Judas-Kulturmagazin Juni 2008
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folgreiche Strategie?<br />
Rich: Diese Programme sind sicher gut gemeint,<br />
aber schon die alten Römer haben sich betrunken,<br />
und das wird immer passieren. Jeder muss<br />
seine Grenzen kennen lernen. In diesen Diskussionen<br />
wird aber stets vergessen, dass ein geregelter<br />
Alkoholkonsum auch gesund sein kann.<br />
Es entspannt, mit seinen Kumpels nach der Arbeit<br />
einige Biere zu trinken. Es mag zwar nicht<br />
sehr wissenschaftlich sein, aber ich glaube fest<br />
daran, dass es im Nahen Osten weniger Probleme<br />
geben würde, wenn die Leute dort saufen<br />
dürften.<br />
Noch mal: Die Kernaussage des Buches ist, dass<br />
jeder selbst entscheiden soll, ob er trinken will<br />
oder nicht. Ich will niemand zwingen, das habe<br />
ich nie getan. Ich wehre mich nur gegen diese<br />
Stigmatisierung. Ist es denn besser, wenn alle alleine<br />
zu Hause sitzen und Pillen schlucken, um<br />
sich zu beruhigen?<br />
sueddeutsche.de: In "Die feine Art zu saufen“<br />
finden sich neben einer Typologie der Barkeeper<br />
und der Information, dass die Happy Hour 1948<br />
in Chicago erfunden wurde, auch einige Strategien<br />
– etwa wie man sich selbst auf eine Party<br />
schmuggelt. Alles selbst erlebt und ausprobiert?<br />
Rich: Ich habe das alles selbst gecheckt. Als junger<br />
Mann bin ich viel gereist und habe mich auf<br />
viele Parties geschmuggelt. Es geht leicht: Sie<br />
müssen das Fest erst "orten“, also die Ohren aufsperren.<br />
Danach müssen Sie "reinkommen“, das<br />
geht am leichtesten, wenn man eine Flasche als<br />
Mitbringsel dabei hat. Wenn Sie gecheckt haben,<br />
dass es sich nicht um eine lausige Spießerfete<br />
handelt, folgt der nächste Schritt.<br />
sueddeutsche.de: Aber was mache ich, wenn<br />
mich jemand fragt, wer mich eingeladen hat?<br />
Rich: Beim "Infiltrieren“ müssen Sie sich ganz locker<br />
geben und behaupten, Sie seien der Freund<br />
von Mike, Jean oder Andreas. Diese Namen gibt<br />
es überall, da fragt keiner. Schließlich ist der<br />
Weg zur Bar frei und Sie können sich am Nektar<br />
laben. Nun müssen Sie sich "einschleimen“,<br />
also Small Talk führen und nicht zu schnell trinken<br />
– das fällt auf. Sollten Sie doch aufflie-gen,<br />
dann greifen Sie sich eine Schnapsflasche und<br />
nehmen die Beine in die Hand.<br />
sueddeutsche.de: Zugleich widmen Sie einen<br />
Abschnitt dem "Zen des einsamen Trinkens“.<br />
Was soll denn gut daran sein, alleine zu saufen?<br />
Rich: Die meisten Menschen wissen wenig über<br />
sich und haben Angst, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen.<br />
Wer alleine trinkt, der tut das<br />
und kann "seinen inneren Affen“ kennenlernen.<br />
Wann sieht man denn sich, wenn man betrunken<br />
ist? Wenn man mit Freunden unterwegs ist,<br />
herrscht Gute-Laune-Zwang, zu Hause kann<br />
man auch traurig oder wütend sein – je nachdem,<br />
wie man sich fühlt. Es gibt ja auch noch andere<br />
Vorteile.<br />
sueddeutsche.de: Und die wären?<br />
Rich: Man muss keinen Small Talk führen, die<br />
Flasche labert ja nicht. Man kann alle Drinks<br />
selbst mixen und die passende Musik auflegen.<br />
Ich empfehle langsame, melancholische<br />
Musik wie Songs von Johnny Cash, Tom Waits<br />
oder Bright Eyes. Und eines kommt dazu: Der<br />
Schnaps schmeckt besser, wenn man ihn mit<br />
voller Aufmerksamkeit trinkt – ein gutes Buch<br />
lesen Sie ja auch nicht in der U-Bahn. Und vielen<br />
Leuten, das weiß ich von den Zuschriften meiner<br />
Leser, geht es wie mir: Ich werde kreativer, wenn