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Zur Ortmeyer-Kampagne gegen Petersen und den Jenaplan

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Damit aber befand sich <strong>Petersen</strong> quer zur Propaganda <strong>und</strong> Schulpolitik des<br />

Nationalsozialismus. Kein W<strong>und</strong>er, dass sich Frieda Stoppenbrink-Buchholz mit<br />

ihrer Absicht, etwas <strong>gegen</strong> die herrschende Politik des "unwerten Lebens" zu<br />

veröffentlichen, an <strong>Petersen</strong> wandte <strong>und</strong> von ihm zu einer Doktorarbeit zu diesem<br />

Thema ermuntert wurde. Im Hauptteil der Arbeit sprach sie sich <strong>gegen</strong> die offizielle<br />

pädagogisch-politische Gr<strong>und</strong>annahme der NSDAP aus, nach der "Hilfsschulkinder<br />

schwachsinnig, asozial <strong>und</strong> unbrauchbar seien - Kategorien, die Legitimation wur<strong>den</strong><br />

für die Einstufung behinderter Kinder als 'unwertes Leben'."[Kluge (1992), S. 191 f.]<br />

Nach <strong>den</strong> Verfahren der "pädagogischen Tatsachenforschung" <strong>Petersen</strong>s<br />

protokollierte sie die positive Entwicklung von Hilfsschulkindern im Rahmen der<br />

neuen Pädagogik in Jena, die <strong>den</strong> menschlichen Unterschie<strong>den</strong> gerecht wird <strong>und</strong> bei<br />

der das gemeinsame Lernen in der Gruppe, der Kreis für das Gespräch, das Spiel <strong>und</strong><br />

Feiern ihren festen Platz haben. Um eine solche Doktorarbeit veröffentlichen zu<br />

können, bedurfte es "strategisch geschickter" Einsprengsel, behutsamer Entfernung<br />

von "bissigen Bemerkungen über das Naziregime" bzw. Aufnahme von<br />

nationalsozialistisch aussehen<strong>den</strong> Elementen. Insgesamt war es eine überaus mutige<br />

Publikation, deren im Wesentlichen anti-nationalsozialistischer Charakter in dieser<br />

politisch so sensiblen Frage nur oberflächlichen Lesern entgehen kann. [Zu ihrem 90.<br />

Geburtstag 1987 wurde ihr zu Ehren eine Hamburger Schule nach ihr benannt. Kluge<br />

(1992), S. 191 f.] Der von <strong>Petersen</strong> vorgeschlagene Titel "Das brauchbare<br />

Hilfsschulkind" ist natürlich schon in der Formulierung eine Anti-These zur NS-Sicht<br />

"unbrauchbaren", wertlosen Lebens. Als Motto ihrer Arbeit wählte Stoppenbrink<br />

einen Satz Peter <strong>Petersen</strong>s "Aller Unterricht hat zuerst 'Ehrfurcht vor dem Leben' zu<br />

beweisen". [Kluge (1992), S. 192 f.; vgl. Führungslehre des Unterrichts (<strong>Petersen</strong><br />

1937/1984) S.82] Auch in diesem eindeutigen Kontext zeigt sich, dass Stoppenbrink-<br />

Buchholz/<strong>Petersen</strong> die Formel "Ehrfurcht vor dem Leben" keineswegs in<br />

"rassenbiologischem" Sinne gebrauchen (s.o.), sondern im Sinne einer aktiven<br />

Förderung jedes Lebens, gerade auch des bedürftigeren, um diesem so Zukunft zu<br />

öffnen.<br />

Eine Examensarbeit von Kirsten Knaak (2001) im Prüfungsfach<br />

Lernbehindertenpädagogik an der Universität Hamburg über die Bergedorfer (Hilfs-<br />

)Schule im NS erwähnt, dass sich Stoppenbrink-Buchholz in ihrer Dissertation 1939<br />

<strong>und</strong> auch in <strong>den</strong> meisten Schülergutachten <strong>gegen</strong> die Stigmatisierung ihrer<br />

Bergedorfer SchülerInnen als ‚Schwachsinnige‘ einsetzte, im Gegensatz zu dem, was<br />

die NSDAP verlangte <strong>und</strong> erwartete. Vermerkt wird auch, dass Frieda Stoppenbrink-<br />

Buchholz nach Kriegsende, da sie politisch unbelastet war, Schulleiterin der<br />

Hilfsschule Bergedorf wurde. [Siehe www.hilfsschule-im-nationalsozialismus.de - s.<br />

besonders Kap. 6.1, Anm.81 <strong>und</strong> Literaturverz. DL 23.8.09 Auffällig ist aber doch,<br />

dass Kirsten Knaak mit keinem Wort <strong>den</strong> berühmten Doktorvater Stoppenbrink-<br />

Buchholz' <strong>und</strong> seinen Einsatz für die behinderten Kinder in Jena erwähnt!] In<br />

<strong>Ortmeyer</strong>s "Forschungsbericht" aber wird "F. Buchholz" <strong>und</strong> ihre Dissertation nur in<br />

einer Randnotiz erwähnt - unter "NS-Literatur"! Hier verlässt <strong>Ortmeyer</strong> sogar seine<br />

angekündigte Methodik, nur das gedruckte Wort (die Taten der Professoren sind ihre<br />

Worte...) gelten zu lassen. Wenn etwas nicht in das angestrebte Ergebnis passt, wird<br />

es eben auch als schriftliches Dokument unterdrückt oder abqualifiziert. So erspart

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