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Aachener - Senio Magazin

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Au Kulle, alte Zechen Folge 6:<br />

Von „Kohlenhunden“ und „Kohlewiegern“<br />

Im Wurmrevier hatte der Steinkohlenbergbau<br />

spätestens seit dem<br />

13. Jahrhundert eine ähnliche Entwicklung<br />

genommen wie an der Inde.<br />

Auch im Wumtal waren die Kohleflöze<br />

an den Talhängen zu beiden Seiten<br />

der Wurm an der Erdoberfläche<br />

zu sehen. Auch hier fand sich das Gelände<br />

von Gräben und Kuhlen übersät,<br />

aus denen im Mittelalter unzählige<br />

Kleinbetriebe dicht gedrängt die<br />

ersten Kohlen förderten.<br />

Die Köhler an der Wurm hatten die gleichen<br />

Probleme mit dem Wasser zu bewältigen<br />

wie ihre Berufsgenossen am Eschweiler<br />

Kohlberg. Der Bergbau an der Inde war<br />

jedoch trotz der zerstückelung der grubenanteile<br />

eine politische Einheit. an der<br />

Wurm kam zu den übrigen nachteilen noch<br />

die zersplitterung der herrschaftlichen<br />

Besitzverhältnisse hinzu. Vier verschiedene<br />

herrschaften, die sich gegeneinander<br />

durch grenzen, gräben und Schlagbäume<br />

absicherten, hielten je einen Teil der Kohlelagerstätten<br />

in der hand. auf der rechten<br />

Wurmseite lagen die zum „aachener<br />

Reich“ gehörenden gruben bei Würselen<br />

und Morsbach. nördlich dieser grenze<br />

schloss sich das amt Wilhelmstein an, ein<br />

Besitztum des herzogs von Jülich mit dem<br />

Mittelpunkt Bardenberg. Links der Wurm<br />

hatte sich das „Ländchen zur heyden“, eine<br />

Malakov-Turm der Steinkohlegrube Teut bei Würselen um 1880,<br />

Quelle: wikimedia.org<br />

Jülicher Unterherrschaft der Freiherrn von<br />

Bongart mit gruben in Richterich und Kohlscheid<br />

gebildet. an der nordseite grenzte<br />

das zum herzogtum Limburg gehörende<br />

„Land herzogenrath“, in der vor allem<br />

die augustiner-abtei Klosterrath („abtei<br />

Rolduc“) die Entwicklung des Bergbaus<br />

beeinflusste.<br />

In seinen anfängen war der Bergbau an<br />

der Wurm grundeigentümerbergbau: Wer<br />

auf seinem grundstück Kohle fand, baute<br />

diese ab oder verpachtete das Recht<br />

dazu gegen einen entsprechenden Pachtzins,<br />

den „Erbpfennig“, auf den die grundbesitzer,<br />

der Landesherr, eine gemeinde<br />

oder private Eigentümer anspruch erhoben.<br />

Dieser richtete sich nach der Dicke der<br />

Flöze und dem Ertrag der grube und wurde<br />

von vereidigten Kohlewiegern als behördliche<br />

Instanz festgelegt. Misstrauische<br />

grundbesitzer stellten mitunter auf Kosten<br />

der grube einen Mann an, der die zahl der<br />

geförderten „Kohlenhunde“ (holzkästen<br />

auf Rädern, in denen die Kohle abtranportiert<br />

wurde) auf einem Kerbstock kreuzweise<br />

einkerbte - so war man sicher, nicht um<br />

den Pachtzins geprellt zu werden.<br />

In einem Vertrag aus dem Jahr 1590<br />

wird einem Pächter das abbaurecht „so<br />

weit und so tief sich das Werk bis auf das<br />

unterste gefäll mit Bickel und Schippen im<br />

nassen und Trockenen erreichen läßt“ eingeräumt.<br />

Damit haben wir einen hinweis<br />

senioren schreiben 22<br />

auf die wichtigsten Werkzeuge der ersten<br />

Bergleute: „Bickel“ (Keilhau) und „Schipp“<br />

(Schaufel). Das „Regal“, also die Verleihung<br />

der Bergbauerlaubnis durch die Landesobrigkeit<br />

gegen entsprechende abgaben,<br />

haben von den vier herrschaftsbereichen<br />

nur der herzog von Jülich im amt<br />

Wilhelmstein zu Bardenberg und die Stadt<br />

aachen ausgeübt. Für die Einhaltung der<br />

Kohleordnung und sonstigen rechtlichen<br />

Bestimmungen sorgten Vögte, Kohlemeister,<br />

Kohleschreiber und vor allem die geschworenen<br />

Kohlewieger. Die Kohlewieger<br />

waren technisch erfahrene, gewissenhafte<br />

Männer, die meist zu dritt die gruben befuhren<br />

und nach dem Befahrungsergebnis<br />

die höhe der abgaben festlegten. Sie<br />

sprachen bei der anlage von Schächten<br />

und Stollen das letzte Wort und machten<br />

den gewerken Vorschriften über abbauführung,<br />

Wasserhaltung und Bewetterung<br />

(Versorgung mit Frischluft), untersuchten<br />

Unfälle und ordneten Sicherheitsmaßnahmen<br />

an. Schwere Unfälle, Verstöße gegen<br />

die Kohleordnung und Streitigkeiten kamen<br />

vor die Kohlegerichte. Diese waren<br />

hinlänglich beschäftigt, die enge Tuchfühlung<br />

mit den vielen Kleinbetrieben sorgte<br />

für ständigen Prozessstoff. gewerke bauten<br />

verbotenerweise die Kohlen der nachbarzeche<br />

ab, leiteten ihr grubenwasser in<br />

fremde adits (zugänge) oder arbeiteten<br />

ganz ohne Wasserhaltung und gefährdeten<br />

damit die nachbarzechen.<br />

Bis zur Mitte des 19. Jhs. konzentrierte<br />

sich der Steinkohlenbergbau in der Wurmmulde<br />

auf das gebiet der westlich der Linie<br />

herzogenrath-Bardenberg-Würselen verlaufenden<br />

„Feldbiss“-Störung. auf engbegrenztem<br />

Raum entstand eine Vielzahl von<br />

gruben, darunter zahlreiche Kleinbetriebe,<br />

die nur ein oder zwei Leute beschäftigten<br />

und nur eine kurze Lebensdauer hatten. Einige<br />

von Ihnen sind bis zur Mitte des 20. Jhs.<br />

als fördernde anlagen erhalten geblieben.<br />

andere haben ihren namen als Ortsbezeichnung<br />

in unsere zeit gerettet, z.B. die<br />

ath in Würselen-Bardenberg oder „an Sichelscheid“<br />

in herzogenrath-Kohlscheid.<br />

Quelle: Hans Jakob Schaetzke: Vor Ort.<br />

Eschweiler Bergwerks-Verein, Geschichte und<br />

Geschichten eines Bergbauunternehmens<br />

im <strong>Aachener</strong> Revier,<br />

Herzogenrath 1995.<br />

Mathias J. Fleu

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