />

großzügig in allem eure Bürokratie! Allein Euer Reichsministerium<br />

für Ernährung und Landwirtschaft gibt 90 Prozent seiner Haushaltsmittel<br />

für Unterstützungen und Propaganda verschwenderisch aus.<br />

Dabei hungern und darben die breiten Massen, überall schränken<br />

sich die Menschen ein, sind froh, dass sie leben! Und da kommt<br />

ihr mit Steuern, weiteren Steuern auf das Einkommen der Massen,<br />

Steuern auf das kleine Portemonnaie. Also weitere Schwächung der<br />

Kaufkraft!<br />

Ja, seid Ihr denn irrsinnig?!<br />

Katastrophe Kapitalismus<br />

Wieder Weimar<br />

Da Ihr den Arbeitslosen keine Arbeit geben könnt, verlangt Ihr von<br />

den Beschäftigten, daß sie sie erhalten. Drum Verlängerung der<br />

Bürgersteuer, damit deren Verdoppelung, da sie jetzt noch einmal<br />

von jedem Kopf erhoben wird, Verlängerung der Krisensteuer, und<br />

dann noch dazu eine neue Steuer, eine Beschäftigtensteuer von<br />

1 ½ Prozent. Auf den unteren und mittleren Stufen ergibt diese<br />

Eure zusätzliche Besteuerung bei Arbeitseinkommen nunmehr eine<br />

Verdoppelung der Einkommensteuer. <strong>So</strong> steigt die Steuerleistung bei<br />

einem Jahreseinkommen von 1800 Mark von 5,2 auf 9,2 Prozent,<br />

bei 4000 Mark von 6,1 auf 10,5 Prozent, von 10000 Mark von 7,2<br />

auf 14,2 Prozent, dagegen braucht ein arbeitsloses Einkommen von<br />

20000 Mark nur dasselbe zu zahlen!<br />

<strong>So</strong> bestraft Ihr geradezu die Arbeit!<br />

Schützt den Rentenzieher und<br />

den Kapitalbesitzer!<br />

Die Vermögenssteuer der reichen Leute habt Ihr ja um 20 Prozent<br />

herabgesetzt! Auch die Beamten, denen Ihr vor den Wahlen Aufrechterhaltung<br />

ihres Einkommens versichert habt, müssen jetzt dran<br />

glauben!<br />

Und dann trefft Ihr obendrein noch die Aermsten, die keine Arbeit<br />

haben, nicht arbeiten können, setzt ihre kümmerlichen Unterstützungen<br />

weiter herab, gebt ihnen ein Recht darauf nur noch für 13<br />

Wochen, und dann erhalten sie „Krise“ wenn sie bedürftig sind, und<br />

nach 45 Wochen werden sie Kostgänger der verarmten Gemeinden,<br />

als Wohlfahrtsempfänger! Habt Ihr die Schüsse von Waltershausen<br />

nicht gehört, die Empörung der Hungernden?!


Und dann setzt Ihr die Invaliden-, Unfall- und Knappschaftsversicherungssätze<br />

um ganze 20 Prozent herab. Statt 36 Mark nur noch<br />

30 Mark monatlich! Die Witwenrenten kürzt Ihr um 5, selbst die<br />

Waisenrenten um 4 Mark monatlich! Die Knappschaftsrenten senkt<br />

Ihr gleich um 48 Mark auf 38 Mark. Wer soll davon noch leben?!<br />

Wollt Ihr zur Massennot den Massentod?! Es sieht bald danach aus!<br />

Ich finde es bemerkenswert, wie wenig sich innerhalb der letzten<br />

70 Jahre geändert hat. Nein, eigentlich nicht bemerkenswert – eher<br />

erschreckend. Mich hat dieser Artikel aus 1932 getroffen, da es mir<br />

so unverständlich ist, wie blind die Menschen sind und wie wenig die<br />

Gesellschaft aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt hat. 1933<br />

kam bekanntlich ein Diktator an die Macht und über die Folgen<br />

dessen brauche ich wohl nichts zu erwähnen.<br />

Vielleicht sollten die Verantwortlichen auch mal ein wenig in der<br />

Vergangenheit stöbern, um solche Auswüchse, die dem Diktator an<br />

die Macht geholfen haben, zu verhindern.<br />

Michaela Paarmann<br />

Täter, Opfer, Hartz<br />

und Weimar<br />

An was denkt mensch, wenn er „Hartz“ hört? An fünf Millionen<br />

für Nutten und Flüge, um die Hartz & Co. VW und damit<br />

zu 40 Prozent das Land Niedersachsen beschissen haben?<br />

Oder an den Minister Clement, den NRW glücklicherweise<br />

nach Berlin losgeworden ist – und von dessen Flugaffären<br />

heute niemand mehr redet – den Mann, der uns Hartz4<br />

und die Leiharbeit eingebrockt, dann eine Broschüre zur<br />

Hetzjagd auf Razzefummeldiebe verbrochen und neuerdings<br />

einen guten Job bei einem Leiharbeitskonzern hat ?<br />

Wissen sie noch? Schröder wollte die Arbeitslosigkeit halbieren.<br />

<strong>So</strong> tief wie er im Arsch von VW war und so braun, wie<br />

er dann wieder rauskam – wie soll denn das gehen? Und da<br />

hat sein alter VW( heißt übrigens immer noch „Volkswagen“<br />

nach der Idee eines Herrn Hitler, ist auch immer noch in<br />

„Wolfsburg“, das immer noch nach Hitlers frühem Aliasnamen<br />

„Wolf“ benannt ist – siehe auch „Wolfsschanze“ – so<br />

versteht man, weshalb Schröder aus diesem Arsch nur braun<br />

herauskommen konnte)...<br />

Also der Kanzler aus dem Hämhorroidendschungel hatte<br />

vielleicht inzwischen das Buch gelesen, das Oskar Lafontaine<br />

schon 1985 über die ausbleibende Arbeit geschrieben hatte<br />

– oder einer seiner Tablettschwenker hat es ihm erzählt:<br />

Das mit der Halbierung kann nicht klappen. Und nach dem<br />

ewigen Gesetz aller Radfahrer, sich nach oben zu ducken<br />

und nach unten zu treten, mussten andere daran schuld sein<br />

– und zwar die, die sowieso schon unten sind.<br />

Katastrophe Kapitalismus<br />

Wieder Weimar<br />

Und da war er sich mit Clement, der in NRW den Haushalt<br />

so vor die Wand gefahren hat wie damals der Daimler-Kanzler<br />

Kohl den vom Bund, ganz einig. Nennt die, die aus Not<br />

bescheißen, nicht nationalsozialistisch „Volksschädlinge“<br />

– sondern sozialdemokratisch „<strong>So</strong>zialschmarotzer“. Die<br />

Kleinen sind selber schuld! Wieso sind die auch hier in<br />

Deutschland geboren? Warum wollen die Arbeit? Wofür<br />

brauchen die Geld? Wovon soll man dann noch zu Nutten<br />

fliegen? Und dann – ganz sozialdemokratisch: Zuerst nehmen<br />

wir ihre Stimmen – und dann ihre Existenz.<br />

Wenn Esser Mannesmann verhökert und sich dazu mit 60<br />

Millionen bestechen lässt – deutsche Gerichte akzeptieren<br />

das. Wenn Schrempp Daimler halbiert, die Deutsche Bank<br />

deckt ihn genauso wie den Kollegen Esser. Am ersten Tag<br />

nach Schrempp ist der Daimler-Kurs in die Wolken geschossen.<br />

Die Aktionäre waren erleichtert nach dem Abgang des<br />

großen Kapitalvernichters. Wer Unternehmen plattmacht<br />

- wird belohnt. Wer Arbeit will – wird bestraft.<br />

Wenn Arbeitgeber ihren Teil nicht tun, geht Clement um<br />

Ausbildungsstellen betteln. Eben nach oben in den Arsch.<br />

Aber wenn man in sovielen Ärschen war, dann ist man sauer.<br />

Irgendwer muß dann was auf die Fresse kriegen. Und dafür<br />

sind die Kleinen nun mal da. Das ist zwar ziemlich braun.<br />

Aber neoliberale <strong>So</strong>zis sind nun mal so.<br />

Erst bei der Ausländerhetze noch besser sein wollen als die<br />

CDU. Dann das Gefasel von Organisierter Kriminalität und<br />

Terrorismus, um das Wahlvolk mal so richtig durchkontrollieren<br />

zu können. Dann PISA: Nirgendwo hängen Bildungschancen<br />

so sehr von der sozialen Herkunft ab wie hier


im Reich. Und jetzt Hartz4: Wer keine Arbeit kriegt, ist selber<br />

schuld – und kriegt dafür was auf die Fresse.<br />

Obwohl nur das passiert, was Marx vor 150 Jahren so schön<br />

beschrieben hat. Seine „Verelendungstheorie“ heißt heute<br />

„Hartz4“. Und seine Imperialismustheorie – das ist USA und<br />

Globalisierung. Was demnächst kommt, können sie beim alten<br />

Marx nachlesen. Als ich noch Marxist war, hab ich daran<br />

gezweifelt. Jetzt bin ich kein Marxist mehr – und erkenne,<br />

wie recht er hatte. Aber von den Nazis hat er nichts gewusst.<br />

Braune Macht und ewige VWlichkeit. Die einen fliegen zu den<br />

Nutten, die anderen kriegen was auf die Fresse. Völlig auf<br />

den Hund gekommen. <strong>So</strong>zialdemokratie. Die großen Verballerer<br />

öffentlicher Gelder haben uns was angerichtet. Die<br />

Marktwirtschaft ist nicht mehr sozial und diese Asozialität ist<br />

Schröders (wie jetzt auch Merkels) Regierungsprogramm.<br />

Der alte Erhard von der CDU hatte mit seinem Konzept<br />

„<strong>So</strong>ziale Marktwirtschaft“ einen Einstieg in den dritten Weg<br />

zwischen Kapitalismus und <strong>So</strong>zialismus gefunden. Wissend,<br />

dass Kapitalismus soziale und <strong>So</strong>zialismus ökonomische<br />

Probleme schafft.<br />

Der dritte Weg. Das historische Ziel der <strong>So</strong>zialdemokratie.<br />

Angefangen hat damit ein CDU-Bundeskanzler. Erhart hätte<br />

noch mit Marx diskutieren können. Mit heutigem <strong>So</strong>zipack<br />

haben beide nichts zu tun.<br />

In Belgien, das nicht nationalsozialistisch war, haben<br />

Vorschläge wie Hartz4 zu einem Generalstreik geführt. Die<br />

merken noch was. Die wissen, was Demokratie ist – hatten<br />

schon 1830 eine republikanische Verfassung.<br />

„Nur die allerdümmsten Kälber wählen ihre Schlächter<br />

selber“ sagt Brecht. Deutschland hat den Adolf gewählt.<br />

Deutschland hat solange Kohl gewählt bis alles am Arsch<br />

war, dann den Schröder. Und jetzt die Merkel.<br />

In Frankreich brennen Autos. Auch da wehren sich die Ausgegrenzten.<br />

Haben wir wieder Weimarer Verhältnisse? Ja!<br />

Wird es noch schlimmer kommen? Ja! Wird ein neuer Adolf<br />

antreten? Ausschließen kann man das nicht.<br />

Ludwig Erhart und Willy Brandt haben viel getan, um dieses<br />

Land lebenswert zu machen. Schmidt, Kohl und Schröder<br />

haben es demontiert. Nach Merkel wird das Wort „Demokratie“<br />

unter „Nostalgie“ gebucht werden müssen.<br />

Judas Thomas Kuhl<br />

Der Malocher<br />

Katastrophe Kapitalismus<br />

Wieder Weimar<br />

Die Wangen tief eingefallen,<br />

Graufahl die Haut vom Tabakrauch,<br />

Die Augen in verschattete Grotten gesunken,<br />

Schrecklich dumpf den Suff im Bauch,<br />

Der Malocher auf’m Marktplatz hingesunken<br />

Kläglich lallend kauerte,<br />

Ein Haufen Elend\Mensch , ein Abgrund<br />

Nackte Wahrheit gehüllt in Arbeiterkluft da lauerte,<br />

Auf hoch-demokratischen Grund,<br />

Sarabande schlechter Gerüche,<br />

Ekel erregte bei den flanierenden Parvenüs und stumme<br />

Flüche.<br />

Warum Staatsgewalt das Arbeitstier nicht endlich fortschafft?<br />

Und überhaupt warum der Mangel an Stolz den Kerl hat<br />

Noch nicht längst weggerafft?<br />

Der Malocher, mit Augen stumpf und matt,<br />

Dem ist jetzt gleich alles egal,<br />

Grundrecht und Freiheit und<br />

Die demokratische Herrschafts\Moral,<br />

Vom Leben an langer Leine wie ein braver Hund.<br />

Doppelt Dreifach geschleift vom Kapital,<br />

Nun ist allemal genug! Genug! Lüge und Betrug.<br />

Sein Leben ist verarscht verloren,<br />

Die neoliberalen Lügen dröhnen noch in seinen Ohren.<br />

Genug! Genug! Lüge und Betrug<br />

Der Malocher sich schwankend erhob,<br />

Ein Baum von starken Winden geschüttelt,<br />

Schreckliche Gestalt von Lebensnot, kantig und grob,<br />

Die breite Schulter sich wie im Fieber schüttelt,


Vom verzweifelt-krummen Buckel, die elende Last<br />

Ach, er taumelt und schwankt, stürzt fast,<br />

Doch wie ein Adler seine Flügel ausbreitet zum Sprunge,<br />

Der Malocher jetzt seine starken Arme spannt,<br />

Zorn strafft seine trunkene Zunge.<br />

Worte toben aus seiner Lunge, bitter-entbrannt.<br />

Und die rauhen Hände sind zu Fäusten geballt,<br />

Grau seine Stimme über den Platz schallt.<br />

Wir waren jung, vierzehn Jahr,<br />

Da geschah`s das man uns die Zeit stahl<br />

Ohne uns zu Fragen von der öden Schulbank<br />

In die Fabrik befahl,<br />

In die ölige Luft gewaltiger Hallen, ran die Werkbank.<br />

Unsere Hirne tumb wie’n Brot<br />

Erkannten wir nicht das sie wollten<br />

Unser jungblutiges Sehnen Tod.<br />

Unseren freien Lebenstraum sollten<br />

Wir willig einwilligen zu zermalochen, gebrochen<br />

Dahin leben in versklavter Freiheit.<br />

Für’s Ohngefähr Matrizen mit Hartmetallbohrer lochen<br />

Arbeit allein füllt unsere Zeit.<br />

Wem die Löcher dienten, wozu sie taugten, uns gleich egal<br />

Wir taten was man uns befahl,<br />

Und war es noch so fatal.<br />

Mit Achtzehn waren unsere Hände grau verfärbt vom Stahl,<br />

Trotz Creme und Sandseife; brutal<br />

Gezwungen zu leben nichts anderes,<br />

Nur das was man Saufen und Fressen kann,<br />

Und ermordet Sehnsucht und Leidenschaft... nichts anderes.<br />

Mit Fünfundzwanzig ahnten wir dann,<br />

Unser vom Kapital gelostes Schicksal.<br />

Auf der Strasse, arbeitslos<br />

Und nur die wahllose Wahl<br />

Zu krepieren an Lungenkrebs oder Leberzirrhose.<br />

Und jetzt! Jetzt! Seht her...<br />

Schimpft man uns nutzloses Tariftier,<br />

Verachtet und verspottet von allen<br />

Ein Schandmal auf die Stirn gebrannt - Hartz IV<br />

<strong>So</strong>llen wir dankbar auf die Knie fallen,<br />

Das uns ist erlaubt zu lecken<br />

Dem wohlfahrtlichen Parvenüs die Schuh<br />

... Von unten!... Von unten!...<br />

Dann gibt es einen Gnadeneuro dazu.<br />

Zuwenig um zu leben, und viel zuviel um zu verrecken.<br />

Scheiße! Ich glaubte, ich bin was wert...<br />

...Ja!... EinenTtritt in den Arsch.<br />

Den bin ich Wert, den hat man mir auch nicht verwehrt,<br />

Weil ich blöd genug, auch den politisch Roten vertraute,<br />

Funktionären die kompromisvoll funktionierten für’s Kapital<br />

Und unsere Freiheits\Hoffnung auf irgend einen Morgen vertagten,<br />

keine Traute<br />

Auszurufen hatten: Jetzt! Jetzt! Der Mensch ist frei!<br />

Arbeit ist der Menschen Not,<br />

Und keine Tugend, Tariflohn nicht macht den Mensch frei.<br />

Ich sah meine Bohrmaschine den Span schälen, meine Faust rot,<br />

Braun und Blau spiralte der Span hervor, und ich fühlte meine<br />

Macht,<br />

Die nicht unterschieden ist, die Gras und Rose zu blühen treibt.<br />

Und doch man uns im deutschen Lande weniger ehrt wie’n Hund,<br />

uns verlacht<br />

Weil wir zu kapitalträchtigen Lug und Betrug bereit.<br />

Umsonst! Umsonst! Unser Leben. Liberale Lügen werden umsonnt...<br />

Wir verrecken auf liberalen Zukunftsstrecken.<br />

Seht her! Seht her...!”<br />

Katastrophe Kapitalismus<br />

Wieder Weimar<br />

Doch sein Schrei’n und geifern niemand berührte,<br />

Seine Faust noch drohte den Himmel zu erschlagen.<br />

Keine Hand auf seiner Schulter, niemand der ihn fortführte.<br />

Da sank der Malocher nieder,<br />

Nieder auf die Knie,<br />

Und brummte seine besoffenen Lieder,<br />

Von der Freiheit, die er nie hat erfahren,<br />

Und auch Liebe war ihm nicht widerfahren.<br />

Auf allen Vieren, den Rücken krumm, er kroch,<br />

über’ m volkreichen Platz wie’n Hund.<br />

Seine Zunge schleifte über’n Dreck, und er heulte noch<br />

Dazu elend erbärmlich, und tat es allen kund:<br />

Einigkeit und Recht und Freiheit für’s deutsche Vaterland!<br />

Gerry X


<strong>Nicht</strong>s Neues unter<br />

der <strong>So</strong>nne<br />

Hegel bemerkt irgendwo, dass alle großen weltgeschichtlichen<br />

Tatsachen und Personen sich sozusagen zweimal ereignen. Er hat<br />

vergessen hinzuzufügen: das eine Mal als Tragödie, das andere Mal<br />

als Farce.<br />

[Marx: Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte,<br />

Marx/Engels (vgl. MEW Bd. 8, S. 115)]<br />

Krise<br />

Dergleichen erleben wir derzeit in der Finanz- und Wirtschaftskrise.<br />

Zwei Lager stehen sich da gegenüber – die<br />

Mahner, die die Krise schon seit langem kommen sahen und<br />

jene Wirtschaftsliberalen, die Krisen nicht für einen Systemfehler<br />

halten, sondern als Kern des Systems begreifen, ergo:<br />

als Evolutionsereignisse der freien Marktwirtschaft. Aufstieg<br />

und Fall gelten als reinigender Prozess, der die alte Schlacke<br />

abwirft.<br />

In der Tat: <strong>Nicht</strong>s Neues unter der <strong>So</strong>nne … seitdem die<br />

industrielle Revolution im späten 18. und mit größer Wucht<br />

im 19.Jahrhundert die Weltbühne betrat. Einher ging damit<br />

die Akkumulation von Kapital und die Verwandlung der Welt<br />

in den Weltmarkt.<br />

Krisen gehören zu der vermeintlich freien Marktwirtschaft<br />

wie das voller Demut ausgesprochene Amen der Christen<br />

zum Schluss ihres Gebets.<br />

Gewiss, die Krisen erstrahlen in ihrem jeweiligen historischen<br />

Gewande, aber ihrem Wesen und ihren Auswirkungen<br />

nach, sind sie identisch:<br />

In einem Produktionssystem, wo der ganze Zusammenhang<br />

des Reproduktionsprozesses auf dem Kredit beruht, wenn da<br />

der Kredit plötzlich aufhört und nur noch bare Zahlung gilt,<br />

muss augenscheinlich eine Krise eintreten, ein gewaltsamer<br />

Andrang nach Zahlungsmitteln. Auf den ersten Blick stellt<br />

sich daher die ganze Krise nur als Kreditkrise und Geldkrise<br />

dar.<br />

Und in der Tat handelt es sich nur um die Konvertibilität<br />

der Wechsel in Geld. Aber diese Wechsel repräsentieren der<br />

Katastrophe Kapitalismus<br />

Wieder Weimar<br />

Mehrzahl nach wirkliche Käufe und Verkäufe, deren das gesellschaftliche<br />

Bedürfnis weit überschreitende Ausdehnung schließlich<br />

der ganzen Krisis zugrunde liegt. Daneben aber stellt auch eine ungeheure<br />

Masse dieser Wechsel bloße Schwindelgeschäfte vor, die jetzt<br />

ans Tageslicht kommen und platzen; ferner mit fremdem Kapital<br />

getriebne, aber verunglückte Spekulationen; endlich Warenkapitale,<br />

die entwertet oder gar unverkäuflich sind, oder Rückflüsse, die nie<br />

mehr einkommen können.<br />

[Marx: Das Kapital (vgl. MEW Bd. 25, S. 507)]<br />

Sic! Um nichts anderes handelt es sich im Kern bei der<br />

gegenwärtigen Krise. Und auch der Streit um das Für und<br />

Wider des Eingreifens des Staates - auch diesen sah und<br />

vernahm unsere <strong>So</strong>nne schon:<br />

Die Gesellschaft wird ebenso oft gerettet, als sich der Kreis ihrer<br />

Herrscher verengt, als ein exklusiveres Interesse dem weiteren<br />

gegenüber behauptet wird. Jede Forderung der einfachsten bürgerlichen<br />

Finanzreform, des ordinärsten Liberalismus, des formalsten<br />

Republikanertums, der plattesten Demokratie, wird gleichzeitig<br />

als »Attentat auf die Gesellschaft« bestraft und als »<strong>So</strong>zialismus«<br />

gebrandmarkt.<br />

[Marx: Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte, Marx/<br />

Engels, (vgl. MEW Bd. 8, S. 123)]


Globalisierung<br />

Die Begriffe der Wirtschaftswissenschaftler des 20. und 21.<br />

Jahrhundert ändern nichts an dem wesentlichen Sachverhalt.<br />

Globalisierung meint: Kapitalimperialismus, die Schaffung<br />

von Monopolen die planetarisch die Kapitalströme kontrollieren,<br />

ihren Einsatz in Produktion und Reproduktionsmitteln,<br />

und die Konsummöglichkeiten der Erdbevölkerung<br />

bestimmen.<br />

Die Weltwirtschaft folgt den Prämissen, des in den <strong>So</strong>nntagsreden,<br />

der Megamanager und Superbanker und Politiker<br />

aller Farbschattierungen, für obsolet erklärten <strong>So</strong>zialdarwinismus.<br />

Wo es aufwärts geht, geht es auch abwärts. Und wo es Sieger gibt,<br />

gibt es auch Verlierer. Wie sich das Verhältnis von individueller Leistung<br />

und Schicksal verteilt, weiß man immer erst hinterher. <strong>Nicht</strong><br />

in jedem Einzelfall wird das Risiko belohnt. Rainer Hand (FAZ,<br />

Marx hat recht, 21.09.2008)<br />

Wahrlich eine großartige Erkenntnis, die Zeugnis ablegt von<br />

der zweidimensionalen Flachköpfigkeit des Zeitgeistes. Warum<br />

nicht gleich sagen: Oben Hummer und unten Kummer!<br />

Das reimt sich sogar.<br />

Vielleicht lag Wladimir Iljitsch Lenin mit seiner Auffassung<br />

doch nicht so falsch, dass der Imperialismus, das höchste<br />

Stadium des Kapitalismus sei, ein Fäulnisprozess von<br />

planetarischem Ausmaß, aber dennoch durch alle sozialen<br />

Verwerfungen und permanenter Entwertung und Vernichtung<br />

von materiellen Gütern hindurch, sich am Leben erhält<br />

– letztlich ein Nullsummenspiel zugunsten der Finanz- Han-<br />

del- und Industrieoligarchie und zu Lasten des Größtenteils<br />

der Erdbewohner.<br />

Monopole, Oligarchie, das Streben nach Herrschaft statt nach<br />

Freiheit, die Ausbeutung einer immer größeren Anzahl kleiner<br />

oder schwacher Nationen durch ganz wenige reiche oder mächtige<br />

Nationen – all das erzeugte jene Merkmale des Imperialismus, die<br />

uns veranlassen, ihn als parasitären oder in Fäulnis begriffenen<br />

Kapitalismus zu kennzeichnen…Es wäre ein Fehler, zu glauben,<br />

dass diese Fäulnistendenz ein rasches Wachstum des Kapitalismus<br />

ausschließt; durchaus nicht, einzelne Industriezweige, einzelne<br />

Schichten der Bourgeoisie und einzelne Länder offenbaren in der<br />

Epoche des Imperialismus mehr oder minder stark bald die eine,<br />

bald die andere dieser Tendenzen. Im großen und ganzen wächst der<br />

Kapitalismus bedeutend schneller als früher, aber dieses Wachstum<br />

wird nicht nur im allgemeinen immer ungleichmäßiger, sondern die<br />

Ungleichmäßigkeit äußert sich auch im besonderen in der Fäulnis<br />

der kapitalkräftigsten Länder.<br />

Lenin, Werke, Band 22<br />

<strong>Nicht</strong>s Neues unter der <strong>So</strong>nne … Eine ungeheure Zahl von<br />

vermeintlichen Experten sitzen am „Krankenbett des Kapitalismus“<br />

und beraten sich die Köpfe heiß. Aus diesen hitzig<br />

geführten Beratungen wird kein neues Heilmittel, keine neue<br />

Therapie des chronisch Kranken herauskommen. Alsbald<br />

wird er sich erschöpft in die menschliche allzumenschliche<br />

Geschichte begeben. Sehen wir zu, dass wir nicht mit ihm<br />

wandern. Der Mensch ist mehr als bloßes Wertschöpfungsobjekt<br />

des Kapitals. Er ist frei …<br />

Gerrx X<br />

Katastrophe Kapitalismus<br />

Wieder Weimar<br />

Zumwinkels und<br />

die wegschauende<br />

Journaille!<br />

Die Zumwinkels kommen immer frei gegen Geständnis. Zumwinkel,<br />

Hartz, bestimmt von Pierer, etc. Wo sind Rückgrat, Moral und Ethos<br />

des Journalismus, der dieses unkommentiert durchgehen lässt?<br />

Wiedermal eine Absprache zwischen Staatsanwaltschaft und<br />

angesehenem Mitglied der (vermeintlich) besseren Gesellschaft. Herr<br />

Zumwinkel kommt gegen ein Geständnis ohne Haftstrafe davon. Wo<br />

leben wir?<br />

Journalisten<br />

Wo sind die Journalisten, die aufrechten, wahrheits-liebenden<br />

Journalisten, die noch Ethik und Moral kennen?<br />

Warum schreiben sie nicht an gegen dieses immerwiederkehrende<br />

Unrecht? Dürfen sie nicht? Wollen sie nicht?<br />

Merken sie es nicht?<br />

Verleger<br />

Wo sind die Verleger, deren Medien mal die dritte Macht<br />

im Staate waren, die Mächtigen zu Fall brachten, taten sie<br />

irgendein Unrecht? Wo sind die, die sich Spiegel nennen und<br />

FAZ und Zeit und taz, die sonst jedes Unrecht anklagen und<br />

sich echauffieren über die kleinste Erbse unter ihren Prinzessinnen-Pos?<br />

Oder liegen sie im gleichen Bettchen wie die


Angeklagten? Schlägt die eine Krähe der anderen kein Auge<br />

aus? Drückt man eher eines zu, da man vor kurzem noch<br />

des <strong>So</strong>nntags an der Alster, Düssel, Donau, Main und Elbe<br />

miteinander flanierte?<br />

Manager<br />

Wo sind die Manager, die sich distanzieren von den Steuerhinterziehern,<br />

die sich distanzieren von solchem Tun und<br />

der Aussetzung der gerechten Strafe? Wo sind die Manager<br />

mit eigener Meinung, mit Vorbildcharakter in Leben und<br />

Management? Ist das die Deutschland AG, vor der uns unsere<br />

Väter immer gewarnt haben? Die verschworenen Kreise, der<br />

Filz, die dunklen Geheimnisse derer, die unbedingt mächtig<br />

sein wollen und nicht anders können als alles zu verraten,<br />

was einem wert und wichtig sein sollte?<br />

Politiker<br />

Wo sind die Politiker, die die Selbstbedienung auf Kosten des<br />

Rechtes und der Gemeinschaft kasteien? Wo sind die, die<br />

die gerechte Strafe fordern? Die Strafe, die auch die Nachahmungstäter<br />

abschreckt? Die Strafe, die sich gehören würde<br />

zu akzeptieren, die Größe zeigen würde in der Schande!<br />

Stattdessen drückt sich der Delinquent weiterhin herum.<br />

Wo sind die Politiker, die den besseren Staat fordern, in dem<br />

sich nicht die, die sich schon qua Amtes selbst bedienen,<br />

auch noch die Steuern auf ihr unverdientes Gehalt hinterziehen?<br />

Wo sind sie jetzt, die Politiker, die jeden überwachen<br />

wollen auch ohne Verdachtsmoment, um ihn der gerechten<br />

Strafe zuzuführen? Wo sind sie jetzt, wenn genau diese freikommen?<br />

Warum traut sich kein Politiker zu schäumen vor<br />

lauter himmelschreiender Ungerechtigkeit?<br />

Richter und Staatsanwälte<br />

Wo sind die Richter, die Recht sprechen, wo es hingehört?<br />

Hat es nicht gereicht, die 2001er Fälle durch Verjährung<br />

und Verfahrensfehler unter den Tisch fallen zu lassen?<br />

Wo sind die Staatsanwälte, die gerechte Strafen fordern,<br />

abschreckende Strafen, wenn es nicht anders geht? Was ist<br />

Katastrophe Kapitalismus<br />

Wieder Weimar<br />

das für eine Rechtsprechung, die den befreit von der Strafe,<br />

der rechtzeitig ein Geständnis ablegt? Denn Bewährung ist<br />

keine Strafe, sollten wir uns gewährtig sein. Bewährung ist<br />

keinerlei Abschreckung.<br />

Der kleine Mann ist der Dumme<br />

Würden diese Richter den kleinen Mann gegen ein Geständnis<br />

gehen lassen? Er ist der Dumme. Er muß büßen umso<br />

mehr, je weniger die Richter sich an den großen, wirklichen<br />

Tätern auslassen dürfen, da ihnen die Hände gebunden<br />

werden. Voller Verve jagen sie den kleinen Mann - und sei er<br />

nur potentieller Gefährder.<br />

Die Deutschland-Mafia<br />

Längst sind das doch mafia-ähnliche Zustände in dieser<br />

zweiten Republik der Banane, wo alles erlaubt ist und keiner<br />

Strafe fürchten muß. Warum also sollte man nicht hinterziehen<br />

und lügen und betrügen? Bestraft wird man doch<br />

nicht wirklich, muß nur zurückzahlen, was man sich vorher<br />

genommen hat.<br />

Deutschland bedient sich selbst<br />

Deutschland lernt, daß es sich selbst bedienen kann. Und das<br />

sind meist nicht die, die es nötig hätten, das sind eher die<br />

Kranken im Geiste, die nie genug bekommen können. Die,<br />

die nicht in sich ruhen, sondern ein übersteigertes Geltungsbedürfnis<br />

haben, die meinen, sie seien mehr wert als alle<br />

anderen und meinen, sie könnten sich in großem Umfange<br />

über das Gesetz stellen. Selbstbedienung ist erlaubt, lernt<br />

man aus den großen Fällen der letzten Jahre! Glückwunsch


zu dieser Botschaft an alle Beteiligten!<br />

Die Journalisten hätten es in der Hand, sie könnten eine<br />

Öffentlichkeit (wenn die Politik schon versagt) schaffen,<br />

könnten aufrütteln, könnten die Politik und die Rechtsprechung<br />

unter Druck setzen. Die Journalisten sind am Drücker!<br />

Sie sollten diese wenigen Chancen nutzen.<br />

Ralf Schwartz - mediaclinique 13.01.09<br />

Schafott<br />

„Bist Du Dir sicher, dass Du Dir das antun möchtest?“<br />

Le Ping zog seine Frackjacke zurecht und hob mit spöttischem<br />

Gruße seine Whiskyflasche, noch halb gefüllt. Phoebe<br />

sah ihn besorgt an, ihre sonst so strahlenden Augen, nicht<br />

selten an die ihrer Schwester Sabrina erinnernd, wirkten<br />

trübe und stumpf. „Natürlich bin ich mir sicher. Prost, Jungs<br />

und Mädels. Auf einen Kämpfer!“<br />

Le Pings sonst so streng zurück gegelte Haare flatterten wirr<br />

um seinen Kopf, ein sicheres Zeichen dafür, dass seine Ruhe<br />

nur gespielt war.<br />

„Schauen wir uns an, was unser aller geliebtes Television so<br />

bietet.“ Er starrte auf den Bildschirm, während er gleichzeitig<br />

die Lautstärke der Stereoanlage höher stellte. „Always<br />

stays the same,“ klang es aus den Lautsprechern. „Nothing<br />

ever changes. English summer rain. Seems to last for ages.“<br />

Le Ping setzte die Whiskyflasche an und trank einen so großen<br />

Schluck, dass Phoebe ihm am liebsten die Whiskyflasche<br />

entrissen hätte.<br />

„He, Ping - nicht schlapp machen,“ sagte Pings bester<br />

Freund, von allen gerne Oswald genannt. Was eigentlich<br />

brutal war, wenn man Oswalds Hände sah. <strong>So</strong>fern man<br />

von Händen sprechen konnte. Oswald hatte ein paar seiner<br />

Dateien versehentlich so genannt wie urheberrechtlich geschützte<br />

Dateien. Als jemand die Hatch-Methode angewandt<br />

hatte (eine Beta-Version), war Oswalds Rechner versehent-<br />

Katastrophe Kapitalismus<br />

Wieder Weimar<br />

lich zerstört worden - nicht ohne Oswalds Hände in zwei<br />

blutige Fetzen zu verwandeln, welche die plastische Chirurgie<br />

jetzt in etwas Flossenähnliches verwandelt hatte.<br />

Aber man hatte Oswald immerhin entschädigt - er hatte<br />

zehn aktuelle CDs ohne Kopierschutz bekommen. Laut des<br />

anliegenden Schreibens „wäre der Wert dieser CDs unermesslich,“<br />

weit über dem Wert von zwei Händen also, der<br />

mit etwa 10.000 Allianz-Dollar beziffert wurde.<br />

„Ich mache nicht schlapp.“ Le Ping grinste schief, und nur<br />

Phoebe sah, dass seine Augen langsam blutunterlaufen waren.<br />

Le Ping starrte weiter auf den Bildschirm, wo unter dem<br />

lauten Gejohle der Zuschauer nun die Spritzen aufgezogen<br />

wurden, die Le Pings Bruder für immer zu einem vernunftbegabten,<br />

wenn auch toten, Mitglied der Gesellschaft transformieren<br />

würden. „Immerhin haben sie es nicht geschafft, ihm<br />

seinen letzten Willen zu verweigern.“<br />

Und während er zusah, wie sein Bruder, schuldig erklärt des<br />

Kopierens und Tauschens von urheberrechtlich geschütztem<br />

Material, auf humane Weise transformiert wurde in einen<br />

Zustand, in dem er der Gesellschaft nicht mehr schaden<br />

konnte, dachte er an seinen anderen Bruder. An ihn, der<br />

noch 1984 Jahre im Gefängnis sein würde, der immerhin nur<br />

ein paar Leute auf barbarische Art getötet hatte, während<br />

Brian, dessen Lächeln ihn noch immer zum Weinen brachte,<br />

nun wegen des Verstoßes gegen das Urheberrecht auf den<br />

Tod wartete.<br />

Er dachte an die beiden, und er dachte an die Worte in der<br />

Verhandlung: „Immerhin müssen wir bedenken bei aller<br />

Grausamkeit, dass Brian der Gesellschaft und vor allen


Dingen der Wirtschaft einen kaum bezifferbaren Schaden<br />

zugefügt hat, während Paul, bei aller Grausamkeit, der<br />

Gesellschaft und der Wirtschaft insbesondere durch die Entsorgung<br />

von nicht lebenswertem Leben doch eher zugänglich<br />

war.“<br />

„I´m in the basement, you´re in the sky.“ Le Ping lächelte<br />

und drehte sich, während er von dem herunter prasselnden<br />

Regen durchnässt wurde, wie ein Schwamm. Er fühlte förmlich,<br />

wie Brians Leben dessen Körper verließ. Und er lachte,<br />

als ihm die Worte der Richterin einfielen: „Ich hoffe, dass<br />

Brians gesellschaftsfördernde Bestrafung nicht nur für ihn,<br />

sondern vielmehr auch für alle die, die zusehen, eine weiterführende<br />

Wirkung hat. Ich hoffe, ihnen wird bewusst, wofür<br />

dieser Staat steht. Für Gerechtigkeit und für Humanität.“<br />

Twister (Bettina Winsemann) - Telepolis 08.09.2008<br />

Katastrophe Kapitalismus<br />

Wieder Weimar


Abbitte<br />

Das heutige Feuilleton beschäftigt sich mit nichts anderem<br />

als mit der Krise. Das muss auch mal sein. Fanden wir.<br />

Auch aus moralischen Gründen. Ich habe noch im Ohr, wie<br />

Gerhard Schröder über Oskar Lafontaine höhnte, der bilde<br />

sich ein, er könne dem internationalen Finanzkapital Fesseln<br />

anlegen. Ich habe es auch deshalb im Ohr, weil ich fand,<br />

dass Schröder recht hatte. Lafontaine erschien mir als ein<br />

kleiner Mann, der seine Fäustchen ballte und sie gegen Leute<br />

erhob, die mit dem Bruchteil ihres Jahreseinkommens die<br />

ganze SPD hätten aufkaufen können. Sein Fäusterecken hatte<br />

etwas Lächerliches. Aber Lafontaine hatte Recht. Er hatte<br />

Recht nicht nur in der Analyse. Der Weg in die Katastrophe<br />

hatte begonnen mit der Entfesselung des Finanzkapitals.<br />

Es wäre dringend nötig, einmal die Geschichte zu erzählen,<br />

wie in den USA, in Europa, in Deutschland Politik und<br />

Gesellschaft in den letzten 25 Jahren Schritt für Schritt den<br />

Interessen einer immer kleineren Gruppe von international<br />

agierenden Unternehmen unterworfen wurde. Es wäre ein<br />

Wunder - so die ahnungslos-feuilletonistisch vorgetragene<br />

Vermutung - , wenn sich nicht herausstellen würde, dass in<br />

diesem Prozess bei den jeweils entscheidenden Auseinandersetzungen<br />

Geld eine nicht unerhebliche Rolle gespielt hat.<br />

Lafontaine hatte auch Recht, sich dieser Entwicklung entgegen<br />

zu stellen. Jetzt, da die westliche Welt die Krise hat, vor<br />

der die „unverbesserlichen Linken“ immer gewarnt hatten,<br />

da rufen - fast - alle plötzlich nach dem Staat Er soll nicht<br />

nur Regelungen schaffen, Gesetze, die den Kapitalmarkt<br />

transparenter, übersichtlicher machen, nein er soll sogar<br />

Katastrophe Kapitalismus<br />

Wieder Weimar<br />

intervenieren, ja sogar die fallierten Unternehmen aufkaufen<br />

und wieder fit machen. Hatte es nicht geheißen genau<br />

dazu sei eine staatliche Bürokratie prinzipiell unfähig? War<br />

nicht Lafontaine genau deshalb, weil er für eine Stärkung<br />

des Staates eintrat, in den Augen seiner Gegner wie dieser<br />

geworden: ein zahnlos grantelnder Wolf?<br />

Jetzt aber rufen die Banker selbst nach dem Staat. Sie wünschen<br />

ihn sich groß und stark mit kräftigen Zähnen, damit er<br />

sie retten möge aus den Schlünden der drohenden Depression.<br />

Oskar Lafontaine aber hassen sie jetzt auch noch dafür,<br />

dass er Recht hatte.<br />

Arno Widman, FR-online.de, 21.2.2009


Das Krisengespenst<br />

„Ein Gespenst geht um in Europa - das Gespenst des Kommunismus.<br />

Alle Mächte des alten Europa haben sich zu einer<br />

heiligen Hetzjagd gegen dies Gespenst verbündet, der Papst<br />

und der Zar, Metternich und Guizot, französische Radikale<br />

und deutsche Polizisten. Wo ist die Oppositionspartei, die<br />

nicht von ihren regierenden Gegnern als kommunistisch<br />

verschrien worden wäre, wo die Oppositionspartei, die den<br />

fortgeschritteneren Oppositionsleuten sowohl wie ihren<br />

reaktionären Gegnern den brandmarkenden Vorwurf des<br />

Kommunismus nicht zurückgeschleudert hätte?“<br />

<strong>So</strong> schreiben Friedrich Engels und der neuerdings wieder viel<br />

zitierte Karl Marx im Vorwort zum „Kommunistischen Manifest“<br />

über das Gespenst ihrer Zeit, den Zusammenschluss<br />

der Arbeiter, dessen Erfolg er sich erhoffte. Das Gespenst von<br />

heute ist die sogenannte Finanzkrise.<br />

Im Gegensatz zu Marx‘ Gespenst von damals ängstigt es vor<br />

allem die Arbeiter und Angestellten, und erst recht die, die<br />

am Rande der Gesellschaft leben, hier oder in der Dritten<br />

Welt. Denn ihnen droht, so heißt es, Arbeitslosigkeit, Konsumverzicht<br />

und das Ende jeder Gesundheits- und <strong>So</strong>zialpolitik.<br />

Auch wenn die Medien beharrlich über die Folgen<br />

schweigen - den Steuerzahlern dämmert allmählich, dass<br />

sie auf Jahrzehnte hinaus die unglaublichen Gelder werden<br />

abtragen müssen, die der Staat in das marode Bankensystem<br />

pumpt. Längst nicht so sehr ängstigt die Krise die Kapitalisten<br />

und Couponschneider, die Heuschrecken und Finanzierungsgenies,<br />

obwohl doch sie es waren, die zahlreiche<br />

Volkswirtschaften in den Ruin getrieben haben. Die die hart<br />

erarbeiteten Überschüsse der Völker der Welt in sinnlosen<br />

Spekulationen verbrannt und in irrwitzige Boni für sich<br />

selbst verwandelt haben. Das Übernachten unter der Brücke,<br />

die Teilnahme an einer Fernsehshow „Wie überlebe ich als<br />

Obdachloser in der Großstadt“ ist für sie nicht vorgesehen.<br />

Das Verstörende an dieser Krise ist, dass sie bisher vor allem<br />

an den riesigen Geldbeträgen erkennbar wird, über die die<br />

Regierungen ganz plötzlich zu verfügen meinen und die die<br />

Krise eigentlich eindämmen sollen. Niemand weiß, was genau<br />

die Bedrohung ist, und erst recht nicht, welche Dimension<br />

und welches Ausmaß sie hat - eine tragfähige Analyse<br />

gibt es ebenso wenig wie eine begründete Strategie. Ist die<br />

Krise vielleicht vor allem ein Alibi dafür, Leute zu entlassen,<br />

Lohnforderungen abzublocken und Fehlspekulationen mit<br />

Steuergeldern auszugleichen? Sind vielleicht gar die gigantischen<br />

Rettungsmaßnahmen selbst die eigentliche Krise?<br />

Die Finanzberater empfehlen jedenfalls bereits wieder, Aktien<br />

und insbesondere Bankaktien zu kaufen, und auch das<br />

Karussell der Leerverkäufe hat wieder eingesetzt - das ideale<br />

Mittel, um aus den Verlusten anderer Kapital zu schlagen.<br />

Die Krise soll entstanden sein, weil Grundstückskäufer ihre<br />

Schulden nicht bezahlen konnten. Warum aber, so eine<br />

der Fragen, über die Medien und Regierung hinweggehen,<br />

warum werden dann die Banken mit Geld gefüttert und nicht<br />

die Familien und Haushalte, die ihre Kreditzinsen nicht mehr<br />

bezahlen können? Dann bekäme das Banksystem Geld, und<br />

zugleich würden Eltern und Kinder nicht aus ihren Häusern<br />

gejagt.<br />

Vermutlich würde dann allerdings deutlich werden, dass<br />

die sogenannten faulen Kredite nicht mehr als ein kleiner<br />

Auslöser der Krise waren. Es waren ja auch nicht die Kunden<br />

Katastrophe Kapitalismus<br />

Wieder Weimar<br />

von Ratiopharm, die die Merckle-Gruppe in die Schieflage<br />

gebracht haben. Es waren vielmehr die gigantischen Spekulationen<br />

mit VW-Aktien, für die Merckle bezahlen musste<br />

und an denen vor allem Porsche verdient hat. Die Krise,<br />

wenn es denn eine ist, ist das Resultat von Spekulation und<br />

Gier, von Gewinnsucht und Maßlosigkeit, von überzogenen<br />

Marketingmaßnahmen und Überredung, von Betrug und<br />

Kasinokapitalismus. Wenn es eine Krise ist, dann war es<br />

vielleicht zunächst eine der Banken, jetzt ist es eine des<br />

Kapitalismus.<br />

Denn wenn die Banken jetzt kein Geld mehr verleihen,<br />

obwohl sie könnten, ist das das Ergebnis eines Lernprozesses.<br />

Sie haben verstanden: Wenn im Kapitalismus jemand<br />

freundlich zu dir ist, pass auf deine Brieftasche auf. Die Ostdeutschen<br />

mussten diese bittere Lektion nach der deutschdeutschen<br />

Vereinigung lernen. Wer dir einen Kredit anbietet,<br />

will vor allem deine Zinsen, auch wenn du bankrottgehst.<br />

Wer dir Wertpapiere verkauft, legt dich rein, selbst wenn das<br />

von Bank zu Bank stattfindet.<br />

Vertrauenskrise? Nein. Die Angst vor dem andern ist im konsequenten<br />

Kapitalismus angelegt, und sie ist jetzt in seinem<br />

Zentrum, dem Bankensystem, angekommen. Das Misstrauen<br />

der Banken gegen ihre Kunden und das<br />

Misstrauen der Kunden gegen die Banken ist ein strukturell<br />

begründetes Misstrauen aller gegen alle, auch gegen die<br />

gültigen Gesetze und Regeln. Deswegen ist die Krise eine<br />

Krise des Kapitalismus.<br />

Dieses Misstrauen kann der Staat mit noch so vielen Milliarden<br />

nicht beseitigen.Dass er es versucht, wirft allerdings<br />

weitere Fragen auf. Deutschland hat ein funktionierendes


staatliches Bankensystem. Es besteht flächendeckend und<br />

auf allen Ebenen aus kommunalen Sparkassen, staatlichen<br />

Landesbanken, der Kreditanstalt für Wiederaufbau. Wenn es<br />

darum ginge, die „freie Wirtschaft“ mit Krediten zu versorgen,<br />

wäre dies darüber gut zu organisieren. Die staatlichen<br />

Banken müssten natürlich viel besser kontrolliert werden als<br />

bisher - vielleicht nicht von Politikern, sondern von Sparkunden.<br />

Warum muss der Staat dann die Privatbanken retten?<br />

Warum sollen die, die den Markt immer vergöttert haben,<br />

jetzt nicht mit diesem Markt glücklich untergehen dürfen?<br />

Statt die Steuermittel gezielt und sinnvoll einzusetzen, transferiert<br />

die Regierung lieber die Steuern der nächsten Generationen<br />

in das marode private Bankensystem von heute. Im<br />

Namen der Marktwirtschaft wird so die Marktwirtschaft ruiniert.<br />

Statt der Vermögen der Banker werden die Verluste der<br />

Banken verstaatlicht und dadurch erst sozialisiert und den<br />

Steuerzahlern aufgebürdet.Dafür wird der Staat dann auch<br />

noch kritisiert. <strong>Nicht</strong> weil er kein Geld mehr haben wird für<br />

Umwelt, Infrastruktur, soziale Gerechtigkeit oder Bildung,<br />

sondern dafür, dass er für sein Geld ein wenig Kontrolle will<br />

und die aberwitzigen Gehälter zu begrenzen versucht. Aus<br />

Sicht der Wirtschaft: unverschämt und undankbar.<br />

Das machen uns Tag für Tag die Medien klar. Sie berichten,<br />

was Bundeskanzlerin Merkel den Chefredakteuren und<br />

Verlagsdirektoren schon bei einem eigens einberufenen<br />

Treffen im vergangenen Oktober vorgesagt hat. Sie halten<br />

die Bürger bei Laune, auf dass diese stillhalten. Wie viel<br />

Geld bereits in die Banken gepumpt wurde, wie viele Milliarden<br />

Bürgschaftszusagen vergeben wurden (und wie viele<br />

Hartz-IV-Monats“löhne“ das sind), das steht auch nicht in<br />

der Zeitung. Die Süddeutsche (vom 15. 1.) beispielsweise ver-<br />

steckt die Mitteilung, dass die Hypo Real Estate zum vierten<br />

Mal in vier Monaten Milliarden Bargeld und Bürgschaften<br />

braucht, unter der Überschrift „Wenn Steinbrück an die<br />

Tür klopft“. <strong>So</strong>rgen macht man sich hier nur um die Frage,<br />

ob der Staat nicht zu mächtig wird. Gewiss, eine wichtige<br />

Frage, aber wohl kaum die derzeit wichtigste. Während die<br />

Banker die Staatsknete abzocken, wird die Diskussion über<br />

den Missbrauch wirtschaftlicher Macht zu einer Diskussion<br />

darüber, ob der Staat denn nun Schulden machen darf oder<br />

nicht - unabhängig davon, wofür er sie macht.<br />

Was also ist die Krise? Das Bankensystem hat sich selbst ruiniert,<br />

aber nicht weil es die Regeln des Kapitalismus verletzt<br />

hat, sondern weil es sie konsequent befolgt hat: Ziel war und<br />

ist nichts als Gewinn, soziale Verantwortung oder Ethik hin<br />

oder her. Ebenso wie der Staatssozialismus an sich selbst<br />

erstickt ist, haben sich die Banken damit in einem Meer<br />

von Geld selbst ertränkt und sich gegenseitig in die Pleite<br />

getrieben. Im Unterschied zum Staatssozialismus haben<br />

Katastrophe Kapitalismus<br />

Wieder Weimar<br />

die Banken aber einen Weg gefunden, das Ende des Kapitalismus<br />

noch einmal in ein neues Aufblühen zu verwandeln.<br />

Denn zusammen mit den Medien sorgen sie dafür, dass sich<br />

die Struktur des Wirtschaftssystems nicht ändert, aber der<br />

Staat die<br />

Kosten trägt. Wie lange? Bis auch er pleite ist.<br />

Damit fügt sich die derzeitige Bankenkrise aber in eine ganz<br />

andere Entwicklung ein. In den letzten Jahrzehnten ist der<br />

Anteil aus Vermögen und Unternehmertätigkeit am Bruttosozialprodukt<br />

kontinuierlich gestiegen, in der Bundesrepublik<br />

wie im Rest der Welt. Der entfesselte Kapitalismus hat<br />

getan, wofür er da ist, nämlich die Kapitalrenditen immer<br />

stärker in die Höhe getrieben und so die Schere zwischen<br />

Arm und Reich immer weiter geöffnet. Der Anteil der<br />

Kapitalerträge am Volkseinkommen kann aber rein logisch<br />

nicht immer weiter wachsen: Wenn das, was Arbeiter und<br />

Angestellte vom Bruttosozialprodukt bekommen, zum Leben<br />

immer größerer Teile der Bevölkerung und zur Legitimation<br />

nicht mehr ausreicht, dann können die Gewinne nur noch<br />

zunehmen, wenn der Staat seine Steuergelder an die Banken<br />

und Unternehmen transferiert. Genau das erzwingt und<br />

legitimiert die derzeitige „Vertrauenskrise“.<br />

Erhalt der Arbeitsplätze und der Konkurrenzfähigkeit auf<br />

dem Weltmarkt, das waren und sind die Argumente, warum<br />

Lohnforderungen nicht erfüllt und Arbeitsschutzregeln abgebaut<br />

werden. Jetzt sind es auch Argumente, warum der Staat<br />

die Schulden der Banken übernehmen muss. Von der Auto-<br />

bis zur Pornoindustrie, von den Herstellern von Armaturen<br />

bis hin zu denen von Spielzeugeisenbahnen fordern alle<br />

unter heftigen Drohungen Unterstützung. Peinlich, dass die<br />

deutschen Banken diese Gelder bevorzugt dazu verwenden,


um andere Banken zu kaufen: die Deutsche die Postbank,<br />

die Commerzbank die Dresdner. Peinlich, dass die HSH-<br />

Nordbank ihren privaten Eigentümern Renditen ausschüttet,<br />

nachdem sie Staatshilfen erhalten hat. Peinlich, dass die<br />

Boni für Mitarbeiter einklagbar sind, selbst wenn die Bank<br />

pleitegeht. Insgesamt wird die Krise so aber zu einer Rettung<br />

der Renditen, zur Reparatur der Krise des Kapitalismus.<br />

Ein Gespenst geht um in Europa und in der Welt - das<br />

Gespenst einer Banken- und Finanzkrise ungeheuren Ausmaßes.<br />

Alle Mächte des alten Europa haben sich zu einer<br />

heiligen Hetzjagd auf dieses Gespenst verbündet - der Papst<br />

und die Zaren in Moskau, Merkel und Sarkozy, französische<br />

Radikale und deutsche Ordnungshüter, und auch die Herrscher<br />

in den<br />

asiatischen Ländern äußern Besorgnis darüber, was mit<br />

ihren Billionen Dollar wohl geschehen wird. Alle sind sich<br />

einig, dass dieses Gespenst unerbittlich bekämpft werden<br />

muss und dass alle Bürgerinnen und Bürger, vom reichen<br />

Banker bis hin zur letzten Putzfrau, dafür unvorstellbare<br />

Opfer zu bringen haben.<br />

Jene allerdings, die dieses Gespenst erst geschaffen haben,<br />

kooperieren jetzt mit ihm, die Aktienbesitzer und Banker,<br />

die Spekulanten und Vorstände. Sie verdienen bereits wieder<br />

an Spekulationen und billig erworbenen Aktien. Sie wissen,<br />

dass ihre Zukunft gesichert ist. Denn sie haben mit ihrer<br />

Pleite am Ende einer grandiosen Abzocke das erreicht, was<br />

Kapitalisten bei Strafe ihres Untergangs erreichen müssen:<br />

Sie haben großartige Renditen erzielt und überlassen jetzt<br />

dem Staat ihre Schulden, verlangen dafür aber nach wie vor<br />

Zinsen - ein Kapitalismus ohne Kapital, der von den Zinsen<br />

vergangener Geschäfte lebt.<br />

Die normalen Bankkunden, Bürgerinnen und Bürger, also<br />

jene, die die Zeche zahlen müssen, sie bleiben - einmal mehr<br />

- geduldig. Politiker, Banker und Medien gemeinsam appellieren<br />

an ihr Verantwortungsbewusstsein: „Wir haben euer<br />

Wirtschaftssystem ruiniert, und jetzt wollen wir noch die<br />

zukünftigen Generationen darauf verpflichten, jahrzehntelang<br />

Schulden dafür abzubezahlen. <strong>So</strong> lange haltet bitte noch<br />

still, bis wir das gesichert haben.“<br />

Die Banken und Spekulanten wissen, was sie wollen. Die<br />

Bundesregierung modifiziert ihr neoliberales Denken nur<br />

wenig und zielt auf geringfügige, aber teure Reparaturen,<br />

bedient ihre Klientel und verbeugt sich vor der Lobby. Eine<br />

umfassende Analyse nimmt sie ebenso wenig vor wie das<br />

Entwickeln einer haltbaren Strategie. Auch die Zivilgesellschaft<br />

schweigt bisher, um Orientierung bemüht in einer<br />

unübersichtlichen Lage. Noch haben auch die Bürger,<br />

zumindest in Deutschland, Vertrauen und glauben den<br />

Versprechen der Ackermänner, obwohl sich deren Ansagen<br />

immer wieder als falsche Zusagen oder Prahlerei entlarven.<br />

Es wird Zeit, dass wir nicht mehr nur von den Regierungen in<br />

anderen Ländern erfahren, sondern auch davon, wie die Völker<br />

in diesen anderen Ländern auf die Krise reagieren: dass<br />

die irischen Banken anderen Unternehmen im Ausland Geld<br />

in der Größenordnung des Zehnfachen des Bruttosozialprodukts<br />

schulden - und dass das mit Abzahlen in Jahrzehnten<br />

nicht zu reparieren ist; dass Ursache der Unruhen in Griechenland<br />

nicht nur eine versteinerte Politik, sondern auch<br />

eine unverantwortliche „freie“ Wirtschaft sind; dass die<br />

Isländer immerhin ihre Bankrotteursregierung davongejagt<br />

haben; dass sich in Lettland, Russland und Großbritannien<br />

Katastrophe Kapitalismus<br />

Wieder Weimar<br />

Formen politischen Widerstands regen, die nicht mehr auf<br />

die Einsichtsfähigkeit der etablierten Regierungen hoffen.<br />

Hier sollten die Medien ansetzen, indem sie von Alternativen<br />

berichten, statt wie zu Kaisers Zeiten Ruhe als erste Bürgerpflicht<br />

zu propagieren. Auch sie müssen sich entscheiden, ob<br />

sie ein Korrektiv gegen gierigen Kapitalismus und ängstliche<br />

Politik sein wollen oder nicht. Wir brauchen neue, an die<br />

Wurzeln gehende Ideen und Debatten, um unser Leben nicht<br />

länger durch entfremdete Arbeit bestimmen zu lassen. Nur<br />

wenn die Bevölkerung die Sache selbst in die Hand nimmt<br />

und der Regierung sagt, wie sie zu handeln hat, wird diese<br />

sich gegen die Lobbys durchsetzen und sich das Finanzsystem<br />

untertan machen können. <strong>So</strong>nst wird das alles enden,<br />

wie Marx es vorausgesagt hat: Der Kapitalismus als eine Folge<br />

von Krisen, die immer existenzieller werden. Irgendwann<br />

dann auch für die Banker.<br />

Friedrich Krotz, TAZ-Digitaz, 19.2.2009<br />

FRIEDRICH KROTZ, geboren 1950 in Barcelona, ist seit<br />

Oktober 2003 Professor für Kommunikationswissenschaft<br />

und soziale Kommunikation an der Universität Erfurt. Zuvor<br />

lehrte er in Münster. Sein Forschungsschwerpunkt ist der<br />

Medien- und Gesellschaftswandel. Zuletzt erschien sein Buch<br />

„Mediatisierung: Fallstudien zum Wandel von Kommunikation“.


Krisenbekämpfung<br />

Wachsende Schuldenberge<br />

Fast über Nacht hat die Finanzkrise Professor Max Otte<br />

berühmt gemacht – und zum Bestsellerautor. Als 2006 sein<br />

Buch mit dem Titel „Der Crash kommt“ erschien, nahmen<br />

nur wenige davon Notiz. Heute überrascht viele die Präzision<br />

der Prognosen des Wirtschaftswissenschaftlers von<br />

der Fachhochschule Worms. Im Kern hängt vieles mit der<br />

Geldpolitik der Notenbanken zusammen, so seine Analyse.<br />

Vor allem Alan Greenspan, der einst so verehrte Chef der<br />

US-Notenbank, hat während seiner Amtszeit jede Rezession<br />

mit sehr viel billigem Geld bekämpft, das er durch Zinssenkungen<br />

in den Markt pumpte. Dass Politik und Notenbanken<br />

den aktuellen Crash mit eben diesem Mittel bekämpfen, hält<br />

er in der gegenwärtigen Situation zwar für alternativlos,<br />

langfristig aber für verheerend: „<strong>So</strong> wie Politik und Notenbanken<br />

auf die Krise reagieren, ist es sehr wahrscheinlich,<br />

dass wir uns die nächste Blase schon wieder aufbauen, und<br />

die wird genauso groß, wenn nicht sogar noch größer als die<br />

gegenwärtige“, so der Wirtschaftswissenschaftler.<br />

Eine Prognose, die auch Dr. Marc Faber teilt. Auch er geißelt<br />

vor allem die Geldpolitik der Notenbanken, die zur Spekulation<br />

geradezu ermuntert habe – vielfach auch mit geliehenem<br />

Geld. Der Schweizer Fondsmanager und Analyst mit Büro<br />

in Hongkong und Wohnsitz in Thailand hat viele der Spekulationsblasen<br />

und Crashs der vergangenen 25 Jahre präzise<br />

vorausgesagt. Doch immer wieder hielt man ihn für einen<br />

notorischen Skeptiker, als er die nächste Krise prognostizierte.<br />

Ihn selbst wundert das allerdings nicht: „Die Notenbank<br />

ist wie ein Barmann, der gratis Alkohol oder Drogen<br />

ausgibt – und dann besaufen sich die Leute. Und wenn dann<br />

einer kommt und sagt, es wäre besser, jetzt nach Hause<br />

zu gehen und nicht so viel zu saufen, dann wird er rausgeschmissen,<br />

das ist normal.“<br />

Für diese Krise sehen beide Experten zwei mögliche Entwicklungen:<br />

Entweder die Welt geht durch eine sehr tiefe und<br />

längere Rezession, oder es gelingt den Regierungen und den<br />

Notenbanken, durch Konjunkturpakete und Zinssenkungen<br />

den Abschwung zu bremsen – dann aber vermutlich mit<br />

dem Risiko einer nächsten Blase, die vielleicht noch größer<br />

wird. Für die Zukunft befürchten beide horrende Inflationsraten<br />

und vielleicht schon in zehn bis fünfzehn Jahren einen<br />

Staatsbankrott der USA. Was das für die Weltwirtschaft<br />

bedeuten würde, wagen sie sich allerdings selbst kaum noch<br />

auszumalen.<br />

Achim Pollmeier (Plusminus, WDR)<br />

Die Krise tötet<br />

Menschen<br />

Katastrophe Kapitalismus<br />

Wieder Weimar<br />

UN-Berater Jean Ziegler über den Hunger im Süden, Wirtschaftsverbrecher<br />

und die Schweizer Banken.<br />

Herr Ziegler, Sie müssen sehr zufrieden sein. Der Neoliberalismus,<br />

gegen den Sie seit Jahren kämpfen, scheint sich<br />

gerade selbst zu erledigen.<br />

Aber die Verwüstungen, die er noch in seinem Niedergang<br />

verursacht, können niemanden freuen. In den USA herrscht<br />

bereits Massenarbeitslosigkeit, dahinter verbergen sich Millionen<br />

persönlicher Tragödien. Und für die Dritte Welt ist die<br />

Krise eine Katastrophe. Laut Weltbank sind zusätzlich zu den<br />

2,2 Milliarden extrem armen Menschen nun 100 Millionen<br />

unter die Armutsgrenze gefallen. ‚Wenn der Reiche abmagert,<br />

verhungert der Arme‘, sagt der französische Autor<br />

Alphonse Allais.<br />

Ist das wörtlich zu verstehen?<br />

Ja. Ein Beispiel: Im Oktober beschlossen die 15 Regierungschefs<br />

der Eurozone, 1700 Milliarden Euro zur Rettung ihrer Banken<br />

lockerzumachen. In der gleichen Woche wurden die Beiträge für die<br />

Humanitärhilfe der UN um durchschnittlich 50 Prozent gekürzt und<br />

tausende Entwicklungshilfeprojekte gestrichen.<br />

Mit welchen konkreten Folgen?


Ich war kürzlich in Darfur. Dort leben 2,7 Millionen Flüchtlinge in<br />

17 UN-Lagern. Die internationale Gemeinschaft ist verpflichtet,<br />

sie am Leben zu erhalten. Aber das Welternährungsprogramm kann<br />

nur noch Tagesrationen von 1500 Kalorien verteilen. Das sind 700<br />

Kalorien weniger als die von den UN festgesetzten 2200 Kalorien,<br />

die ein Erwachsener täglich zum Überleben braucht. Die UN organisieren<br />

also die Unterernährung. Und das etwa auch in <strong>So</strong>malia,<br />

Kenia und Bangladesch. Die Katastrophenbanker haben nicht nur<br />

die westlichen Volkswirtschaften ruiniert. Woanders morden sie. Das<br />

ist keine Hypothese, sondern eine Tatsache.<br />

Müsste man sie strafrechtlich verfolgen?<br />

Der internationale Gerichtshof für Wirtschaftskriminalität wird<br />

kommen. Darüber wird bei den UN schon diskutiert. Wirtschaftsdelikte<br />

müssen wie Kriegsverbrechen verfolgt werden. Die Banker<br />

haben mehr Menschen auf dem Gewissen als mancher afrikanische<br />

Warlord.<br />

Zurück zu den Hilfen der EU-Länder für ihre Banken und Industrien.<br />

Es ist doch verständlich, dass sich jeder in der Krise selbst der<br />

Nächste ist?<br />

Aus Regierungssicht ist das verständlich. Die afrikanischen Kinder<br />

sterben ja nicht auf dem Ku’damm oder den Champs Élysées. Einzig<br />

die Zivilgesellschaft kann die hungernden Kinder noch vertreten. Und<br />

zwar aus einem moralischen Imperativ heraus. Das klingt pompös,<br />

aber ich möchte Immanuel Kant zitieren: ,Die Unmenschlichkeit,<br />

die einem anderen angetan wird, zerstört die Menschlichkeit in<br />

mir.‘ Die Menschen der Herrschaftswelt müssen endlich begreifen,<br />

dass es so nicht weitergehen kann. Jeden Tag sterben hunderttausend<br />

Menschen am Hunger oder seinen unmittelbaren Folgen. 963<br />

Millionen Menschen sind permanent schwerstens unterernährt, alle<br />

fünf Sekunden verhungert ein Kind unter 10 Jahren. Laut Welternährungsorganisation<br />

aber könnte die derzeitige Landwirtschaft<br />

problemlos 12 Milliarden Menschen ernähren, also das Doppelte der<br />

Menschheit. Ein Kind, das heute an Hunger stirbt, wird ermordet.<br />

Wir brauchen einen neuen planetarischen Gesellschaftsvertrag.<br />

Wo sehen Sie die ideologischen Ursachen für die Krise?<br />

Sie ist eine direkte Folge der neoliberalen Wahnidee, dass sich der<br />

Markt ohne jede normative Instanz selbst regulieren müsse. <strong>So</strong><br />

wurde der Staat unterminiert und die totale Liberalisierung der<br />

Dienstleistungen sowie der Kapital- und Warenströme betrieben.<br />

Diese Theorie besitzt eine innere Logik: Wenn sämtliche territorialen<br />

und normativen Beschränkungen abgeschafft sind, geht das Kapital<br />

spontan dahin, wo es maximalen Profit erzielt. Das ist zunächst<br />

geschehen: Laut Weltbank hat sich das Weltbruttosozialprodukt<br />

zwischen 1992 und 2002 mehr als verdoppelt, der Welthandel<br />

verdreifachte sich. Gleichzeitig aber fand eine ungeheure Monopolisierung<br />

statt. Die 500 größten der 85 000 multinationalen Konzerne<br />

auf der Welt kontrollierten letztes Jahr 52 Prozent des Weltbruttosozialprodukts,<br />

also die Hälfte aller auf der Welt erzielten Reichtümer.<br />

Das bedeutet Einfluss auf Regierungen und Parlamente und eine<br />

ideologische und finanzielle Kraft, die kein König, Kaiser oder Papst<br />

je hatte.<br />

Welche Rolle spielten die Banken dabei?<br />

Auf den Kapitalmärkten setzte sich das Finanzkapital durch, das<br />

keiner Aufsicht unterworfen war. Selbst das Risikomanagement<br />

der Banken entfiel wegen der Gier der Manager. Sie agierten wie<br />

Raubritter. Ein Beispiel: Richard Fuld, der ehemalige CEO von<br />

Lehman Brothers – einst die viertgrößte Bank der Welt –, hat am<br />

12. September 2008 Gläubigerschutz beantragt, also die Vorstufe<br />

Katastrophe Kapitalismus<br />

Wieder Weimar<br />

zum Konkurs. Am 26. September ging die Bank Konkurs. Aber in der<br />

Zwischenzeit hatte er 25 Millionen Dollar aus der Kasse genommen.<br />

Der Dezernatsleiter für organisierte Kriminalität beim LKA Nordrhein-Westfalen,<br />

Wilhelm Schwerdtfeger, hat gesagt: ,Organisiertes<br />

Verbrechen ist verschärfter Kapitalismus.‘<br />

Aber die wichtigsten EU-Staaten haben gestern beschlossen, Regeln<br />

für die internationalen Finanzmärkte zu fordern.<br />

Man wird sehr genau schauen müssen, was dabei herauskommt.<br />

Viele Politiker halten ja nach wie vor an den neoliberalen Glaubenssätzen<br />

fest, die ihnen die Lobbys jahrelang vorgebetet haben. Sie<br />

scheuen vor einer Analyse der Krisenursachen zurück und vertreten<br />

weiter die Partikularinteressen der sogenannten Wirtschaftseliten.<br />

Dahinter steckt die pathologische Annahme, dass alles so weitergehen<br />

werde wie bisher. Wissen Sie, worauf sich die Hedge-Fonds<br />

verlegt haben? Sie spekulieren mit Grundnahrungsmitteln. Das ist<br />

einer der Gründe für die Explosion der Weltmarktpreise von Reis,<br />

Mais und Getreide. Keine Regierung tut etwas dagegen.<br />

Sie waren kürzlich auf dem Weltsozialforum im brasilianischen


Belém. Die Globalisierungskritiker haben sich dort wieder nicht auf<br />

ein Programm einigen können.<br />

Belém war sehr ermutigend, es war nicht so ein Vampirball wie das<br />

Weltwirtschaftsforum in Davos. Aber es gibt in der Tat keinen kohärenten<br />

Gegenentwurf zum globalisierten Raubtierkapitalismus. Es<br />

herrscht die Angst, dass ein Programm von oben die Lebendigkeit der<br />

Bewegung ersticken könnte. Der spanische Lyriker Antonio Machado<br />

hat gesagt: ,Wanderer, es gibt keinen Weg. Den Weg machen deine<br />

Füße selbst.‘ Das gilt auch für den Fortschritt der Geschichte.<br />

Welche Chancen eröffnet die Krise?<br />

Leid ist nie positiv, aber wenn die Menschen leiden, beginnen sie<br />

nachzudenken. Aus diesem Wissenwollen kann eine vernünftigere<br />

und gerechtere Welt entstehen. Ich bin voller Hoffnung.<br />

Kommt Ihre Hoffnung auch daher, dass das Schweizer<br />

Bankgeheimnis, gegen das Sie seit Jahrzehnten kämpfen, vor<br />

wenigen Tagen gefallen ist? Die Schweizer Großbank UBS<br />

will auf Druck der USA die Namen von Steuerhinterziehern<br />

herausgeben. Ein Kulturbruch?<br />

Ja. Der schweizerische Bankenbanditismus geht dem Ende zu. Es<br />

wird geschätzt, dass rund 80 Prozent der 6000 Milliarden Dollar<br />

Fremdkapital, die in der Schweiz liegen, Fluchtgelder aus der Dritten<br />

Welt, Mafiagelder und vor allem Steuerhinterziehungsgelder insbesondere<br />

aus Deutschland sind. Bislang verweigerte die Schweiz jede<br />

Rechtshilfe an die deutsche Steuerfahndung. Nun wird die Plünderung<br />

der umliegenden Volkswirtschaften wohl enden. Die Schweiz<br />

wird zu einem ganz normalen europäischen Staat werden. Sie ist<br />

eine lebendige Demokratie, die auch das Ende des Bankgeheimnisses<br />

überstehen wird.<br />

Philipp Lichterbeck, Tagesspiegel, 23.2.2009<br />

Jean Ziegler, 75, ist ein Schweizer <strong>So</strong>ziologe. Er ist Mitglied<br />

des beratenden Ausschusses des UN-Menschenrechtsrats.<br />

Zuvor war er UN-<strong>So</strong>nderberichterstatter für das Recht auf<br />

Nahrung. Zuletzt erschien von ihm das Sachbuch „Das<br />

Imperium der Schande“ (Bertelsmann). Im Herbst kommt<br />

von ihm „Der Hass auf den Westen“ (Bertelsmann) in die<br />

Buchläden.<br />

Katastrophe Kapitalismus<br />

Wieder Weimar<br />

Von dumpfen Ideologien<br />

und allzu Irdischem<br />

Ist die Weltwirtschaftskrise<br />

vergleichbar mit 1929?<br />

Steht uns eine neue Weltwirtschaftskrise bevor? Wird es nach<br />

dem ‚neuen ‚29‘ auch einen neuen ... 1933 geben? Ist ein<br />

neuer Faschismus zu befürchten? Darf man diese Frage, der<br />

Vergleichbarkeit mit den Vorbeben des NS, überhaupt stellen?<br />

Und wie verhält sich die Möglichkeit der Beschreibung<br />

eines zukünftigen Horrors zur Singularität Auschwitz? Was<br />

sagen schon reine Zahlen über die Toten aus? Und was über<br />

uns? Oder, als Leitfrage formuliert: Wie ist ‚unser‘ Verhältnis<br />

zu den Toten, damals und heute? - die Ideologie zu den<br />

Getöteten?<br />

Weltwirtschaftskrise 1929. Sparprogramm Brüning,<br />

Straßenschlachten, Wahlgewinne für KPD und NSDAP,<br />

Reichstagsbrand, Propaganda: Machtergreifung, Krieg und<br />

„Endlösung der Judenfrage“.<br />

6 Millionen Juden industriell ermordet in deutschen Gaskammern,<br />

oder zu Tode gearbeitet im KZ.


Die „negative Fabrik Auschwitz“<br />

Die „negative Fabrik Auschwitz“: Ein nie da gewesener Akt<br />

in der menschlichen Geschichte! Massenmord, Völkermord,<br />

blindes Abschlachten, Massaker, Krieg, Atombombe, ... ja,<br />

aber nie ein derart technisch perfektioniertes Verfahren zur<br />

massenhaften Tötung von Menschen. Noch in den Nürnberger<br />

Prozessen prahlen NS-Ingenieure mit der gelungenen<br />

Bewältigung eines neuartigen Problems: Wie tötet man<br />

möglichst effizient – und billig! - möglichst viele Menschen<br />

pro Tag?<br />

Wie gingen die Nazis damit um? Ideologisch (!) betrachtet,<br />

waren es Menschen, die dort getötet wurden? Also Deutsche,<br />

oder Arier? Zum Juden wurde man gemacht! Zum Unmenschen,<br />

nicht mal mehr Untermensch, also Arbeitssklave,<br />

nein Unmensch: <strong>Nicht</strong>-Mensch. „Wer Jude ist, bestimme<br />

ich“, soll ? gesagt haben, und verweist damit auf die Konstruktion<br />

‚des Juden‘: Jesus soll er ans Kreuz geschlagen<br />

haben, „den Zins“ gierig abpressen, gute „deutsche Arbeit“<br />

aussaugen, global verschworen sein, wie eine Plage über<br />

„die Heimat“ herfallen; mit Heuschrecken wird er verglichen<br />

und so behandelt: vernichtet, zertreten, vergast. Von Bürgerinnen<br />

und Bürgern zu <strong>Nicht</strong>-Menschen: Erst ein gelber<br />

Stern um ihn zu erkennen ‚den Juden‘, dann das Menschsein<br />

abgesprochen, zum Tier, zum Insekt, degradiert, getreten,<br />

geschlagen, schließlich vernichtet – millionenfach.<br />

Ruanda<br />

Und heute? Wie geht der heutige Mensch, ideologisch mit,<br />

sagen wir, den Millionen Hungertoten weltweit um? Die<br />

Singularität Auschwitz anerkannt, was heißt das für unsere<br />

Bearbeitung zum Beispiel des Völkermordes in Ruanda?<br />

<strong>Nicht</strong> zu vergleichen, weil schon grotesk nicht-industriell<br />

- Macheten und Äxte -, ja. Schlimm, ohne Zweifel. Aber<br />

starben dort, ideologisch (!) betrachtet, Menschen? Vielleicht<br />

tatsächlich: Die UN sollte gerade verhindern, was dann<br />

doch geschah, verlieh den schließlich Abgeschlachteten so<br />

etwas wie BürgerInnen-Rechte, ‚garantierte‘ ihre Sicherheit<br />

– für den Moment. Um im nächsten ihre eigene bürgerliche<br />

Menschenhaut zu retten, in den vormodernen Waffen<br />

der Schlächter etwas vermeintlich Fremdes zu erkennen,<br />

vor-bürgerliches. <strong>So</strong> schnell können Menschenrechte auch<br />

wieder entzogen werden, sich als ‚Irrtum‘ herausstellen.<br />

Schlimm ja ja, aber abzuwägen mit Franzosen, ‚echten‘ Bürgerinnen<br />

und Bürgern!, also Menschen? Wer wollte von ihnen<br />

erwarten für diese ‚vormodernen Barbaren‘, Menschen auf Probe, ihr<br />

Seelenheil zu riskieren?<br />

Menschen?<br />

Zurück zu den einigen Millionen Hungertoten pro Jahr<br />

weltweit: Sind dies, ideologisch (!) betrachtet, Menschen?<br />

Waren sie es jemals? Oder hat ihnen jemand das Menschsein<br />

aberkannt? Leichter als die -womöglich willentliche!<br />

- Aberkennung ist wohl das erst-gar-nicht-Anerkennen, das<br />

existentielle Ignorieren Ihrer als menschlicher Existenz. Denn<br />

wären es Menschen, müssten wir nicht eingreifen? Helfen,<br />

Nahrung liefern?<br />

Aber wenn wir es täten, zerstörten wir da nicht lokale Märkte?<br />

Also helfen wir ‚ihnen‘ nicht am Besten indem wir nicht<br />

eingreifen, den Markt machen lassen? Denn du oh, immer<br />

währende unsichtbare Hand hast gesprochen! Wen der Markt tötet,<br />

dem soll der Mensch nicht helfen. Du sollst keine anderen Götter ne-<br />

Katastrophe Kapitalismus<br />

Wieder Weimar<br />

ben dem Markt haben! Humanismus? Kommunismus gar? Ungläubiger!<br />

Du sollst bestraft sein mit dem Schlimmsten: Ignoranz.<br />

Christen?<br />

Aber sind wir nicht Christen? Fragen wir den Oberhirten zu<br />

‚seinen Schäfchen‘: Du sollst kein Kondom benutzen, denn das ist<br />

Sünde! Der reinkarnierte Petrus wacht offenbar mehr über die<br />

Toten als über die Lebenden, oder besser, über die Schwelle<br />

zum Leben: von der befruchteten Eizelle bis zur Geburt wacht<br />

der Hirte über das ordnungsgemäße Brüten, dann sind die Kinderlein<br />

entlassen, ins freie Spiel der Kräfte, den Markt, die Natur, die<br />

vermeintliche. Erst im Tod kehrt der leichenblasse Papus zurück,<br />

um sie ins Himmelreich zu geleiten. <strong>Nicht</strong> selten vergehen<br />

zwischen diesen beiden mystischen,also irrealen, Begegnungen<br />

nur wenige Tage, Wochen oder Monate, manchmal<br />

wenige Jahre. <strong>So</strong> sehr liebt der Papst seine Kinderlein, dass er sie<br />

bald wiedersehen möchte. Und was schon die kurze Hölle auf Erden<br />

gegen den ewigen, nur leider irrealen, Frieden im Himmelreich? Das<br />

ist der historische Kompromiss des Vatikans mit dem Staat,<br />

dem Markt, - vermeintlich! - allem weltlichen: Himmelreich<br />

und Erdenreich sind aufgeteilt, Gott ins Irreale verbannt, hier<br />

unten herrscht der Markt, gehört nahezu alles jenen „Gesellschaften,<br />

in denen kapitalistische Produktionsweise<br />

herrscht“! Hier regiert das Geld, die Inkarnation des Marktes,<br />

des Tausches, oder marxistisch, des Werts. Oh du goldene, die du<br />

steigst zum Himmel, geheiligt werden deine Namen, deine Reichen<br />

kommen und verrecken sollen deine Armen. Denn du bist das Kapital,<br />

der Wertumlauf in Ewigkeit, Barbarei.


Fetisch, Ritual, Kapitalismus...<br />

Neben den prosaischen Möglichkeiten, dem quasi-religiösen<br />

Fetisch des Kapitalismus eine Stimme zu geben, sollen uns<br />

dann doch noch mal die Toten interessieren: Sind sie nicht in<br />

Kauf genommene Menschenopfer eines modernen Rituals?<br />

Sind sie überhaupt Teil der menschlichen Gesellschaft? Sind<br />

sie eben nicht! Dürfen sie nicht sein. Können sie gar nicht sein, denn<br />

wir sind ja so humanistisch! Sie sind lebende Tote, Tote auf<br />

Raten, Noch-nicht-Menschen mit beschränkter Hoffnung. Nur wer<br />

das Todesspiel auf der Flucht nach Norden durch die Wüste,<br />

den „Wer wird Europäer/in“-Wettbewerb gewinnt, darf auf<br />

die Segnungen des Mensch-Seins hoffen.<br />

Sie sind ja auch selber Schuld, kulturell gesehen, die Neger<br />

– das sagt man nicht mehr, handelt aber so: Würden etwa<br />

Millionen Hungertote mitten in Europa derart lässig hingenommen?<br />

Noch nicht . Ideologien passen sich an, wir dürfen<br />

gespannt sein. Bis dahin opfern wir dem geheiligten Individualverkehr<br />

gern ein paar tausend Verkehrstote. Halleluja!<br />

Warum noch gleich, ist es so wichtig, Opel zu retten? Ah<br />

ja, teutsche Industrietradition: vom Opel ‚Laubfrosch‘, das<br />

Plagiat des berühmten Ford Modell T und sprichwörtlich<br />

gewordenes „dasselbe in grün“, über den Opel Blitz, stolzem<br />

Weltkriegsveteran bis zum ähm - was wird in Bochum heute<br />

kriegs- ähm wichtiges für den sozialen Frieden, das Vertrauen<br />

und die Kurse produziert? Arbeitsplätze! Denn: „Arbeit<br />

macht frei“<br />

Zusammenfassend also zu den Ideologien des Tötens.<br />

Ignoranz ist Stärke, damals wie heute. Niemand soll später<br />

behaupten, von den Millionen Toten außerhalb der Wohlstandzonen<br />

nichts gewusst zu haben! Das KZ ist nach außen<br />

gestülpt: Statt industriellem Massenmord, Elend durch<br />

Aussperren. <strong>Nicht</strong> die Anwendung der Technologie verursacht<br />

die Toten, sondern gerade ihre <strong>Nicht</strong>-Anwendung. Die<br />

Ideologie ist pluralistisch geworden.<br />

Der totale Markt<br />

Neben der katholischen Sekte gibt es eine ganze Branche<br />

von Beruhigungsgurus. Und der Markt? Der war schon immer<br />

da! Nein, die Neo-Liberalen sind keine Ideologen: „Wollt ihr den<br />

totalen Markt?“ haben sie gerufen. Doch jetzt schrecken selbst<br />

sie davor zurück. Der aufgekündigte soziale Friede könnte<br />

auch ihren Hütten das Dach kosten. ‚Naturalisierung‘ heißt<br />

das Zauberwort. Geld, Markt und Konkurrenz sind natürliche<br />

Eigenschaften des Menschen, Depressionen bei 17-jährigen müssen<br />

genetischen Ursprungs sein und das Patriarchat kommt vom Allmächtigen<br />

persönlich – oder aus dem Ur-Schleim, je nach Glaubensrichtung.<br />

Aber wehe ihr zweifelt daran, dann ab in die<br />

Psychiatrie! Da fällt mir ein, ich wollte noch Foucault lesen ...<br />

Bernd Barenberg<br />

Weiteres zur<br />

Kapitalismus-Krise<br />

Katastrophe Kapitalismus<br />

Wieder Weimar<br />

Sie werden sich vielleicht wundern, warum wir nichts „ökonomisches“<br />

zur „Krise“ anbieten. Ganze einfach, weil die<br />

„Wirtschaftskrise“ gar kein ökonomisches Problem ist. Wir<br />

haben auch keine „Krise“ – sondern schlicht und einfach die<br />

falsche Wirtschaftsordnung.<br />

Wir haben es zugelassen, dass uns Idioten regieren. Und die<br />

haben noch größeren Idioten die Märkte freireguliert. Und<br />

die haben dann ihren Idiotenscheiß gemacht. Ist das nicht<br />

schön?<br />

Und den üblichen Scheiß finden Sie in den üblichen Scheißblättern.<br />

Das was wichtig ist, das haben sie auf den vorherigen<br />

Seiten ja gelesen<br />

Das Thema – wenn man es dann doch mal ernst nimmt – ist<br />

so umfangreich, dass Judas nicht alle denkbaren Aspekte<br />

streifen oder gar abhandeln kann.<br />

Möglicherweise möchten Sie aber mehr lesen. Im Folgenden<br />

ein Medley der etwas besseren Presseveröffentlichungen<br />

zum Thema, unsere Presseschau:


Wir lebten in einer Frivolitätsepoche<br />

Über den „Schiffbruch“ des „schwimmenden Kapitals“ und<br />

den <strong>So</strong>zialismus als wichtige Funktion der Staatlichkeit hat<br />

sich Peter Sloterdijk kluge Gedanken gemacht.<br />

http://www.nzz.ch/nachrichten/kultur/aktuell/wir_lebten_<br />

in_einer_frivolitaetsepoche_1.1326434.html<br />

Arm durch Arbeit<br />

Das Buch „Arm durch Arbeit“, recherchiert im Wallraff-Stil,<br />

erzählt von „ganz unten“ - aus der Hartz-IV-Perspektive,<br />

eine Besprechung.<br />

http://www.taz.de/1/archiv/print-archiv/<br />

printressorts/digi-artikel/?ressort=tz&dig=<br />

2008%2F10%2F22%2Fa0070&cHash=10bae94191<br />

Entschleunigung jetzt!<br />

Über Obamas denkbaren Neu-Keynianismus, Reagans Appeasement-Politics<br />

und einen möglichen „Green New Deal“.<br />

http://www.taz.de/1/archiv/print-archiv/printressorts/digiartikel/<br />

?ressort=ku&dig=2008%2F12%2F08%2Fa0144&cHash=6e49<br />

c3a886<br />

Kapitalanlagebetrug<br />

Man könnte die Bankster verklagen, wenn man es nur wollte!<br />

http://de.wikipedia.org/wiki/Kapitalanlagebetrug<br />

Faules System<br />

Katastrophe Kapitalismus<br />

Wieder Weimar<br />

Lächerliche 17 neue Stellen, hauptsächlich im Finanzministerium,<br />

befristet bis 2014, sind zur Krisenbekämpfung<br />

geschaffen worden.<br />

http://www.fr-online.de/in_und_ausland/kultur_und_medien/feuilleton/1665064_Keine-Alternative.html<br />

Die Mittelschicht als <strong>So</strong>rgenkind<br />

Inzwischen ist auch die Mitte der Gesellschaft im Fokus.<br />

http://www.nzz.ch/nachrichten/kultur/aktuell/die_mittelschicht_als_sorgenkind_1.765199.html<br />

Blindflug durch die Welt<br />

Die globale Katastrophe einerseits und das Flicken und Stopfen<br />

andererseits – das blinde Auge der Zuständigen.<br />

http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,598716,00.html<br />

Gigantisch hohe Summen und gigantisch<br />

schwammige Größenangaben<br />

Ein tiefer Blick ins Bankenunwesen und wie es zur Krise kam.<br />

http://www.fr-online.de/in_und_ausland/kultur_und_medien/feuilleton/1650957_Gigantisch-hohe-Summen-und-gi-


gantisch-schwammige-Groessenangaben.html<br />

ENTSCHULDIGUNG!<br />

Inzwischen hab ich die Schnauze voll von solch stupider Tätigkeit<br />

wie Artikel beschreiben, Copy and Paste, ebendiesem<br />

Schwachsinn. Hab schließlich schon genug getan. Kann ich<br />

mir im dicksten Judas aller Zeiten auch erlauben...<br />

Natürlich soll kein Leser darunter leiden. Also jetzt nur noch<br />

Links (man sieht ja den Titel darin) unbeschrieben:<br />

http://www.nzz.ch/nachrichten/kultur/literatur_und_kunst/<br />

auch_die_wirtschaft_lebt_von_voraussetzungen_ueber_<br />

die_sie_selbst_nicht_verfuegt_1.2055805.html<br />

http://www.fr-online.de/in_und_ausland/kultur_und_medien/feuilleton/1650957_Gigantisch-hohe-Summen-und-gigantisch-schwammige-Groessenangaben.html<br />

http://www.welt.de/welt_print/article2995344/Finanzielles-<br />

Viagra.html<br />

http://www.welt.de/welt_print/article2728396/Habgier-regiert-die-Welt-nicht.html<br />

http://www.taz.de/1/archiv/print-archiv/printressorts/digiartikel/<br />

?ressort=sw&dig=2009%2F01%2F15%2Fa0128&cHash=ed3f<br />

ba5476<br />

http://www.taz.de/1/archiv/print-archiv/printressorts/digi-artikel/?ressort=me&dig=2008/12/06/<br />

a0143&cHash=729777786e<br />

http://www.fr-online.de/in_und_ausland/kultur_und_medien/feuilleton/1632472_Mit-Staatshilfe-in-das-letzte-Gefecht.html<br />

http://www.glanzundelend.de/auswahl/marxengels.htm<br />

http://www.faz.net/s/RubCF3A-<br />

EB154CE64960822FA5429A182360/Doc~EC62E8A74984E4E89<br />

BA1EEF2B98B7484D~ATpl~Ecommon~Scontent.html<br />

http://www.taz.de/1/archiv/print-archiv/printressorts/digiartikel/<br />

?ressort=ku&dig=2008%2F12%2F17%2Fa0090&cHash=5be2<br />

c40318<br />

http://debatte.welt.de/kommentare/91433/zyklen+der+wirts<br />

chaftslehre+auf+links+folgt+konservativ<br />

http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/352/452060/text/<br />

?CMP=NLC-SDE071022&nlsource=taeglich<br />

http://www.glanzundelend.de/Artikel/kittsteiner.htm<br />

http://www.welt.de/welt_print/article2527747/Ungedeckte-<br />

Wechsel-auf-die-Zukunft.html<br />

http://www.nzz.ch/nachrichten/kultur/aktuell/truegerisches_vertrauen_1.1108410.html<br />

http://www.taz.de/1/archiv/print-archiv/printressorts/digiartikel/<br />

Katastrophe Kapitalismus<br />

Wieder Weimar<br />

?ressort=me&dig=2008%2F12%2F29%2Fa0120&cHash=f3b3<br />

56907b<br />

http://www.sueddeutsche.de/kultur/332/453028/text/<br />

http://www.taz.de/1/archiv/print-archiv/printressorts/digi-artikel/?ressort=pb&dig=2009/01/24/<br />

a0190&cHash=63fdd032d5<br />

http://www.glanzundelend.de/Artikel/reinhardmarx.htm<br />

http://www.welt.de/welt_print/article2567700/Revolutiongegen-die-Daxokratie.html<br />

http://www.welt.de/kultur/article3054559/Unwort-des-Jahres-schaerft-Blick-fuer-Manipulationen.html#reqNL<br />

http://www.tagesschau.de/wirtschaft/armreich100.html<br />

http://www.heise.de/tp/r4/artikel/29/29184/1.html<br />

http://www.heise.de/tp/r4/artikel/28/28904/1.html<br />

http://www.heise.de/tp/r4/artikel/29/29020/1.html<br />

http://www.heise.de/tp/r4/artikel/28/28905/1.html<br />

http://www.heise.de/tp/r4/artikel/29/29015/1.html<br />

http://www.heise.de/tp/r4/artikel/28/28670/1.html


Das Wort zur<br />

Krise<br />

„<strong>So</strong>zialismus“ ist ein politisches System, das wirtschaftliche Probleme schafft.<br />

Und viel zu menschlich.<br />

„Kapitalismus“ ist ein Wirtschaftssystem, das politische wie soziale Probleme schafft.<br />

Und für asoziale Raffköppe eine tolle Sache.<br />

„Der dritte Weg“ ist eine Idee der <strong>So</strong>zialdemokratie. Die gibt es in der SPD, seitdem die letzten 250.000 <strong>So</strong>zialdemokraten wegen des Kapitalistenknechtes Schröder<br />

und seines Hartz4-Unmenschentums ausgetreten sind, nicht mehr.<br />

Die Linke kann das auch nicht ersetzen.<br />

Der „Realsozialismus“ ist untergegangen.<br />

„Kapitalismus“ ist zwar übriggeblieben. Doch erkennt man jetzt, dass das auch nix ist.<br />

Jetzt müssten wir eigentlich überlegen, was menschlich und funktional ist.<br />

Die Idee des dritten Weges ist faszinierend.<br />

Aber wie?<br />

Leserbriefe erwünscht!<br />

Artikel noch lieber!<br />

Go!<br />

Katastrophe Kapitalismus<br />

Wieder Weimar


Überleben nach dem<br />

Supergau<br />

Meine Freundin zog kürzlich los, um sich neue Handschuhe<br />

zu kaufen. In einem kleinen Laden, der über Kleidungsstücke<br />

hinaus auch Küchenreiben und Gemälde röhrender Hirsche<br />

führte, wurde sie fündig. Beim Bezahlen eines Paars gehäkelter<br />

Handwärmer fragte die alte Dame, die hinter der Kasse<br />

saß, meine Freundin, ob sie denn Handarbeiten beherrsche,<br />

was meine bessere Hälfte wiederum verneinte. Darauf<br />

sprach jene altersweise Frau mit tiefem Ernst folgende<br />

Sätze: „Dann lernen sie etwas! Das ist wichtig, wenn nichts<br />

mehr ist.“ Nachdenklich verließ mein Schatz den Laden und<br />

berichtete mir von ihrem Erlebnis. Auch ich kam ins Grübeln<br />

und schließlich zu dem Schluß, daß jener Ausspruch so viel<br />

Wahres enthält, daß man sich seiner Botschaft nicht entziehen<br />

dürfe. Natürlich sponn ich den Gedanken weiter, denn<br />

allein durch die Fähigkeit, Nähen oder Häkeln zu können,<br />

hat noch niemand überlebt. Damit zu meinem eigentlichen<br />

Thema:<br />

Was bringen uns 2009 und erst 2010?<br />

Werden Banken reihenweise schließen? Werden wir alle<br />

arbeitslos? Werden unsere Häuser zerfallen? Wird noch Gas<br />

aus Putinland fließen? Wie kann man sich seiner verzweifelten<br />

Mitbürger erwehren? Ich möchte hier kein Horrorszenario<br />

stricken, aber wer von uns kann noch ohne Feuerzeug<br />

einen Brand entfachen? Wer weiß noch, welches Kraut am<br />

Wegesrand unter all dem Hundepipi eßbar ist? Was hilft es<br />

Survival Training am Amazonas zu machen, wenn man in<br />

seiner Heimatstadt ohne Strom und sauberes Wasser völlig<br />

aufgeschmissen wäre? Daher hier nun der<br />

Judas-Überlebens-Leitfaden<br />

denn wir mögen unsere Leser und möchten es Ihnen ermöglichen<br />

mit zu überleben.<br />

1.Teil<br />

Was ess und trink ich, wenn der Supermarkt schließt?<br />

Gewiß, einige Wochen werden die Konserven im Keller wohl<br />

reichen und bestimmt kramen auch einige Dönerdreher<br />

noch ein paar während des Fleischskandals versteckte Spieße<br />

hervor, aber irgendwann ist damit Schluß und dann?<br />

Homo homini lupus est<br />

Katastrophe Kapitalismus<br />

Wieder Weimar<br />

Das am leichtesten zu jagende Wild ist der Mensch. Von<br />

hinten anschleichen und klopp auf den Kopp, das ist es. Geruchsinn<br />

und Gehör sind derart verkümmert, daß der Homo<br />

sapiens sapiens nur selten den Jäger nahen spürt oder hört.<br />

Wer diese Beute mit seiner ethisch-moralischen Einstellung<br />

in Einklang bringen kann, braucht hier nicht mehr weiter<br />

zu lesen und springt am Besten ins nächste Kapitel. Für alle<br />

anderen folgende Ratschläge:<br />

Wer keine hohen Gourmetansprüche hat, sollte einfach Insekten<br />

essen, die enthalten viel wichtiges Eiweiß. Leider artet<br />

diese Art der Ernährung zu einer tagesfüllenden Beschäftigung<br />

aus, will man genug Kalorien zu sich nehmen. Ganz zu<br />

schweigen von den Ekelgefühlen, dessen Überwindung einen<br />

noch nicht einmal zum Dschungelkönig krönt. Was bleibt<br />

dem ungeübten Jäger mit mangelnder Bewaffnung also<br />

noch? Autofahrer wissen, daß Kaninchen immer ins Licht<br />

rennen. Folglich Licht an, Netz gespannt und dann kann<br />

das Massaker beginnen. Wahrscheinlich, und dies ist mein<br />

letzter Tipp, rennen aber auch anfangs genug gezähmte<br />

Katzen und Hunde herum, die man anlocken und essen<br />

könnte. Vielleicht behält man ein paar und züchtet. Sinnvoll<br />

wäre es heute schon seine Tiere nicht mehr zu kastrieren,<br />

dann läuft die Zucht schon im Haus herum. Fest steht indes,<br />

unser Fleischverzehr wird sich wohl oder übel der asiatischen<br />

Zunge anpassen müssen. <strong>Nicht</strong>s wie los zum schmierigsten<br />

und dreckigsten China-Imbiss in ihrer Stadt und den Magen<br />

trainieren.


Beeren sollst du verzehren<br />

Ach, diese herrlichen Gewächse bieten alles zwischen<br />

Sinnesgenuß und Darmverschluß. Laden sie am besten ihre<br />

hungrigen Nachbarn und Mitüberlebenden zum Essen ein,<br />

kochen ein Süppchen aus den Früchten, servieren jedem eine<br />

andere und schauen sie wer überlebt. Alle anderen könnten<br />

wenigstens noch als Köder für Fische und Fleischfresser dienen<br />

(vorher abkochen). Mit Pilzen, die nun wahrlich überall<br />

wachsen, in der Dusche, im Keller oder unter den Füßen (diese<br />

nicht essen, Selbstversuch zeigte unangenehme Folgen)<br />

kann man da ähnlich vorgehen. Only the smart will survive.<br />

Mann erntet, was man sät<br />

Nun zur wahrscheinlich mühsamsten Nahrungsbeschaffung,<br />

dem Anbau eigener Feldfrüchte. Irgendwo findet sich bestimmt<br />

noch ein Grundstück. Heute schon Samen einlagern,<br />

Kohlgewächse sind zu bevorzugen, die sind genügsam und<br />

ertragen viele Witterungen. Könnte sein, daß diese Nahrung<br />

auf Dauer im doppelten Sinne stinkt, aber welche Arbeitskollegen<br />

sollen laute Flatulenzen noch stören. Man sollte nur<br />

mit aller Kraft sein Feld verteidigen, was drohender Überbervölkerung<br />

ebenfalls entgegen wirkt. Tipp: Gewächshäuser<br />

fallen sehr auf. Als Anschauungsmaterial seien jetzt schon<br />

Berichte aus dem Sudan und Schwarzafrika empfohlen.<br />

Frischwasserfanatiker<br />

Er weidet mich auf grüner Aue und führet mich zum frischen<br />

Wasser. Wer´s glaubt, ist schneller selig, als er Apollinaris<br />

aussprechen kann. Abkochen ist grundsätzlich - wie heutzutage<br />

in mancher Urlaubsregion - erst einmal der richtige<br />

Ansatz, doch gegen raffinierte chemische Verbindungen geschaffen<br />

von Menschenhand, hilft das auch nicht. Blut verendeter<br />

Tiere und Menschen ist auch nicht ideal. Was haben die<br />

wohl vorher getrunken? Bevor sie nun den Chemiebaukasten<br />

für Schüler aus dem Keller kramen, um sämtliche Filtrationsprozesse<br />

durchführen zu können hier mein ultimativer<br />

Rat. Fruchtsaft warm und luftdicht wochenlang lagern, dann<br />

ensteht Alkohol. Ob man dadurch nicht verdurstet? Schon,<br />

aber besoffen stirbts sich schöner.<br />

Fabian Müller<br />

In der nächsten Ausgabe: Die Axt im Hause erspart den Zimmermann:<br />

Vom Hausbau ohne Bausparvertrag<br />

Katastrophe Kapitalismus<br />

Wieder Weimar


Ratzingers religiöses<br />

Roulette<br />

Ratzingers religiöses Roulette


Januskopf Israel:<br />

Antisemitismus bis Gaza<br />

Antisemitismus als Normalität in Duisburg?<br />

Der gesunde Volkszorn war ausgebrochen worden. Uniformierte<br />

stürmten die Wohnungen von Juden, 1938, die<br />

„Reichskristallnacht“.<br />

Nie mehr sollte dergleichen vorkommen. Im Januar gab es<br />

einen Polizeieinsatz in Duisburg, der Anderes nahelegt.<br />

Erinnern wir uns: am 10. Januar fand eine „Friedensdemonstration“<br />

gegen den Gazakrieg mit mehr als zehntausend<br />

Teilnehmern statt, veranstaltet von Milli Görüs.<br />

Die türkische Organisation Milli Görüs vertritt und verbreitet<br />

nach Angaben des NRW-Innenministeriums ein Weltbild,<br />

das die westliche Zivilisation, ihren Wertekanon und ihr Demokratieverständnis<br />

ablehnt. Gekennzeichnet ist diese Ideologie durch<br />

ein ausgeprägtes Freund-Feind-Denken, das mit antisemitischem<br />

Gedankengut angereichert ist.<br />

Wenn Menschen sowohl die westliche Demokratie ablehnen<br />

als auch Antisemiten sind – ich weiß, wie zurückhaltend<br />

man mit diesem Begriff umgehen sollte -, dann sind es aber<br />

Faschisten. Und deutsche Polizisten schützten am 10. Januar<br />

die Faschisten – pflichtgemäß. Ich hätte mich zwar ohnehin<br />

nicht getraut anzugreifen. Aber ist schon in Ordnung.<br />

Aber muss das denn sein? Die Polizei bedankt sich bei den Demonstrationsteilnehmern<br />

bzw. -veranstaltern für die gute Zusammenarbeit.<br />

Dass ich das noch erleben durfte!<br />

Und worin bestand die gute Zusammenarbeit? Also: die<br />

Demo lief eigentlich ganz reibungslos. Weiter im Polizeibericht:<br />

Lediglich zwei israelische Fahnen, die in der dritten Etage<br />

eines Hauses an der Claubergstraße aus den Fenstern hingen,<br />

sorgten für ein kurzes Stocken des Demonstrationszuges auf dem<br />

Weg zum Burgplatz.<br />

Neulich hatte ich noch gelesen, Fahnen machen nicht satt.<br />

Aber immerhin: sie können für dies und jenes sorgen. Diese<br />

Subjekte. Hier für ein kurzes Stocken.<br />

Und da dieser fröhliche Umzug nun sowieso schon einmal<br />

von diesen Subjekten, diesen Fahnen, gestoppt wurde, vertrieb<br />

man sich die Zeit mit ein wenig Spaß.<br />

Die Demonstranten bewarfen sie mit Schneebällen und anderen<br />

Gegenständen …<br />

Gut, so weit, so lustig; aber das ist natürlich nicht der Sinn<br />

einer Demonstration. Da muss die Polizei einschreiten!<br />

… bis die Polizei …<br />

Januskopf Israel: Antisemitismus bis Gaza<br />

… ja, was kann sie in der derart verfahrenen Situation schon<br />

machen? Richtig!<br />

… bis die Polizei die Fahnen entfernte.<br />

Die wollten doch provozieren, diese Fahnen! Friedliche Demonstranten<br />

provozieren – aber nicht bei uns in Duisburg!<br />

Damit das mal klar ist!<br />

Schließlich war die Demonstration angemeldet; die Fahnen<br />

bestimmt nicht. Wenn jetzt gerade WM oder EM wäre, gut:<br />

da drückt man ein Auge zu. Auch bei einer türkischen Fahne,<br />

da ist unsere Polizei gar nicht so.<br />

Aber eine israelische? – Spinner! Bestenfalls.<br />

Klar, dass dann Schneebälle und andere Gegenstände geworfen<br />

werden, wie die Polizei sich ausdrückt.<br />

Und was waren das für andere Gegenstände? Die Lokalzeitungen<br />

schrieben: Demonstranten bewarfen mit Schneebällen und<br />

Taschenmessern zwei israelische Flaggen.<br />

Taschenmesser - hat man halt schon mal so dabei. <strong>So</strong><br />

gesehen, kamen die halt weg zu ihrem eigenen Schutz, diese<br />

israelischen Fahnen. Wenn sich nämlich der Deutsche oder,<br />

wie in diesem Fall, der Türke über den Juden oder Judenfreund<br />

aufregt: ehe dass da was passiert, bringt die deutsche<br />

Polizei ihn weg. Ist besser.<br />

Dass ich das noch erleben durfte! Wenn das der Führer noch<br />

hätte erleben dürfen!<br />

Werner Jurga


Antisemitismus als Normalität in Duisburg?<br />

Der gesunde Volkszorn war ausgebrochen worden. Uniformierte<br />

stürmten die Wohnungen von Juden, 1938, die<br />

„Reichskristallnacht“.<br />

Nie mehr sollte dergleichen vorkommen. Im Januar gab es<br />

einen Polizeieinsatz in Duisburg, der Anderes nahelegt.<br />

Erinnern wir uns: am 10. Januar fand eine „Friedensdemonstration“<br />

gegen den Gazakrieg mit mehr als zehntausend<br />

Teilnehmern statt, veranstaltet von Milli Görüs.<br />

Die türkische Organisation Milli Görüs vertritt und verbreitet<br />

nach Angaben des NRW-Innenministeriums ein Weltbild, das<br />

die westliche Zivilisation, ihren Wertekanon und ihr Demokratieverständnis<br />

ablehnt. Gekennzeichnet ist diese Ideologie durch<br />

Januskopf Israel: Antisemitismus bis Gaza


ARGE Arbeit Armut<br />

Menschenhandel<br />

bei der ARGE<br />

Strafgesetzbuch (StGB)<br />

Besonderer Teil<br />

(§§ 80 - 358)<br />

18. Abschnitt<br />

Straftaten gegen die persönliche Freiheit<br />

(§§ 232 - 241a)<br />

§ 233<br />

Menschenhandel zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft<br />

(1) Wer eine andere Person unter Ausnutzung einer Zwangslage<br />

oder der Hilflosigkeit, die mit ihrem Aufenthalt in einem<br />

fremden Land verbunden ist, in Sklaverei, Leibeigenschaft<br />

oder Schuldknechtschaft oder zur Aufnahme oder Fortsetzung<br />

einer Beschäftigung bei ihm oder einem Dritten zu<br />

Arbeitsbedingungen, die in einem auffälligen Missverhältnis<br />

zu den Arbeitsbedingungen anderer Arbeitnehmerinnen<br />

oder Arbeitnehmer stehen, welche die gleiche oder eine<br />

vergleichbare Tätigkeit ausüben, bringt, wird mit Freiheitsstrafe<br />

von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft. Ebenso<br />

wird bestraft, wer eine Person unter einundzwanzig Jahren<br />

in Sklaverei, Leibeigenschaft oder Schuldknechtschaft oder<br />

zur Aufnahme oder Fortsetzung einer in Satz 1 bezeichneten<br />

Beschäftigung bringt.<br />

(2) Der Versuch ist strafbar.<br />

(3) § 232 Abs. 3 bis 5 gilt entsprechend.<br />

Vorschrift eingefügt durch das Siebenunddreißigste Strafrechtsänderungsgesetz<br />

-<br />

§§ 180b, 181 StGB - (37. StrÄndG) vom 11.2.2005 ( BGBl. I S.<br />

239) m.W.v. 19.2.2005.<br />

Wenn die ARGE das, was sie so macht (siehe auch den Artikel<br />

über den Reichsarbeitsdienst im ersten Kapitel), mit eigens<br />

dafür rangekarrten Ausländern täte, dann wäre das strafbar.<br />

Mit Bundesbürgern kann man’s ja machen...<br />

Und Hartz4er haben keine Menschenrechte...<br />

Judas Thomas Kuhl<br />

ARGE Arbeit Armut


ARGE Arbeit Armut


<strong>So</strong> <strong>Nicht</strong>!<br />

Necati´s <strong>Nicht</strong>s<br />

Vor gut zwanzig Jahren hatten wir Mittwochsabends nach<br />

dem 18-Uhr-Hedda- Herwig-Seminar unseren Stammtisch<br />

im Uni-nahen Café Keko. Der war Kurde und so lernten wir<br />

eine ganze Menge Kurden, Armenier und Türken kennen. Da<br />

hab ich ihn zum erstenmal gesehn. Letzten <strong>So</strong>mmer sahen<br />

wir uns wieder. Und erst da lernten wir uns erst richtig<br />

kennen. Er hatte immer seine kleine Tochter dabei und seine<br />

Frau verdiente als Anwältin das Geld.<br />

Najib vom Café Zentral wollte seinen Laden verkaufen und<br />

in die USA gehen. Der Käufer sollte Necati sein. Allerdings<br />

verzögerte sich das mit dem Geld und Najib wurde immer<br />

nervöser. Bei einem späten Joint sagte Najib mir dann in<br />

diesem Kontext „Der Necati ist kein Wirt, der wird nicht<br />

lange dasein.“<br />

Inzwischen hatte Necati mich ausgefragt, was man denn so<br />

an Kultur machen könne – und ich habe ihm eine Menge<br />

erzählt. Dann rief er mich an und bat mich, mit nach Belgien<br />

zu kommen, um antike Kneipenmöbel zu kaufen. Ich sagte<br />

zu.<br />

Wir waren dann sieben Stunden unterwegs und er hatte<br />

mir zwei Baguettes und einen Kaffee ausgegeben. In bester<br />

Laune hatte er mir unterwegs gestanden „Ich bin nichts,<br />

ich kann nichts und ich hab nichts“ – aber auch, welche<br />

Heidensummen der Umbau seines Cafés koste. Als er mich<br />

dann absetzte, sagte ich ihm, dass er mir (so nett bin ich -<br />

nur) zwanzig Euro schulde – was ihn maßlos erstaunte. Tage<br />

später gab er mir dann den Zwanni und fand das so “nicht<br />

in Ordnung“. Dachte wohl, ich sei dem großen Necati Dank<br />

schuldig für den großartigen Ausflug mit Kost und Verpflegung.<br />

Daß er sich ohne mich sprachlich in Belgien niemals<br />

hätte orientieren können, es muß ihm wohl entfallen sein.<br />

Dann ging es um Beratung. Ich war mehrmals in seinem<br />

Lokal, musste jedes Bier bezahlen, und habe ihm so einiges<br />

verklickert, woraus nicht nur sein „Filmclub“ und dessen<br />

niedriger „Mitgliedsbeitrag“ resultierte.<br />

Schließlich fragte er mich nach einem Auftritt. Ich sagte zu,<br />

mit drei Freunden aufzutreten – obwohl er noch nicht mal<br />

zwanzig Euro zusagen wollte. Wir haben den 18.Dezember<br />

ausgemacht und er hat das in seine Terminkladde eingetragen.<br />

Dann habe ich mir bei ihm zehn Euro geliehen.<br />

Ich den folgenden Tagen habe ich dann die üblichen Pressemeldungen<br />

geschrieben, die man heute noch im Internet<br />

findet und ihm fünf zurückgegeben. Da weder er noch das<br />

Lokal, so wie er es betreibt, mir besonders sympathisch sind<br />

und ich meine Anschubförderung schon leisten würde, war<br />

ich wochenlang nicht da. Wieso auch, war doch alles klar<br />

– dachte ich...<br />

<strong>So</strong> sahen die Pressemitteilungen aus, die ich verschickt<br />

hatte:<br />

Judas Thomas Kuhl & Freunde lesen<br />

Perlen abendländischer Kultur<br />

Dostojewskij, Balzac, Capote, Camus, Schiller, Celan, London,<br />

Nestroy, Rimbaud, Heine, Villon, Mühsam, Bukowski, Nietzsche,<br />

Kuhl, <strong>So</strong>krates, Busch, de Sade, Wedekind und einige mehr sind in<br />

dem Hut, aus dem der Herausgeber des „Judas-Kulturmagazin“ mit<br />

seinen Freunden Unerwartetes zaubern wird.<br />

„Ob jetzt Bukowski oder Kinski, klingt wie Waits oder Kuhl“, so<br />

Udo Lindenberg. Als expressiver Hörspielsprecher hat er Aliens wie<br />

Vampire und als Synchronsprecher die Bösen geknattert. Jetzt nimmt<br />

er sich die Großen vor.<br />

Er bringt drei Freunde mit - und Musik, also: Frohes Fest!<br />

Donnerstag, 18. Dezember, 20Uhr<br />

Café Zentral, Steinsche Gasse 48<br />

Eintritt frei


Dann waren Walter Krebs und ich wieder mal unterwegs und<br />

fanden Necatis Dezember-Flyer – ohne die abgesprochene<br />

Veranstaltung. Zur Rede gestellt, behauptete er, wir hätten<br />

nichts ausgemacht und er habe jetzt einen Literaturorganisator,<br />

man könne da im Januar etwas machen – außerdem<br />

schulde ich ihm Geld und sei ja die ganze Zeit nicht vorbeigekommen.<br />

Auf meinen Hinweis, dass er jetzt Gratiswerbung<br />

hätte und ich als unzuverlässiger Künstler dastünde, obwohl<br />

er doch die Schlampe sei, wurde er unfreundlich.<br />

Ich habe ihm dann gesagt, das sei mir noch nie passiert, ihm<br />

die restlichen fünf Euro gegeben, und wir sind gegangen.<br />

Mehrere hatten mich schon darauf hingewiesen, dass Geld<br />

bei Necati problematisch sei.<br />

Ich finde es scheisse, wenn ein Wirt selber jeden Euro abgereift<br />

und dann Kulturschaffende abzockt.<br />

Was Necatis Wort wert ist, das sieht man hier.<br />

Mancher hat mir abgeraten, doch dachte ich (und denke<br />

es immer noch), man müsse neue Wirte in dieser so überschaubaren<br />

Szene unterstützen – besonders, wenn sie Kultur<br />

machen wollen.<br />

Später habe ich dann von Freunden, die am Veranstaltungstag<br />

umsonst bei Necati aufgelaufen waren, erfahren, er habe<br />

ihnen gesagt, die Veranstaltung sei ein „Missverständnis“<br />

– ich hätte ihn wohl nicht richtig verstanden.<br />

Was ist an einer klaren Abmachung mit Eintragung in seiner<br />

Terminkladde mißzuverstehen? Ich verlasse mich seit 25<br />

Jahren auf mündliche Abmachungen. Wer die nicht einhält<br />

– dessen Unterschrift auf einem Vertrag ist auch nichts wert.<br />

Necati ist für mich gestorben. In seinem Laden wird man<br />

mich nicht sehn.<br />

Judas Thomas Kuhl<br />

PS: Mir ist eingefallen, dass mir so was doch schon mal<br />

passiert ist. Siehe den folgenden Artikel über meine Erfahrungen<br />

in Erols „Piano“...<br />

PIANO Beschiß<br />

in leise<br />

<strong>So</strong> <strong>Nicht</strong>!<br />

Die Duisburger Innenhafengesellschaft lobt jährlich einen<br />

Publikumspreis für Lokale rund um die Gewässer des<br />

besagten Kanals aus. 2005 ging der erste Preis an das<br />

„Piano“ und der zweite an das „Post scho“, wo ich jeweils<br />

am 4. Samstag den Duisburger Satirischen Monatsrückblick<br />

bringe.<br />

Nun ist das Piano einiges größer als das Past scho, hat<br />

abends geöffnet und unterzeilt seine Flyer mit „Restaurant-<br />

Bar-Entertainment“, macht fast täglich Live-Musik, wenn<br />

auch allzu oft auf Karaoke-Niveau.<br />

Ich wollte - neben meiner Veranstaltung im Past scho,<br />

die eher wortlastig ist, eine mit mehr Musik und auch mit<br />

Rockbands machen. Deshalb habe ich am letzten Samstag im<br />

September einen meiner Flyer mit Telefonnummer im Piano<br />

hinterlassen. Schon am darauffolgenden Montag bimmelte<br />

das Telefon. Der Anrufer stellte sich als Erol vor, Inhaber<br />

des Piano, und wollte mich dringend sehn. Also trafen wir<br />

uns am Dienstag in seinem Lokal, wo er sich vorstellte als<br />

derjenige, der zehn Jahre lang das Roma-Theater-Pralipe im<br />

Theater Mülheim/Ruhr geschäftlich geleitet habe. Er sei ein<br />

dicker Kumpel von Roberto Ciulli.<br />

<strong>So</strong> <strong>Nicht</strong>!


Ciulli als Referenz<br />

Nun kann man mit dem Mülheimer Theaterregisseur bei mir<br />

keinen Blumentopf gewinnen. Er macht zwar Super-Multi-<br />

Kulti, sorgt für Super-Kostüme und ein Super-Bühnenbild,<br />

verballert super-viel öffentliche Kohle, nur fehlt diesem<br />

mehrfach preisgekrönten Scharlatan jegliche Ahnung von<br />

Theater, er versteht das nicht, was er spielen läßt.<br />

Er motzt die Stücke, die er versaut, zwar unwahrscheinlich<br />

auf, versteht aber den Plot nicht. Einen noch schlechteren<br />

„Ödipus“, als der, den ich in Mülheim gesehen habe, kann<br />

es gar nicht geben. Sein verpeilter Protagonist schwafelt<br />

dann noch im Programmheft von dem ,,<strong>Nicht</strong>s“, das ihn<br />

angesichts der Rolle erschlagen habe. Mit anderen Worten,<br />

Erol kommt aus dem <strong>Nicht</strong>s.<br />

Dann stellte er mir seine Prioritäten vor: 1. er wolle seinen<br />

Lebensstandard halten, 2. Lokal und Personal und – zuletzt<br />

- die Künstler. Wie die staatliche Politik, an der Kultur wird<br />

zuerst gekürzt, weshalb unsere Kultur den Bach runtergeht.<br />

Er, so Erol, habe selbst an gut besuchten Abenden ganzen<br />

Bands höchstens 150 Euro gezahlt. Und Leute, die mehr<br />

wollten, seien bei ihm nicht erwünscht – er habe diesbezüglich<br />

auch schon Lokalverbote aussprechen müssen. Nun<br />

ging es mir nicht um Geld. Er sagte, wir würden gemeinsam<br />

Erfolg haben und machte einen etwas zu euphorischen<br />

Eindruck.<br />

Brot und Spiele<br />

Ich stellte ihm „Brot und Spiele“ vor: eine Wortnummer von<br />

mir, ein <strong>So</strong>ng, wieder Wort und so weiter - und gelegentlich<br />

ein Talkgast. Er fand das toll – und versprach, mir für meine<br />

<strong>So</strong>ngs in seinem Lokal einen Pianisten zu besorgen. Um das<br />

abzukürzen, die Handynummer, die er mir später gab, auf<br />

die hat sich niemand gemeldet. Und er beklagte sich, dass<br />

ihm für heute abend der Moderator krankheitsbedingt fehle;<br />

später habe ich dann erfahren, dass es keinen gibt. Ob ich<br />

nicht seinen Karaoke-Abend moderieren wolle, was ich ihm<br />

zusagte.<br />

An Terminen sprachen wir den 27.Oktober, den 17. November<br />

und für mein Weihnachtsprogramm „Lachen, Weinen,<br />

Weihnachten“ drei Donnerstage im Dezember ab. Ihm fehlte<br />

wohl jemand für donnerstags. Wir sprachen dann ab, wer<br />

welche Presseorgane benachrichtigt. Er gab an, dass ihm<br />

,,der Duisburger aus der Hand frisst“ und dass die zu ihm<br />

kämen, wenn er sie bräuchte. Während der Wochenanzeiger<br />

ihn ignoriere.<br />

Karaoke-Kacke<br />

Am Abend sah ich dann all die „Künstler“ und „Superstars“,<br />

die den Karaoke-Abend bevölkerten. Einige kannte ich, die<br />

Frau, die ohrenbetäubend falsch singt, der Pianist, mit dem<br />

ich nach unserem ersten und einzigen gemeinsamen Auftritt<br />

nicht mehr rede, lernte aber auch noch andere kennen, die<br />

noch schlimmer waren. Und der Marktschreier in dieser<br />

Mülltüte war ich.<br />

Dafür bin ich nicht geeignet. Und das hat Erol auch gemerkt.<br />

Auf Gage hatte ich eh verzichtet, war für Freigetränke<br />

aufgetreten. Pünktlich bei Veranstaltungsende signalisierte<br />

mir der „Kulturförderer“, ab jetzt müsse ich selber zahlen.<br />

Von dem ebenso vereinbarten Taxi hin und zurück war dann<br />

keine Rede mehr.<br />

<strong>So</strong> <strong>Nicht</strong>!<br />

In irgendeiner Nacht habe ich dann auf irgendeiner Straße<br />

einen besonders dümmlichen Piano-Kellner gesehn und der<br />

hat mir irgendwie gesagt, dass er sich vorsorglich freigenommen<br />

hätte für den Abend, wo ich irgendwas im Piano<br />

machen würde. Was für ein Omen!<br />

Die Zuverlässigkeit des Wirtes<br />

Zum 27.Oktober hatte Erol seine Pressearbeit nicht gemacht,<br />

sagte, er sei nicht dazu gekommen und „die Angie“ vom<br />

Duisburger habe er nicht gesehen. (Klar, die gibt’s ja auch<br />

nicht) Also waren ganze acht Gäste da, knutschende Pärchen,<br />

die nichts von einer Veranstaltung wussten. Als ich ihn<br />

dann anrief, kam er, um mir zu sagen, er habe sich schon<br />

gedacht, dass das nichts bringt. Auf meinen Einwand, ohne<br />

Ankündigung könne er kein volles Haus erwarten und, dass<br />

sein Laden sooo schlecht liefe, hätte ich nicht wissen können,<br />

ist er nicht eingegangen.<br />

Ich hab ihm dann den Dezember abgesagt, aber auf dem<br />

17.November bestanden. Schließlich hatte ich schon eine<br />

affengeile Band, Band3 aus Essen, verpflichtet, mit denen ein<br />

Pressephoto gemacht und einen <strong>So</strong>ng mit ihnen einstudiert.<br />

Ich rief beim Curran vom Duisburger an, um ihm zu erklären,<br />

auf was ich da reingefallen war.<br />

Zwischenzeitlich war ich dann mal in seinem Lokal und Erol<br />

und eine seiner Thekenkräfte, beide Mazedonier, sprachen<br />

mazedonisch negativ über ,,den Typen“. Ich sagte beiden,<br />

daß ich polnisch spräche und verstünde, was sie so geflüstert<br />

hätten. Worauf sie wieder deutsch sprachen.


Erol nahm mich dann mit in die City und ging auf dem Weg<br />

kurz in die Sparkasse, wo er auf keine seiner vier Karten Geld<br />

ziehen konnte. Sagte, er habe alle Geheimnummern vergessen.<br />

Nun ziehe ich mir die Hose nicht mit der Kneifzange an,<br />

der Typ hat keine Kohle. Kein Wunder, wenn man dauernd<br />

mit dem Ciulli nach Kroatien fliegt und sein Lokal schleifen<br />

lässt. Später habe ich dann Plakate und Flyer an der Bar<br />

abgegeben, die dort niemand aufgehängt bzw. verteilt hat.<br />

Zum 17.November habe ich dann die gesamte Presseankündigung<br />

sicherheitshalber selbst gemacht. Am Montag vor<br />

dem Donnerstag des Auftritts rief mich eine Bekannte aus<br />

Köln an, auf der Internetseite des Piano sei jemand anders<br />

für Donnerstag angekündigt. Ich hab mir das dann angesehn:<br />

da stand „La Jolla“ mit Repertoire von Dietrich bis<br />

Piaf. Zuerst dachte ich an eine Jolle, pfiff „Am <strong>So</strong>nntag will<br />

mein Süßer mit mir segeln gehen“, ein <strong>So</strong>ng aus Marlenes<br />

Berliner Zeit.<br />

Also rief ich Erol an und der andere Mazedonier sagte zuerst,<br />

Erol sei nicht da, dann „Moment mal“, flüsterte mazedonisch,<br />

der Kabarettist sei am Hörer, und sagte dann „Mann,<br />

hast Du ein Glück, der Erol kommt gerade rein“. Erol sagte<br />

- was ich ihm nicht glaube - er hätte meine Nummer verlegt<br />

und beabsichtigt, sie von „Past scho“ zu erfahren, um sich<br />

bei mir zu entschuldigen, der Auftritt am Donnerstag könne<br />

nicht stattfinden, da sei eine Chansonsängerin, da kämen<br />

viele Gäste, die sein Drei-Gänge-Menü kaufen würden, ich<br />

müsse verstehn, er sei in erster Linie Geschäftsmann - und es<br />

täte ihm leid um mich. Da wusste ich noch nicht, wie er das<br />

meinte. Und er sagte mir zu, dass er ein Schild raushängen<br />

wolle, dass meine Veranstaltung abgesagt sei. Das glaubte<br />

ich ihm eh nicht. Eher war zu vermuten, dass er meine<br />

Gäste auch noch bewirten wollte, also zwei Veranstaltungen<br />

angekündigt hatte, um doppelt Gäste - und damit doppelt<br />

Umsatz - zu haben.<br />

Zuerst habe ich versucht, ein Ausweichlokal für Donnerstag<br />

zu finden, was mir nicht gelang. Dann habe ich der Band<br />

abgesagt, mich mit einem befreundeten Pärchen für Donnerstag<br />

vor Ort (nebenan im „Mississippi“) verabredet. Und<br />

bin an besagtem Donnerstag ins Piano.<br />

Große Kunst mit 4-Gänge-Menü<br />

<strong>So</strong> <strong>Nicht</strong>!<br />

Das versprochene Abkündigungsschild am Eingang war<br />

natürlich nirgendwo zu sehn. Und der Laden so leer wie<br />

sonst. Ich setzte mich an die Theke und bestellte was. Im<br />

ausliegenden Programmzettel war dann zu sehen, was heute<br />

abend drohte: „Die fesche L(J)ola Wollters singt Chansons<br />

von M.Dietrich und E.Piaf“. Nun war mir klar, was<br />

Erol meinte, als er sagte, es täte ihm leid – für mich. Denn<br />

Jola Wolters – nicht Jolla und auch nicht Wollters, wie ein<br />

mazedonischer „kulturfördernder“ Analphabet zu schreiben<br />

beliebt – ist eine geschiedene Kuhl: meine Ex.<br />

Da konnte ich natürlich nicht mehr glauben, dass das alles<br />

Zufall war. Offensichtlich war ich in seinen Augen ob meines<br />

Mangels an künstlerischen Fähigkeiten – denn so sieht<br />

er das wohl, wenn sich jemand nicht gerne marktschreierisch<br />

prostituiert, wenn sich jemand zu animatorischen<br />

Ballermannismen nicht so hingezogen fühlt – nicht mehr<br />

interessant, weshalb er die erste Veranstaltung schon hatte<br />

schleifen lassen.<br />

Wie Jola und Erol zusammengekommen sind, kann ich nicht<br />

wissen. Doch ist auffällig, dass er drei Tage vor Termin<br />

noch nicht abgesagt, weder meine Plakate noch meine Flyer<br />

ausgehängt bzw. verteilt, und zugelassen hatte, dass ich mit<br />

einer sechsköpfigen Band zum Aufbau erschienen wäre, um<br />

dann erst zu erfahren, dass wir nicht stattfinden.<br />

Nach und nach trudelten dann so einige -zig Leute ein, wobei<br />

ich den Gesichtern der Gekommenen wohl kaum ansehen<br />

konnte, ob sie wegen mir/Band3 oder wegen Jola gekommen<br />

waren. Etliche waren stracks zu mir gekommen, um mich


zu begrüßen. Und ein alter Kumpel aus Studientagen, Luke,<br />

hatte sich zu mir gesellt.<br />

Andererseits konnte Erol die Verhältnisse wohl auch nicht<br />

einschätzen. Und wurde sichtbar nervös. Jola spielte die<br />

Grande Dame und verzog sich in ein Eckchen. Da ich in<br />

dieser Stadt schon so etliche Barrikaden gebaut, Minister<br />

bloßgestellt und Veranstaltungen gesprengt habe, kann ich<br />

im nachhinein die Flucht der beiden nach vorne verstehen.<br />

Um halb neun – eine halbe Stunde zu früh – ergriff der<br />

selbsternannte Kulturförderer das Mikrophon, um den<br />

Anwesenden mitzuteilen, mein in der Presse angekündigter<br />

Auftritt finde nicht statt, stattdessen träte Jola Wolters auf<br />

– und, es sei seine Schuld, man möge ihm dies verzeihen.<br />

Dann begann Jola’s Auftritt.<br />

Die als „Duisburger Marlene“ bzw. „Fesche L(J)ola“ attribuierte<br />

Person ist mir – wie vorher bereits erwähnt – aus<br />

meiner zweiten Ehe hinreichend geläufig. Und das – abgesehen<br />

von dieser Intrige, mir einen Gig kaputtzumachen – tut<br />

hier nichts zur Sache. Aber es gibt da einige hochinteressante<br />

Aspekte hinsichtlich Jolas Kunst, Erols Kulturkonzept und<br />

der Stadt, in der sich ein Publikum so was bieten lässt.<br />

Tingel-Tangel-Jola<br />

Als ich Jola kennenlernte, hatte sie ein Repertoire von etwa<br />

400 <strong>So</strong>ngs, und war Mitte dreißig. Marlene’s Repertoire nach<br />

fünfzig Bühnenjahren betrug lediglich 163 <strong>So</strong>ngs; außerdem<br />

spielte sie Geige, Klavier, Akkordeon, Gitarre, Schlagzeug<br />

und singende Säge. Natürlich war sie firm in deutscher,<br />

französischer und angelsächsischer Literatur sowie umfas-<br />

send gebildet. Sie hat selber Texte geschrieben und <strong>So</strong>ngs<br />

übersetzt/nachgedichtet. Von ihrer Persönlichkeit, ihren<br />

Prinzipien will ich hier gar nicht erst reden. Kein Vergleich<br />

zwischen Quantität und Qualität oder Jola und Marlene.<br />

Ich hab mich mit Jola immer gestritten, weil es ihr reichte,<br />

phonetisch zu singen, d.h. Töne rüberzubringen ohne zu verstehen,<br />

was Text sagt. Natürlich ist denken nicht Jedermanns<br />

Sache. Und es bleibt ein großer Unterschied, dass Marlene<br />

als fesche Lola Tingeltangel spielt versus Jola, die trotz anderer<br />

Möglichkeiten entschieden Tingeltangel geblieben ist.<br />

Dennoch habe ich ihr „Ne me quitte pas“, „Dream a little<br />

dream with me“, „Padam, padam“ und etliches sonst beigebracht.<br />

Als ich sie dann zum Besuch eines Brecht-Abends<br />

überzeugen konnte – wie hätte ich wissen können, dass sie<br />

sich dann zur Chansonette aufplustert? Sie haben’s schon<br />

im „Grundkurs Cabarett“ gelesen, hier nochmals Kästners<br />

„Ankündigung einer Chansonette“, mit der dieser die wahren<br />

Künstlerinnen von den „Damen mit den bordelliziösen<br />

Mienen“ abgrenzen wollte:<br />

Sie singt, was sie weiß. Und sie weiß, was sie singt.<br />

Man merkt das am Gesang.<br />

Und manches, was sie zum Vortrag bringt,<br />

behält man jahrelang.<br />

Sie pfeift auf das mühelos hohe C.<br />

Und ihr Ton ist nicht immer rund.<br />

Das Herz tut ihr manchmal beim Singen weh.<br />

Denn sie singt nicht nur mit dem Mund.<br />

Diesem Maßstab kann Jola nicht genügen. Hören Sie sich<br />

<strong>So</strong> <strong>Nicht</strong>!<br />

mal ihr „Ich hab noch einen Koffer in Berlin“ an. (Näheres<br />

zu diesem <strong>So</strong>ng am Ende des Artikels „Satire oder <strong>Nicht</strong>sein“)<br />

Geleierte Beliebigkeit mit Kirmesorgel, nichts von der<br />

Sentimentalität und Tiefgründigkeit dessen, was Marlene<br />

gefühlt, Ralph Maria Siegel gemeint und La Dietrich dann<br />

gesungen hat. Von Jola klingt es wie besoffen. Und so ist sie<br />

dann tatsächlich der „Blaue Engel“ geworden.<br />

Im gleichnamigen Film singt Marlene in einem Puff, der – so<br />

wie etliche Strip-Bars – unter „Cabaret“ firmiert. Die Puffmutter<br />

des Films, Rosa Valetti, betrieb im wahren Leben ein<br />

richtiges Kabarett, ihre Texte kann man heute noch lesen.<br />

Piano – Puff – Premium Cars<br />

Die Tarnung von Puff als Kabarett erinnert mich an einen<br />

Karaoke-Laden im Innenhafen, an einen gewesenen Theatermanager<br />

und an ein misslungenes „Kulturkonzept“.<br />

Übrigens ist der Schuppen ganz in Rotlicht getaucht. Damit<br />

Sie mich richtig verstehn: Ich habe Erol nicht als Puffmutter<br />

bezeichnet.<br />

In der Stunde, die ich dageblieben bin, wurde kein einziges<br />

Drei-Gänge-Menü verkauft. Wohl aber ein Hamburger.<br />

<strong>Nicht</strong> viel. Vom Drei-Gänge-Menü reden – und Hamburger<br />

verkaufen, auch das eine Niveau-Meßlatte.<br />

Übrigens bietet im Rahmen dieses grandiosen „Kulturkonzeptes“<br />

ein Flyer des „Piano“ einen Gratis-Chauffeur-Service:<br />

Sie möchten mit einer Luxuskarosse abgeholt und zurückgefahren<br />

werden? Gratis?... Wenn zwei Personen einen Verzehrgutschein<br />

in Höhe von 60 Euro kaufen und einen Tag vorher bestellen,<br />

dann holt „Kuhn Premium Cars GmbH“ die beiden


Angeber mit nem Jaguar ab und fährt die Schnapsleichen<br />

nachher wieder ins Bett.<br />

Prolls, dicke Autos, Rotlicht, Tingeltangel – wo bin ich da<br />

bloß reingeraten? Anfangs hab ich mich geärgert, nachher<br />

war ich erleichtert – und jetzt ist noch ne Nummer draus<br />

geworden. Wie schön. Danke Erol! Danke Jola!<br />

Judas Thomas Kuhl 2005<br />

hello<br />

mr. buddywuggy<br />

montagnacht hast du mich gegen schluß der disco angepöbelt,<br />

ich hätte mich „auf kosten armer studenten reingezeckt“.<br />

das ist nicht wahr<br />

wir haben mit ca. 10 leuten (außer mir alle hundertmeisterpersonal)<br />

in der kneipe brittas geburtstag gefeiert<br />

als unten definitiv schluß war, wollten die anderen rauf in<br />

die disco, worauf ich sagte, ich sei kein mitarbeiter<br />

britta antwortete mir, ich solle doch mitkommen<br />

für mich war das ne einladung<br />

vorab habe ich mit den security-leuten gesprochen<br />

und wir sind dann alle raufgegangen<br />

die abiturienten haben uns als hm-personal angesehen und<br />

durchgelassen<br />

oben haben wir dann weitergefeiert<br />

<strong>So</strong> <strong>Nicht</strong>!<br />

dabei habe ich dem hundertmeister sechs bier umsatz<br />

gebracht (abgesehen von den getränken, die freunde mir<br />

ausgegeben haben)<br />

gezeckt war da gar nix


mr. big<br />

deshalb jetzt zu dem, was dich wirklich beschäftigt, der du<br />

doch immer so bemüht bist, vor kleinen mädchen den helden<br />

zu markieren und auch ansonsten ein heftiges anerkennungsproblem<br />

zu haben scheinst<br />

(wirbst in deiner webpräsenz mit namen, wo du gar nix<br />

reißen kannst)<br />

wenn du dich als dj wie gott fühlst, ist das deine macke. da<br />

ist es natürlich blöd, wenn da jemand auf der tanzfläche die<br />

aufmerksakeit auf sich zieht. das kann einen heiligen bo<br />

verdammt eifersüchtig machen<br />

der typ aus der plus-verwaltung, mit dem ich da stand, war<br />

zum ersten mal im hm und doch sehr irritiert ob deines miesen<br />

benehmens. ob der nochmal wiederkommt - wer weiß<br />

das nur weil ich nicht will, daß wieder lügen über mich<br />

kursieren<br />

PS wenn du mal groß und schlau bist<br />

werden wir gemeinsam drüber lachen<br />

mr. bo<br />

judas thomas kuhl<br />

mr. buddywuggy heißt carsten butterwegge, firmiert unter<br />

musicembassy.de und wurde inzwischen vom Hundertmeister<br />

als Booker gefeuert.<br />

Dagmar Sall’s<br />

OB-Lotto<br />

Montagmittag klingelte das Telefon. Es meldete sich die mir<br />

unbekannte Dagmar Sall und fragte mich, ob ich Oberbürgermeister<br />

werden möchte. Ich war platt.<br />

Sie hätte mich im Internet gefunden und hielte mich für<br />

einen geeigneten Kandidaten. Nun findet man nicht einfach<br />

Thomas Kuhl im Internet, alldieweil es noch einen gleichnamigen<br />

Kaplan, einen Monheimer Politiker und etliche mehr<br />

gibt. Man braucht schon einen Hinweis auf meine politische<br />

Vergangenheit. Meine Demoauftritte und Reden im Audimax<br />

der Duisburger Uni mögen legendär sein, sind aber auch<br />

schon über 15 Jahre her. Und auf „Judas“ Thomas Kuhl muß<br />

man erst mal kommen.<br />

Egal, sie hätte eine Partei, ein Ratsmandat und die Unterschriften<br />

zur Kandidatur schon zusammen. Nun fand ich<br />

den Gedanken faszinierend. Zwar habe ich überhaupt keinen<br />

Bock auf ein Amt inmitten von übelstem Polit-Gesindel. Also<br />

sagte ich ihr, der Wahlkampf würde mir schon Spaß machen,<br />

das Abmeiern der beiden erheblich vorbelasteten Volkspartei-Spitzenkandidaten<br />

Sauerland und Brandt. Auch ist so<br />

eine Wahlkampf immer eine Möglichkeit, politische Ziele<br />

zu formulieren. Aber ein Amt oder Verpflichtungen in ihrer<br />

Partei wolle ich nicht. <strong>So</strong> kamen wir ins Tratschen über die<br />

üblichen Politikaster dieser Stadt.<br />

Am Rande teilte sie mir dann mit, ein Ratsmandat sei auf<br />

jeden Fall drin und als Abgeordnetengruppe könne man sich<br />

<strong>So</strong> <strong>Nicht</strong>!<br />

zu zweit ein Büro teilen sowie die dafür üblichen 9000undnochwas<br />

Euro. Rederecht im Rat, warum nicht? Ein Büro wäre<br />

mehr Infrastruktur für meinen Judas.<br />

Ich erfuhr, dass sie mit Tsunami-Hilfe „groß im Geschäft<br />

gewesen“ sei, vieles über ihre körperlichen und sonstigen<br />

Leiden und natürlich, wie beschissen die Welt so ist. Schließlich<br />

sagte ich ihr, ich sei nicht abgeneigt, sie möge das aber<br />

noch nicht als Zusage werten.


Die nachfolgende Internet-Recherche brachte zutage, dass<br />

die Sall auch schon mal eine Bürogemeinschaft mit einem<br />

Republikaner hatte, die durch sie vertretene „Aufbruch-<br />

Mittelstand-Partei“ wird praktisch im Rat nicht vertreten,<br />

Prozesse, Finanzskandale etc... „Aus gewöhnlich gut informierten<br />

Kreisen“ hört man, sie sei „die Mutter der Frustrierten“<br />

und „schwer auszuhalten“.<br />

Als ich dann am nächsten Tag anrief, um abzusagen, meinte<br />

sie, ich hätte mich wohl informiert, das sei aber auch egal,<br />

sie habe „jetzt schon den nächsten Bewerber“ und sei jetzt<br />

„an einer ganz anderen Baustelle“, heute gehe es um „Finanzen“.<br />

Kein Kommentar.<br />

Judas Thomas Kuhl<br />

Zlatan’s Fäkalien<br />

2.Folge<br />

In der letzten Ausgabe hatten wir über Zlatan Alihodzic’s demagogische<br />

Aktivitäten in der WAZ sowie über andere seiner<br />

seriellen Katastrophen berichtet.<br />

Unbestätigten Gerüchten zufolge soll die Diskothek PULP<br />

ihm aufgrund seiner hohen Sensibilität sowie seiner herausragenden<br />

<strong>So</strong>zialkompetenz ein Lokalverbot ausgesprochen<br />

haben.<br />

<strong>So</strong> <strong>Nicht</strong>!


Feuilleton<br />

Aphorismen<br />

Die Menschen sehen nur das, was sie noch alles haben und<br />

bekommen könnten, schätzen aber nicht, was sie haben, bis<br />

sie es verlieren.<br />

Jimi Hendrix<br />

Es ist die Aufgabe des Intellektuellen, den Anschein von<br />

Einstimmigkeit zu durchbrechen.<br />

Pierre Bourdieu<br />

Wer viel Charakter hat, hat wenig Eigentum.<br />

John James Osborne<br />

Wer erst einmal begriffen hat, dass wir bloß eine zufällig<br />

entstandene Trockennasenaffenart auf einem Staubkorn im<br />

Weltall sind, der wird religiösen Heilserzählungen automatisch<br />

mit der nötigen Skepsis gegenübertreten.<br />

Michael Schmidt-Salomon<br />

Die Hoffnung nährt mich, sie nährt ja die halbe Welt, und<br />

ich habe sie mein Lebtag zur Nachbarin gehabt - was wäre<br />

sonst aus mir geworden?<br />

Ludwig van Beethoven<br />

Wo die Zivilcourage keine Heimat hat, reicht die Freiheit<br />

nicht weit.<br />

Willy Brandt<br />

Zynismus ist der geglückte Versuch, die Welt so zu sehen,<br />

wie sie wirklich ist.<br />

Jean Genet<br />

Tag und Nacht durchzuzechen ist für niemanden eine Schande.<br />

Tacitus<br />

Mut steht am Anfang des Handelns, Glück am Ende. Demokrit<br />

Die Theorie bestimmt, was wir beobachten können.<br />

Albert Einstein<br />

<strong>Nicht</strong> in der Erkenntnis liegt das Glück, sondern im Erwerben<br />

der Erkenntnis.<br />

Edgar Allan Poe<br />

Der Glaube an Vorurteile gilt in der Welt als gesunder Menschenverstand.<br />

Claude Adrien Helvetius<br />

Ein Gespräch setzt voraus, dass der andere recht haben<br />

könnte.<br />

Jürgen Habermas<br />

Erfahrung nennt man die Summe aller unserer Irrtümer.<br />

Thomas Alva Edison<br />

Beim modernen Ultimatum droht man nicht mit Krieg,<br />

sondern mit Hilfe.<br />

George Frost Kennan<br />

Feuilleton<br />

Zu einem erfolgreichen Sänger gehören ein großer Brustkorb,<br />

ein großer Mund, neunzig Prozent Gedächtnis, zehn<br />

Prozent Verstand, eine Menge harter Arbeit und etwas im<br />

Herzen.<br />

Enrico Caruso<br />

Die Berühmtheit manches Zeitgenossen ist unmittelbar mit<br />

der Dummheit seiner Bewunderer verbunden.<br />

Heiner Geißler


Mit einer silbernen Pinzette hat sich Bertolt Brecht Dreck<br />

unter die Fingernägel geschoben, um glaubhaft klassenbewusst-proletarisch<br />

zu wirken.<br />

Theodor W. Adorno<br />

Mit Marx hatte die <strong>So</strong>wjetunion letztlich nur noch so viel zu<br />

tun wie Hartz IV mit August Bebel und Eduard Bernstein.<br />

Jürgen Nielsen-Sikora<br />

Demokratie = Die Anerkennung, dass wir, sozial genommen,<br />

alle füreinander verantwortlich sind. Heinrich Mann<br />

Fast Food und der Kartoffelbrei aus der Tüte sind sehr parallel<br />

zu dem, was sich im Fernsehen tut.<br />

Alfred Biolek<br />

Aufgabe von Kunst ist es heute, Chaos in die Ordnung, zu<br />

bringen.<br />

Theodor W. Adorno<br />

„Das Schlimmste im Leben sind die Versuchungen, denen<br />

man nicht erlegen ist.“<br />

Alan Ayckbourn<br />

Mut ist oft Mangel an Einsicht, während Feigheit nicht selten<br />

auf guten Informationen beruht.<br />

Peter Ustinov<br />

An die Narzissen<br />

Narzissen, wenn ihr von uns geht,<br />

erfüllt es uns mit Leid:<br />

Ihr eilt von dannen so geschwind –<br />

bereits zur Mittagszeit.<br />

Geht nicht,<br />

noch eh‘ das Abendlicht verrinnt,<br />

und vor dem Nachtbeginn<br />

ziehn nach gemeinsamem Gebet<br />

auch wir mit euch dahin.<br />

Denn unser Leben ist – genau<br />

wie euer – bald vorbei:<br />

Man wird geboren, reift heran,<br />

doch vielzu kurz der Mai.<br />

Uns frisst der Tod,<br />

und wer vermisst uns dann? –<br />

<strong>So</strong> treiben wir davon,<br />

wie Regen und wie Morgentau,<br />

verdunstet in der <strong>So</strong>nn‘.<br />

Aus:<br />

Robert Herrick: To Daffiodils,<br />

übertragen von Alexander Nitzberg<br />

Feuilleton


Nach des<br />

Tages Mühen<br />

Es war eine schreckliche Nacht, die Frau Meyer in der<br />

Pension „Nach des Tages Mühen“ verbringen musste. Das<br />

Zimmer erinnerte mit seinem strengen Geruch in geradezu<br />

aufdringlicher Weise an die fette Frau Schneider. Der Teppich<br />

hatte seine Eigenfärbung eingebüßt und war mit Flecken<br />

jeglicher Couleur bedeckt. Vorn schillerte es in eher rötlichen<br />

Tönen. Rotwein oder etwa Blut? Frau Meyer schüttelte es<br />

vor Entsetzen. Weiter unten stritten gelblichbräunliche und<br />

grünliche Schattierungen um die Vorherrschaft. Frau Meyer<br />

unterließ es tunlichst, über deren Herkunft nachzudenken,<br />

Erbspüree?!<br />

Die Möbel, ein Bett, ein Stuhl, ein Schrank, erweckten<br />

hinsichtlich ihrer Stabilität keinerlei Vertrauen und hätten<br />

jedem Sperrmüllhaufen Ehre gemacht.<br />

Die Gardinen hatten sich größtenteils aus ihren Halterungen<br />

gelöst und waren offensichtlich zu irgendwelchen Reinigungsarbeiten<br />

– Schuheputzen? – benutzt worden.<br />

Und erst die Bettwäsche! Über die Löcher hätte Frau Meyer ja<br />

noch tapfer hinweggesehen, aber diese obskuren Flecken auf<br />

dem Laken! Das war einfach zu viel!<br />

Frau Meyer rollten dicke Tränen übers Gesicht.<br />

Wie konnte ihr Horst das nur antun? Nach all dem, was sie<br />

für ihn getan hatte! Ohne Murren hatte sie all seine Nörgeleien<br />

und Macken ertragen, kein einziges Mal hatte sie es<br />

vergessen, ihn an seine Blutdrucktabletten zu erinnern! Und<br />

jetzt hatte er sie einfach vor die Tür gesetzt. Er würde schon<br />

sehen, ob ihn diese schreckliche Person Klarsen-Meyer auch<br />

so aufopfernd umsorgen würde. Die war doch ein richtiger<br />

Drachen, da würde Horst nicht viel zu lachen haben! Und<br />

seine Lieblingsfleischklöpschen konnte die ihm sicher auch<br />

nicht kochen.<br />

Und dieses verdammte Arbeitsamt! Die konnten doch ihr<br />

Leben nicht einfach zur ABM-Stelle erklären! Sie war doch<br />

immer schon Frau Meyer gewesen! Plötzlich setzte Frau<br />

Meyers Herz einen Schlag lang aus, und sie wurde von einem<br />

schrecklichen Gedanken heimgesucht: Oder etwa nicht?!<br />

Mein Gott, gab es da etwa ein Leben vor dem Leben?!<br />

Frau Meyer wurde von einem unerträglichen Schwindel<br />

erfasst, der Schädel drohte ihr zu platzen, und auf einmal<br />

wusste sie: ‚Oh mein Gott, ja, ich lebe ja erst seit knapp zwei<br />

Jahren bei Horst! Ja, ja, im Juni 1997 bin ich bei ihm eingezogen<br />

und hab‘ dann auch gleichzeitig im Büro angefangen.‘<br />

Doch so sehr Frau Meyer auch versuchte, sich daran zu<br />

erinnern, was vor ihrem Leben mit Horst gewesen war – vor<br />

ihrem inneren Auge wallte nichts als schwarzer Nebel.<br />

‚Das ist ja furchtbar! Wenn ich nicht mehr Frau Meyer bin,<br />

wer war ich früher, und wer bin ich jetzt?!‘<br />

Und dann fiel ihr noch etwas Furchtbares ein: ‚Ich hab‘ ja<br />

meine Waschtasche gar nicht mit – womit soll ich mir denn<br />

nun die Zähne putzen?!‘<br />

Feuilleton<br />

Völlig zerstört warf sich Frau Meyer auf das Bett, das<br />

unter diesem Ansturm gefährlich nachgab und ärgerlich<br />

quietschte. Leise weinte sich Frau Meyer, die ja eigentlich<br />

nicht mehr Frau Meyer war, in den Schlaf.<br />

Und da suchte sie ein grauenhafter Alptraum heim: Frau<br />

Meyer lag zu Hause in ihrem Bett auf frisch gestärkten, blütenweißen<br />

Laken. Neben ihr lag Horst und hatte ihr zuliebe<br />

den neuen, feschen Schlafanzug mit dem männlichen Karomuster<br />

an, den Frau Meyer ihm zu Weihnachten geschenkt<br />

hatte. Ganz gegen seine sonstigen Gewohnheiten drehte<br />

ihr Horst nicht gleich seinen Rücken zu und begann zu<br />

schnarchen, sondern schaute sie sehr liebevoll, ja geradezu<br />

begehrlich an. Frau Meyer wurde es warm, ihr Herz begann<br />

stürmisch zu klopfen. Immerhin war es jetzt schon ein paar<br />

Monate her, dass Horst sie so angesehen hatte. Horst näherte<br />

sich ihr Stück um Stück. Sein Blick wurde immer feuriger<br />

– geradezu unwiderstehlich! Mit ein bisschen Phantasie<br />

hatte er jetzt sogar etwas von Costa Cordalis. Gleich, gleich<br />

würde er sie küssen! In wonniger Verzückung schloss Frau<br />

Meyer die Augen – soweit dies im Traum möglich ist – und<br />

erbebte unter der Süße der Erwartung.<br />

Doch da schlug ihr plötzlich ein ekliger Geruch entgegen<br />

– sie erkannte tief in ihrem Inneren dieses widerliche<br />

Gemisch aus abgestandenem Fusel und kaltem Zigarettenrauch.<br />

Böses ahnend öffnete sie die Augen. Und da war es<br />

nicht mehr Horst, der ihr voll Verlangen die Lippen entgegenschürzte,<br />

sondern sie blickte in die ungepflegte Visage<br />

eines geilen Trunkenboldes! Vor Gier sabberte es aus dessen<br />

Mund auf das Kopfkissen, seine Augen waren blutunterlaufen,<br />

eitrige Entzündungen und Pickel entstellten das sowieso<br />

schon unansehnliche Gesicht dieses Unmenschen. Mit seinen


grobschlächtigen Pranken, deren abgekaute Fingernägel<br />

vor Schmutz starrten, wollte er Frau Meyer – grauenhafte<br />

Vorstellung! – an den Busen fassen!<br />

Doch Frau Meyer ergriff geistesgegenwärtig ihr Kopfkissen<br />

und drückte es mit der Kraft der Verzweiflung auf das Gesicht<br />

dieses scheußlichen Monstrums. Sie presste, als ginge<br />

es um ihr Leben. Der Unhold ruderte hilflos mit seinen Riesenhänden<br />

umher und gab einige unartikulierte Geräusche<br />

von sich, dann zuckte sein Körper nur noch konvulsivisch<br />

auf. Dann nichts mehr. Stille. Frau Meyer konnte kaum<br />

glauben, dass sie der Gefahr entronnen war; nur allmählich<br />

machte sich Erleichterung in ihr breit. Vorsichtig zog sie<br />

das Kopfkissen beiseite. Doch wie groß war ihr Entsetzen,<br />

als sie jetzt statt des Trunkenboldes die fette Frau Schneider<br />

erblicken musste! Und damit nicht genug: Diese lachte ihr<br />

völlig ungeniert gellend ins Gesicht, so dass Frau Meyer<br />

vor ohnmächtiger Wut nicht mehr ein noch aus wusste und<br />

folgerichtig erwachte. Schweißgebadet und mit wie wild<br />

klopfendem Herzen versuchte Frau Meyer, sich zu orientieren.<br />

Wo war sie? Und warum hörte dieses scheußliche<br />

Lachen nicht auf? Träumte sie immer noch? Doch bald, ach,<br />

nur allzu bald holte die Erinnerung sie wieder ein.<br />

Sie wusste nun wieder, dass sie in dieser furchtbaren Pension<br />

übernachten musste, weil sich das Arbeitsamt und diese<br />

schreckliche Person Meyer-Klarsen gegen sie verbündet<br />

hatten, und Horst, dieses Weichei, natürlich alles brav<br />

mitmachte.<br />

Wenn wenigstens dieses grässliche Lachen aufhören würde!<br />

Es drang von nebenan nahezu ungedämpft in Frau Meyers<br />

empfindliche Ohren.<br />

Feuilleton<br />

Ein schamloses Weib kreischte und quietschte dort vor Vergnügen;<br />

ab und zu hörte man Flaschenklirren und das rohe<br />

Grunzen eines Mannes – widerwärtig! Frau Meyer klopfte<br />

empört gegen die dünne Sperrholzwand und schrie mutig:<br />

„Ruhe!“ Doch das Lachen und Grunzen wurde nur lauter.<br />

Nun bemerkte Frau Meyer, dass die Trennwand oben nicht<br />

mit der Zimmerdecke abschloss – deshalb war es so laut,<br />

und von dorther kam auch dieser unzumutbare Geruchscocktail<br />

aus Zigarettendunst und Alkohol, der sie bis in den<br />

Traum verfolgt hatte.<br />

Frau Meyer öffnete energisch das Fenster, wobei sich der<br />

Griff löste und polternd zu Boden fiel.<br />

„Selber Ruhe!“, grölte es rüpelhaft von nebenan, worauf<br />

dieses Flittchen da drüben nur um so lauter gackerte.<br />

‚In welchen Sündenpfuhl bin ich hier nur hineingeraten?‘,<br />

dachte Frau Meyer entrüstet. Doch was konnte sie schon tun?<br />

Resigniert kroch sie ins Bett zurück und schlief vor Erschöpfung<br />

und Wut wieder ein.<br />

Leseprobe aus:<br />

Frau <strong>Nicht</strong>ig<br />

Von:<br />

Regina Gorsleben<br />

ISBN 978-3-8370-2732-7<br />

Paperback<br />

104 Seiten<br />

7,95 Euro<br />

bei Amazon und im Buchhandel


mit einem der 12 Linolschnitte<br />

und dem Buchdeckel<br />

Preisfrage<br />

Wer leopoldlapsus@gmx.net zuerst schreibt, wie das Radio<br />

heißt, dessen Programm die Autorin des Buches maßgeblich<br />

prägte, kann ein Exemplar des Buches gewinnen. Der<br />

Rechtsweg ist ausgeschlossen.<br />

(Dazu muss man schon etwas forschen (engl. to google).<br />

Feuilleton


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