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Rainer Proch Karl Liebknechts Positionen Sein Kampf gegen die ...

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Fernuniversität Hagen, Historisches Institut<br />

<strong>Rainer</strong> <strong>Proch</strong><br />

<strong>Karl</strong> <strong>Liebknechts</strong> <strong>Positionen</strong><br />

<strong>Sein</strong> <strong>Kampf</strong> <strong>gegen</strong> <strong>die</strong> Burgfriedenspolitik<br />

der Sozialdemokratie 1914-1916<br />

anhand der Kriegskreditsdebatte<br />

Hausarbeit, 2. Semester Geschichte<br />

Fachbereich: Erziehungs-, Sozial- und Geisteswissenschaften<br />

Einführungskurs: Neuere deutsche Geschichte:<br />

Deutschland zur Zeit des Kaiserreiches<br />

Dozent PD Dr. Wolfgang Kruse<br />

www.leistungsschein.de 1


Inhaltsverzeichnis<br />

I. Einleitung ................................................................................................................. 3<br />

1. Forschungsstand und Materiallage..................................................................................... 3<br />

2. Fragestellung mit Begründung der zeitliche Eingrenzung................................................. 4<br />

II. Der Burgfriedensschluss .......................................................................................... 5<br />

1. Vorgeschichte Vom Attentat von Sarajevo am 28. Juni 1914 bis zur Ausrufung<br />

des Kriegszustandes in Deutschland am 31.07.1914 ............................................... 5<br />

2. Vier Tage im August 1914 – bis zur Bewilligung der Kriegskredite....................... 9<br />

III. <strong>Liebknechts</strong> Positionierung im <strong>Kampf</strong> <strong>gegen</strong> den Burgfrieden............................. 11<br />

1. Grundlagen............................................................................................................. 11<br />

2. Der 4. August- und dessen unmittelbare Vorgeschichte........................................ 13<br />

3. Sammlung der Kriegskreditgegner- <strong>Liebknechts</strong> Zugehen auf den linksradikalen<br />

Parteiflügel ............................................................................................................. 15<br />

4. „Ich habe mich eines schweren Fehlers schuldig gemacht“ - <strong>Liebknechts</strong><br />

Stuttgarter Bekenntnis............................................................................................ 17<br />

5. Die Novemberthesen - vergeblicher Versuch, Mitstreiter für ein Separatvotum zu<br />

finden...................................................................................................................... 19<br />

6. 2. Dezember 1914, Liebknecht stimmt mit Nein: radikale Wende oder<br />

konsequente Fortsetzung seiner Politik.................................................................. 21<br />

7. Die weiteren Versuche einer innerparteilichen und parlamentarischen<br />

Oppositionsarbeit bis zur dritten Kriegskreditabstimmung am 20. März 1915 ..... 22<br />

8. Der <strong>Kampf</strong> <strong>gegen</strong> <strong>die</strong> offiziellen Parteiinstanzen wird eröffnet ............................ 24<br />

9. Die „kleine Anfrage“.............................................................................................. 25<br />

10. Die Zimmerwalder Konferenz ............................................................................... 27<br />

11. Die Oppositionelle Basis wird breiter - Die Dezemberabstimmung <strong>gegen</strong> <strong>die</strong><br />

Kriegskredite .......................................................................................................... 27<br />

12 „Nieder mit dem Krieg, Nieder mit der Regierung“ – über den Spartakusbund zur<br />

Maidemonstration................................................................................................... 30<br />

13 Entweder - oder? – <strong>die</strong> Gretchenfrage der deutschen Sozialdemokratie ............... 33<br />

Anhang: Literaturliste .............................................................................................................. 35<br />

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I. Einleitung<br />

Geschichtliche Betrachtung bedarf der zeitlichen und emotionalen Distanz um objektiv sein<br />

zu können. Umso näher ein Ereignis der geschichtlichen Betrachtung voranging, umso diffuser<br />

und unterschiedlicher sind oft <strong>die</strong> Auslegungen und Interpretationen. Das mag damit zusammenhängen,<br />

dass Handlungsstränge von dort bis in <strong>die</strong> Gegenwart reichen und gesellschaftliche<br />

Gruppen noch von Verantwortung dafür betroffen sind. Oft muss sich in der Gegenwart<br />

für vergangenes gerechtfertig werden, und/oder man leitet heutiges Handel aus Vergangenem<br />

her. Im 20. Jahrhundert liegen <strong>die</strong> direktesten Wurzeln der Gegenwart. Das heutige<br />

Deutschland definiert sich aus den geschichtlichen Ereignissen <strong>die</strong>ser Zeit. Alles das, was<br />

heute unter dem Begriff „moderne westliche Zivilisation“ zusammengefasst wird, entstand<br />

nach der und durch <strong>die</strong> schreckliche Aufklärung zweier Kriege. Die Totalität <strong>die</strong>ser Ereignisse<br />

korrespon<strong>die</strong>rt mit den daraus resultierenden Folgen, <strong>die</strong> heute noch immer tägliche Realität<br />

sind. Diese Arbeit will im Allgemeinen einen relativ kurzen Zeitraum beleuchten und im speziellen<br />

eine Person in ihrer Rolle als Subjekt und Objekt in der Geschichte.<br />

Im August 1914 schuf der Ausbruch des ersten Weltkrieges für <strong>die</strong> deutschen Sozialdemokraten<br />

eine Situation, in der sie sich positionieren mussten. Dies geschah auf unterschiedliche<br />

Art und Weise und in <strong>die</strong> verschiedensten Richtungen. Die Bandbreite der Reaktionen reichte<br />

von praktischer Politik, <strong>die</strong> versuchte „das Beste“ aus der Situation zu machen, bis hin zu<br />

konsequentem Antimilitarismus.<br />

<strong>Karl</strong> Liebknecht ist heute Symbol und Instrument für vieles, für Antimilitarismus und Zivilcourage<br />

einerseits, als Vorkämpfer stalinistischer Gesellschaften andererseits. Selten macht<br />

man sich <strong>die</strong> Mühe, hinter der symbolischen Fassade <strong>die</strong> Person im Spannungsfeld der Zeit zu<br />

untersuchen, Widersprüche zu akzeptieren und nicht pauschal zu verurteilen. „Im Nachhinein<br />

ist man immer schlauer“ ist das Privileg der heutigen Betrachtung, und so hat man heute retrospektiv<br />

scheinbar einen genaueren Blick.<br />

Diese Arbeit legt dar, wie der Sozialdemokrat <strong>Karl</strong> Liebknecht in <strong>die</strong>ser Zeit reagierte, inwieweit<br />

er seine <strong>Positionen</strong> veränderte und belegt dabei <strong>die</strong> Statik der grundsätzlichen sozialdemokratischen<br />

<strong>Positionen</strong>, von denen er im beschriebenen Zeitraum nicht wesentlich inhaltlich<br />

abgewichen ist. Diese Arbeit verdeutlicht, dass der Bruch der Sozialdemokratie zwar ein<br />

zwangsläufiger war, <strong>die</strong>ser aber nicht durch <strong>die</strong> <strong>Positionen</strong> und deren Radikalisierung eines<br />

<strong>Karl</strong> Liebknecht ausgelöst wurde, sondern vom sozialdemokratischen Substanzverlust der<br />

süddeutschen und gewerkschaftlichen Teile der Sozialdemokratie getragen und befördert<br />

wurde.<br />

1. Forschungsstand und Materiallage<br />

Der Zeitraum zu Beginn des ersten Weltkrieges ist durch reiches Material an Quellen und<br />

Sekundärliteratur dokumentiert. Diese Arbeit stütz sich dabei bezüglich der Quellen in erster<br />

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Linie auf <strong>die</strong> neunbändige Ausgabe der gesammelten Reden und Schriften <strong>Karl</strong> <strong>Liebknechts</strong><br />

aus dem Dietz Verlag Berlin. Um den aktuellen Forschungsstand zu erfassen, sind <strong>die</strong> Arbeiten<br />

von Dieter Groh: „Negative Integration und revolutionärer Attentismus“, von Susanne<br />

Miller: “Burgfrieden und Klassenkampf“ und Wolfgang Kruse: „Krieg und nationale Integration,<br />

Eine Neuinterpretation des sozialdemokratischen Burgfriedensschlusses 1914/15“ ausgewertet<br />

worden. Darüber hinaus sind einige Gedanken aus der Biografie <strong>Karl</strong> <strong>Liebknechts</strong><br />

von Helmut Trotnow berücksichtig worden.<br />

2. Fragestellung mit Begründung der zeitliche Eingrenzung<br />

Diese Arbeit dokumentiert das Wirken des deutschen Sozialdemokraten und Reichstagsabgeordneten<br />

<strong>Karl</strong> Liebknecht im Zeitraum von 1914 bis 1916, wobei <strong>die</strong> zeitliche Eingrenzung<br />

durch zwei Ereignisse motiviert wurde. Einerseits dem Attentat auf den österreichischen<br />

Thronfolger in Sarajevo im Juni 1914 und andrerseits der Verhaftung <strong>Karl</strong> <strong>Liebknechts</strong> auf<br />

der Berliner Maidemonstration von 1916. Dieser Zeitraum eignet sich besonders zur Charakterisierung<br />

der verschiedenen Richtungen und <strong>Positionen</strong> innerhalb der deutschen Sozialdemokratie,<br />

<strong>die</strong> sich durch <strong>die</strong> Auseinandersetzung mit der Tatsache des ausbrechenden ersten<br />

Weltkrieges ausbildeten und offen legen mussten. Der Vorkriegsattentismus der Sozialdemokratie,<br />

der scheinbare Einhelligkeit suggerierte, wurde durch <strong>die</strong> „eherne Tatsache des Krieges“<br />

beendet, um <strong>die</strong> Differenzen innerhalb der Partei zu offenbaren. In <strong>die</strong>ser Arbeit soll gezeigt<br />

werden, welche <strong>Positionen</strong> <strong>Karl</strong> Liebknecht einnahm und vertrat.<br />

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II. Der Burgfriedensschluss<br />

1. Vorgeschichte<br />

Vom Attentat von Sarajevo am 28. Juni 1914 bis zur Ausrufung des Kriegszustandes<br />

in Deutschland am 31.07.1914<br />

Während der 28. Juni 1914, der Tag des Attentats auf das österreichische Thronfolgerpaar in<br />

Sarajewo, von der Bevölkerung Europas mit Verwunderung und Entsetzen aufgenommen<br />

wurde, setzte derselbe Tag verschiedenste Prozesse in Gang, auf deren Durchführung sich der<br />

europäische Militarismus teilweise Jahrzehnte vorbereitet und deren Abwehr ebenso lange<br />

von der internationalen Linken diskutiert und postuliert wurde.<br />

„Mit den Serben muss aufgeräumt werden, und zwar bald“ 1 war <strong>die</strong> Reaktion von Kaiser<br />

Wilhelm II. auf den Versuch des deutschen Botschafters in Wien, Tschirsky, zur Mäßigung<br />

aufzurufen. Und auch <strong>die</strong> deutsche Militärführung sah endlich den Anlass gekommen, präventiv<br />

<strong>gegen</strong> Russland und, auf Grund des Schlieffenplanes zwangsläufig, auch <strong>gegen</strong><br />

Frankreich vorzugehen. Auf allen Seiten schien der Tag gekommen, „alte Rechnungen“ zu<br />

begleichen. So sah man auch in Wien das Attentat als willkommene Gelegenheit, Serbien, als<br />

Hindernis der österreichisch-ungarischen Balkanpolitik, aus dem Weg zu räumen. Aber auch<br />

innenpolitische Ursachen liegen den damaligen Prozessen zu Grunde. In einer schon länger<br />

nach einem Anlass suchenden Entwicklung, führte in Deutschland der innenpolitische Druck<br />

zu außenpolitischen Konsequenzen. Spätestens nach dem guten sozialdemokratischen Wahlergebnis<br />

von 1912, wurden der Regierung <strong>die</strong> innenpolitischen Forderungen nach Reformen,<br />

z.B. des preußische Dreiklassenwahlrechts, in ihrer Machtgefährdung deutlich. Bei den<br />

Handlungsabwägungen schien <strong>gegen</strong>über den geforderten innenpolitischen Änderungen ein<br />

europäischer Krieg wohl als das „kleinere Übel“. Ganz in der Art der Bismarckschen Reichseinigungskriege,<br />

wurde hier <strong>die</strong> ultima ratio Krieg als Rettungsanker für überkommene politische<br />

Strukturen instrumentalisiert.<br />

Nicht zuletzt sah das deutsche Kaiserreich <strong>die</strong> Möglichkeit gekommen, eine „angemessenere“<br />

Positionierung im Reigen der europäischen Kolonialmächte zu erreichen und führende europäische<br />

Kontinentalmacht zu werden.<br />

Als stärkste Reichstagsfraktion seit 1912, standen anfangs <strong>die</strong>sem Block der Kriegsbefürworter<br />

und -beförderer <strong>die</strong> antimilitaristischen deutschen Sozialdemokraten ent<strong>gegen</strong>, allerdings<br />

keinesfalls in ähnlicher Geschlossenheit. Nach 1913 fehlte der deutschen SPD <strong>die</strong> charismatische<br />

Persönlichkeit eines August Bebels, der es verstanden hatte, <strong>die</strong> verschiedensten<br />

Strömungen, vom Revisionismus Bernsteins bis zum Linksradikalismus Rosa<br />

1<br />

I. Geiss: Julikrise und Kriegsausbruch 1914. Eine Dokumentation, Hannover, 1963/64, Bde. 1, Nr.2, S.59<br />

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Luxemburgs, von der integrativen Politik Ludwig Franks bis zur Fundamentalopposition <strong>Karl</strong><br />

<strong>Liebknechts</strong> in der Partei zusammen zu halten.<br />

So ist es sicherlich auch nicht verwunderlich, dass unter dem Eindruck <strong>die</strong>ser extremen politischen<br />

Ereignisse, unter dem Dach der SPD <strong>die</strong> unterschiedlichsten Reaktionen zu Tage traten.<br />

So hatte bereits 1913 der zweite Vorsitzende der Generalkommission der Freien Gewerkschaften<br />

und Mitglied der SPD Reichstagsfraktion, Gustav Bauer, eine eher „praktische“<br />

Haltung zu möglichen Kriegen. Zwar löste seine im Konjunktiv formulierte These, es könnte<br />

auch „eine bestimmte Sorte [...] von Kriegen“ geben „<strong>die</strong> im Interesse des Proletariats liegen“<br />

2 auf der SPD Fraktionssitzung, neun Monate vor Kriegsbeginn, noch starken Widerspruch<br />

aus. Trotzdem wurden erste Ansätze einer versöhnlicheren, kompromissbereiteren und<br />

nach innenpolitischer Integration suchenden Politik <strong>gegen</strong>über der „Welt von Feinden“ 3 deutlich,<br />

<strong>die</strong> schließlich am 2. August 1914, auf der Tagung der Verbandsvorstände der Gewerkschaften,<br />

zur ersten formellen Etablierung der Burgfriedenspolitik führte, indem <strong>die</strong> Gewerkschaften<br />

zusagten, „alle schwebenden Lohnkämpfe einzustellen und jede Streikunterstützung<br />

zu sistieren“ 4 . Auch bei den sozialdemokratischen Vertretern der süddeutschen Länder war<br />

schon in den Vorjahren ein Abdriften von der bebelschen Maxime: „<strong>die</strong>sem System keinen<br />

Mann und keinen Groschen“ zu beobachten, hatten <strong>die</strong>se doch schon <strong>die</strong> Budgets ihrer Länderparlamente<br />

mitgetragen. Und so erscheint folgerichtig, dass der süddeutsche Abgeordnete,<br />

Ludwig Frank, auch unter möglichem Bruch der Fraktionsdisziplin, „unter allen Umständen<br />

durchzusetzen“ suchte „dass <strong>die</strong> Fraktion für <strong>die</strong> Kriegskredite stimmt. Im Notfall <strong>die</strong> Süddeutschen<br />

allein.“ 5 .<br />

Eine weitere große Gruppe innerhalb der SPD waren <strong>die</strong> Unentschlossenen, <strong>die</strong> zwischen Patriotismus<br />

und Parteiprinzipien wankten, <strong>die</strong> sich dem nationalistischen Taumel der Strasse<br />

nicht entziehen konnten oder wollten. Da, wo von sozialdemokratischer Seite ein Wille, ja<br />

eine Sehnsucht zur Integration vorhanden war, fand sie auf bürgerlicher Seite ihr Pendant,<br />

nämlich ein Bestreben, <strong>die</strong> Sozialdemokratie „mitzukriegen“, wie es der deutsche Reichskanzler<br />

Bethmann Hollweg so treffen formulierte. Diesem Sog, mit dem Ziel <strong>die</strong> Sozialdemokraten<br />

in ein kleinbürgerliches Denken, aber nicht in bürgerliche Lebensverhältnisse einzubetten<br />

und damit politisch zu paralysieren, konnten sich viele Genossen nicht verschließen.<br />

Versprach er doch scheinbar <strong>die</strong> seit dem Sozialistengesetz gemachten Fortschritte in Bezug<br />

auf gesellschaftliche Mitbestimmung und ökonomischen Lebensstandart festzuschreiben und<br />

nach dem Krieg weiter auszubauen.<br />

Als weitere Gruppe innerhalb der Sozialdemokratie ist <strong>die</strong> Linke der Partei zu nennen, deren<br />

Vertreter auch in <strong>die</strong>ser Situation ihre Position der konsequenten Fundamentalopposition ge-<br />

2 Protokoll komplett abgedruckt in: <strong>Karl</strong>ludwig Rintelen: Links blinken und rechts abbiegen, in: Zwecklegenden. Die SPD und das<br />

Scheitern der Arbeiterbewegung, Verlag 1900, Berlin, 1996, S. 63-67<br />

3 Bauer 1911 zitiert nach <strong>Karl</strong>ludwig Rintelen: Links blinken und rechts abbiegen, in: Zwecklegenden. Die SPD und das Scheitern<br />

der Arbeiterbewegung, Verlag 1900, Berlin, 1996, S. 59<br />

4 s. Miller Susanne, Burgfrieden und Klassenkampf, Droste, Bonn-Bad Godesberg, 1974, S. 49<br />

5<br />

Grünebaum, „Ludwig Frank – Ein Beitrag zur Entwicklung der deutschen Sozialdemokratie“, Bd. I, Stuttgart 1947, S. 299<br />

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gen <strong>die</strong> Reichsregierung und den Antimilitarismus beibehielten. Ihre Einstellung begründet<br />

sich aus dem Erfurter Parteiprogramm und Antikriegsbeschlüssen der Sozialistenkongresse. 6<br />

Klar definiert Liebknecht schon 1907 <strong>die</strong> imperialistischen Motive des kommenden Weltkrieges<br />

als „<strong>Kampf</strong> um <strong>die</strong> Beute, um den Profit zwischen den Kapitalistenklassen der Weltmächte“.<br />

7 An <strong>die</strong>ser Position sollte sich auch bis 1914 nichts ändern.<br />

Auffällig ist auch <strong>die</strong> geringe Beachtung, mit der <strong>die</strong> Sozialdemokratie auf das Attentat von<br />

Sarajevo reagierte. Weder Philipp Scheidemann noch Hermann Molkenbuhr, ihres Zeichens<br />

Vorsitzende der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion und auch nicht Friedrich Ebert, einer<br />

der Parteivorsitzenden, waren im Juli 1914 in Berlin und hatten auch keine Eile mit der<br />

Anreise. Während <strong>die</strong> diplomatischen Geheimkanäle heiß liefen, befand sich z.B. Friedrich<br />

Ebert im Urlaub auf Rügen. Alles in allem kann man wohl davon ausgehen, dass in der Mehrheit<br />

der Sozialdemokratie <strong>die</strong> Kriegsgefahr eher als gering eingeschätzt wurde. So schrieb<br />

unter anderen 8 <strong>die</strong> zum linksradikalen Flügel der SPD gehörige Rosa Luxemburg, deren<br />

Glaubwürdigkeit auf Grund ihres linken pazifistischen Image sicherlich besonders groß war,<br />

noch am 28. Juli 1914 in einem Artikel der „Sozialdemokratischen Korrespondenz“, dass <strong>die</strong><br />

Leitung der deutschen Politik und besonders Wilhelm II. keinen Krieg wollen. 9<br />

Allerdings reagierte <strong>die</strong> Parteizeitung der deutschen Sozialdemokratie „Vorwärts“ am 25. Juli<br />

1914 auf <strong>die</strong> Kriegsgefahr ganz traditionell und veröffentlichte neben dem österreichischen<br />

Ultimatum an Serbien auch einen Aufruf des SPD Parteivorstandes, in dem <strong>die</strong>ser „im Namen<br />

der Menschlichkeit und der Kultur flammenden Protest <strong>gegen</strong> <strong>die</strong>s verbrecherische Treiben<br />

der Kriegshetzer“ 10 erhob und zu Massenprotesten <strong>gegen</strong> den drohenden Krieg aufrief. 11 So<br />

beteiligten sich zwischen dem 26. und 31. Juli 1914 immerhin „ca. eine dreiviertel Million<br />

Menschen an mindestens 288 Antikriegsversammlungen in 163 Städten und Gemeinden. 12<br />

Allerdings war das Ziel, nur <strong>die</strong> deutsche Regierung zu motivieren, <strong>gegen</strong> <strong>die</strong> Kriegsbestrebungen<br />

Österreich-Ungarns vorzugehen. Dem deutschen Reich eigene Kriegsbestrebungen zu<br />

unterstellen, lag der Mehrheit der deutschen Sozialdemokratie zu <strong>die</strong>sem Zeitpunkt fern. So<br />

verwundert auch <strong>die</strong> Miteilung der Reichsregierung vom 26. Juli 1914 an Hugo Haase, nicht<br />

6<br />

„Droht der Ausbruch eines Krieges, so sind <strong>die</strong> arbeitenden Klassen und deren parlamentarische Vertretungen in den beteiligten<br />

Ländern verpflichtet[...]alles aufzubieten[...] den Ausbruch eines Krieges zu verhindern. [...] Falls der Krieg dennoch ausbrechen<br />

sollte, ist es <strong>die</strong> Pflicht, für dessen rasche Beendigung einzutreten“ Manifest des Außerordentlichen Internationalen Sozialistenkongresses<br />

zu Basel, 24./25. 11.1912 abgedruckt in Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED, Dokumente und Materialien<br />

zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Band II/1, Dietz Verlag, Berlin, 1958, S.3-8<br />

7<br />

Liebknecht, <strong>Karl</strong>, Klassenkampf <strong>gegen</strong> den Krieg in: Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED: <strong>Karl</strong> Liebknecht gesammelte<br />

Reden und Schriften, Band I, Dietz Verlag, Berlin, 1958, S. 422<br />

8<br />

z.B. Haase, Ströbel s. dazu Groh, Dieter: Negative Integration und revolutionärer Attentismus. Die deutsche Sozialdemokratie am<br />

Vorabend des Ersten Weltkrieges. (Ullstein 3086) Frankfurt/M., Berlin, Wien: Ullstein 1973 S. 644<br />

9<br />

s. Groh, Dieter: Negative Integration und revolutionärer Attentismus. Die deutsche Sozialdemokratie am Vorabend des Ersten<br />

Weltkrieges. (Ullstein 3086) Frankfurt/M., Berlin, Wien: Ullstein 1973 S. 643-644.<br />

10<br />

zitiert aus: Carola Stern, Heinrich A. Winkler: Wendepunkte deutscher Geschichte 1848-1990, Fischer Taschenbuch Verlag,<br />

Frankfurt a. Main, 1995, S. 74.<br />

11<br />

wohl von Haase angeregt und nur durch <strong>die</strong> Abwesenheit von Ebert, Scheidemann und Molkenbuhr in <strong>die</strong>ser Konsequenz zustande<br />

gekommen, s. dazu Miller, Susanne: Burgfrieden und Klassenkampf. Die deutsche Sozialdemokratie im Ersten Weltkrieg. Hrsg.<br />

Von der Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, Droste S.39-40<br />

12<br />

Wolfgang Kruse: Sozialismus, Antikriegsbewegungen, Revolutionen in Wolfgang Kruse: Eine Welt von Feinden, Der große Krieg<br />

1914-1918, Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main, 2000, S. 198<br />

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„dass <strong>die</strong> Regierung nicht beabsichtige, <strong>die</strong>se Versammlungen zu unterdrücken“. 13 Im Gegenzug<br />

versicherte Albert Südekum am 29. Juli 1914 anlässlich einer Unterredung mit dem deutschen<br />

Reichskanzler, Bethmann Hollweg, für <strong>die</strong> SPD, „dass – gerade aus dem Wunsch heraus,<br />

dem Frieden zu <strong>die</strong>nen- keinerlei wie immer gearteten Aktionen (General- oder partieller<br />

Streik, Sabotage u. dgl.) geplant oder auch nur zu befürchten seien“ 14 und nahm damit <strong>die</strong> von<br />

der Reichsregierung zum Burgfrieden ausgestreckte Hand. Mit der Gewissheit des deutschen<br />

Reichskanzlers Bethmann Hollweg, dass „von der Sozialdemokratie und dem sozialdemokratischen<br />

Parteivorstand [...] nichts besonderes zu befürchten“ sei, beendet der am 31. Juli 1914<br />

verhängte Kriegszustand ein diffuses Bündel von sozialdemokratischen Aktionen, <strong>die</strong> sich<br />

zwar pauschal <strong>gegen</strong> Krieg und Militarismus gerichtet haben, sich in ihrer Kritik an der deutsche<br />

Politik aber eher zurück hielten. Nun wurde scheinbar offiziell <strong>die</strong> Integration der „vaterlandslosen<br />

Gesellen“ eingeleitet.<br />

Ein Vorgang, der 15 auf eine schon länger währende Transformation von revolutionär<br />

internationalistischen Parteizielen zu reformistisch, staatssozialistischen und integrativen 16<br />

Zielen zurück geht. 17 Trotzdem macht es den Eindruck, <strong>die</strong> Konsequenz <strong>die</strong>ser<br />

Richtungsänderung, nämlich <strong>die</strong> daraus zwangsläufig folgende Bewilligung der Kriegskredite<br />

und <strong>die</strong> uneingeschränkte Solidarität mit der Reichsregierung, war der Fraktionsmehrheit<br />

Ende Juli 1914 noch nicht klar und <strong>gegen</strong>wärtig. 18 Dominierendes Motiv war es, endlich das<br />

Stigma der Reichsfeinde und „vaterlandslosen Gesellen“ einzutauschen <strong>gegen</strong> eine gleichberechtigte<br />

Position innerhalb der gesellschaftlichen Entscheidungsebene. Dass <strong>die</strong>ses Ziel nur<br />

durch „sozialdemokratischen Substanzverlust“ 19 zu erreichen war und sich <strong>die</strong> Fraktion zu<br />

<strong>die</strong>sem Zeitpunkt damit nicht unbedingt in Meinungsübereinstimmung mit der Parteibasis<br />

befand, ist bewusst von der Fraktionsmehrheit aus politischem Kalkül in Kauf genommen<br />

worden.<br />

Nun sollte <strong>die</strong> geschickte Taktik Bethmann Hollwegs Früchte tragen. Vor <strong>die</strong> Wahl gestellt,<br />

<strong>die</strong> Zerschlagung ihrer Organisation zu riskieren, was auch bedeutete, möglicher kriegsbedingter<br />

Massenarbeitslosigkeit und Hungersnot unorganisiert ausgeliefert zu sein, folgten <strong>die</strong><br />

meisten Mitglieder der deutschen Sozialdemokratie der argumentativen Linie, Europa vor<br />

dem Zarismus zu bewahren. Als dann am 1. August <strong>die</strong> Ermordung von Jaurés bekannt<br />

wurde, war es der Ruf „´Rache für Jaurés!´ [...], der es vielen deutschen Sozialdemokraten<br />

13<br />

zitiert aus: Miller, Susanne: Burgfrieden und Klassenkampf. Die deutsche Sozialdemokratie im Ersten Weltkrieg. Hrsg. Von der<br />

Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, Droste S. 41<br />

14<br />

zitiert aus: Miller, Susanne: Burgfrieden und Klassenkampf. Die deutsche Sozialdemokratie im Ersten Weltkrieg. Hrsg. Von der<br />

Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, Droste S. 42<br />

15<br />

wie oben aufgezeigt<br />

16<br />

s. dazu Kruse, Wolfgang. Krieg und nationale Integration. Eine Neuinterpretation des sozialdemokratischen Burgfriedensschlusses<br />

1914/15. Klartext, Essen 1993 S. 224<br />

17<br />

„ the vote for the war credits on 4. August 1914 is but the logical end of a clear line of development“ Carl E. Schorske, German<br />

Social Democracy 1905-1917. The Development of the Great Schism in Harvard Historical Stu<strong>die</strong>s, Harvard 1955, S. 285<br />

18<br />

s. dazu Miller, Susanne: Zum 3. August 1914, in: Friedrich-Ebert-Stiftung(Hrsg.), Archiv für Sozialgeschichte IV. Band, Verlag für<br />

Literatur und Zeitgeschehen, Hannover, 1964 S.518<br />

19<br />

s. dazu Kruse, Wolfgang. Krieg und nationale Integration. Eine Neuinterpretation des sozialdemokratischen Burgfriedensschlusses<br />

1914/15. Klartext, Essen 1993 S. 224<br />

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erleichterte, dem ´Nieder mit dem Zarismus!´ seit dem 2. und 3. August ein ´Nieder mit<br />

Frankreich!´ hinzuzufügen und sich gleichzeitig als gute Sozialisten zu fühlen“. 20<br />

2. Vier Tage im August 1914 – bis zur Bewilligung der Kriegskredite<br />

Der am 31. Juli 1914 ausgerufene „Zustand drohender Kriegsgefahr“, schränkte <strong>die</strong> öffentlichen<br />

Handlungsräume der Sozialdemokratie erheblich ein und reduzierte sie auf Fraktions-<br />

und Parlamentsebene. Angesichts der drohenden Kriegsgefahr befand sich <strong>die</strong> SPD<br />

Reichstagsfraktion in einer Position des bewussten Verdrängens aller Indizien, <strong>die</strong> für eine<br />

offensive Kriegspolitik des deutschen Kaiserreiches sprachen. Ihr Verhalten lässt sich aus<br />

heutiger Sicht wohl nur mit dem unbewussten Bestreben erklären, zu verhindern, dass sie, bei<br />

Erkennen der Kriegszielpolitik der Reichsregierung, von ihren eigenen antimilitaristischen<br />

und internationalistischen Parteiprinzipien in <strong>die</strong> Pflicht einer forcierten Antikriegspolitik<br />

genommen worden wären. So hielt auch <strong>die</strong> Sozialdemokratie <strong>die</strong> Vorstellung vom „gerechten“<br />

Verteidigungskrieg aufrecht, um ihre integrativen Bestrebungen in Einklang zum Parteiprogramm<br />

bringen zu können. Die schicksalsergebene Hoffnung, dass <strong>die</strong> Reichsleitung sich<br />

letztlich doch um <strong>die</strong> Erhaltung des Friedens bemühen werde, stellte sich spätestens am 1.<br />

August 1914, dem Tag der Kriegserklärung an Russland und Frankreich, als Wunschdenken<br />

heraus.<br />

War <strong>die</strong> mögliche Position der SPD Reichstagsfraktion zur Kriegskreditsfrage anlässlich des<br />

Treffens mit den SPD-Vorständen am 31. Juli 1914 noch relativ umstritten und <strong>die</strong> Entscheidung<br />

anscheinend noch offen, kam es nur zwei Tage später auf der Tagung der Verbandsvorstände<br />

der Gewerkschaften zur eindeutigen Etablierung der Burgfriedenspolitik, als <strong>die</strong>se zustimmten,<br />

„alle schwebenden Lohnkämpfe einzustellen und jede Streikunterstützung zu sistieren“<br />

21 . Bei der Konstruktion der sozialdemokratischen Rechtfertigungsstrategie kam der geschickt<br />

von Reichskanzler Bethmann Hollweg als „Bösewicht“ aufgebaute Zarismus gerade<br />

recht. Letzte Barrieren wurden dann am 3. August 1914 gebrochen, als der SPD Reichstagsabgeordnete<br />

Hermann Müller, gerade von einem Treffen mit französischen Genossen zurückgekehrt,<br />

erklärte, <strong>die</strong>se würden wahrscheinlich für <strong>die</strong> französischen Kriegskredite stimmen,<br />

weil sie davon überzeugt seien, dass Frankreich einen Verteidigungskrieg führe. Mit dem augenscheinlichen<br />

Zusammenbrechen der Internationalen vollzog sich auch der Stimmungswandel<br />

der SPD Reichstagsfraktion. Diese beschloss dann, unter heftigen Kontroversen zwischen<br />

„Fundamentalopposition und Integration“ 22 , auf ihrer Fraktionssitzung am 3. August<br />

1914 mit einer überwältigenden Mehrheit von 78 zu 14 Stimmen 23 , <strong>die</strong> Bewilligung der<br />

20 Groh, Dieter: Negative Integration und revolutionärer Attentismus. Die deutsche Sozialdemokratie am Vorabend des Ersten<br />

Weltkrieges. (Ullstein 3086) Frankfurt/M., Berlin, Wien: Ullstein 1973, S. 663<br />

21 s. Miller Susanne, Burgfrieden und Klassenkampf, Droste, Bonn-Bad Godesberg, 1974, S. 49.<br />

22 Kruse, Wolfgang. Krieg und nationale Integration. Eine Neuinterpretation des sozialdemokratischen Burgfriedensschlusses 1914/15.<br />

Klartext, Essen 1993, S. 84<br />

23<br />

<strong>die</strong> Zahl der Gegenstimmen schwankt in den Quellen zwischen 14 und 16 s. dazu Matthias, Erich und Pikart, Eberhard: Die<br />

Reichstagsfraktion der deutschen Sozialdemokratie 1914 bis 1918, Hrsg. Von der Kommission für Geschichte des Parlamentarismus<br />

und der politischen Parteien Erste Reihe 3/II, Droste, Düsseldorf, 1966, S. 3<br />

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Kriegskredite und damit auch formell eine bedingungslose Integration in <strong>die</strong> deutsche Einheitsfront.<br />

Der 4. August 1914 wurde der Tag der Umsetzung <strong>die</strong>ser Beschlüsse. Er wurde für <strong>die</strong> deutsche<br />

Sozialdemokratie zum „umfassenden Bekenntnis [ihrer] [...] Untertänigkeit“ 24 unter <strong>die</strong><br />

Regierungsgewalt des deutschen Kaiserreiches. Diese Unterwerfung führte soweit, dass nach<br />

dem Einspruch Bethmann Hollwegs <strong>gegen</strong> den Passus in der SPD Erklärung, dass <strong>die</strong> Fraktion<br />

den „entschiedensten Widerstand leisten werde, falls der Krieg den Charakter eines Eroberungskrieges<br />

annehmen werde“ 25 , <strong>die</strong>ser ohne nennenswerten Widerstand geändert<br />

wurde. 26 Symbolhaft ist auch das für <strong>die</strong> sozialdemokratische Fraktion sicherlich beispiellose<br />

Beklatschen und Beifallrufen einiger ihrer Abgeordneter 27 während der Reichskanzlerrede in<br />

der ersten Plenarsitzung. 28 Und so besiegelte das erstmalige Aufstehen der sozialdemokratischen<br />

Fraktion, beim gemeinschaftlich im Reichstag ausgesprochenem ’Kaiserhoch’ auf<br />

‘Volk und Vaterland‘, den Burgfriedensschluss im deutschen Reich 29 und symbolisiert<br />

scheinbar <strong>die</strong> „vollständige nationale Bekehrung“ 30 der deutschen Sozialdemokratie. Der<br />

Eindruck der Einheitlichkeit der sozialdemokratischen Haltung wurde noch dadurch bestärkt,<br />

dass <strong>die</strong> Stimmenthaltungen zweier Abgeordneter 31 in der Öffentlichkeit nahezu unbemerkt<br />

blieben. Auch das Verlesen der „pro - Kriegskredite“ Erklärung der SPD Reichstagsfraktion<br />

durch den linken Abgeordneten und Parteivorsitzenden Haase, konnte in der Öffentlichkeit<br />

nur als einhellige Bestätigung auch der linken Fraktionsseite gewertet werden. Darüber hinaus<br />

kam es dazu, dass am 4. August 1914 <strong>die</strong> Erkenntnis Kaiser Wilhelm II., „ich kenne keine<br />

Parteien mehr, ich kenne nur noch Deutsche“, auch noch durch ein von der Sozialdemokratie<br />

mitgetragenes „Ermächtigungsgesetz“ 32 bestätig wurde, welches jegliche parteipolitische<br />

Einflussnahme auf parlamentarischer Ebene gesetzlich verhinderte und <strong>die</strong> Parteien damit zur<br />

selbstbeschlossenen Handlungsunfähigkeit verdammte und ihre Existenz, soweit man sie über<br />

ihre Handlungsfähigkeit definiert, tatsächlich aufhob.<br />

24 Ströbel, Kriegsschuld S. 9, zitiert aus Kruse, Wolfgang. Krieg und nationale Integration. Eine Neuinterpretation des<br />

sozialdemokratischen Burgfriedensschlusses 1914/15. Klartext, Essen 1993 S. 86<br />

25 Matthias, Erich und Pikart, Eberhard: Die Reichstagsfraktion der deutschen Sozialdemokratie 1914 bis 1918, Hrsg. Von der Kommission<br />

für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, Droste, Düsseldorf, 1966S. 4 Anm. 5)<br />

26 und damit auch der einzige Satz innerhalb <strong>die</strong>ser Erklärung der von einem Gegner der Kriegskreditvorlage, nämlich Kautsky,<br />

stammte.<br />

27 Südekum, Heine, Frank, Wendel u.a.<br />

28 s. dazu Matthias, Erich und Pikart, Eberhard: Die Reichstagsfraktion der deutschen Sozialdemokratie 1914 bis 1918, Hrsg. Von der<br />

Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, Droste, Düsseldorf, 1966S. 4 Anm. 5<br />

29 beim offiziellen Schwur anlässlich der feierlichen Eröffnung der Reichstagssession: mit dem Kaiser ´durch dick und dünn durch Not<br />

und Tod´ zu gehen, im Berliner Stadtschloss am selben Tag, war <strong>die</strong> Sozialdemokratische Fraktion nicht anwesend, <strong>die</strong>se hatte aber<br />

vorher versucht, <strong>die</strong> Verlesung der Thronrede in den Reichstag zu verlegen „dann werde <strong>die</strong> Sozialdemokratie erscheinen und sich<br />

auch vom Hoch auf den Kaiser nicht ausschließen“ Conrad Haussmann: Schlaglichter. Reichstagsbriefe und Aufzeichnungen, hg.<br />

V. u: Zeller, Frankfurt 1924, S.3<br />

30 Kruse, Wolfgang. Krieg und nationale Integration. Eine Neuinterpretation des sozialdemokratischen Burgfriedensschlusses 1914/15.<br />

Klartext, Essen 1993 S. 88<br />

31 Josef Simon und Fritz Kunert s. dazu: Kruse, Wolfgang. Krieg und nationale Integration. Eine Neuinterpretation des sozial-<br />

demokratischen Burgfriedensschlusses 1914/15. Klartext, Essen 1993 S. 250 Anm. 324<br />

32<br />

neben der Abstimmung über <strong>die</strong> Kriegskredite kam das ´Gesetz über <strong>die</strong> Ermächtigung des Bundesrates zu wirtschaftlichen<br />

Maßnahmen und über <strong>die</strong> Verlängerung der Fristen des Wechsel- und Scheckrechtes´ zur Abstimmung, welches einem Verzicht des<br />

Parlaments auf Mitwirkung an entscheidenden kriegswirtschaftlichen Fragen entspricht, s. dazu Groh, Dieter: Negative Integration<br />

und revolutionärer Attentismus. Die deutsche Sozialdemokratie am Vorabend des Ersten Weltkrieges. (Ullstein 3086) Frankfurt/M.,<br />

Berlin, Wien: Ullstein 1973, S. 685-686<br />

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III. <strong>Liebknechts</strong> Positionierung im <strong>Kampf</strong> <strong>gegen</strong> den Burgfrieden<br />

1. Grundlagen<br />

Der Sozialdemokrat <strong>Karl</strong> Liebknecht war zum Zeitpunkt des Attentats von Sarajewo 43 Jahre<br />

alt und seit 1912 gewählter Abgeordneter im deutschen Reichstag. Geboren als Sohn von<br />

Wilhelm Liebknecht (1826-1900), dem „Soldaten der Revolution“, der 1869 zusammen mit<br />

August Bebel (1840-1913) <strong>die</strong> Sozialdemokratische Arbeiterpartei Deutschlands (SDAP) gegründet<br />

hatte, trat er 1900 der SPD bei. <strong>Sein</strong> <strong>Kampf</strong> als sozialdemokratischer Politiker begann<br />

1904, als er erstmals an einem Parteitag der SPD teilnahm und richtete sich von Anfang an<br />

konsequent <strong>gegen</strong> den bestehenden Militarismus. Diesen hatte er als Machtmittel von „Kapital<br />

und Reaktion“ identifiziert, der mit „Drill und Disziplin“ das Proletariat „durch Furcht und<br />

Schrecken“ zu zwingen sucht, „seinen eigenen Feinden“ zu <strong>die</strong>nen. 33 Für ihn war Militarismus,<br />

neben dessen Funktion als Verteidigungs- und Angriffsinstrument, immer auch Mittel<br />

zur Stabilisierung der inneren Ordnung des deutschen Kaiserreiches und somit direkter Widerpart<br />

der nach Emanzipation des Proletariats strebenden Sozialdemokratie. Auf <strong>die</strong>ser Erkenntnis<br />

beruhte sein ständiger <strong>Kampf</strong> <strong>gegen</strong> den preußischen Klassenstaat, den deutschen<br />

Imperialismus und den despotischen Zarismus in Russland. Er versuchte, speziell <strong>die</strong> Jugend<br />

durch Aufklärung dem Einfluss der militärischen Erziehung zu entziehen. Da <strong>die</strong>se Agitation<br />

von herrschender Seite nicht unbemerkt blieb, kam es vom 9. bis 12. Oktober 1907 in Leipzig<br />

zum Hochverratsprozess <strong>gegen</strong> <strong>Karl</strong> Liebknecht. Dieser „suchte [...] im Prozess [...] nicht <strong>die</strong><br />

juristische, sondern <strong>die</strong> politische Auseinandersetzung 34 , indem der stu<strong>die</strong>rte Jurist und Anwalt<br />

versuchte, den Prozess zum Podium seiner antimilitaristischen Agitation zu machen. 35<br />

Resultat war eine Verurteilung zu 18 Monaten Festungshaft.<br />

Aber auch in Kreisen der Sozialdemokratie traf seine antimilitaristische Agitation nicht nur<br />

auf Gegenliebe. Der beim Prozess <strong>gegen</strong> Liebknecht als Zeuge vernommene August Bebel<br />

erklärte, dass „<strong>die</strong>ses Hervorheben einer besonderen antimilitaristischen Agitation [...] praktisch<br />

falsch und taktisch unrichtig ist“. 36 Schon hier wurde <strong>die</strong> unterschiedliche Bewertung<br />

und Gewichtung des Militarismus von <strong>Karl</strong> Liebknecht und im Gegensatz dazu einem<br />

Grossteil der SPD-Führung deutlich. 37 Hier zeigten sich erste Ansätze des späteren Konflikts,<br />

der bei der Diskussion um <strong>die</strong> Bewilligung der Kriegskreditvorlage im August 1914 seinen<br />

vorläufigen Höhepunkt erreichen sollte. Der Attentismus der sozialdemokratischen Parteiführung<br />

führt im Gegenzug zur starken Popularisierung <strong>Liebknechts</strong> und ließ ihn zum Symbol<br />

des deutschen Antimilitarismus werden. Die hohe Bekanntheit und sein Engagement führten,<br />

trotz seiner Festungshaft, am 16. Juni 1908 zur Wahl <strong>Liebknechts</strong> zum Abgeordneten der<br />

33<br />

s. dazu Helmut Trotnow: <strong>Karl</strong> Liebknecht Eine politische Biographie, dtv, München 1982, S. 78<br />

34<br />

Helmut Trotnow: <strong>Karl</strong> Liebknecht Eine politische Biographie, dtv, München 1982, S. 84<br />

35<br />

interessante Parallelen ergeben sich hier zum Hochverratsprozess <strong>gegen</strong> seinen Vater Wilhelm Liebknecht und August Bebel von<br />

1872, der auch ein Ergebnis des <strong>Kampf</strong>es <strong>gegen</strong> den Bismarckschen Militarismus im Zusammenhang mit dem deutsch - französischen<br />

Krieg 1870-1871 war<br />

36<br />

zitiert aus: Helmut Trotnow: <strong>Karl</strong> Liebknecht Eine politische Biographie, dtv, München 1982, S. 89<br />

37<br />

darüber hinaus wurden auf verschiedensten Parteitagen der SPD Anträge <strong>Karl</strong> <strong>Liebknechts</strong> ´so auf dem Bremer Parteitag von 1904<br />

und dem Essener Parteitag von 1907´ abgelehnt, <strong>die</strong> eine Forcierung der antimilitaristischen Propaganda zum Ziel hatten.<br />

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SPD im preußischen Landtag. Der krasse Widerspruch zwischen der geringen Anzahl von<br />

sieben sozialdemokratischen Abgeordneten - nicht einmal 2 % der 424 Landtagssitze - und<br />

da<strong>gegen</strong> dem Stimmenanteil von 23,87 % aller Wähler, 38 bestärkte <strong>Liebknechts</strong> <strong>Kampf</strong> <strong>gegen</strong><br />

Preußen und das preußische Dreiklassenwahlrecht. Er war von der Unmöglichkeit überzeugt,<br />

grundsätzliche Veränderungen auf parlamentarischem Wege erreichen zu können. Auf dem<br />

Parteitag der SPD 1910 in Berlin sagte er: „das demokratische Wahlrecht ist wirkungslos,<br />

solange draußen, außerhalb des Parlaments, <strong>die</strong> Machtverhältnisse nicht verschoben sind“. 39<br />

Er maß dem außerparlamentarischen <strong>Kampf</strong> 40 größte Bedeutung bei und gab damit im gleichen<br />

Atemzug aber auch allen integrative Bestrebungen 41 der sozialdemokratischen Parteiführung<br />

und ihren lokalen Vertretern eine klare Absage. Hier liegt neben dem konsequenten Antimilitarismus<br />

eine weitere Wurzel für <strong>Liebknechts</strong> spätere Ablehnung der Burgfriedenspolitik<br />

der deutschen Sozialdemokratie.<br />

Dass <strong>die</strong> Reichsregierung im Falle einer möglichen Kriegsgefahr bemüht sein wird, latent in<br />

der Sozialdemokratie vorhandene „chauvinistische(r) Instinkte“ 42 zu entfesseln, war<br />

Liebknecht klar. Im Zuge der Marokkokrise 1911 brachte er aber seine Überzeugung zum<br />

Ausdruck, dass das Proletariat sich „den Sand aus den Augen“ reiben und <strong>die</strong> Situation „klar<br />

und scharf“ erkennen wird, um „seine Macht in <strong>die</strong> Waagschale des Friedens [zu] werfen“. 43<br />

Er forderte das Proletariat auf, „<strong>die</strong> Hand am Schwertknauf zu halten[...] Nur angespannteste<br />

Wachsamkeit und andauernde Bekundung der proletarischen Bereitschaft zum rücksichtslosen<br />

Krieg <strong>gegen</strong> den Krieg“ könnte <strong>die</strong> auf Europa lastenden Kriegsgefahren „endgültig nie-<br />

derringen“. 44<br />

Im gleichen Zusammenhang zeigten sich weitere kompromissbereite Verhaltensmuster der<br />

Parteiführung der SPD, als <strong>die</strong>se 45 <strong>die</strong> von dem Sekretär des Internationalen Sozialistischen<br />

Bureau (ISB), Camille Huysmann, geforderte Einberufung desselben aus „Rücksicht auf <strong>die</strong><br />

bevorstehenden Reichstagswahlen“ ablehnte und damit den nationalen Wahlerfolg der deutschen<br />

Sozialdemokratie über <strong>die</strong> Friedensbemühungen der Internationale stellte.<br />

Dieses Verhalten der SPD Parteiführung und <strong>die</strong> daraus resultierenden Auseinandersetzungen<br />

auf dem Jenaer SPD Parteitag desselben Jahres, motivierten <strong>Karl</strong> <strong>Liebknechts</strong> Beschäftigung<br />

mit Fragen des Krieges und der Kriegsverhütung. Exemplarisch dafür ist <strong>die</strong> von ihm im Zuge<br />

38 Dieter Fricke: Handbuch zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung 1869-1917, Dietz Verlag Berlin, 1987, Band 2, S. 767,<br />

39 darüber hinaus auf dem Parteitag der SPD, Berlin 1913 „Es ist doch der helle Wahnsinn, [...] zu glauben, wir sollten mit Hilfe des<br />

Dreiklassenwahlrechts <strong>die</strong> Dreiklassenmehrheit im Abgeordnetenhaus stürzen können. Das ist ausgeschlossen.“, Institut für<br />

Marxismus-Leninismus beim ZK der SED (Hrsg.), <strong>Karl</strong> Liebknecht Gesammelte Reden und Schriften, Band VI, Dietz Verlag,<br />

Berlin 1964, S. 5<br />

40 „Wir müssen uns vollkommen klar sein, dass der entscheidende Schlag geführt wird außerhalb des Parlaments“ Parteitag der SPD,<br />

Berlin 1913, Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED (Hrsg.), <strong>Karl</strong> Liebknecht Gesammelte Reden und Schriften,<br />

Band VI, Dietz Verlag, Berlin 1964, S. 5<br />

41 <strong>die</strong>se zeigten sich z.B. deutlich, als am 11.8.1908 <strong>die</strong> bayrische Landtagsfraktion der SPD und am 13.8.1908 <strong>die</strong> badische Fraktion<br />

für <strong>die</strong> entsprechenden Budgets der Länderparlamente stimmten und damit bewusst SPD Parteitagsbeschlüsse brachen<br />

42 Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED: <strong>Karl</strong> Liebknecht gesammelte Reden und Schriften, Band IV, Dietz Verlag,<br />

Berlin, 1961, S. 452<br />

43 Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED: <strong>Karl</strong> Liebknecht gesammelte Reden und Schriften, Band IV, Dietz Verlag,<br />

Berlin, 1961, S. 452<br />

44 Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED: <strong>Karl</strong> Liebknecht gesammelte Reden und Schriften, Band IV, Dietz Verlag,<br />

Berlin, 1961, S. 453<br />

45<br />

speziell Hermann Molkenbuhr der als einziger aus dem Parteivorstand zur <strong>die</strong>ser Zeit in Berlin war<br />

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des Balkankrieges gehaltene Antikriegsrede am 17. November 1912 in Budapest. Auf <strong>die</strong>ser<br />

spricht er den in Europa herrschenden Klassen <strong>die</strong> Fähigkeit „Frieden halten [zu] können und<br />

Frieden halten [zu] wollen“ 46 ab. Die Proletarier könnten am Krieg kein Interesse haben, denn<br />

nach dem Krieg „werden sie zurückkehren und in <strong>die</strong> alte Sklaverei eingespannt werden“. 47 Er<br />

hoffte, dass es unmöglich sein werde einen Krieg zu führen, „wenn <strong>die</strong> Masse des Volkes [...]<br />

keine Begeisterung für den Krieg empfindet“ 48 und wenn das Volk den „entschlossenen Willen<br />

besitzt, den Weltfrieden aufrecht zu erhalten“. 49 Man kann Liebknecht zumindestens im<br />

Bezug auf seinen Antimilitarismus reformistische Ansichten unterstellen, lehnte er doch zu<br />

<strong>die</strong>sem Zeitpunkt offensichtlich Kriege zur Herbeiführung eines revolutionären Umbruchs<br />

und den dadurch herbeizuführenden Zusammenbruch des kapitalistischen Systems ab.<br />

<strong>Liebknechts</strong> Antimilitarismus und Fundamentalopposition korrespon<strong>die</strong>rten immer weniger<br />

mit der in der SPD verfolgten Strategie zur Integration und parlamentarischen Mitarbeit.<br />

Liebknecht war unbewusst zum Einzelkämpfer geworden, der sich weder hundertprozentig<br />

mit der linken oder rechten Parteilinie, noch dem SPD Zentrum in Einklang bringen ließ.<br />

Vielleicht prädestinierte es ihn deswegen als Vermittler zwischen deutschen und französischen<br />

Genossen aufzutreten, <strong>die</strong> schon länger das Generalstreikspostulat bei Kriegsausbruch<br />

kontrovers diskutierten. Im Angesicht der drohenden Kriegsgefahr reiste Liebknecht am 12.<br />

Juli 1914 nach Condé sur l´Escaut in Nordfrankreich. Die dortige deutsch-französische Friedenskundgebung<br />

sollte zum letzten Lebenszeichen der sozialistischen Internationale vor<br />

Kriegsausbruch werden. Unter Rufen wie „Vive l´Allemange!“, „Vive Liebknecht“ und „Nieder<br />

mit dem Krieg“ beschwor <strong>Karl</strong> Liebknecht den Internationalismus als Mittel im <strong>Kampf</strong><br />

<strong>gegen</strong> Militarismus und Krieg.<br />

2. Der 4. August- und dessen unmittelbare Vorgeschichte<br />

<strong>Karl</strong> Liebknecht kam am 3. August nach Berlin. 50 Wie viele sozialdemokratische Genossen<br />

hatte er den Juli für Urlaub 51 genutzt. Aus <strong>die</strong>ser relativ sorglosen Haltung <strong>gegen</strong>über den<br />

Ereignissen seit dem 28. Juni 1914 lässt sich auf <strong>die</strong> starke Unterschätzung der latent vorhandenen<br />

Kriegsgefahr schließen. Auch das Entscheidungsverhalten der SPD Reichstagsfraktion<br />

bezüglich der Kriegskreditvorlage hatte Liebknecht nicht in Frage gestellt und mit ihm gingen<br />

46 Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED: <strong>Karl</strong> Liebknecht gesammelte Reden und Schriften, Band V, Dietz Verlag,<br />

Berlin, 1963, S.424<br />

47 Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED: <strong>Karl</strong> Liebknecht gesammelte Reden und Schriften, Band V, Dietz Verlag,<br />

Berlin, 1963, S.425<br />

48<br />

Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED: <strong>Karl</strong> Liebknecht gesammelte Reden und Schriften, Band V, Dietz Verlag,<br />

Berlin, 1963, S.428<br />

49<br />

Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED: <strong>Karl</strong> Liebknecht gesammelte Reden und Schriften, Band V, Dietz Verlag,<br />

Berlin, 1963, S.428<br />

50 <strong>die</strong> Zeit zwischen dem 12. Juli 1914 und dem 3. August 1914 lässt sich für Liebknecht in den Quellen nicht nachweisen, sogar in<br />

seiner Schrift „Klassenkampf <strong>gegen</strong> den Krieg“ erwähnt er nur <strong>die</strong> Nachmittagssitzung der SPD vom 3. August 1914 so dass wohl<br />

davon ausgegangen werden kann dass sein Eintreffen in Berlin am Nachmittag des 3. August 1914 war s. dazu Helmut Trotnow:<br />

<strong>Karl</strong> Liebknecht Eine politische Biographie, dtv, München 1982, S. 184<br />

51<br />

„<strong>die</strong> Führer der deutschen Sozialdemokratie und <strong>die</strong> Hauptredakteure der Parteiblätter [...] waren in den berühmten deutschen<br />

Sommerferien, in denen man selbst mit der Weltgeschichte Burgfrieden macht“ Wachenheim, Hedwig: Die deutsche Arbeiterbewegung<br />

1844-1914, Opladen Westdeutscher Verl. 1971, S. 515<br />

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<strong>die</strong> meisten Genossen und sicherlich auch <strong>die</strong> Mehrheit der Bevölkerung, von einer mehrheitlichen<br />

Ablehnung der Kriegskredite durch <strong>die</strong> SPD aus. 52<br />

Wenn Hedwig Wachenheim sagt: „<strong>die</strong> Reichstagsfraktion ist mit Ausnahme der bewussten<br />

Reformisten in <strong>die</strong> Bewilligung der Kriegskredite hineingeschlittert“, 53 so mag dass nicht<br />

unbedingt für <strong>die</strong> gesamte Fraktion gelten, für <strong>Karl</strong> Liebknecht auf jeden Fall. Die Vorgänge<br />

um den 3. August 1914 beschreibt Liebknecht im Nachhinein als „Pulverisierung des radikalen<br />

Flügel“ 54 der Fraktion. Zwar war <strong>die</strong> Minderheit der sozialdemokratischen<br />

Reichstagsfraktion, <strong>die</strong> Kriegskreditgegner um Liebknecht, „so fest in der traditionellen sozialdemokratischen<br />

Fundamentalopposition zur bestehenden Ordnung verankert, dass sie darin<br />

nicht tiefgehend zu erschüttern war“ 55 , hatte aber für den Abbruch der Fraktionsmehrheit von<br />

der Parteilinie kein Entgegnungskonzept. Liebknecht hoffte, dass <strong>die</strong> Beschlüsse der Fraktionssitzung<br />

Ergebnis einer „vorübergehenden Panik“ wären, <strong>die</strong> „alsbald korrigiert“ 56 werden.<br />

Die Möglichkeit für ein separates Votum bestand zwar theoretisch, wurde aber auf Grund der<br />

„heilige[n] Verehrung“ der Partei und Fraktionsdisziplin besonders auf dem „radikalen Flügel“<br />

57 ausgeschlossen. So tappte <strong>die</strong> Linke in eine Art Disziplinfalle, musste sie sich doch<br />

jetzt der Fraktionsdisziplin unterwerfen, <strong>die</strong> sie in den anderen Jahren so vehement von den<br />

Süddeutschen gefordert hatte. 58 In einer stark emotionsgeladenen Debatte kam es zur<br />

mehrheitlichen Bewilligung der Kriegskredite, der <strong>die</strong> konzeptionslose Parteilinke an <strong>die</strong>sem<br />

Tage nichts Entscheidendes ent<strong>gegen</strong>setzen konnte. Der Widerstand beschränkte sich neben<br />

der verbalen Auseinandersetzung auf das Redigieren eines Erklärungsentwurfs von<br />

Liebknecht, zusammen mit Lensch und Ledebour, „in aller Hast – nur Minuten standen zur<br />

Verfügung“, der mit „der Verweigerung der Kredite schloss“. 59<br />

Motiv für <strong>die</strong> fatalistische Zustimmung mag neben dem Glauben an einen kurzen Krieg und<br />

der Angst vor Repressalien und Volkszorn 60 auch <strong>die</strong> Hoffnung gewesen sein, <strong>die</strong> Fraktion<br />

werde innerhalb des Krieges schnell ihre Position revi<strong>die</strong>ren um zur sozialdemokratischen<br />

Linie zurückzukehren. So stimmte also Liebknecht innerhalb einer geschlossenen sozialdemokratischen<br />

Reichstagsfraktion am 4. August 1914 für <strong>die</strong> Bewilligung der Kriegskredite.<br />

52<br />

„noch wenige Tage vor dem 3. Auguste 1914 wiegten sich viele Genossen in dem Wahne, dass <strong>die</strong> Ablehnung der Kriegskredite für<br />

<strong>die</strong> Mehrheit der Reichstagsfraktion selbstverständlich und zweifellos sei“ Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED:<br />

<strong>Karl</strong> Liebknecht gesammelte Reden und Schriften, Band VIII, Dietz Verlag, Berlin, 1966, S. 19. Zu <strong>die</strong>sen Genossen dürfte<br />

Liebknecht auch selbst gezählt haben.<br />

53<br />

Wachenheim, Hedwig: Die deutsche Arbeiterbewegung 1844-1914, Opladen Westdeutscher Verl. 1971, S. 515<br />

54<br />

<strong>Karl</strong> Liebknecht: Betrachtungen und Erinnerungen aus großer Zeit, in Marx-Engels-Lenin-Institut beim ZK der SED: <strong>Karl</strong><br />

Liebknecht Ausgewählte Reden, Briefe und Aufsätze, Dietz Verlag, Berlin 1952, S. 429<br />

55<br />

Kruse, Wolfgang. Krieg und nationale Integration. Eine Neuinterpretation des sozialdemokratischen Burgfriedensschlusses 1914/15.<br />

Klartext, Essen 1993, S.61<br />

56<br />

“ (<strong>Karl</strong> Liebknecht: Betrachtungen und Erinnerungen aus großer Zeit, in Marx-Engels-Lenin-Institut beim ZK der SED: <strong>Karl</strong><br />

Liebknecht Ausgewählte Reden, Briefe und Aufsätze, Dietz Verlag, Berlin 1952, S. 429<br />

57<br />

<strong>Karl</strong> Liebknecht: Betrachtungen und Erinnerungen aus großer Zeit, in Marx-Engels-Lenin-Institut beim ZK der SED: <strong>Karl</strong><br />

Liebknecht Ausgewählte Reden, Briefe und Aufsätze, Dietz Verlag, Berlin 1952, S. 429<br />

58<br />

Anlass war, als am 11.8.1908 <strong>die</strong> bayrische Landtagsfraktion der SPD und am 13.8.1908 <strong>die</strong> badische Fraktion für <strong>die</strong> entsprechenden<br />

Budgets der Länderparlamente stimmten und damit bewusst SPD Parteitagsbeschlüsse brachen.<br />

59<br />

Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED: <strong>Karl</strong> Liebknecht gesammelte Reden und Schriften, Band VIII, Dietz Verlag,<br />

Berlin, 1966, S. 20<br />

60<br />

Noske: <strong>die</strong> Abgeordneten hätten für <strong>die</strong> Kriegskredite gestimmt“ um nicht vor dem Brandenburger Tor zu Tode getrampelt zu<br />

werden“ Adolf Hofer: er wäre “nicht lebendig aus Ostpreußen herausgekommen wenn wir da<strong>gegen</strong> gestimmt hätten“ zitiert nach<br />

Groh, Dieter: Negative Integration und revolutionärer Attentismus. Die deutsche Sozialdemokratie am Vorabend des Ersten Weltkrieges.<br />

(Ullstein 3086) Frankfurt/M., Berlin, Wien: Ullstein 1973, S. 681<br />

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3. Sammlung der Kriegskreditgegner- <strong>Liebknechts</strong> Zugehen auf den linksradikalen<br />

Parteiflügel<br />

Aus der, durch das unerwartete Abstimmungsergebnis über <strong>die</strong> Kriegskredite, bei deren Gegnern<br />

hervorgerufenen Agonie, erwachte wohl als eine der ersten, Rosa Luxemburg. Hatte Sie<br />

am Nachmittag des 4. August 1914 noch einen Selbstmord 61 erwogen, berief Sie für den<br />

Abend zur Krisensitzung in Ihre Wohnung. Ziel war es, Strategien zu entwickeln, um auf <strong>die</strong><br />

„vom Krieg berauschte Partei“ 62 einwirken zu können. Als Ergebnis wurde eine Erklärung<br />

unter der Überschrift „Warum wir nicht aus der Partei ausgetreten sind“ verfasst, <strong>die</strong> an mehr<br />

als 300, als oppositionell bekannte Funktionäre zur Unterschrift versendet wurde. Die Resonanz<br />

war ein Desaster, nur der später zum rechten Parteiflügel gewechselte Paul Lensch war<br />

bereit zu unterzeichnen. Auch Liebknecht, der von Lensch angesprochen wurde, verweigerte<br />

<strong>die</strong> Unterschrift. Liebknecht erklärte später dazu, dass er der Erklärung Luxemburgs keinesfalls<br />

wegen der Radikalität <strong>die</strong> Unterschrift verweigerte, sondern weil er bis zu <strong>die</strong>sem Zeitpunkt<br />

damit rechnete, “dass <strong>die</strong> Partei baldigst in schwerste Verfolgung geraten würde“ und<br />

er ihr nicht in den „Rücken fallen“ wollte. 63 Liebknecht liefert damit ein Indiz dafür, wie groß<br />

seine Loyalität <strong>gegen</strong>über der sozialdemokratischen Parteiführung und den traditionellen sozialdemokratischen<br />

Idealen und Maximen in <strong>die</strong>sem Moment noch war. Es ist auch davon<br />

auszugehen, dass ihm <strong>die</strong> Konsequenzen aus dem Übertritt der SPD ins Regierungslager zu<br />

<strong>die</strong>sem Zeitpunkt noch nicht völlig klar waren.<br />

Aber <strong>die</strong> Realität des Krieges lieferte schnell erste Indizien, <strong>die</strong> den Charakter eines Verteidigungskrieges<br />

64 in Frage stellten. Die Annexionen von Luxemburg und Belgien waren im anfänglichen<br />

Kriegstaumel von den meisten sozialdemokratischen Reichstagsabgeordneten verdrängt<br />

worden. Doch der Widerspruch zwischen der von der Reichsregierung suggerierten<br />

russischen Bedrohung und massiven Kriegshandlungen <strong>gegen</strong> Frankreich, war nicht zu negieren.<br />

65<br />

Als dann Ende August <strong>die</strong> von Liebknecht geforderte „demonstrative Versammlungspropaganda<br />

<strong>gegen</strong> <strong>die</strong> Annexionshetze“ 66 vom Parteivorstand der SPD abgelehnt wurde, entschloss<br />

sich Liebknecht, nach einer am 31. August 1914 in Rosa Luxemburgs Wohnung abgehaltenen<br />

61<br />

s. dazu Groh, Dieter: Negative Integration und revolutionärer Attentismus. Die deutsche Sozialdemokratie am Vorabend des Ersten<br />

Weltkrieges. (Ullstein 3086) Frankfurt/M., Berlin, Wien: Ullstein 1973, S. 712<br />

62<br />

s. dazu Groh, Dieter: Negative Integration und revolutionärer Attentismus. Die deutsche Sozialdemokratie am Vorabend des Ersten<br />

Weltkrieges. (Ullstein 3086) Frankfurt/M., Berlin, Wien: Ullstein 1973, S. 713<br />

63<br />

s. dazu Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED: <strong>Karl</strong> Liebknecht gesammelte Reden und Schriften, Band IX, Dietz<br />

Verlag, Berlin, 1968, S. 277<br />

64<br />

den Liebknecht nicht ablehnte sondern für legitim hielt s. dazu: „Brief <strong>Liebknechts</strong>: Ihnen brauche ich nicht zu sagen, dass wir das<br />

Recht und <strong>die</strong> Pflicht zur nationalen Selbstverteidigung und Selbstbehauptung nicht im Mindesten angezweifelt haben und anzweifeln“<br />

in Wohlgemuth, Heinz: Burgkrieg, nicht Burgfriede! Der <strong>Kampf</strong> <strong>Karl</strong> <strong>Liebknechts</strong>, Rosa Luxemburgs und ihrer Anhänger um<br />

<strong>die</strong> Rettung der deutschen Nation in den Jahren 1914-1916. Berlin, Dietz, 1963, S. 210<br />

65<br />

der Kriegskreditbewilliger Eduard David sagt dazu: „Wir fallen mit der ganzen Heeresmacht über Frankreich her und indessen wir<br />

Belgien verwüsten, überfluten <strong>die</strong> Russen Ostpreußen. Das ist wirklich unbegreiflich und unverantwortlich“ in: Das Kriegstagebuch<br />

des Reichstagsabgeordneten Eduard David 1914 bis 1918, in Verbindung mit Erich Matthias bearb. V. Susanne Miller, Droste,<br />

Düsseldorf, 1966, S. 26<br />

66<br />

Liebknecht, <strong>Karl</strong>, Klassenkampf <strong>gegen</strong> den Krieg in Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED: <strong>Karl</strong> Liebknecht gesammelte<br />

Reden und Schriften, Band VIII, Dietz Verlag, Berlin, 1966, S. 46<br />

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Beratung, 67 mit ihr zusammen zu einer eigenständigen Agitationstätigkeit <strong>gegen</strong> den Krieg.<br />

<strong>Liebknechts</strong> Widerstand fokussierte sich dabei in erster Linie auf den Versuch, <strong>die</strong> Annexionsbestrebungen<br />

des deutschen Reiches aufzudecken und anzuprangern um <strong>die</strong> SPD Parteispitze<br />

zu einer öffentlichen Proklamation 68 da<strong>gegen</strong> zu veranlassen. Da <strong>die</strong>ses Vorhaben trotz<br />

Zusage 69 von der Parteiführung nicht umgesetzt wurden, bestärkte sich <strong>Liebknechts</strong> Eindruck<br />

von der Irreversibilität des Umschwungs der Sozialdemokratie, weg vom traditionellen Postulat<br />

der Fundamentalopposition <strong>gegen</strong> <strong>die</strong> Reichsregierung.<br />

Da <strong>die</strong> deutsche sozialdemokratische Presse der Fraktion der Kriegskreditgegner so gut wie<br />

verschlossen blieb, nutzte Liebknecht eine private Reise nach Belgien, 70 um <strong>gegen</strong> <strong>die</strong> öffentlich<br />

dargestellte Einmütigkeit der deutschen Sozialdemokratie im Ausland zu agitieren. Er traf<br />

dabei in Brüssel auch den Sekretär des Internationalen Sozialistischen Bureau (ISB), Camille<br />

Huysmann und nutze <strong>die</strong> Gelegenheit, um mit belgischen Genossen zusammen zu treffen.<br />

Bestrebt, <strong>die</strong> zerbrochene II. Internationale wieder zu beleben, diskutierte er den Bruch der<br />

belgischen Neutralität. Vor Ort erhielt er Informationen, <strong>die</strong> <strong>die</strong> deutsche Version des Kriegsbeginns<br />

in Frage stellten. 71 Geradezu dramatisch müssen <strong>Liebknechts</strong> Eindrücke im, von<br />

Deutschen, zerstörten Löwen gewesen sein, so dass er nach seiner Rückkehr den schwedischen<br />

Parteiführer Hjalmar Branting zu motivieren sucht, eine gemeinsame Demarche aller<br />

neutralen Mächte an <strong>die</strong> kriegsführenden Staaten zu veranlassen. Ein Versuch von dem<br />

Liebknecht selber meint, dass er „phantastisch“ im Sinne von illusionär ist. 72<br />

Hatten <strong>die</strong> Ereignisse um den 4. August 1914 <strong>Liebknechts</strong> Verständnis von der deutschen<br />

Sozialdemokratie in Frage gestellt, wurde er in Belgien das erste Mal mit der unmenschlich<br />

rohen Realität des Krieges konfrontiert. Eine Konfrontation, <strong>die</strong> für einen Menschen wie<br />

Liebknecht, dessen bisheriges Leben ein ständiger <strong>Kampf</strong> <strong>gegen</strong> den deutschen Militarismus<br />

gewesen ist, nicht ohne Folgen bleiben konnte. Die belgischen Ereignisse verbanden <strong>die</strong> parlamentarische<br />

Kriegskreditsdebatte mit der Realität des Krieges und sind der Anlass für<br />

Liebknecht, den Antagonismus zwischen Fraktionsdisziplin und Antimilitarismus zu Gunsten<br />

des Letzteren zu lösen. Ab jetzt galt für ihn eine Maxime, <strong>die</strong> seinen persönlichen Antimilitarismus<br />

über alles andere stellte und keine parteipolitischen Kompromisse mehr dulden würde.<br />

Hatte sich <strong>Karl</strong> Liebknecht noch am 5. August 1914 aus parteipolitischen Erwägungen geweigert,<br />

einen Aufruf Rosa Luxemburgs zu unterzeichen, veröffentliche er jetzt 73 zusammen<br />

67 an <strong>die</strong>ser nahmen neben <strong>Karl</strong> Liebknecht und Rosa Luxemburg auch <strong>die</strong> SPD Reichstagsabgeordneten Georg Ledebour und Paul<br />

Lensch teil. Diese lehnten aber eine Beteiligung an den Aktionen ab.<br />

68 Liebknecht: „selbst <strong>die</strong> erfreulichsten Bemerkungen unserer Parteipresse <strong>gegen</strong> <strong>die</strong> Annexionspolitik können eine demonstrative<br />

und offizielle Stellungnahme nicht ersetzen“ Liebknecht, <strong>Karl</strong>, Klassenkampf <strong>gegen</strong> den Krieg in Institut für Marxismus-<br />

Leninismus beim ZK der SED: <strong>Karl</strong> Liebknecht gesammelte Reden und Schriften, Band VIII, Dietz Verlag, Berlin, 1966, S. 46<br />

69 s. dazu Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED (Hrsg.), <strong>Karl</strong> Liebknecht Gesammelte Reden und Schriften Band VIII,<br />

Dietz Verlag, Berlin 1966, S. 46<br />

70 vom 4. bis 12. September 1914 reiste Liebknecht nach Belgien um nach dem Verbleib einer Verwandten seiner russischen Frau zu<br />

forschen<br />

71 Camille Huysmann über Liebknecht: „He went away convinced that the Belgians had not organized bands of francs tireurs, that they<br />

had not assassinated the German wounded and that the German executions in Belgium were unjustifiable“zitiert aus Helmut<br />

Trotnow: <strong>Karl</strong> Liebknecht Eine politische Biographie, dtv, München 1982, S. 356 Anm. 40<br />

72 s. dazu Helmut Trotnow: <strong>Karl</strong> Liebknecht Eine politische Biographie, dtv, München 1982, S. 190.<br />

73 10. September 1914<br />

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mit ihr, Clara Zetkin und Franz Mehring eine Erklärung 74 für <strong>die</strong> sozialdemokratische Presse<br />

des neutralen Auslandes, in der sie sich eindeutig von der Darstellung der Augustereignisse<br />

durch Vertreter der Fraktionsmehrheit distanzierten. 75<br />

Die Ursachen der späteren Parteispaltung kamen hier offen zu Tage, traf einerseits <strong>die</strong> Antikriegspropaganda<br />

der Linken immer unversöhnlicher auf den Zweckchauvinismus der Fraktionsmehrheit<br />

und ließ <strong>die</strong> Konsequenz des Antimilitarismus den Linken immer weniger Raum<br />

zum Einlenken, wurde andererseits auf Seiten der Fraktionsmehrheit ein Auseinanderdivi<strong>die</strong>ren<br />

der Partei bewusst und scheinbar teilnahmslos in Kauf genommen. So bildete <strong>die</strong> beginnende<br />

Ausgrenzung <strong>Liebknechts</strong> aus der Reichstagsfraktion ex negativo <strong>die</strong> Klammer, <strong>die</strong> den<br />

„Noch-Zentristen“ immer intensiver mit dem linksradikalen Parteiflügel um Rosa Luxemburg<br />

verband.<br />

4. „Ich habe mich eines schweren Fehlers schuldig gemacht“ - <strong>Liebknechts</strong><br />

Stuttgarter Bekenntnis<br />

Im September 1914 zerplatzten alle deutschen Blitzkriegsträume. Die Schlacht an der Marne<br />

offenbarte <strong>die</strong> krasse Fehleinschätzung der modernen Kriegssituation durch <strong>die</strong> deutsche<br />

Heeresführung unter Helmuth von Moltke. Der Traum der Frontsoldaten, Weihnachten wieder<br />

zu Hause zu sein, wurde zur Illusion. Aus dem Bewegungskrieg wurde ein verheerender<br />

Material- und Menschenleben verzerrender Stellungskrieg, mit tagelangen Artillerieduellen.<br />

Der Schlieffen-Plan war entgültig gescheitert. Es begann, angefangen bei den Soldaten, eine<br />

zögerliche Desillusionierung, <strong>die</strong> <strong>die</strong> schreckliche Realität des Krieges immer mehr in das<br />

Blickfeld der Bevölkerung rückte.<br />

In <strong>die</strong>sen kritischen Focus geriet Liebknecht am 21. September 1914 auf der Sitzung der sozialdemokratischen<br />

Vertrauensmänner in Stuttgart. Diese, zuerst als Mitgliederversammlung<br />

unter dem Thema: „Gegen <strong>die</strong> Annexionshetze“ geplante Versammlung, geriet zur Abrechnung<br />

mit der SPD Reichstagsfraktion und ihrer Politik. Dabei wurde auch <strong>die</strong>, zwar oppositionell<br />

denkende, aber nicht handelnde Fraktionsminderheit nicht ausgenommen. 76<br />

Gerade von Stuttgarter Genossen, deren kritische Einstellung in der Partei bekannt und „Programm“<br />

war, wog <strong>die</strong> Kritik besonders schwer. Nachdem Liebknecht, stellvertretend für <strong>die</strong><br />

SPD Reichstagsfraktion, der Verkauf und Verrat der Partei vorgeworfen wurde, entgegnete<br />

74 abgedruckt in: Autorenkollektiv: Dokumente und Materialien zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Reihe 2, Band 1,<br />

1914 - 1917, 2. Auflage, Dietz Verlag, Berlin 1958, S. 31)<br />

75 interessant, dass es sich hierbei um eine Reaktion auf Bekenntnisse von Dr. Südekum und Richard Fischer handelt, <strong>die</strong> sich über<br />

eine mögliche Gefährdung der Parteieinheit durch ihre offensichtlich äußerst subjektiven Darstellungen keine Sorgen zu machen<br />

schienen<br />

76<br />

Jacob Walcher, Teilnehmer, über <strong>die</strong> Versammlung: es sei ihnen unverständlich, warum sich Liebknecht gefügt habe und weshalb<br />

er und <strong>die</strong> anderen nicht <strong>gegen</strong> <strong>die</strong> Kriegskredite gestimmt und so wenigstens in etwa <strong>die</strong> Ehre der deutschen Sozialdemokratie gerettet<br />

hätten. Nach ihrer Auffassung habe <strong>die</strong> Minderheit dadurch, dass sie in historischer Stunde versagte, eine schwere Schuld auf<br />

sich geladen...“ zitiert aus Autorenkollektiv: Dokumente und Materialien zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Reihe 2,<br />

Band 1, 1914 - 1917, 2. Auflage, Dietz Verlag, Berlin 1958, S. 35 Anm. 1)<br />

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<strong>die</strong>ser, dass erste mal Vorwürfe zu bekommen, nicht „radikal und entschieden genug“ 77 gewesen<br />

zu sein. „Ihr habt völlig recht [...], dass ich es versäumt habe mein Nein in den Sitzungssaal<br />

hineinzuschreien...“ 78 erklärte er, um zu versprechen, dass er „in Zukunft einen kompromisslosen<br />

<strong>Kampf</strong> <strong>gegen</strong> den wilhelminischen Krieg und <strong>die</strong> Kaisersoldaten führen werde“. 79<br />

Dieses Bekenntnis gab Liebknecht in vollem Bewusstsein ab, sich damit grundsätzlich „in<br />

Opposition <strong>gegen</strong> <strong>die</strong> offizielle Parteiorganisation stellen zu müssen“. 80<br />

Das erste Mal finden wir eine so eindeutig kompromisslose Selbstdarstellung von<br />

<strong>Liebknechts</strong> Einstellung, so dass schon hier ein zukünftiger Bruch der Fraktions- und Parteidisziplin<br />

unausweichlich scheint. Wie <strong>die</strong> „eherne“ Tatsache des Krieges alltägliche Realität<br />

geworden war, wird in Stuttgart auch <strong>die</strong> Dichotomie der Parteiausrichtung verbal und<br />

öffentlich als unumkehrbar markiert.<br />

Dass <strong>Liebknechts</strong> Belgische und Stuttgarter Bekenntnisse, von der Parteiführung nicht unwidersprochen<br />

bleiben würden, lag auf der Hand. Und so sah sich Liebknecht in <strong>die</strong>ser Zeit einem<br />

ständigem Rechfertigungs- und Disziplinierungsdruck von Seiten der Parteispitze ausgesetzt,<br />

der in seiner Vorladung zur Sitzung des Parteivorstandes am 2. Oktober 1914 mündete.<br />

In dem anschließenden Briefwechsel zwischen Liebknecht und dem Parteivorstand stellen<br />

sich <strong>die</strong> neuen <strong>Positionen</strong> <strong>Liebknechts</strong> anschaulich da. Keine Rede ist mehr von der panischen<br />

Verwirrung während der ersten Kriegskreditabstimmung und einer daraus resultierenden irrtümlichen<br />

Entscheidung. Liebknecht schreibt: „das Märchen von feindlichen Invasionen <strong>gegen</strong><br />

Deutschland – ´war einmal´“ „es liegt ein grober deutsch-österreichischer Präventiv- und<br />

zugleich Eroberungskrieg vor“ 81 und macht deutlich, dass eine, aus seiner Sicht gebotene,<br />

Wiederbelebung der Internationalen ein Verwerfen des Standpunktes der Fraktionsmehrheit<br />

voraussetzt und <strong>die</strong> Partei „von der Haut bis zum Mark regeneriert werden“ 82 müsse.<br />

Es wäre falsch, Liebknecht eine Radikalisierung zu unterstellen. Der hier deutlich werdende<br />

Prozess markiert eher eine Steigerung seiner Konsequenz. Liebknecht bemerkt immer deutlicher<br />

das endgültige Abdriften der Fraktionsmehrheit von der traditionell antimilitaristischen<br />

und fundamentaloppositionellen Parteilinie und begegnet <strong>die</strong>sem Vorgang mit immer klareren<br />

und grundsätzlich kompromissloseren <strong>Positionen</strong> seinerseits. Diese unterscheiden sich zwar in<br />

der Eindeutigkeit des Ausdrucks, aber nur unwesentlich inhaltlich von <strong>Liebknechts</strong> früherem<br />

Standpunkt.<br />

77 Autorenkollektiv: Dokumente und Materialien zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Reihe 2, Band 1, 1914 - 1917, 2.<br />

Auflage, Dietz Verlag, Berlin 1958, S. 35<br />

78 Autorenkollektiv: Dokumente und Materialien zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Reihe 2, Band 1, 1914 - 1917, 2.<br />

Auflage, Dietz Verlag, Berlin 1958, S. 35<br />

79 Autorenkollektiv: Dokumente und Materialien zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Reihe 2, Band 1, 1914 - 1917, 2.<br />

Auflage, Dietz Verlag, Berlin 1958, S. 35<br />

80 Autorenkollektiv: Dokumente und Materialien zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Reihe 2, Band 1, 1914 - 1917, 2.<br />

Auflage, Dietz Verlag, Berlin 1958, S. 35<br />

81 Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED (Hrsg.), <strong>Karl</strong> Liebknecht Gesammelte Reden und Schriften Band VIII, Dietz<br />

Verlag, Berlin 1966, S. 49<br />

82<br />

Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED (Hrsg.), <strong>Karl</strong> Liebknecht Gesammelte Reden und Schriften Band VIII, Dietz<br />

Verlag, Berlin 1966, S. 34<br />

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Somit war es nur folgerichtig, dass Liebknecht zusammen mit Adolf Hofer, Adolph<br />

Hoffmann, Paul Hoffmann und Heinrich Ströbel auf der Sitzung des preußischen Abgeordnetenhauses<br />

am 22. Oktober 1914 <strong>gegen</strong> eine inhaltlich rechtssozialistische Erklärung<br />

stimmte und demonstrativ den Saal verließ, um damit erstmals in einem deutschen Parlament<br />

eine - <strong>gegen</strong> <strong>die</strong> Position der Mehrheitssozialdemokratie gerichtete - Linie zu vertreten. 83<br />

5. Die Novemberthesen - vergeblicher Versuch, Mitstreiter für ein Separatvotum zu<br />

finden<br />

Ein am 12. November 1914 im Vorwärts abgedruckter Artikel, in dem <strong>die</strong> Parteiführung der<br />

Sozialdemokratie ankündigt, <strong>die</strong> zweite Kriegskreditsdebatte am 2. Dezember 1914 kurz zu<br />

halten und auch keine umfassende Diskussion darüber in der SPD Reichstagsfraktion zu führen,<br />

führt noch am selben Tag zu einer Reaktion <strong>Liebknechts</strong>. Nachdem Liebknecht am Vortag<br />

von seinem eigenen Reichstagswahlkreis in Potsdam auf einer Mitgliederversammlung<br />

mit 150 Teilnehmern zur Verweigerung der Kriegskredite aufgefordert worden war, 84 kündigte<br />

er in einem Brief an den Vorstand der sozialdemokratischen Reichtagsfraktion seinen<br />

„Widerstand <strong>gegen</strong> den geschilderten Plan“ an und machte damit deutlich, dass er nicht weiter<br />

gewillt war, <strong>die</strong> kontroverse Debatte um <strong>die</strong> Bewilligung der Kriegskredite außerhalb der<br />

Öffentlichkeit zu führen. Liebknecht war klar, dass ein eventuelles Stillschweigen der Fraktionsminderheit<br />

als Schwäche, aber auch als Billigung des aus dem Burgfrieden folgenden<br />

Parteifriedens ausgelegt worden wäre. Gerade <strong>die</strong>ser Parteifrieden wurde von den Kriegskreditbefürwortern<br />

zur Disziplinierung der Fraktionsminderheit benutzt. Der geforderte innerparteiliche<br />

Frieden entwickelte sich zum umfassenden Maulkorb der Parteilinken und erstreckte<br />

sich über deren komplette Kommunikationsmittel, incl. der Presseorgane. Das immer<br />

homogener werdende Bündnis zwischen Partei-, Gewerkschafts- und Militärinstanzen transformierte<br />

zum Propagandainstrument der Mehrheitssozialdemokratie mit dem Versuch, alle<br />

Meinungsopponenten Mundtot zu machen, um das Bild der nationalen Einmütigkeit aufrecht<br />

zu erhalten und verlor dabei Tag für Tag mehr an kritischer Distanz zur Regierung.<br />

Mittlerweile war <strong>die</strong> sozialdemokratische Partei- und Gewerkschaftsorganisation soweit im<br />

innerdeutschen Kriegssystem verwoben, dass eine Meinungsänderung unmöglich wurde. Somit<br />

legitimierte <strong>die</strong> ersehnte integrative Perspektive eine immer stärkere Verflechtung mit<br />

dem früheren Klassenfeind. Da auch Liebknecht eindeutige und schlecht zu dementierende<br />

<strong>Positionen</strong> bezogen hatte, lief alles auf eine Konfrontation zur Reichstagssitzung am 2. Dezember<br />

1914 hinaus.<br />

83<br />

s. dazu Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED (Hrsg.), <strong>Karl</strong> Liebknecht Gesammelte Reden und Schriften Band VIII,<br />

Dietz Verlag, Berlin 1966, S. 156-159<br />

84<br />

s. dazu Kruse, Wolfgang. Krieg und nationale Integration. Eine Neuinterpretation des sozialdemokratischen Burgfriedensschlusses<br />

1914/15. Klartext, Essen 1993, S. 182)<br />

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Zur Vorbereitung der Debatte und mit der Hoffnung, weitere Kriegskreditgegner zu einem<br />

Minderheitenvotum zu bewegen, entwarf Liebknecht <strong>die</strong> sogenannten Novemberthesen. 85 In<br />

<strong>die</strong>sen Thesen bettet Liebknecht <strong>die</strong> Entstehung des Krieges in einen umfangreichen Kontext<br />

geschichtlicher-, politischer und besonders auch wirtschaftlicher Ereignisse und versucht,<br />

ganz dem Geschichtsdeterminismus Marx´ verpflichtet, <strong>die</strong> Zwangsläufigkeit in der Entwicklung<br />

darzustellen. Für ihn waren das Deutsche Reich und dort besonders <strong>die</strong> Schwerindustrie<br />

und das Finanzkapital, <strong>die</strong> treibenden Kräfte des Expansionsstrebens. Dieses Expansionsstreben<br />

führe zwangsläufig zum Rüstungswettlauf, der auf seinem Höhepunkt im Krieg<br />

ende. Weitere Ursachen sah Liebknecht in den „halbabsolutistischen“ Verfassungszustände in<br />

Preußen, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Entscheidungen über Krieg und Frieden undemokratisch, also ohne Einfluss<br />

der breiten Masse, von oben herab fällten.<br />

Auch das preußische Landjunkertum sah im Krieg, wie Liebknecht schrieb, <strong>die</strong> einzige Möglichkeit<br />

zur „Vernichtung der Arbeiterbewegung“.<br />

Um <strong>die</strong> Argumente der Kriegskreditbefürworter zu entkräften, setzte er sich auch mit deren<br />

Thesen auseinander. Der Kulturkriegsthese, mit der <strong>die</strong> Befürworter den Krieg rechtfertigten,<br />

setzte er den Fakt ent<strong>gegen</strong>, dass zu <strong>die</strong>sem Zeitpunkt <strong>die</strong> Hauptauseinandersetzungen zwischen<br />

Deutschland, Frankreich und England stattfänden, sich also nicht Länder unterschiedlicher,<br />

sondern gerade „gleicher“, nämlich „kapitalistischer Kultur“ <strong>gegen</strong>überständen, wobei,<br />

aus <strong>Liebknechts</strong> Sicht, gerade das Preußen-Deutschland, nicht prädestiniert zur Führung eines<br />

Kulturkampfes wäre. Abschließend stellte er <strong>die</strong> Kulturkampfthese als Mittel zur „Mobilisierung<br />

der edelsten Instinkte des deutschen Volkes“ zu Kriegszwecken dar.<br />

Hatte Liebknecht gehofft, mit <strong>die</strong>sem theoretischen Gerüst <strong>die</strong> diffuse Meinungsvielfalt im<br />

Block der Kriegskreditgegner zu bündeln, um ein Minderheitsvotum im Parlament zu erreichen,<br />

wurde er schnell eines besseren belehrt. Bei einem Treffen in der Wohnung von Georg<br />

Ledebour 86 am 28. November 1914, genau einen Tag vor den entscheidenden Fraktionssitzungen,<br />

offenbarte sich <strong>die</strong> bunte Meinungsvielfalt und Unentschlossenheit der Anwesenden.<br />

Ledebour lehnte <strong>die</strong> von Liebknecht vorgeschlagene Erklärung ab, bestritt den prinzipiellen<br />

Charakter der Frage und befand sich damit im Widerspruch zu den Übrigen. Lensch hielt <strong>die</strong><br />

Kreditablehnung zwar für richtig, gab aber zu bedenken, dass „durch den Augustbeschluss der<br />

Fraktion, eine bestimmte politische Situation geschaffen sei“, <strong>die</strong> man jetzt als „Grundlage<br />

[...] nehmen“ müsse. Auch <strong>die</strong>se Position war umstritten. Die übrigen hielten zwar <strong>die</strong> Kreditablehnung<br />

für eine prinzipielle Pflicht, wollten sich aber nur ab einer Anzahl von 15 Mitstimmenden<br />

beteiligen. Daraufhin ließen alle, bis auf Henke und Liebknecht, den Plan eines<br />

Minderheitenvotums fallen und <strong>die</strong> Sitzung nahm ein „chaotisches Ende“.<br />

Liebknecht versuchte zwar noch während den Fraktionssitzungen der nächsten Tage Gleichgesinnte<br />

zu finden, was aber misslang. <strong>Sein</strong> „letzter Mohikaner“ war Henke, mit dem er am<br />

85<br />

Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED (Hrsg.), <strong>Karl</strong> Liebknecht Gesammelte Reden und Schriften Band VIII, Dietz<br />

Verlag, Berlin 1966, S. 161.<br />

86<br />

anwesen waren neben Ledebour, Albrecht, Bock, Geyer, Henke, Herzfeld, Kunert, Lensch Vogtherr und Liebknecht,<br />

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30. November „nochmals weitläufig konferierte“, 87 um auch <strong>die</strong>sen letzten Mitstreiter zu verlieren.<br />

Letzte Möglichkeit <strong>Liebknechts</strong> blieb der <strong>Kampf</strong> für <strong>die</strong> Freigabe der Abstimmung<br />

über <strong>die</strong> Kriegskredite. Ein in <strong>die</strong>sem Sinne auf der Fraktionssitzung am 30. November 1914<br />

abgegebener Antrag wurde, nachdem Henke ihn zurückgenommen und Liebknecht ihn wieder<br />

aufgenommen hatte, <strong>gegen</strong> sieben Stimmen abgelehnt. 88<br />

6. 2. Dezember 1914, Liebknecht stimmt mit Nein: radikale Wende oder konsequente<br />

Fortsetzung seiner Politik<br />

„Im Dezember ging ich dann, <strong>die</strong> programmzerstörende Fraktionsdisziplin zum Teufel jagend,<br />

zur öffentlichen Ablehnung der Kredite im Plenum des Reichstages über“. 89 Dieser<br />

Ausspruch markiert, mit der dazugehörigen Reichstagsabstimmung über <strong>die</strong> Kriegskreditvorlage<br />

am 2. Dezember 1914, ein Zurückehren <strong>Liebknechts</strong> zur vollen Handlungsfähigkeit und<br />

zur Konsequenz und Eindeutigkeit seiner politischen Vorkriegspositionen. Weder im Einklang<br />

mit der Fraktionsmeinung, noch mit dem Kalkül der Parteilinken 90 stellte er sich der<br />

Kausalität seiner eigenen Entwicklung. Das Ergebnis wurde währen der Reichstagsabstimmung<br />

fast übersehen, so dass der Reichstagspräsident seine schon verkündete Einstimmigkeit<br />

korrigieren musste: „mit Ausnahme eines Abgeordneten“.<br />

Damit war Liebknecht der maximalste Durchbruch, des durch den Belagerungszustand und<br />

den Partei- und Burgfrieden verordneten Maulkorbs, gelungen. Eine symbolhaftere Handlung,<br />

<strong>die</strong> geradezu Handlungsaufruf für alle Kriegsgegner und <strong>Kampf</strong>ansage an alle Befürworter<br />

sein musste, ist wohl nicht denkbar. Aus Belgien erklärte Camille Huysmann, der Sekretär des<br />

Internationalen Sozialistischen Bureau (ISB), „Ihre Haltung hat in der ganzen Welt den besten<br />

Eindruck hervorgerufen, und wir sind Ihnen ganz besonders dankbar“, der Holländer Hendrik<br />

van Kol dankte „für <strong>die</strong>se Handlung, auf <strong>die</strong> der internationale Sozialismus stolz sein kann“<br />

und <strong>die</strong> holländische Parteiführerin Helen Ankersmit bestimmte Liebknecht zum Hoffnungsträger<br />

von „Tausenden und Tausenden unter dem Proletariat aller Länder“.<br />

Die Kontinuität <strong>Liebknechts</strong>cher <strong>Positionen</strong> reflektiert sich auch in der Kontinuität der von<br />

der Parteiführung versuchten Disziplinierung, <strong>die</strong> schon, wie vor dem Krieg, einer inhaltlichen<br />

Auseinandersetzung mit Liebknecht aus dem Weg ging, um stur auf ihren Führungsanspruch<br />

zu pochen. Diesem unterwarf sich Liebknecht, spätestens seit dem 2. Dezember 1914<br />

nicht mehr. Der innere <strong>Kampf</strong> zwischen Parteidisziplin und Programmtreue war entschieden.<br />

87 sämtliche Zitat zur Sitzung s. Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED (Hrsg.), <strong>Karl</strong> Liebknecht Gesammelte Reden<br />

und Schriften, Band IX, Dietz Verlag, Berlin , S. 270<br />

88 s. dazu Matthias, Erich und Pikart, Eberhard: Die Reichstagsfraktion der deutschen Sozialdemokratie 1914 bis 1918, Hrsg. Von der<br />

Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien Erste Reihe 3/II, Droste, Düsseldorf, 1966, S. 7<br />

89 Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED (Hrsg.), <strong>Karl</strong> Liebknecht Gesammelte Reden und Schriften, Band IX, Dietz<br />

Verlag, Berlin , S. 268.<br />

90<br />

noch am 1.Dezember 1914 überbrachte ihm Rosa Luxemburg <strong>die</strong> Botschaft, dass Mehring und Karski von einem Separatvotum<br />

abrieten – s. dazu Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED (Hrsg.), <strong>Karl</strong> Liebknecht Gesammelte Reden und Schriften,<br />

Band IX, Dietz Verlag, Berlin 1968, S. 267<br />

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Das Agitationsfeld verlagerte sich jetzt, über <strong>die</strong> Köpfe der Parteiführung hinweg, immer<br />

mehr zu den Massen, um <strong>die</strong>se über <strong>die</strong> Ursachen des Krieges aufzuklären. Gleichsam wurde<br />

<strong>die</strong> sich auf Grund <strong>die</strong>ses Signals herausbildende breite linksradikale Opposition zur Voraussetzung<br />

der sich später herausbildenden Opposition innerhalb der Reichstagsfraktion und der<br />

Lokalorganisationen. 91<br />

Dabei von einer radikalen Wende zu sprechen, geht allerdings an der Komplexität der Handlungen<br />

vorbei. Will man <strong>die</strong> Wende zeitlich bestimmen, so muss man natürlich zugestehen,<br />

dass der Zeitpunkt der Erklärung keineswegs von Liebknecht bestimmt wurde, sondern er ein<br />

vom Belagerungszustand offen gelassenes „Zeitfenster der Redefreiheit“ während der<br />

Reichstagsdebatte, mangels Alternativen, nutzte. Auch inhaltlich wendet Liebknecht keinesfalls<br />

seine Position, sondern vertritt schon, wie auch während der Marokkokrise 1911 92 einen<br />

konsequenten Antimilitarismus. Ebenso ist eine von ihm ausgehende Tendenz zur Parteispaltung<br />

nicht zu erkennen. Offensichtlich ist allerdings <strong>die</strong> kompromisslos vertretene systemintegrative<br />

Position der Parteispitze, <strong>die</strong> alle nicht meinungskonformen <strong>Positionen</strong> mit dem<br />

Mittel der Fraktionsdisziplin aus der Öffentlichkeit hält.<br />

Resümierend beschließt <strong>die</strong> linke Opposition ihre <strong>Positionen</strong> „mit den Führern, wenn <strong>die</strong>se<br />

wollen, ohne <strong>die</strong> Führer, wenn sie untätig bleiben, trotz den Führern, wenn sie widerstreben“<br />

durchzusetzen. 93<br />

Damit verschob sich <strong>die</strong> Oppositionstaktik der Gruppe um Liebknecht und Luxemburg immer<br />

mehr, weg vom Versuch, <strong>die</strong> Fraktionsminderheit in ihrem Sinne zu verändern, zur eigenständigen,<br />

fraktionsunabhängigen Antikriegspolitik. Wenn auch über <strong>die</strong> Ablehnung der integrativen<br />

Perspektive in der Parteiopposition Konsens herrschte, vertraten sie in <strong>die</strong>sem Spektrum<br />

doch den am weitesten von der offiziellen Parteilinie entfernten Standpunkt.<br />

7. Die weiteren Versuche einer innerparteilichen und parlamentarischen<br />

Oppositionsarbeit bis zur dritten Kriegskreditabstimmung am 20. März 1915<br />

Die auf den Abstimmungseklat der Reichstagssitzung vom 2. Dezember 1914 folgende Fraktionssitzung<br />

der SPD am 2. Februar 1915, erklärte durch Zustimmung auf einen von <strong>Karl</strong><br />

Egon Frohme eingebrachten Antrag das Abstimmungsverhalten <strong>Liebknechts</strong> als „unvereinbar<br />

mit den Interessen der deutschen Sozialdemokratie“ und vertagte eine endgültige Entscheidung<br />

auf einen zukünftigen Parteitag. 94 Trotz der Vertagung führte <strong>die</strong>se Prozedere zur starken<br />

Abschwächung von <strong>Liebknechts</strong> Rechten als Fraktionsmitglied. So war es ihm ab jetzt<br />

91<br />

s. dazu Groh, Dieter: Negative Integration und revolutionärer Attentismus. Die deutsche Sozialdemokratie am Vorabend des Ersten<br />

Weltkrieges. (Ullstein 3086) Frankfurt/M., Berlin, Wien: Ullstein 1973, S. 715.<br />

92<br />

wo er <strong>die</strong> passive Haltung des Parteivorstandes scharf kritisierte, um <strong>die</strong> Position Rosa Luxemburgs zu verteidigen<br />

93<br />

Franz Mehring in den ´Labour Leader´ Briefen in Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED (Hrsg.), <strong>Karl</strong> Liebknecht<br />

Gesammelte Reden und Schriften, Band VIII, Dietz Verlag, Berlin 1966 , S. 68<br />

94<br />

s. dazu Matthias, Erich und Pikart, Eberhard: Die Reichstagsfraktion der deutschen Sozialdemokratie 1914 bis 1918, Hrsg. Von der<br />

Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien Erste Reihe 3/II, Droste, Düsseldorf, 1966, S.27.<br />

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unmöglich, im Plenum des Reichstags für <strong>die</strong> SPD-Fraktion zu sprechen und auch <strong>die</strong> Teilnahme<br />

an interfraktionellen Gesprächen war für Liebknecht ab sofort tabu.<br />

Die Reichsregierung reagierte noch extremer, indem sie Liebknecht am 6. Februar 1915 den<br />

Gestellungsbefehl zustellte, ihn am 7. Februar als Armierungssoldat zum Militär<strong>die</strong>nst einzog<br />

und ihn damit unter Militärrecht stellte, womit jede außerparlamentarische politische Betätigung<br />

unter Strafe fiel. 95<br />

In <strong>die</strong>sem Falle gehen Bemühungen der Reichsleitung offensichtlich parallel zu den Bemühungen<br />

der SPD Parteispitze, was auf ebensolche Parallelität der Ziele schließen lässt. Hand<br />

in Hand versuchen sie <strong>die</strong> Paralysierung ihrer Meinungsgegner.<br />

Diese Erfahrungen <strong>Liebknechts</strong> führten allerdings keinesfalls dazu, <strong>die</strong> parlamentarische Oppositionsarbeit<br />

aufzugeben, stellte <strong>die</strong>se doch auch eine der wenigen Möglichkeiten dar, den<br />

Zwängen des Belagerungszustandes zu entgehen, denn als Mitglied des preußischen Landtags<br />

und als Abgeordneter des Reichstags musste er für deren Sitzungen beurlaubt werden. Somit<br />

folgte zwangsläufig eine Konzentration der Agitationstätigkeit auf <strong>die</strong>se beiden Orte, an denen<br />

Liebknecht parlamentarische Immunität und damit uneingeschränkte Rede- und Bekenntnisfreiheit<br />

genoss.<br />

<strong>Sein</strong>en ersten parlamentarischen Auftritt nach der Dezembersitzung des Reichstags hatte<br />

Liebknecht am 2. März 1915 im preußischen Landtag. Die dortige Sitzung, bei der es um<br />

Verhandlungen zum Etat des preußischen Innenministers ging, wurde eine Grundsatzauseinandersetzung<br />

mit den Argumenten der SPD Parteimehrheit. Deren Hoffnung auf „Klassenharmonie“,<br />

„Einheit und Einmütigkeit des Volkes“ und auf ein „freies deutsches Volk der<br />

Zukunft“ bezeichnete er als „Nebeldunst“ der „fortgeblasen“ ist, um der Klarheit zu weichen:<br />

„Die kalte Wahrheit ist: In Preußen ist alles beim alten“. 96<br />

Liebknecht erkannte, dass <strong>die</strong> mit dem August 1914 einhergehenden Kriegsbegeisterung allmählich<br />

der alltäglichen Ernüchterung gewichen war, damit also <strong>die</strong> Sozialdemokratie ihrem<br />

Ziel einer preußischen Wahlrechtsreform auch nicht näher war als vor dem Krieg.<br />

Aus <strong>Liebknechts</strong> Sicht war der Burgfrieden für <strong>die</strong> Sozialdemokratie gescheitert, verfolgten<br />

doch “alle anderen Klassen im Kriege und vor allem durch den Krieg ungeniert und rücksichtslos“<br />

97 ihre Interessen. Statt politischer Reformen habe der Krieg eine „politische Fried-<br />

95<br />

Liebknecht über <strong>die</strong> Auswirkungen in einem Brief an Hugo Haase:“ Verbot der Teilnahme an Versammlungen u. Sitzungen (außer<br />

denen des Landtags) u. das Verbot der Agitation in Wort u. Schrift (´im In- und Ausland´)sowie des Ausstoßen ´revolutionärer<br />

Rufe´“ Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED: <strong>Karl</strong> Liebknecht gesammelte Reden und Schriften, Band VIII, Dietz<br />

Verlag, Berlin, 1966, S. 193<br />

96<br />

alle Zitate Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED: <strong>Karl</strong> Liebknecht gesammelte Reden und Schriften, Band VIII,<br />

Dietz Verlag, Berlin, 1966, S. 202<br />

97<br />

Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED: <strong>Karl</strong> Liebknecht gesammelte Reden und Schriften, Band VIII, Dietz Verlag,<br />

Berlin, 1966, S. 205<br />

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hofsruhe“ gebracht und <strong>die</strong> „Masse des Volkes“ werde nach dem Krieg „rechtlos bleiben wie<br />

sie es vor dem Krieg war, wenn sie sich ihr Recht nicht selber sucht“. 98<br />

Dass <strong>die</strong> bisher scheinbar einhellige Front der Kreditbefürworter durch <strong>Liebknechts</strong> Abstimmung<br />

am 2. Dezember 1914 gelitten hatte, zeigte sich auf einer Besprechung der Fraktionsminderheit<br />

kurz vor der Reichstagsabstimmung zur dritten Kriegskreditvorlage. An <strong>die</strong>ser<br />

nahmen auch vermeintlich vormalige Kriegskreditbewilliger 99 teil und es wurde über <strong>die</strong><br />

mögliche Verweigerung der Zustimmung debattiert. Dabei wurde Liebknecht „kategorisch“<br />

aufgefordert sich dem Verfahren, sich bei der Budgetabstimmung aus dem Saale zu entfernen,<br />

anzuschließen und damit der in der SPD üblichen Praxis genüge zu tun. Liebknecht lehnte<br />

<strong>die</strong>se Taktik ab und sah in dem Hinausgehen nur eine “Demonstration der Halbheit und Fadheit“.<br />

100 Weiteres Motiv für <strong>die</strong>se Forderung an Liebknecht, sich in <strong>die</strong> Oppositionsgruppe zu<br />

integrieren, dürfte auch der Versuch gewesen sein, <strong>Liebknechts</strong> persönliche Totalopposition<br />

und <strong>die</strong> damit verbundene Symbolhaftigkeit seiner Aktionen, aus dem Licht der Öffentlichkeit<br />

zu drängen.<br />

Wie ernst es den Süddeutschen mit ihrem Bekenntnis <strong>gegen</strong> <strong>die</strong> Kriegskredite dann war zeigte<br />

sich als <strong>die</strong>se für das Budget stimmten, nur weil Liebknecht da<strong>gegen</strong> stimmte. Trotzdem verließen<br />

zur Reichstagsabstimmung am 20. März 1915, 30 sozialdemokratische Abgeordnete<br />

aus Protest den Plenarsaal und Otto Rühle stimmte, neben <strong>Karl</strong> Liebknecht, <strong>gegen</strong> <strong>die</strong> Kriegskredite.<br />

101 Als am 21. März 1915 <strong>die</strong> Namen der Kreditgegner im „Vorwärts“ veröffentlich<br />

wurden, dürfte spätestens <strong>die</strong> Meinungsspaltung der Sozialdemokratie, auch für eine breite<br />

Öffentlichkeit, offensichtlich geworden sein.<br />

8. Der <strong>Kampf</strong> <strong>gegen</strong> <strong>die</strong> offiziellen Parteiinstanzen wird eröffnet<br />

Neben dem Widerstand der Opposition innerhalb der Reichstagsfraktion, verstärkte sich auch<br />

der <strong>Kampf</strong> <strong>gegen</strong> <strong>die</strong> Parteiführung von der Basis aus. Auf einer Versammlung oppositioneller<br />

Sozialdemokraten am 9. Juni 1915 in <strong>Liebknechts</strong> Wohnung, wurde als Reaktion auf <strong>die</strong><br />

Kanzlerrede vom 28. Mai 1915 und <strong>die</strong> allgemeinen Annexionsproklamationen, ein Protestschreiben<br />

in Form einer „Eingabe“ an den Vorstand der Sozialdemokratischen Partei und den<br />

Vorstand ihrer Reichstagsfraktion entworfen, 102 welches zur Breitseite <strong>gegen</strong> <strong>die</strong><br />

98<br />

Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED: <strong>Karl</strong> Liebknecht gesammelte Reden und Schriften, Band VIII, Dietz Verlag,<br />

Berlin, 1966, S. 208.<br />

99<br />

„süddeutsche Radikale [...] z.B. Hoffman - Kaiserslautern, Hierl“ s. dazu Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED:<br />

<strong>Karl</strong> Liebknecht gesammelte Reden und Schriften, Band IX, Dietz Verlag, Berlin, 1968, S. 271<br />

100<br />

“ (Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED: <strong>Karl</strong> Liebknecht gesammelte Reden und Schriften, Band VIII, Dietz<br />

Verlag, Berlin, 1966, S. 268<br />

101<br />

<strong>die</strong>ses Verhalten wurde sicherlich dadurch erleichtert, dass <strong>die</strong> Abstimmung über <strong>die</strong> Kriegskredite in <strong>die</strong> Budgetabstimmung<br />

eingebettet war und, bis auf einige Süddeutsche Landtage, bis dato keine sozialdemokratische Fraktion ein Budget mitgetragen<br />

hatte. Auch Otto Rühle begründet sein „nein“ auf der Fraktionssitzung der SPD am 20.März 1915 mit <strong>die</strong>ser Tatsache. s. dazu<br />

Matthias, Erich und Pikart, Eberhard: Die Reichstagsfraktion der deutschen Sozialdemokratie 1914 bis 1918, Hrsg. Von der Kom-<br />

mission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, erste Reihe 3/II, Droste, Düsseldorf, 1966, S. 48)<br />

102<br />

beteiligt waren Liebknecht, Meyer, Ströbel, Marchlewski, H. Duncker, Mehring, Laukant, Laufenberg und Ledebour s. dazu<br />

Autorenkollektiv: Dokumente und Materialien zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Reihe 2, Band 1, 1914 - 1917, 2.<br />

Auflage, Dietz Verlag, Berlin 1958, S. 169<br />

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sozialdemokratische Reichstagsfraktion geriet. Gleich in den ersten Zeilen wird der Parteileitung<br />

eine Politik vorgeworfen, <strong>die</strong> in Folge das Versagen der Partei in einem „unvergleichlichen<br />

geschichtlichen Augenblick“ und <strong>die</strong> immer „schroffere Abkehr von ihren bisherigen<br />

Grundsätzen bedeutet“. 103<br />

Die Verfasser attestieren der Parteiführung, den Widerstand <strong>gegen</strong> <strong>die</strong> „imperialistische Eroberungspolitik<br />

aufgegeben“ zu haben und <strong>die</strong>s nicht „nur aus Schwäche oder Burgfriedensfreudigkeit“<br />

sondern aus Kalkül.<br />

Dieser Protestbrief wurde vervielfältig und mit einem Anschreiben zusammen an Partei- und<br />

Gewerkschaftsfunktionäre versandt, verbunden mit der Aufforderung, den Brief zu unterschreiben<br />

und sich dem Protest anzuschließen. Ganz im Gegensatz zur Unterschriftenaktion<br />

von Rosa Luxemburg vom 4. August 1914, fand <strong>die</strong>se Aufforderung breite Zustimmung und<br />

Unterstützung und wurde dadurch zu einem weiteren Indiz dafür, wie weit sich <strong>die</strong> Stimmung<br />

an der Parteibasis in Richtung <strong>Liebknechts</strong> <strong>Positionen</strong> verändert hat.<br />

9. Die „kleine Anfrage“<br />

Die parlamentarische Oppositionsarbeit <strong>Liebknechts</strong> im Reichstag gestaltete sich ungleich<br />

schwerer als im Preußischen Landtag. Waren in der Landtagsfraktion ca. 50 Prozent der Abgeordneten<br />

den Kriegskrediten <strong>gegen</strong>über ablehnend eingestellt, war Liebknecht in der<br />

Reichstagsfraktion größtenteils isoliert. Um trotzdem im Reichstag <strong>die</strong> von ihm immer als<br />

aktiv und handlungsintensiv verstandene Agitation zu leisten, instrumentalisierte Liebknecht<br />

ein Prozedere aus der Geschäftsordnung, <strong>die</strong> „kleine Anfrage“. Ursprünglich 1912 auf Initiative<br />

der Sozialdemokratie und nach englischem Vorbild im deutschen Reichstag eingeführt,<br />

um in kürzester Zeit Stellungnahmen der Regierung zu aktuellen Themen einzuholen, wurde<br />

sie hier Mittel, um der <strong>Liebknechts</strong>chen Strategie eine öffentliche Stimme zu geben.<br />

<strong>Sein</strong>e erste Anfrage konzipierte Liebknecht „beim Schippen“ 104 an der Front und schickte sie<br />

am 31. Juli 1915 nach Berlin und parallel dazu zur Kenntnisnahme an den Fraktionsvorstand<br />

und an Ledebour, da er zweifelte, rechtzeitig zum Reichstagsbeginn in Berlin sein zu können.<br />

Diese Anfrage sorgte schon in der Fraktion für erhebliche Differenzen, so dass Haase auf<br />

Veranlassung des Parteivorstandes <strong>die</strong> Drucklegung 105 aussetzte um eine Rücksprache mit<br />

Liebknecht herbeizuführen. 106 Dieser bestand aber auf unverzüglicher Bearbeitung.<br />

103<br />

Autorenkollektiv: Dokumente und Materialien zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Reihe 2, Band 1, 1914 - 1917, 2.<br />

Auflage, Dietz Verlag, Berlin 1958, S. 169<br />

104<br />

Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED: <strong>Karl</strong> Liebknecht gesammelte Reden und Schriften, Band IX, Dietz Verlag,<br />

Berlin, 1968, S. 279<br />

105<br />

Voraussetzung einer „kleine Anfrage“ war das vorliegen in gedruckter Form<br />

106<br />

Liebknecht hatte sich durch <strong>die</strong>ses Vorgehen einem Fraktionsbeschluss von 1912 widersetzt, der bei Bedenken seitens des<br />

Fraktionsvorstandes eine Fraktionssitzung fordert<br />

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Als dann am 20. August 1915, zur Reichstagssitzung, neben einer weiteren Gegenstimme<br />

<strong>Liebknechts</strong> <strong>gegen</strong> <strong>die</strong> Kriegskredite, 107 <strong>die</strong> kleine Anfrage <strong>Liebknechts</strong>, ob „bei entsprechender<br />

Bereitschaft der anderen Kriegführenden“ <strong>die</strong> Regierung bereit sei „auf Grundlage des<br />

Verzichts auf Annexionen aller Art in sofortige Friedensverhandlungen einzutreten“ verhandelt<br />

wurde, sah sich von Jagow 108 gezwungen, <strong>die</strong> Beantwortung als „zur Zeit unzweckmäßig“<br />

abzulehnen und damit indirekt ein <strong>gegen</strong>teiliges Bekenntnis abzugeben. 109<br />

Dass darüber hinaus <strong>die</strong> deutsche Sozialdemokratie in Verlegenheit geriet, als eines ihrer bekanntesten<br />

Mitglieder öffentlich <strong>gegen</strong> <strong>die</strong> Kriegszielpolitik der Regierung im Reichstag<br />

opponierte und damit <strong>die</strong> „Vaterlandstreue“ als eine Vorraussetzung des Burgfriedens und der<br />

Integration in das wilhelminische Deutschland in Frage stellte, steht außer Zweifel.<br />

Liebknecht war der personifizierte Beweis dafür, dass auch in den Reihen der Sozialdemokratie<br />

<strong>die</strong> „Vaterlandslosen Gesellen“ keinesfalls ausgestorben waren.<br />

Die „kleinen Anfragen“ sollten das Hauptagitationsmittel <strong>Liebknechts</strong> im Reichstag werden,<br />

mit dem es ihm gelang, trotz Wehr<strong>die</strong>nst aktive Oppositionspolitik zu betreiben.<br />

<strong>Liebknechts</strong> Taktik, dem Reichskanzler Fragen zu stellen, <strong>die</strong> <strong>die</strong>ser unmöglich wahrheitsgemäß<br />

beantworten konnte, um dann aus der Nichtbeantwortung öffentlich Schlüsse zu ziehen,<br />

ging auf. Der Widerstand von Regierungsseite nahm zu. Zusammen mit dem Reichskanzler<br />

versuchte der Präsident des Reichstages, Dr. Kaempf, <strong>die</strong> Anfragenflut <strong>Liebknechts</strong> zu behindern<br />

und durch Verschleppung einzudämmen. Am 30. November 1915 ging der Reichstagspräsident<br />

soweit, eine Anfrage, ent<strong>gegen</strong> der Geschäftsordnung, mit der Begründung, dass<br />

deren „Wirkung eine schwere Schädigung der Interessen des deutschen Reiches herbeizuführen<br />

geeignet ist“, 110 ganz abzulehnen.<br />

Nun konnte der Jurist Liebknecht ausholen und warf in seiner Antwort an den Reichstagspräsidenten<br />

<strong>die</strong>sem <strong>die</strong> „Negation jedes geschriebenen und ungeschriebenen Rechts [...], <strong>die</strong><br />

Nichtachtung der Geschäftsordnung, den Umsturz eines prinzipalen Verfassungsgrundsatzes<br />

[...] <strong>die</strong> Etablierung politischer Zensur“ und <strong>die</strong> „Diktatur des Präsidenten über <strong>die</strong> Abgeordneten“<br />

111 vor. Wie in <strong>die</strong> Enge getrieben musste der Reichstagspräsident sein, wenn er <strong>die</strong>sen<br />

offensichtlichen Rechtsbruch beging.<br />

107<br />

Liebknecht stimmte am 20. August 1915 zwar als einziger <strong>gegen</strong> <strong>die</strong> Kredite, der abwesende Otto Rühle erklärte aber später, er<br />

hätte <strong>die</strong> Annahme auch verweigert<br />

108<br />

Staatsminister, Staatssekretär des Auswärtigen Amts, Bevollmächtigter zum Bundesrat<br />

109<br />

Debatte zur kleinen Anfrage vollständig abgedruckt in: Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED: <strong>Karl</strong> Liebknecht<br />

gesammelte Reden und Schriften, Band VIII, Dietz Verlag, Berlin, 1966, S. 297<br />

110<br />

Schreiben abgedruckt in Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED: <strong>Karl</strong> Liebknecht gesammelte Reden und Schriften,<br />

Band VIII, Dietz Verlag, Berlin, 1966, S. 412<br />

111<br />

vollständig abgedruckt in: Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED: <strong>Karl</strong> Liebknecht gesammelte Reden und Schriften,<br />

Band VIII, Dietz Verlag, Berlin, 1966, S. 414<br />

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10. Die Zimmerwalder Konferenz<br />

Als erstes Unternehmen, „eine internationale Konferenz der oppositionellen Sozialdemokraten<br />

aus kriegführenden und neutralen Ländern zu veranstalten“, 112 fand vom 5. bis 8. September<br />

1915 <strong>die</strong>, nach ihrem Tagungsort so benannte, Zimmerwalder Konferenz statt. Die deutsche<br />

Delegation 113 wurde von Ledebour und Hoffman dominiert, <strong>die</strong> beide bemüht waren, <strong>die</strong><br />

Stärke der deutschen Opposition hochzuspielen, um dann trotzdem alle verbindlichen Abmachungen<br />

für einen einheitlichen Widerstand <strong>gegen</strong> den Krieg abzulehnen, um sich dadurch<br />

nicht zwangsläufig in Opposition zur offiziellen SPD-Parteilinie zu begeben. Damit befanden<br />

sie sich in direktem Gegensatz zu Lenin, der eine Pflicht zur Kreditverweigerung festschreiben<br />

wollte. Aber auch auf Seiten der deutschen Linksradikalen unterschrieb einzig Julian<br />

Borchart ein entsprechendes Manifest. Da Liebknecht eingezogen war, konnte er sich nur<br />

brieflich an der Diskussion beteiligen. Unter dem Leitsatz „Burgkrieg, nicht Burgfriede!“ fordert<br />

er ein Wiedererstehen der Internationale, einen „internationalen Klassenkampf für den<br />

Frieden, für <strong>die</strong> sozialistische Revolution“ und markiert damit seinen Standpunkt am linken<br />

Rand der sozialdemokratischen Opposition.<br />

11. Die Oppositionelle Basis wird breiter - Die Dezemberabstimmung <strong>gegen</strong> <strong>die</strong><br />

Kriegskredite<br />

Die Sozialdemokratie stand vor der Tatsache der schleichenden Parteispaltung und lies es<br />

handlungslos ohne Gegenwehr geschehen. Ursächlich für das Auseinanderdivi<strong>die</strong>ren der Parteigruppen<br />

ist <strong>die</strong> wachsende Dominanz der Rechten, <strong>die</strong> <strong>die</strong> gespaltene Parteimeinung äußerlich<br />

einmütig erscheinen ließ.<br />

Bei der von Eduard David vorgetragenen Begründung für <strong>die</strong> Zustimmung zur Kriegskreditvorlage<br />

im Reichstag am 20. August 1915 wurde deutlich, dass <strong>die</strong> immer zahlreichere Opposition<br />

keine öffentliche Möglichkeit der Darstellung ihrer <strong>Positionen</strong> hatte. Die Parteilinke<br />

war durch <strong>die</strong> rechte Mehrheit in sämtlichen relevanten Gremien mundtot gemacht worden.<br />

Selbst ein so konsequenter Anhänger der Parteidisziplin wie der Theoretiker Kautsky forderte,<br />

der Minderheit „Ausdrucksfreiheit“ zu geben, obwohl auch er wusste, dass eine selbständige<br />

Aktion der Minderheit zur Spaltung führen könnte und es wahrscheinlich würde. In <strong>die</strong>ser<br />

Situation versuchte <strong>die</strong> Minderheit, über das Mittel der Interpellation, <strong>die</strong> Meinungshoheit der<br />

Parteirechten zu durchbrechen. Liebknecht wurde von Arthur Stadthagen am 10. November<br />

112<br />

Miller, Susanne, Burgfrieden und Klassenkampf, Droste, Bonn-Bad Godesberg, 1974, S. 115<br />

113<br />

(Mitglieder u.a. Georg Ledebour, Josef Herzfeld und Ewald Vogtherr als Reichstagsabgeordnete und der Landtagsabgeordnete<br />

Adolf Hoffmann<br />

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1915 brieflich „dringend und nachdrücklichst“ aufgefordert „von der Stellung einer „kleinen<br />

Anfrage“ Abstand zu nehmen“, 114 um <strong>die</strong>se Aktion nicht zu gefährden.<br />

Liebknecht hatte zu <strong>die</strong>sem Zeitpunkt das Vertrauen in <strong>die</strong> Aktionskraft der Fraktionsminderheit<br />

weitestgehend verloren, so dass er schon, wie vor dem 20. August 1915, nicht darauf einging<br />

und erklärte, dass „keine Anfrage einer Interpellation im Weg(e)“ 115 stehe und er sich<br />

nicht durch <strong>die</strong> unsichere Hoffnung auf eine Interpellation hemmen lassen würde.<br />

In der entscheidenden Fraktionssitzung vom 30. November 1915 wurde dann auch der von<br />

Ledebour 116 eingebrachter Entwurf durch einen überaus devoten Gegenentwurf von<br />

Scheidemann, Ebert, David, Fischer und Molkenbuhr ersetzt, in dem der Reichskanzler gefragt<br />

werden soll, ob er bereit wäre „Auskunft darüber zu geben, unter welchen Bedingungen<br />

er zu Friedensverhandlungen bereit“ 117 sei.<br />

Dass <strong>die</strong>ser Entwurf dann trotzdem, teilweise auch von der Minderheit, unterstütz wurde, beruht<br />

auf der Hoffnung, bei der Plenumsdiskussion im Reichstag auch Minderheitsstandpunkte<br />

vertreten zu können.<br />

Das wurde allerdings am 9. Dezember 1915 von der Fraktionsmehrheit im Reichstag erfolgreich<br />

verhindert.<br />

Als dann noch der Abgeordnete Landsberg, dem Reichskanzler „Bereitschaft zum Abschluss<br />

eines ehrenvollen Friedens“ attestierte, wurde <strong>die</strong>ses Vorgehen von der Fraktionsminderheit<br />

wie ein „Messerstich in den Rücken der Fraktion“ 118 empfunden. In der, auf Grund <strong>die</strong>ses<br />

Eklats von der Parteiminderheit verfassten und als Flugblatt verbreitetet Erklärung, findet sich<br />

dann auch der Beginn eines eigenständigen Auftretens der Parteiminderheit.<br />

Nächste Gelegenheit bot <strong>die</strong> Reichstagssitzung zur Kriegskreditvorlage am 21. Dezember<br />

1915. Eine einheitliche Abstimmung der Fraktion war nicht mehr möglich. Neben der von<br />

Ebert begründeten Bewilligung der Kredite, erklärte Friedrich Geyer für zwanzig Abgeordnete<br />

deren Ablehnung. 119 Parallel dazu erklärten Haase und Hoch ihr Ausscheiden aus dem<br />

Fraktionsvorstand. Nun war der Durchbruch, der gleichzeitig <strong>die</strong> Dichotomie der deutschen<br />

114<br />

Brief vollständig abgedruckt in: Wohlgemuth, Heinz: Burgkrieg, nicht Burgfriede! Der <strong>Kampf</strong> <strong>Karl</strong> <strong>Liebknechts</strong>, Rosa Luxemburgs<br />

und ihrer Anhänger um <strong>die</strong> Rettung der deutschen Nation in den Jahren 1914-1916. Berlin, Dietz, 1963, S. 273<br />

115<br />

Brief <strong>Liebknechts</strong> an Wilhelm Dittmann vom 11.November 1914 abgedruckt in Wohlgemuth, Heinz: Burgkrieg, nicht Burgfriede!<br />

Der <strong>Kampf</strong> <strong>Karl</strong> <strong>Liebknechts</strong>, Rosa Luxemburgs und ihrer Anhänger um <strong>die</strong> Rettung der deutschen Nation in den Jahren 1914-<br />

1916. Berlin, Dietz, 1963, S.275<br />

116<br />

im Inhalt mit der kleinen Anfrage von Liebknecht am 20. August 1915 fast identisch: „Ist der Herr Reichskanzler zu sofortigen<br />

Friedensverhandlungen, auf Grundlage des Verzichts auf Annexionen jeder Art, durch alle kriegführenden Staaten bereit?“ s. dazu<br />

Matthias, Erich und Pikart, Eberhard: Die Reichstagsfraktion der deutschen Sozialdemokratie 1914 bis 1918, erste Reihe 3/II, Hrsg.<br />

Von der Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, Droste, Düsseldorf, 1966, S. 87<br />

117<br />

s. dazu Matthias, Erich und Pikart, Eberhard: Die Reichstagsfraktion der deutschen Sozialdemokratie 1914 bis 1918, erste Reihe<br />

3/II, Hrsg. Von der Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, Droste, Düsseldorf, 1966, S. 87<br />

118<br />

zitiert aus Miller, Susanne: Burgfrieden und Klassenkampf. Die deutsche Sozialdemokratie im Ersten Weltkrieg. Hrsg. Von der<br />

Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, Droste 1974, S. 122<br />

119<br />

<strong>die</strong>se Erklärung wurde gemeinsam von Haase, Ledebour und Liebknecht ausgearbeitet<br />

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Sozialdemokratie bestätigte, geschafft. Die Fraktionsminderheit hatte sich auf breiter Basis 120<br />

der Parteidisziplin widersetzt und ein Minderheitsvotum abgegeben.<br />

Liebknecht hatte sich dann auch allen Erklärungen angeschlossen, jedoch nicht auf das Stellen<br />

zweier „kleiner Anfragen“ verzichtet, so dass ihm vor der Reichstagssitzung von der<br />

Fraktionsminderheit ein Ultimatum zu deren Rückziehung gestellt wurde. Liebknecht zeigt<br />

als Reaktion eine für ihn untypische Kompromissbereitschaft, als er beide Anfragen verschob,<br />

dann aber an allen weiteren Sitzungen der Opposition nicht mehr teilnahm. Der als Konsequenz<br />

auf das geforderte Ultimatum angekündigte Ausschluss von der gemeinsamen Erklärung,<br />

blieb dann, zum großen Erstaunen <strong>Liebknechts</strong>, der von der endgültigen Fassung gar<br />

keine Kenntnis hatte, aus.<br />

Ganz deutlich zeigen sich hier <strong>die</strong> Widersprüche zwischen der zukünftigen Sozialdemokratischen<br />

Arbeitsgemeinschaft und <strong>Karl</strong> Liebknecht. Liebknecht, der <strong>die</strong> gesamte Zeit seit<br />

Kriegsausbruch innerhalb des Reichstages allein gekämpft hatte, war nicht mehr bereit, seine<br />

Ziele innerhalb der Reichstagsfraktion zur Diskussion zu stellen. <strong>Sein</strong>e politische Heimat<br />

hatte er mittlerweile innerhalb der radikalen Parteilinken um Rosa Luxemburg und Franz<br />

Mehring gefunden. Aus deren Sicht war <strong>die</strong> Parteispaltung schon lange Realität und es ging<br />

darum, <strong>die</strong> Opposition unter Führung der Parteilinken zu vereinigen. Wenn auch <strong>Liebknechts</strong><br />

persönliche Überzeugung nicht mit dem Fundamentalmarxismus Luxemburgs gemein gesetzt<br />

werden kann, fand er ausschließlich dort <strong>die</strong> in ihren Zielsetzungen, nämlich <strong>gegen</strong> Kriegskredite<br />

und <strong>gegen</strong> den Burgfrieden, am meisten mit ihm korrespon<strong>die</strong>rende Plattform. Diese<br />

Plattform hatte, als „Gruppe Internationale“, schon seit März 1915 eine eigenständige außerparlamentarische<br />

Oppositionsarbeit betrieben.<br />

Seit dem einmaligen Erscheinen der Zeitschrift „Internationale“ am 15. April 1915, war auch<br />

<strong>die</strong> Grenzlinie zwischen den Linken und den Zentristen gezogen. Die scharfe Polemik<br />

Luxemburgs <strong>gegen</strong> den zentristischen Wortführer Kautsky ließ ein Zusammengehen immer<br />

unwahrscheinlicher werden. Auch <strong>die</strong> unterschiedlichen Ansichten innerhalb der deutschen<br />

Delegation auf der Zimmerwalder Konferenz zeigten offen <strong>die</strong> grundsätzlich anderen Ansichten<br />

der einzelnen Gruppierungen innerhalb der deutschen Sozialdemokratie.<br />

Damit waren auch für Liebknecht <strong>die</strong> Brücken abgebrochen. Er war sicherlich bereit, alle Aktionen<br />

zu unterstützen, <strong>die</strong> in der Zielsetzung mit seinen Zielen harmonierten, aber sich wieder<br />

den Gruppennormen der Fraktionsminderheit zu unterwerfen kam für den, das Außenseiterdasein<br />

im Reichstag gewöhnten, <strong>Karl</strong> Liebknecht nicht mehr in Frage. <strong>Sein</strong> Verständnis<br />

von politischer Taktik war der Vorgehensweise der Fraktionsminderheit mittlerweile entfremdet.<br />

Liebknecht hat aus seinen eigenen politischen Erfahrungen gelernt, dass <strong>die</strong> Ziele <strong>die</strong><br />

er vertrat, nicht ausschließlich auf parlamentarischem Parket durchzusetzen waren, und auch<br />

der deutschen Sozialdemokratie war es ja offensichtlich nicht gelungen, innerhalb der<br />

deutschen Parlamente wirklich effektiv zu agieren und ihren Zielen näher zu kommen. So<br />

120<br />

neben <strong>Karl</strong> Liebknecht und Otto Rühle stimmten noch 18 weitere Abgeordnete <strong>gegen</strong> <strong>die</strong> Kriegskredite<br />

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estärkten ihn sicherlich <strong>die</strong> Aktionen der Fraktionsminderheit, aber zu einer Zusammenarbeit<br />

sollte es 121 nicht kommen. Weder <strong>die</strong> abwartenden vorsichtigen Reaktionen Ledebours auf der<br />

Zimmerwalder Konferenz, noch <strong>die</strong> in der Fraktionsminderheit immer noch vorhandene Akzeptanz<br />

der Vaterlandsverteidigung, ließen Liebknecht auf eine konsequente antimilitaristische<br />

Agitation hoffen. Liebknecht hatte, sicherlich durch <strong>die</strong> im Oppositionskampf gemachten<br />

Erfahrungen, nicht mehr <strong>die</strong> Kompromissfähigkeit und Toleranz, <strong>die</strong> notwendig gewesen wären,<br />

sich in eine so inhomogene Gruppe, wie sie <strong>die</strong> Fraktionsminderheit offensichtlich war,<br />

integrieren zu können.<br />

12 „Nieder mit dem Krieg, Nieder mit der Regierung“ – über den Spartakusbund<br />

zur Maidemonstration<br />

Zur Jahreswende 1915-1916, stellt sich <strong>die</strong> deutsche Sozialdemokratie dreigeteilt dar. Man<br />

findet zwei grundsätzliche Tendenzen, einerseits <strong>die</strong> der Fraktionsmehrheit um David, <strong>die</strong><br />

immer noch und immer konsequenter <strong>die</strong> systemintegrative Linie vertrat und damit für Burg-<br />

und Parteifrieden und für <strong>die</strong> Bewilligung der Kriegskredite stand. Dieser Gruppe unversöhnlich<br />

<strong>gegen</strong>über stand <strong>die</strong> Gruppe Internationale um Rosa Luxemburg, Franz Mehring und <strong>Karl</strong><br />

Liebknecht, <strong>die</strong> keinen Schritt abgewichen war von ihrer fundamentalen Systemopposition<br />

und ihrem konsequenten Antimilitarismus, ideologisch, bis auf Liebknecht, auf Linie des orthodoxen<br />

Marxismus, stellte sie <strong>die</strong> radikale Linke der Partei. Dazwischen das „Häuflein“ 122<br />

der 18 Kriegskreditverweigerer um Hugo Haase und Georg Ledebour, vom 21. Dezember<br />

1915. Diese stimmten zwar <strong>gegen</strong> den Krieg, begründeten <strong>die</strong>s aber nicht grundsätzlich, sondern<br />

leiteten ihren Widerstand aus der momentanen Kriegslage her – verabschiedeten sich<br />

also nicht vollständig von der Politik des 4. August 1914.<br />

Für Liebknecht fand sich eine politische Heimat nur in der Gruppe Internationale, deren charismatischer<br />

und symbolischer Führer er, nach Rosa Luxemburgs Verhaftung am 18. Februar<br />

1915, geworden war. Dass es trotzdem grundsätzliche Unterschiede in der Einschätzung der<br />

politischen Taktik und Theorie zwischen Liebknecht und Luxemburg gab, verhinderte eine<br />

Zusammenarbeit nicht.<br />

Charakteristische für <strong>die</strong>se Gegensätze ist <strong>die</strong> Diskussion um <strong>die</strong> „Leitsätze über <strong>die</strong> Aufgaben<br />

der internationalen Sozialdemokratie“, <strong>die</strong> später grundlegend für das Programm des<br />

Spartakusbundes werden sollten. Entstanden, als Extrakt der von Rosa Luxemburg im Frühjahr<br />

1915 in Haft verfassten „Junius-Broschüre“ und wohl für <strong>die</strong> Zimmerwalder Konferenz<br />

121 übrigens auch von Seiten der Fraktionsminderheit, <strong>die</strong> Liebknecht auf Grund seiner „kleinen Anfragen“ ausschloss. Liebknecht<br />

dazu: „So begann <strong>die</strong> Arbeitsgemeinschaft schon als Fötus zu – exkommunizieren“ Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der<br />

SED: <strong>Karl</strong> Liebknecht gesammelte Reden und Schriften, Band IX, Dietz Verlag, Berlin, 1968, S. 274<br />

122<br />

Liebknecht später in der ersten Ausgabe der Spartakusbriefe: „Häuflein“ [...] Wer sind sie? Wenige Vertreter des grundsätzlichen<br />

Internationalismus, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Verwirrungsphrase von der Vaterlandsverteidigung schlechthin ablehnen, neben allerhand Eroberungsgegnern,<br />

<strong>die</strong> <strong>die</strong>ser Phrase anhängen, <strong>die</strong> bei jeder Gelegenheit ihr ´wahrhaft patriotisches´ Herz öffentlich ausstellen, aber[...] das<br />

Haar der Annexionspolitik in der Suppe der imperialistischen ´Vaterlandsverteidigung´ entdeckt haben[...] Auch Verfechter des<br />

Vergeltungsprinzips“ zitiert aus Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED, Spartakusbriefe, Dietz Verlag, Berlin, 1958<br />

S. 86-87<br />

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geplant, wurden Sie schnell zur programmatischen Diskussionsgrundlage der Gruppe „Internationale“.<br />

Luxemburg verlangte, sicherlich von der Leninschen Bolschewiki inspiriert, für<br />

eine neu zu gründende Internationale eine straffere und zentralistische Organisation, <strong>die</strong> ihre<br />

Beschlüsse mit strikter Disziplin bis zu den nationalen Sektionen durchsetzen kann.<br />

Dass <strong>die</strong>ser Punkt <strong>Liebknechts</strong> Protest hervorrief war nicht verwunderlich, sah Liebknecht <strong>die</strong><br />

Internationale doch nicht als theoretisches Konstrukt, sondern als Ergebnis der Emanzipation<br />

der Massen und des Proletariats. Die internationalen Massen waren für Liebknecht <strong>die</strong> Verkörperung<br />

der Internationale, wenn sie dafür weit genug emanzipiert wären, wobei ihnen in<br />

<strong>die</strong>sem Prozess <strong>die</strong> aktive Rolle zustehe. Aus seiner Sicht sah Luxemburg „<strong>die</strong> Massen zu<br />

sehr als Werkzeug, nicht als Träger des Willens [...], als Werkzeug der von der Internationalen<br />

gewollten und beschlossenen Tat, nicht als Selbst-Woller“. Für Liebknecht beinhalteten<br />

Luxemburgs Vorschläge „zuviel Disziplin und zuwenig Spontanität“ 123 Im Gegensatz zu<br />

Luxemburg, <strong>die</strong> nichts überstürzen wollte, bestand Liebknecht auf ständigen Aktionen und<br />

sah <strong>die</strong> Antikriegspolitik im Mittelpunkt der zuerst erforderlichen Handlungen. Er verstand<br />

den herrschenden Krieg und den <strong>Kampf</strong> <strong>gegen</strong> <strong>die</strong>sen als Chance, da <strong>die</strong>ser zur „Verschärfung<br />

der Klassen<strong>gegen</strong>sätze“ führe und durch „Aufpeitschung der Massen“ dem „revolutionären<br />

Klassenkampf <strong>gegen</strong> den Imperialismus in allen Sphären der inneren und äußeren Politik<br />

neuen gewaltigen Antrieb“ verschaffe. Diesen Antrieb „unermüdlich und rücksichtslos [...]<br />

während des Kriegs und nach dem Krieg“ auszunützen, sei „Aufgabe der sozialistischen Partei“.<br />

124<br />

Wiederum offenbart sich hier, dass Liebknecht nicht weit von seiner „Ur-Sozialdemokratischen“<br />

und humanistischen Linie entfernt war. Eine der wenigen Konstanten in <strong>die</strong>ser Zeit<br />

waren der <strong>Liebknechts</strong>che Antimilitarismus und sein Verständnis von der Emanzipation der<br />

Massen, über deren Kopf hinweg man keine Revolution machen könne, deren Mobilisierung<br />

während des Krieges man aber in revolutionäre Bahnen lenken müsse. Dass er sich trotzdem<br />

im Kreise der Gruppe Internationale bewegte und dort auch seine politische Heimat sah, hat<br />

seine Ursachen u.a. in der Bewunderung <strong>die</strong> er Rosa Luxemburg <strong>gegen</strong>über empfand. Bei ihr<br />

gab es aus <strong>Liebknechts</strong> Sicht, und im Gegensatz zu beispielsweise Kautsky, keinen Unterschied<br />

zwischen Wort und Tat. Gerade <strong>die</strong>se Eigenschaft der Mitglieder der Gruppe Internationale<br />

mag Liebknecht beeindruckt haben, hatten <strong>die</strong>se doch konsequent und kompromisslos<br />

eine außerordentlich unpopuläre Position vertreten. Und <strong>die</strong>se unpopuläre Position, nämlich<br />

der kompromisslose <strong>Kampf</strong> <strong>gegen</strong> den Krieg, bildete <strong>die</strong> Klammer der Gruppe Internationale<br />

mit Liebknecht.<br />

Nach der erfolgreichen Juniaktion gingen <strong>die</strong> Überlegungen der Gruppe Internationale in <strong>die</strong><br />

Richtung, eine schlagkräftige Parteiopposition aufzubauen und in ihr nicht „etwa <strong>die</strong> ganze<br />

Opposition unter einen Hut zu bringen, sondern umgekehrt aus <strong>die</strong>sem Brei den kleinen und<br />

123<br />

s. dazu Änderungsvorschläge <strong>Karl</strong> <strong>Liebknechts</strong> zu dem Entwurf der Leitsätze in: Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der<br />

SED: <strong>Karl</strong> Liebknecht gesammelte Reden und Schriften, Band VIII, Dietz Verlag, Berlin, 1966, S. 19 S. 383-400<br />

124<br />

s. dazu Wohlgemuth, Heinz: Burgkrieg, nicht Burgfriede! Der <strong>Kampf</strong> <strong>Karl</strong> <strong>Liebknechts</strong>, Rosa Luxemburgs und ihrer Anhänger um<br />

<strong>die</strong> Rettung der deutschen Nation in den Jahren 1914-1916. Berlin, Dietz, 1963, S. 161-162<br />

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festen Kern herauszuschälen, den wir um unsere Plattform gruppieren können“ 125 . Die Situation<br />

Deutschlands im Krieg schien für einen solchen Versuch der verstärkten Agitation, günstig<br />

zu sein, war es doch Deutschland nicht gelungen wesentliche strategische Siege zu erreichen.<br />

Die riesigen Verluste an Menschen und Material hatten gravierende Auswirkungen auf<br />

das Leben innerhalb Deutschlands. So ging beispielsweise <strong>die</strong> landwirtschaftliche Produktion,<br />

auf Grund des Mangels an Arbeitskräften und Düngemittel, kontinuierlich zurück, womit sich<br />

auch <strong>die</strong> Ernährungslage der Bevölkerung permanent verschlechterte. Die hoffnungslose Lage<br />

beförderte <strong>die</strong> Kriegsmüdigkeit der Massen und <strong>die</strong> Gruppierungen der Kriegsgegner gewannen<br />

an Einfluss.<br />

<strong>Liebknechts</strong> Status als Armierungssoldat ließ nur geheime Treffen zu, so dass <strong>die</strong> später, als<br />

1. Reichskonferenz der Gruppe Internationale, bekannt gewordene Versammlung unter streng<br />

konspirativen Bedingungen am 1. Januar 1916 in <strong>Liebknechts</strong> Berliner Rechtsanwaltskanzlei<br />

stattfand. Über den Ablauf ist in den Quellen wenig zu finden, als sicher gilt aber, dass<br />

Liebknecht mit einem Referat zur innenpolitischen Situation im allgemeinen und zur Situation<br />

innerhalb der SPD im besonderen begann, gefolgt von einer Bestandsaufnahme der außerparlamentarischen<br />

Oppositionsarbeit 126 . Zu <strong>die</strong>sem Zeitpunkt wurde auch <strong>die</strong> Herausgabe<br />

„Politischer Briefe“ 127 beschlossen. Deren erste Nummer erschien am 27. Januar 1916 und<br />

war mit „Spartakus“ unterzeichnet. Mit <strong>die</strong>ser Publikationsschrift schuf sich <strong>die</strong>, in der Spartakusgruppe<br />

vereinigte Linke, ein eigenständiges von der offiziellen Parteipresse unabhängiges<br />

Kommunikationsmittel zur Parteibasis.<br />

Einen bedeutenden Platz dürfte <strong>die</strong> Diskussion über Rosa Luxemburgs „Leitsätze“ innegehabt<br />

haben, denen Liebknecht zwar nicht unbedingt in ganzem Umfang zustimmte, hinter <strong>die</strong> er<br />

sich aber stellte. Aber andere Oppositionelle, wie <strong>die</strong> Vertreter aus Bremen, Chemnitz und<br />

Hamburg, verweigerten <strong>die</strong> Zustimmung zu den Leitsätzen. So wurden <strong>die</strong> luxemburgschen<br />

Leitsätze zwar programmatischer Grundstock der Gruppe Internationale, aber gleichzeitig<br />

auch Abgrenzungsinstrument zur weiteren Opposition. Liebknecht unterstützte <strong>die</strong>se Distanzierung<br />

und behielt trotzdem seine eigenen taktischen und theoretischen Grundsätze bei, auch<br />

wenn sie nicht der Mehrheitsmeinung der Gruppe Internationale entsprachen. Dies wird besonders<br />

im Eröffnungsreferat zur zweiten Reichskonferenz der Spartakusgruppe, <strong>die</strong> am 19.<br />

März 1916 in Berlin stattfand, deutlich. Mit keiner Silbe vertrat er <strong>die</strong> These Luxemburgs, <strong>die</strong><br />

proletarischen Massen in Autoritätsglauben zu versetzen, um sie von oben zu führen. <strong>Sein</strong>e<br />

Maxime war es, dass „jeder einzelne selbst denkt, selbst überlegt und selbst handelt aus eigenem<br />

Entschluss“. 128 Für ihn waren <strong>die</strong> Massen immer Subjekt der Handlung, <strong>die</strong> man nur zu<br />

emanzipieren, also aufzuklären brauche, um sie zum bewussten Klassenkampf zu bewegen,<br />

125<br />

Rosa Luxemburg zitiert aus Wohlgemuth, Heinz: Burgkrieg, nicht Burgfriede! Der <strong>Kampf</strong> <strong>Karl</strong> <strong>Liebknechts</strong>, Rosa Luxemburgs und<br />

ihrer Anhänger um <strong>die</strong> Rettung der deutschen Nation in den Jahren 1914-1916. Berlin, Dietz, 1963, S. 168<br />

126<br />

anwesend waren Vertreter aus ganz Deutschland: u.a. Franz Mehring, Ernst Meyer, Käte Duncker, Hugo Eberlein, Wilhelm Pieck<br />

[alle Berlin],Johann Knief [Bremen], Rudolf Lindau[Hamburg], <strong>Karl</strong> Minster [Duisburg], Fritz Rück [Stuttgart], Otto Rühle<br />

[Dresden], Georg Schumann [Leipzig], August Thalheimer [Braunschweig], Berta Thalheimer [Stuttgart-Bad Canstatt], Heinrich<br />

Brandler [Chemnitz]<br />

127<br />

s. dazu Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED, Spartakusbriefe, Dietz Verlag, Berlin, 1958 S. XVII<br />

128<br />

Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED: <strong>Karl</strong> Liebknecht gesammelte Reden und Schriften, Band VIII, Dietz Verlag,<br />

Berlin, 1966,S. 548<br />

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denn „das Ziel der gesamten Propaganda muss sein, <strong>die</strong> Vorraussetzungen für revolutionäre<br />

Massenaktionen großen Stils zu entwickeln. Massenaktionen, wo sie entstehen, mit politischem<br />

Inhalt und Ziel zu erfüllen, voranzutreiben und zu bewussten Auseinandersetzungen<br />

mit dem Krieg und der kapitalistischen Klassenherrschaft zu gestalten“. 129 Eine Forderung,<br />

wie sie sozialdemokratischer nicht sein könnte. Eine Forderung. <strong>die</strong> vor dem August 1914<br />

sicherlich hundertprozentige Zustimmung der Reichstagsfraktion der SPD gefunden hätte.<br />

Hier zeigt sich, wessen Geistes Kind Liebknecht gewesen ist und war, nämlich seine tiefe<br />

Verwurzelung in der traditionellen Sozialdemokratie.<br />

13 Entweder - oder? – <strong>die</strong> Gretchenfrage der deutschen Sozialdemokratie<br />

Im Frühjahr 1916 waren <strong>die</strong> Fronten innerhalb der Reichstagsfraktion der deutschen Sozialdemokratie<br />

geklärt und durch den Fraktionsausschluss von <strong>Karl</strong> Liebknecht am 12. Januar<br />

1916 bestätigt und manifestiert. Liebknecht wirft auf der betreffenden Fraktionssitzung seiner<br />

Partei nicht so sehr <strong>die</strong> Zustimmung zu den Kriegskrediten, sondern ihre gesamte Politik vor,<br />

<strong>die</strong> sich für ihn besonders in der „Innehaltung des Burgfriedens“ zeigt. Er warf der Fraktionsmehrheit<br />

Verstöße <strong>gegen</strong> „Grundsätze des Sozialismus“ und der Sozialdemokratie vor und<br />

erklärt definitiv, dass er sich den Beschlüssen der Fraktion stets fügen werde, wenn sie im<br />

Einklang mit den Grundsätzen der Partei stehen, er sich ihnen aber stets widersetzen werde,<br />

wenn sie einen „Verrat bedeuten“ an „den Interessen der Partei und des Proletariats“. 130<br />

Zwischen den Zeilen erkennt man deutlich <strong>Liebknechts</strong> Position als Vertreter der „ursprünglichen“<br />

sozialdemokratischen Ideen, wie auf dem Erfurter Parteitag der SPD formuliert, während<br />

sich <strong>die</strong> Fraktionsmehrheit schon lange auf dem Weg in den realen bürgerlichen Parlamentarismus<br />

gemacht hatte. Aus <strong>Liebknechts</strong> Sicht war auch <strong>die</strong> inkonsequente Politik der<br />

Fraktionsminderheit eher dazu geeignet, <strong>die</strong> Arbeiterschaft zu verwirren, solange sie sich<br />

nicht in ihrer „weiteren Politik“ zur „Aufnahme des Klassenkampfes“ und zur „grundsätzlichen<br />

Zerstörung des parlamentarischen Burgfriedens“ 131 bekenne.<br />

Liebknecht forderte nicht mehr <strong>die</strong> Einheit der Arbeiterbewegung, sondern ein klares Bekenntnis<br />

pro oder contra Burgfrieden. Rosa Luxemburg brachte es in einer Broschüre auf den<br />

Satz: „Entweder – oder“ 132 und stellte damit <strong>die</strong> „Gretchenfrage der sozialdemokratischen<br />

Kriegspolitik“ 133 in nicht mehr zu übertreffender Klarheit. Somit war eine Zusammenarbeit<br />

mit weiteren Oppositionellen des zentristischen Lagers um Ledebour nicht mehr möglich und<br />

wurde von <strong>die</strong>sen auch aufgekündigt, was zu einer organisatorischen Spaltung - auch der Op-<br />

129<br />

Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED: <strong>Karl</strong> Liebknecht gesammelte Reden und Schriften, Band VIII, Dietz Verlag,<br />

Berlin, 1966S. 552<br />

130<br />

s. dazu das Sitzungsprotokoll in: Matthias, Erich und Pikart, Eberhard: Die Reichstagsfraktion der deutschen Sozialdemokratie 1914<br />

bis 1918, Hrsg. Von der Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien Erste Reihe 3/II, Droste,<br />

Düsseldorf, 1966, S. 153-155<br />

131<br />

s. dazu: politische Briefe, Die Dezembermänner von 1915 in: Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED, Spartakusbriefe,<br />

Dietz Verlag, Berlin, 1958, S. 86-92<br />

132<br />

Rosa Luxemburg: „Entweder- oder“ Illegale Broschüre des Spartakusbundes, April 1916<br />

133<br />

s. dazu: Kruse, Wolfgang. Krieg und nationale Integration. Eine Neuinterpretation des sozialdemokratischen Burgfriedensschlusses<br />

1914/15. Klartext, Essen 1993, S. 225<br />

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position - führte, <strong>die</strong>, von Berlin ausgehend, sich in ganz Deutschland fortsetzte. Die Gruppe<br />

Internationale und <strong>Karl</strong> Liebknecht führten ihre Hauptagitation nun außerhalb der Parlamente<br />

über illegale Broschüren und Flugblätter. Innenpolitisch immer mit dem Ziel, ihren Einfluss<br />

auf <strong>die</strong> Basis der Arbeiterbewegung zu erhöhen und außenpolitisch <strong>die</strong> von Rosa Luxemburg<br />

geforderte neue Internationale zu errichten.<br />

Obwohl der innerparlamentarische Gegenwind für Liebknecht immer stärker wurde, einmal<br />

aus der sozialdemokratischen Fraktion heraus, <strong>die</strong> ihn aller Rechte eine Fraktionsmitgliedes<br />

enthoben hatte und andererseits von Seiten der anderen Parteien, <strong>die</strong> es durchsetzten, dass<br />

<strong>Karl</strong> Liebknecht im Reichstag das Anfragerecht entzogen wurde, stimmte er am 24. März<br />

1916 zusammen mit Otto Rühle und weiteren 18 sozialdemokratische Abgeordnete im<br />

Reichstag <strong>gegen</strong> den Notetat. Das führte zum umgehenden Ausschluss <strong>die</strong>ser 18 Abgeordneten<br />

134 aus der sozialdemokratischen Fraktion und in Folge zur Bildung der sozialdemokratischen<br />

Arbeitsgemeinschaft (SAG).<br />

Zwei Tage zuvor hatte Liebknecht in einer Reichstagsdebatte zum Kultusetat eine seiner<br />

emotionalsten Reden gehalten, <strong>die</strong> einen tiefen Einblick in seine Motivation zulässt. Ruhig<br />

und optimistisch formuliert er, fast poetisch: „wenn ich an das Proletariat denke, an <strong>die</strong> Millionen<br />

der ins Dunkel Verdammten, so sage ich allerdings: hier gilt das Wort des Dichters 135<br />

nicht; nur <strong>die</strong> eigene Kraft, kein Wunder und keine Segnungen von oben kann das Proletariat<br />

in das schöne Wunderland tragen“. 136 Liebknecht leitet sein Engagement für <strong>die</strong><br />

Arbeiterbewegung, im Unterschied zu Rosa Luxemburg, <strong>die</strong> ganz marxistische Theoretikerin<br />

ist, aus einem tiefen Humanismus her, der oft aus dem Bauch zu kommen scheint.<br />

Liebknecht war zu dem Symbol der Kriegsgegner in Deutschland geworden. <strong>Sein</strong> Auftreten<br />

im Reichstag führte zu <strong>die</strong>ser Zeit mindesten zu Zwischenrufen, <strong>die</strong> sich aber auch, wie am 8.<br />

April 1916 geschehen, zu tumultartigen Szenen ausweiten konnten. <strong>Liebknechts</strong> dortiges<br />

Referat, in dem er Kriegsanleihen als Betrug am Volk darstellte, führte neben stürmischen<br />

Rufen, <strong>die</strong> ihn persönlich angriffen und diffamierten, wie „Irrenhaus!“ und „Das ist kein<br />

Deutscher!“ auch zu körperlichen Angriffen, bei denen ihm <strong>die</strong> Redeprotokolle entrissen und<br />

in den Saal geworfen wurden. Um <strong>die</strong> Ausführungen <strong>Liebknechts</strong> zu beenden, blieb dem<br />

Reichstagspräsidenten keine andere Möglichkeit als, wie vom Abgeordneten Junck gefordert,<br />

„das Vaterland“ über <strong>die</strong> Geschäftsordnung zu stellen und Liebknecht das Wort zu entziehen.<br />

137<br />

Die grundsätzliche Trennung der Opposition in den linken Flügel (Gruppe Internationale) und<br />

<strong>die</strong> zentristische SAG war in der Öffentlichkeit nicht offensichtlich. Unter den einschränkenden<br />

Bedingungen des Belagerungszustandes drangen symbolhafte Aktionen wie das Separat-<br />

134<br />

Otto Rühle war aus Solidarität mit Liebknecht schon früher von selbst ausgetreten<br />

135<br />

Liebknecht hatte vorher Schiller: ´Nur ein Wunder kann dich tragen in das schöne Wunderland´ zitiert<br />

136<br />

Rede vollständig abgedruckt in: Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED: <strong>Karl</strong> Liebknecht gesammelte Reden und<br />

Schriften, Band VIII, Dietz Verlag, Berlin, 1966, S. 521-546, s. S. 543<br />

137<br />

s. dazu ´Aus dem elendsten der Parlamente´ in: Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED: <strong>Karl</strong> Liebknecht gesammelte<br />

Reden und Schriften, Band VIII, Dietz Verlag, Berlin, 1966, S. 600<br />

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votum der 18 Abgeordneten um Ledebour noch am ehesten in das Bewusstsein der Bevölkerung,<br />

so dass das Bild einer relativ undifferenzierten Kriegsgegnerschaft entstand.<br />

Liebknecht Vorstellungen über den weiteren Kriegswiderstand unterschieden sich aber grundsätzlich<br />

von denen der SAG. So lehnte er jetzt <strong>die</strong> Pflicht zur Vaterlandsverteidigung für <strong>die</strong>sen<br />

Krieg konsequent ab und forderte in seiner Antwort auf <strong>die</strong> Frage von Haase, welches<br />

Aktionsprogramm er denn von der Fraktion erwarte: „Veranstaltung von Straßendemonstrationen<br />

für sofortigen Frieden“, darüber hinaus Hungerrevolten und Arrangierung von Proteststreiks<br />

zur Schwächung der Regierung. 138 In einem Flugblatt bekennt sich <strong>die</strong> „Gruppe<br />

Liebknecht“ zur „strengste[n] Grundsätzlichkeit der Auffassung[en], unerbittliche[r] Austragung<br />

aller Differenzen, konsequentester Anwendung des Marxismus, Erziehung zu revolutionärer<br />

Aktionsbereitschaft, schärfste[n] Form des Klassenkampfes, [zu] Massenaktionen [und]<br />

wirkliche[r] Internationalität“.<br />

Aus <strong>die</strong>sem Anspruch heraus wurden <strong>die</strong> Demonstrationen zum 1. Mai 1916 in Deutschland<br />

organisiert. Aus dem Text des, von Liebknecht während der Jenaer Jugendkonferenz, ausgearbeiteten<br />

Flugblattes 139 zu <strong>die</strong>sem Anlass, lässt sich unschwer interpretieren, dass Liebknecht<br />

eine Initialisierung der Massen erwartete. 140<br />

Zumindestens in Berlin traf <strong>die</strong>ser Aufruf auf offene Ohren. Da <strong>die</strong> offiziellen Maifeierlichkeiten<br />

während des Krieges verboten waren, geschah <strong>die</strong> Vorbereitung im Geheimen. Ein<br />

neben dem Flugplatt verteilter Handzettel 141 mobilisierte weitere Arbeiter. Auch wenn <strong>die</strong><br />

Berichte über <strong>die</strong> Anzahl der Demonstranten stark schwanken 142 ist von einer großen Resonanz<br />

auszugehen. Der Spartakusbrief vom 15. Mai 1916 berichtet, dass schon um 7.00 Uhr<br />

der Potsdamer Platz in Berlin und seine Zugänge mit Schutzleuten zu Fuß und zu Pferde überfüllt<br />

waren. Als Liebknecht dann in <strong>die</strong> sowieso schon nervöse Menge rief: „Nieder mit dem<br />

Krieg! Nieder mit der Regierung!“ war seine umgehende Verhaftung zwangsläufig.<br />

Anhang: Literaturliste<br />

Abendroth, Wolfgang: Aufstieg und Krise der deutschen Sozialdemokratie.<br />

Das Problem der Zweckentfremdung einer politischen Partei<br />

durch <strong>die</strong> Anpassungstendenz von Institutionen an vorgegebene.<br />

Machtverhältnisse,<br />

Frankfurt a.M. 1964: Stimme-Verlag<br />

Autorenkollektiv: Dokumente und Materialien zur Geschichte der deutschen<br />

Arbeiterbewegung, Reihe 2, Band 1, 1914 - 1917, 2. Auflage,<br />

138<br />

s. dazu Heinz Wohlgemuth: <strong>Karl</strong> Liebknecht, Dietz Verlag, Berlin 1975, S. 323<br />

139<br />

„Fort mit dem ruchlosen Verbrechen des Völkermordes! Nieder mit seinen verantwortlichen Macher, Hetzern und Nutznießern!<br />

Unsere Feinde [...] das sind deutsche Junker, deutsche Kapitalisten und ihr geschäftsführender Ausschuss: <strong>die</strong> deutsche Regierung!“<br />

zitiert aus Heinz Wohlgemuth: <strong>Karl</strong> Liebknecht, Dietz Verlag, Berlin 1975, S. 329<br />

140<br />

ganz im Gegensatz zur SAG <strong>die</strong> eine Beteiligung ablehnte weil unter den Massen keine Stimmung für eine Demonstration am 1.Mai<br />

vorhanden sei)<br />

141<br />

Text: Zum 1. Mai, abends 8 Uhr, Wer <strong>gegen</strong> den Krieg ist, erscheint am 1. Mai abends acht Uhr Potsdamer Platz (Berlin), Brot!<br />

Freiheit! Frieden!<br />

142<br />

während Liebknecht von wenigstens 10.000 Menschen ausging, sprach <strong>die</strong> Polizei von einigen Hundert<br />

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Dietz Verlag, Berlin 1958<br />

Brandt, Peter: Die SPD und der Erste Weltkrieg, in:<br />

Wolfgang Piereth (hrsg.) Ein Lesebuch zur deutschen Geschichte,<br />

Verlag C.H. Beck, München 1997<br />

Brunner, Otto u.a.: Geschichtliche Grundbegriffe Band 2,<br />

Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in<br />

Deutschland, Klett Verlag, Stuttgart, 1975<br />

Chickering, Roger: Das Deutsche Reich und der erste Weltkrieg,<br />

C. H. Beck, München, 2002<br />

Fricke, Dieter: Handbuch zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung<br />

1869-1917 in 2 Bdn., Dietz Verlag Berlin, 1987<br />

Geiss, I.: Julikrise und Kriegsausbruch 1914. Eine Dokumentation,<br />

Hannover, 1963/64<br />

Groh, Dieter: Negative Integration und revolutionärer Attentismus.<br />

Die deutsche Sozialdemokratie am Vorabend des Ersten<br />

Weltkrieges. (Ullstein 3086) Frankfurt/M., Berlin, Wien:<br />

Ullstein 1973<br />

Grünebaum, S., „Ludwig Frank: Ein Beitrag zur Entwicklung der deutschen<br />

Sozialdemokratie“, Bd. I,<br />

Stuttgart 1947<br />

Haffner, Sebastian: Der Verrat, Verlag 1900, Berlin, 1995<br />

Haussmann, Conrad: Schlaglichter. Reichstagsbriefe und Aufzeichnungen,<br />

hg. V. u: Zeller, Frankfurt 1924<br />

Institut für Marxismus- <strong>Karl</strong> Liebknecht Gesammelte Reden und Schriften,<br />

Leninismus beim ZK der Dietz Verlag, Berlin 1958-1968<br />

SED<br />

Institut für Marxismus- Spartakusbriefe,<br />

Leninismus beim ZK der Dietz Verlag, Berlin, 1958<br />

SED<br />

Kruse, Wolfgang. Krieg und nationale Integration.<br />

Eine Neuinterpretation des sozialdemokratischen Burgfriedensschlusses<br />

1914/15, Klartext, Essen 1993<br />

Kruse, Wolfgang: Sozialismus, Antikriegsbewegungen, Revolutionen in:<br />

Eine Welt von Feinden, Der große Krieg 1914-1918,<br />

Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main, 2000<br />

Kuczynski, J.: Der Ausbruch des ersten Weltkrieges u. <strong>die</strong> deutsche<br />

Sozialdemokratie.<br />

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Chronik u. Analyse. Berlin,<br />

Akad.-Verlag., 1957. (Schr. d. Inst. f. Gesch. d. DAdW zu<br />

Bln.)<br />

Matthias, Erich und Die Reichstagsfraktion der deutschen Sozialdemokratie<br />

Pikart, Eberhard: 1914 bis 1918, Hrsg. Von der Kommission für Geschichte des<br />

Parlamentarismus und der politischen Parteien, Droste,<br />

Düsseldorf, 1966<br />

Miller, Susanne: Burgfrieden und Klassenkampf. Die deutsche Sozialdemokratie<br />

im Ersten Weltkrieg.<br />

Hrsg. Von der Kommission für Geschichte des Parlamentarismus<br />

und der politischen Parteien,<br />

Droste 1974<br />

Miller, Susanne: Zum 3. August 1914, in: Friedrich-Ebert-Stiftung (Hrsg.), Archiv<br />

für Sozialgeschichte IV. Band, Verlag für Literatur und<br />

Zeitgeschehen, Hannover, 1964<br />

Miller, Susanne , Erich Matthias: Das Kriegstagebuch des Reichstagsabgeordneten<br />

Eduard David 1914 bis 1918, Droste, Düsseldorf, 1966<br />

Mühlhausen, Walter Die Sozialdemokratie am Scheideweg - Burgfrieden, Parteikrise<br />

und Spaltung im Ersten Weltkrieg, in: Michalka, Wolfgang<br />

(Hrsg.), „Der Erste Weltkrieg. Wirkung, Wahrnehmung, Analyse;“<br />

München-Zürich 1994 (Piper Verlag)<br />

Rintelen, <strong>Karl</strong>ludwig: Links blinken und rechts abbiegen, in: Zwecklegenden Die SPD<br />

und das Scheitern der Arbeiterbewegung,<br />

Verlag 1900, Berlin, 1996<br />

Rosenberg, Arthur: Entstehung der Weimarer Republik, Europäische Verlagsanstalt,<br />

Frankfurt am Main 1977<br />

Schorske, Carl E.: German Social Democracy 1905-1917. The Development of the<br />

Great Schism<br />

Harvard Historical Stu<strong>die</strong>s, Harvard 1955<br />

Schramm, Gottfried: 1914 Sozialdemokratie am Scheideweg in: Stern, Carola,<br />

Wendepunkte deutsche Geschichte 1848-1990,<br />

Fischer, Frankfurt a. Main 1995<br />

Trotnow, Helmut: <strong>Karl</strong> Liebknecht<br />

Eine politische Biographie, dtv, München 1982<br />

Wachenheim, Hedwig: Die deutsche Arbeiterbewegung 1844-1914, Opladen<br />

Westdeutscher Verl. 1971<br />

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Wohlgemuth, Heinz: Burgkrieg, nicht Burgfriede! Der <strong>Kampf</strong> <strong>Karl</strong> <strong>Liebknechts</strong>,<br />

Rosa Luxemburgs und ihrer Anhänger um <strong>die</strong> Rettung der deutschen<br />

Nation in den Jahren 1914-1916.<br />

Berlin, Dietz, 1963<br />

Wohlgemuth, Heinz: <strong>Karl</strong> Liebknecht,<br />

Dietz Verlag, Berlin 1975<br />

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