Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
<strong>Nicht</strong>s Neues unter<br />
der <strong>So</strong>nne<br />
Hegel bemerkt irgendwo, dass alle großen weltgeschichtlichen<br />
Tatsachen und Personen sich sozusagen zweimal ereignen. Er hat<br />
vergessen hinzuzufügen: das eine Mal als Tragödie, das andere Mal<br />
als Farce.<br />
[Marx: Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte,<br />
Marx/Engels (vgl. MEW Bd. 8, S. 115)]<br />
Krise<br />
Dergleichen erleben wir derzeit in der Finanz- und Wirtschaftskrise.<br />
Zwei Lager stehen sich da gegenüber – die<br />
Mahner, die die Krise schon seit langem kommen sahen und<br />
jene Wirtschaftsliberalen, die Krisen nicht für einen Systemfehler<br />
halten, sondern als Kern des Systems begreifen, ergo:<br />
als Evolutionsereignisse der freien Marktwirtschaft. Aufstieg<br />
und Fall gelten als reinigender Prozess, der die alte Schlacke<br />
abwirft.<br />
In der Tat: <strong>Nicht</strong>s Neues unter der <strong>So</strong>nne … seitdem die<br />
industrielle Revolution im späten 18. und mit größer Wucht<br />
im 19.Jahrhundert die Weltbühne betrat. Einher ging damit<br />
die Akkumulation von Kapital und die Verwandlung der Welt<br />
in den Weltmarkt.<br />
Krisen gehören zu der vermeintlich freien Marktwirtschaft<br />
wie das voller Demut ausgesprochene Amen der Christen<br />
zum Schluss ihres Gebets.<br />
Gewiss, die Krisen erstrahlen in ihrem jeweiligen historischen<br />
Gewande, aber ihrem Wesen und ihren Auswirkungen<br />
nach, sind sie identisch:<br />
In einem Produktionssystem, wo der ganze Zusammenhang<br />
des Reproduktionsprozesses auf dem Kredit beruht, wenn da<br />
der Kredit plötzlich aufhört und nur noch bare Zahlung gilt,<br />
muss augenscheinlich eine Krise eintreten, ein gewaltsamer<br />
Andrang nach Zahlungsmitteln. Auf den ersten Blick stellt<br />
sich daher die ganze Krise nur als Kreditkrise und Geldkrise<br />
dar.<br />
Und in der Tat handelt es sich nur um die Konvertibilität<br />
der Wechsel in Geld. Aber diese Wechsel repräsentieren der<br />
Katastrophe Kapitalismus<br />
Wieder Weimar<br />
Mehrzahl nach wirkliche Käufe und Verkäufe, deren das gesellschaftliche<br />
Bedürfnis weit überschreitende Ausdehnung schließlich<br />
der ganzen Krisis zugrunde liegt. Daneben aber stellt auch eine ungeheure<br />
Masse dieser Wechsel bloße Schwindelgeschäfte vor, die jetzt<br />
ans Tageslicht kommen und platzen; ferner mit fremdem Kapital<br />
getriebne, aber verunglückte Spekulationen; endlich Warenkapitale,<br />
die entwertet oder gar unverkäuflich sind, oder Rückflüsse, die nie<br />
mehr einkommen können.<br />
[Marx: Das Kapital (vgl. MEW Bd. 25, S. 507)]<br />
Sic! Um nichts anderes handelt es sich im Kern bei der<br />
gegenwärtigen Krise. Und auch der Streit um das Für und<br />
Wider des Eingreifens des Staates - auch diesen sah und<br />
vernahm unsere <strong>So</strong>nne schon:<br />
Die Gesellschaft wird ebenso oft gerettet, als sich der Kreis ihrer<br />
Herrscher verengt, als ein exklusiveres Interesse dem weiteren<br />
gegenüber behauptet wird. Jede Forderung der einfachsten bürgerlichen<br />
Finanzreform, des ordinärsten Liberalismus, des formalsten<br />
Republikanertums, der plattesten Demokratie, wird gleichzeitig<br />
als »Attentat auf die Gesellschaft« bestraft und als »<strong>So</strong>zialismus«<br />
gebrandmarkt.<br />
[Marx: Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte, Marx/<br />
Engels, (vgl. MEW Bd. 8, S. 123)]