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So Nicht!

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um andere Banken zu kaufen: die Deutsche die Postbank,<br />

die Commerzbank die Dresdner. Peinlich, dass die HSH-<br />

Nordbank ihren privaten Eigentümern Renditen ausschüttet,<br />

nachdem sie Staatshilfen erhalten hat. Peinlich, dass die<br />

Boni für Mitarbeiter einklagbar sind, selbst wenn die Bank<br />

pleitegeht. Insgesamt wird die Krise so aber zu einer Rettung<br />

der Renditen, zur Reparatur der Krise des Kapitalismus.<br />

Ein Gespenst geht um in Europa und in der Welt - das<br />

Gespenst einer Banken- und Finanzkrise ungeheuren Ausmaßes.<br />

Alle Mächte des alten Europa haben sich zu einer<br />

heiligen Hetzjagd auf dieses Gespenst verbündet - der Papst<br />

und die Zaren in Moskau, Merkel und Sarkozy, französische<br />

Radikale und deutsche Ordnungshüter, und auch die Herrscher<br />

in den<br />

asiatischen Ländern äußern Besorgnis darüber, was mit<br />

ihren Billionen Dollar wohl geschehen wird. Alle sind sich<br />

einig, dass dieses Gespenst unerbittlich bekämpft werden<br />

muss und dass alle Bürgerinnen und Bürger, vom reichen<br />

Banker bis hin zur letzten Putzfrau, dafür unvorstellbare<br />

Opfer zu bringen haben.<br />

Jene allerdings, die dieses Gespenst erst geschaffen haben,<br />

kooperieren jetzt mit ihm, die Aktienbesitzer und Banker,<br />

die Spekulanten und Vorstände. Sie verdienen bereits wieder<br />

an Spekulationen und billig erworbenen Aktien. Sie wissen,<br />

dass ihre Zukunft gesichert ist. Denn sie haben mit ihrer<br />

Pleite am Ende einer grandiosen Abzocke das erreicht, was<br />

Kapitalisten bei Strafe ihres Untergangs erreichen müssen:<br />

Sie haben großartige Renditen erzielt und überlassen jetzt<br />

dem Staat ihre Schulden, verlangen dafür aber nach wie vor<br />

Zinsen - ein Kapitalismus ohne Kapital, der von den Zinsen<br />

vergangener Geschäfte lebt.<br />

Die normalen Bankkunden, Bürgerinnen und Bürger, also<br />

jene, die die Zeche zahlen müssen, sie bleiben - einmal mehr<br />

- geduldig. Politiker, Banker und Medien gemeinsam appellieren<br />

an ihr Verantwortungsbewusstsein: „Wir haben euer<br />

Wirtschaftssystem ruiniert, und jetzt wollen wir noch die<br />

zukünftigen Generationen darauf verpflichten, jahrzehntelang<br />

Schulden dafür abzubezahlen. <strong>So</strong> lange haltet bitte noch<br />

still, bis wir das gesichert haben.“<br />

Die Banken und Spekulanten wissen, was sie wollen. Die<br />

Bundesregierung modifiziert ihr neoliberales Denken nur<br />

wenig und zielt auf geringfügige, aber teure Reparaturen,<br />

bedient ihre Klientel und verbeugt sich vor der Lobby. Eine<br />

umfassende Analyse nimmt sie ebenso wenig vor wie das<br />

Entwickeln einer haltbaren Strategie. Auch die Zivilgesellschaft<br />

schweigt bisher, um Orientierung bemüht in einer<br />

unübersichtlichen Lage. Noch haben auch die Bürger,<br />

zumindest in Deutschland, Vertrauen und glauben den<br />

Versprechen der Ackermänner, obwohl sich deren Ansagen<br />

immer wieder als falsche Zusagen oder Prahlerei entlarven.<br />

Es wird Zeit, dass wir nicht mehr nur von den Regierungen in<br />

anderen Ländern erfahren, sondern auch davon, wie die Völker<br />

in diesen anderen Ländern auf die Krise reagieren: dass<br />

die irischen Banken anderen Unternehmen im Ausland Geld<br />

in der Größenordnung des Zehnfachen des Bruttosozialprodukts<br />

schulden - und dass das mit Abzahlen in Jahrzehnten<br />

nicht zu reparieren ist; dass Ursache der Unruhen in Griechenland<br />

nicht nur eine versteinerte Politik, sondern auch<br />

eine unverantwortliche „freie“ Wirtschaft sind; dass die<br />

Isländer immerhin ihre Bankrotteursregierung davongejagt<br />

haben; dass sich in Lettland, Russland und Großbritannien<br />

Katastrophe Kapitalismus<br />

Wieder Weimar<br />

Formen politischen Widerstands regen, die nicht mehr auf<br />

die Einsichtsfähigkeit der etablierten Regierungen hoffen.<br />

Hier sollten die Medien ansetzen, indem sie von Alternativen<br />

berichten, statt wie zu Kaisers Zeiten Ruhe als erste Bürgerpflicht<br />

zu propagieren. Auch sie müssen sich entscheiden, ob<br />

sie ein Korrektiv gegen gierigen Kapitalismus und ängstliche<br />

Politik sein wollen oder nicht. Wir brauchen neue, an die<br />

Wurzeln gehende Ideen und Debatten, um unser Leben nicht<br />

länger durch entfremdete Arbeit bestimmen zu lassen. Nur<br />

wenn die Bevölkerung die Sache selbst in die Hand nimmt<br />

und der Regierung sagt, wie sie zu handeln hat, wird diese<br />

sich gegen die Lobbys durchsetzen und sich das Finanzsystem<br />

untertan machen können. <strong>So</strong>nst wird das alles enden,<br />

wie Marx es vorausgesagt hat: Der Kapitalismus als eine Folge<br />

von Krisen, die immer existenzieller werden. Irgendwann<br />

dann auch für die Banker.<br />

Friedrich Krotz, TAZ-Digitaz, 19.2.2009<br />

FRIEDRICH KROTZ, geboren 1950 in Barcelona, ist seit<br />

Oktober 2003 Professor für Kommunikationswissenschaft<br />

und soziale Kommunikation an der Universität Erfurt. Zuvor<br />

lehrte er in Münster. Sein Forschungsschwerpunkt ist der<br />

Medien- und Gesellschaftswandel. Zuletzt erschien sein Buch<br />

„Mediatisierung: Fallstudien zum Wandel von Kommunikation“.

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