Alder - Swiss Embroidery
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Sofort nach meinem Eintritt in die Lehre lien ich mich in<br />
den "Verein junger Kaufleute" aufnehmen, so hieß damals<br />
der jetzige Kaufmännische Verein, und schon nach Neujahr<br />
gehörte ich dessen Kommission an. Wir neuen Mitglieder<br />
aus der Kantonschule fanden eine Jaßwut unter den Mit<br />
gliedern vor, die uns abstieß, was dann allerdings die fatale<br />
Folge nach sich zog, daß wir alle auch später nie gute JasseI'<br />
wurden, dafür aber waren einige von uns die Stützen der<br />
schauspielerischen Darbietungen bei den Winteranlässen des<br />
Vereins. Das Vereinsloka.1 befand sich zu jener Zeit im<br />
Gebäude des Kaufmännischen Direktoriums, dessen Sym<br />
pathie die Bestrebungen der jungen Kaufleute damals schon<br />
besaßen.<br />
Ein freudiges Ereignis für mich im Geschäfte war, dan ich,<br />
obschon ich der jüngste Lehrling war, dazu auserkoren wurde,<br />
im Frühjahr 1866 meinen Chef an die Leipziger Messe als<br />
Mel3gehilfe zu begleiten. Die Tätigkeit als solcher war aller<br />
dings keineswegs eine erhabene oder gar genußreiche, denn<br />
sie bestand darin, vor der vorsprechenden Kundschaft die<br />
Muster von Kettenstichvorhängen, einem Hauptartikel jener<br />
Zeit, auszubreiten und sie so schleunig als möglich wieder zu<br />
sammenzulegen und zu ordnen. Da kam mir zugute, daß<br />
ich mir im Geschäfte schon auf den vorerwähnten Zuspruch<br />
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meines Vaters hin eine gewisse Flinkheit erworben hatte,<br />
indes war ich an den ersten Tagen abends jeweils todmüde.<br />
Interessant war für mich, die Kunden zu beobachten, in über<br />
wiegender Zahl polnische und rumänische Juden in langem<br />
schwarzem Kaftan, langem Barte, das Gesicht eingerahmt von<br />
Rollocken bis auf die Höhe des Kinns herab. Das Parfüm, das<br />
von ihnen ausströmte, stammte nicht aus Paris. Ich erinnere<br />
mich nicht, daß zu jener Zeit Mefigebäude bestanden hätten,<br />
wenigstens trieben wir unsern Handel in zwei gemieteten<br />
Zimmern,<br />
Das Leben und Treiben in den Straßen war für mich, der ich<br />
zum ersten Male den Fufi aufier Landes gesetzt hatte, über<br />
raschend und hochinteressant. Leider hatte ich nur die kmze<br />
Mittagspause und den Abend für solche Beobachtung frei.<br />
Das Geschäftsl'esultat war befriedigend für die damaligen<br />
nicht hochgeschraubten Ansprüche, und aufier den Kettenstich<br />
stickereien wurden gewobene Plattstichartikel sowie glatte<br />
Stoffe, wie Mousselines, Jaconats, Organdis in allerlei orna<br />
mentierten AusrUstungen verkauft.<br />
In der Folge verlor die Leipziger Messe für St. Gallen mehr<br />
und mehl' an Bedeutung, teils weil man nach und nach selbst<br />
die Ostläncler bereiste, sodann aber auch, weil die verbesser<br />
ten Postverbindungen den direkten Verkehr erleichterten und<br />
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