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So Nicht!

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Traditionell<br />

unmenschlich<br />

Geblendet durch den Megaerfolg, der „Schindlers Liste“<br />

zuteil wurde, könnte man sich glatt zu der Illusion versteigen,<br />

Filme mit dem Sujet Vernichtung Anderer im sog. III.<br />

Reich würden hierzulande angemessen aufgenommen.<br />

Jedoch scheint neben den Tagesschaunotorischen hirnlosen<br />

Totschlägern auch die Machtelite dieser Republik einem<br />

menschenfeindlichen Wahn verfallen. Eine Retrospektive<br />

postfaschistischer Filmrezeption sowie der Konsequenzen.<br />

Vor nunmehr einer halben Generation erschütterte ein<br />

abendfüllender US-Vierteiler die Wohnzimmer der Nation:<br />

HOLOCAUST. Die Wirkung des Films war so groß, daß er ... als<br />

das größte Medienereignis seit vielen Jahren bezeichnet wird. Was<br />

jahrzehntelange politische Aufklärungsarbeit nicht vermocht hatte,<br />

war auf einmal Wirklichkeit geworden: Millionen Menschen waren<br />

betroffen, sahen sich mit ihrer eigenen Geschichte, der Vergangenheit<br />

ihrer Väter konfrontiert. Ein Tabu war verletzt worden, und ein ganzes<br />

Volk, so scheint es, begann - unter dem Eindruck eines Fernsehfilms<br />

- plötzlich offen über das dunkelste Kapitel seiner Geschichte<br />

zu diskutieren.<br />

NBC, damals auf dem US-Serienmarkt unter starkem Konkurrenzdruck,<br />

konzipierte eine <strong>So</strong>ap-Opera, History als Story,<br />

etwas Dramatisches, einen Jahrhundert-Stoff:<br />

Gerald Green erfand die Berliner Arztfamilie Weiss, großbürgerliches,<br />

angepaßtes Judentum, das bei der Hochzeit<br />

des <strong>So</strong>hnes mit einer katholischen Blondine die Lorelei singt.<br />

Diese schickt er dann wohldosiert in den Holocaust: Kristallnacht,<br />

Euthanasie, Ghetto, Partisanentum, Progrom in<br />

Babi Yar und die bekannteren Konzentrationslager. <strong>So</strong>weit<br />

die Guten. Alles Böse findet sich in der Familie Dorf. Erich,<br />

Bäckersohn, Jurist und SS-Karrierist, erfindet - angetrieben<br />

von seiner ehrgeizigen Frau - die Kristallnacht, Massaker im<br />

Osten und die Gaskammern.<br />

Das Konzept des auf breite Identifikation angelegten Epos<br />

ging auf. Das Ungeheure ließ sich plötzlich im Privaten<br />

erfassen, da es auf Miniszenen verkleinert in mundgerechten<br />

Häppchen verabreicht wurde. Die durchgehende Geschichte einer<br />

Familie entsetzte Millionen, Überlebende fühlten sich wieder<br />

wie mitten drin, vielen kamen die Tränen, die Einschaltquote<br />

lag bei 48% und nach der ersten Ausstrahlung gingen 5 200<br />

Anrufe bei den Sendern ein.<br />

Julius Schoeps‘ Studionotizen während der Sendung „Anruf<br />

erwünscht‘ zu ‚Holocaust“: Starke Emotionalität - mit<br />

zunehmender Tendenz. Die meisten Anrufe kreisten um die Begriffe<br />

‚Vergessen‘, ‚Schuld‘ und ‚Wie konnte es dazu kommen?‘ Mir drängte<br />

sich das Gefühl auf, als ob viele Anrufer das Bedürfnis verspürten,<br />

mit irgend jemandem zu reden, ihre Betroffenheit, Bestürzung und<br />

Scham loszuwerden. Einige der jungen Leute, die pausenlos damit<br />

beschäftigt waren, Anrufe entgegenzunehmen, meinten auf meine<br />

Frage nach ihren ersten Eindrücken, so etwas hätten sie noch nie erlebt,<br />

sie hätten fast den Eindruck, ‚seelsorgerische Dienste‘ zu leisten.<br />

Hitlers Erbe - Kohls Reform<br />

Die Reaktion sah Handlungsbedarf. Konnte es doch nicht<br />

angehen, daß die großartige Verdrängungsleistung der<br />

Adenauerära leichtfertig aufs Spiel gesetzt wurde. Schon war<br />

Enkel Kohl verantwortungsbewußt zur Stelle, um Schaden<br />

vom deutschen Volke abzuwenden. Ungeheuerlich, daß Milli-<br />

Katastrophe Kapitalismus<br />

Wieder Weimar<br />

onen Menschen plötzlich Mitleid mit den Opfern der Nazis<br />

hatten. Eine geistig, moralische Wende mußte her, um alte<br />

deutsche Tugenden zu re-implementieren:<br />

Die Menschen wollen wieder stolz sein auf ihr Land. Sie haben guten<br />

Grund dazu. Heimat und Vaterland, Nation und Geschichte gewinnen<br />

wieder an Rang und Wertschätzung. Menschen suchen wieder<br />

Sinn, Halt und Orientierung in Religion und Glauben, in der Bindung<br />

an Werte, in der Geborgenheit der Familie, in partnerschaftlicher<br />

Treue, Gemeinschaft, in Nachbarschaft... so Kohl.<br />

Konsequenterweise wurde die freiheitlich, demokratische<br />

Grundordnung außer Kraft gesetzt, um einen autoritären<br />

Staat, die modernisierte Form des längst überholten, zu<br />

etablieren:<br />

- Der <strong>So</strong>zialstaat wird zersetzt.<br />

- Der Bundesverteidigungsminister schickt seine Truppen<br />

wohin er will.<br />

- Das Asylrecht wird faktisch aufgehoben.<br />

- Eine Gebärpflichtsdiskussion wird angeleiert.<br />

- Die Außenpolitik realisiert Großmachtphantasien.<br />

- Die Staatsfinanzen werden zerrüttet.<br />

- Die Aidshilfe wird zusammengekürzt.<br />

- Stadtteile werden ausländerfrei gemeldet.<br />

Natürlich gibts auch eine wissenschaftliche Dimension: den<br />

Historikerstreit. Kohls Hofschreiberriege war allzeit bereit,<br />

auch die Interpretation des Nationalsozialismus zu wenden.<br />

Unsägliches konnte plötzlich - unter dem Deckmäntelchen<br />

der Freiheit der Wissenschaft - wieder reüssieren, wie z. B.:<br />

- das III. Reich habe sich gegen Großbritannien und die Juden<br />

gewehrt,<br />

- Auschwitz sei eine Kopie der russischen Revolution,

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