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So Nicht!

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zu begrüßen. Und ein alter Kumpel aus Studientagen, Luke,<br />

hatte sich zu mir gesellt.<br />

Andererseits konnte Erol die Verhältnisse wohl auch nicht<br />

einschätzen. Und wurde sichtbar nervös. Jola spielte die<br />

Grande Dame und verzog sich in ein Eckchen. Da ich in<br />

dieser Stadt schon so etliche Barrikaden gebaut, Minister<br />

bloßgestellt und Veranstaltungen gesprengt habe, kann ich<br />

im nachhinein die Flucht der beiden nach vorne verstehen.<br />

Um halb neun – eine halbe Stunde zu früh – ergriff der<br />

selbsternannte Kulturförderer das Mikrophon, um den<br />

Anwesenden mitzuteilen, mein in der Presse angekündigter<br />

Auftritt finde nicht statt, stattdessen träte Jola Wolters auf<br />

– und, es sei seine Schuld, man möge ihm dies verzeihen.<br />

Dann begann Jola’s Auftritt.<br />

Die als „Duisburger Marlene“ bzw. „Fesche L(J)ola“ attribuierte<br />

Person ist mir – wie vorher bereits erwähnt – aus<br />

meiner zweiten Ehe hinreichend geläufig. Und das – abgesehen<br />

von dieser Intrige, mir einen Gig kaputtzumachen – tut<br />

hier nichts zur Sache. Aber es gibt da einige hochinteressante<br />

Aspekte hinsichtlich Jolas Kunst, Erols Kulturkonzept und<br />

der Stadt, in der sich ein Publikum so was bieten lässt.<br />

Tingel-Tangel-Jola<br />

Als ich Jola kennenlernte, hatte sie ein Repertoire von etwa<br />

400 <strong>So</strong>ngs, und war Mitte dreißig. Marlene’s Repertoire nach<br />

fünfzig Bühnenjahren betrug lediglich 163 <strong>So</strong>ngs; außerdem<br />

spielte sie Geige, Klavier, Akkordeon, Gitarre, Schlagzeug<br />

und singende Säge. Natürlich war sie firm in deutscher,<br />

französischer und angelsächsischer Literatur sowie umfas-<br />

send gebildet. Sie hat selber Texte geschrieben und <strong>So</strong>ngs<br />

übersetzt/nachgedichtet. Von ihrer Persönlichkeit, ihren<br />

Prinzipien will ich hier gar nicht erst reden. Kein Vergleich<br />

zwischen Quantität und Qualität oder Jola und Marlene.<br />

Ich hab mich mit Jola immer gestritten, weil es ihr reichte,<br />

phonetisch zu singen, d.h. Töne rüberzubringen ohne zu verstehen,<br />

was Text sagt. Natürlich ist denken nicht Jedermanns<br />

Sache. Und es bleibt ein großer Unterschied, dass Marlene<br />

als fesche Lola Tingeltangel spielt versus Jola, die trotz anderer<br />

Möglichkeiten entschieden Tingeltangel geblieben ist.<br />

Dennoch habe ich ihr „Ne me quitte pas“, „Dream a little<br />

dream with me“, „Padam, padam“ und etliches sonst beigebracht.<br />

Als ich sie dann zum Besuch eines Brecht-Abends<br />

überzeugen konnte – wie hätte ich wissen können, dass sie<br />

sich dann zur Chansonette aufplustert? Sie haben’s schon<br />

im „Grundkurs Cabarett“ gelesen, hier nochmals Kästners<br />

„Ankündigung einer Chansonette“, mit der dieser die wahren<br />

Künstlerinnen von den „Damen mit den bordelliziösen<br />

Mienen“ abgrenzen wollte:<br />

Sie singt, was sie weiß. Und sie weiß, was sie singt.<br />

Man merkt das am Gesang.<br />

Und manches, was sie zum Vortrag bringt,<br />

behält man jahrelang.<br />

Sie pfeift auf das mühelos hohe C.<br />

Und ihr Ton ist nicht immer rund.<br />

Das Herz tut ihr manchmal beim Singen weh.<br />

Denn sie singt nicht nur mit dem Mund.<br />

Diesem Maßstab kann Jola nicht genügen. Hören Sie sich<br />

<strong>So</strong> <strong>Nicht</strong>!<br />

mal ihr „Ich hab noch einen Koffer in Berlin“ an. (Näheres<br />

zu diesem <strong>So</strong>ng am Ende des Artikels „Satire oder <strong>Nicht</strong>sein“)<br />

Geleierte Beliebigkeit mit Kirmesorgel, nichts von der<br />

Sentimentalität und Tiefgründigkeit dessen, was Marlene<br />

gefühlt, Ralph Maria Siegel gemeint und La Dietrich dann<br />

gesungen hat. Von Jola klingt es wie besoffen. Und so ist sie<br />

dann tatsächlich der „Blaue Engel“ geworden.<br />

Im gleichnamigen Film singt Marlene in einem Puff, der – so<br />

wie etliche Strip-Bars – unter „Cabaret“ firmiert. Die Puffmutter<br />

des Films, Rosa Valetti, betrieb im wahren Leben ein<br />

richtiges Kabarett, ihre Texte kann man heute noch lesen.<br />

Piano – Puff – Premium Cars<br />

Die Tarnung von Puff als Kabarett erinnert mich an einen<br />

Karaoke-Laden im Innenhafen, an einen gewesenen Theatermanager<br />

und an ein misslungenes „Kulturkonzept“.<br />

Übrigens ist der Schuppen ganz in Rotlicht getaucht. Damit<br />

Sie mich richtig verstehn: Ich habe Erol nicht als Puffmutter<br />

bezeichnet.<br />

In der Stunde, die ich dageblieben bin, wurde kein einziges<br />

Drei-Gänge-Menü verkauft. Wohl aber ein Hamburger.<br />

<strong>Nicht</strong> viel. Vom Drei-Gänge-Menü reden – und Hamburger<br />

verkaufen, auch das eine Niveau-Meßlatte.<br />

Übrigens bietet im Rahmen dieses grandiosen „Kulturkonzeptes“<br />

ein Flyer des „Piano“ einen Gratis-Chauffeur-Service:<br />

Sie möchten mit einer Luxuskarosse abgeholt und zurückgefahren<br />

werden? Gratis?... Wenn zwei Personen einen Verzehrgutschein<br />

in Höhe von 60 Euro kaufen und einen Tag vorher bestellen,<br />

dann holt „Kuhn Premium Cars GmbH“ die beiden

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