Subjekt als System
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<strong>Subjekt</strong> <strong>als</strong> Operationsform des psychischen <strong>System</strong>s: Besonderheiten des Bewusstseins<br />
Das <strong>System</strong> kann sich nicht <strong>als</strong> Einheit in das <strong>System</strong> wiedereinführen, da dann<br />
das <strong>System</strong> um die wieder eingeführte Einheit größer wäre. Daher ist das<br />
Bewusstsein in diesem Punkt bereits um eben diese Beobachtung erweitert und<br />
daher ist das Beobachtete nicht mehr mit der Beobachtung identisch. 34<br />
"Die eigene Identität kommt unter irritierenden Umweltbedingungen <strong>als</strong> Reduktion von<br />
eigener Komplexität zustande. Ein Beobachter kann dies nachträglich in eine<br />
Vorher/Nachher- Differenz oder auch in einer Ebenendifferenz bringen und es damit für<br />
Zwecke der Beobachtung entparadoxieren. Wichtiger ist jedoch, sich die Möglichkeit offen<br />
zu halten, zu beobachten, wie dies geschieht und welche Formbildungen die Reduktion<br />
eigener Komplexität ermöglicht." (Luhmann 1995b, 71)<br />
Bei diesem Zitat ist es wichtig sich vor Augen zu führen, dass der Beobachter<br />
immer auch das Bewusstsein selbst sein kann. Das Bewusstsein wechselt <strong>als</strong>o<br />
immer zwischen Paradoxierung im Vollzug von Identität 35 und Entparadoxierung<br />
in der Reflexion derselben hin und her. Es wird auch in diesem Punkt bistabil,<br />
kann aber keinesfalls beides zugleich leisten.<br />
3.4.2 Selbstintendierung und Selbstkonzepte<br />
Die Entparadoxierung der Selbstbeobachtung wird nur über eine Ausblendung<br />
der zugrunde liegenden Paradoxie möglich. Daher behilft sich das <strong>System</strong> in<br />
diesem Fall mit einer Differenzbildung. Die Differenzbildung zum Status quo<br />
ante (der beobachtet wird) und der ins <strong>System</strong> wieder eingeführten Einheit<br />
bezeichnet Luhmann <strong>als</strong> Selbstintendierung. Selbstintendierung bezieht sich<br />
dabei auf die oben benannte Leitdifferenz intendiert/nichtintendiert. Das<br />
Bewusstsein entwirft <strong>als</strong>o die Vorstellung seiner selbst und projiziert diese<br />
anhand der fortwährenden Differenzbildung zum gerade eben Beobachteten.<br />
"Richtet sich die Selbstbeobachtung des <strong>System</strong>s nicht auf andere Gedanken desselben<br />
<strong>System</strong>s, sondern auf die Einheit des sich selbst erzeugenden Gedankenzusammenhangs,<br />
aktualisiert es deshalb zwangsläufig die Paradoxie der Selbstreferenz. (...)<br />
Man kann das Verfahren Selbstintendierung, Selbstsimplifikation, Reduktion von<br />
Komplexität oder wie immer nennen; es bleibt jedenfalls auf eine kontingente, auch anders<br />
mögliche Selektion angewiesen." (Luhmann 1995b, 73)<br />
34 In gewisser Weise gleicht dies der Urform aller Paradoxien, dem Bewegungsparadoxon des Zenon. Immer<br />
wenn das Bewusstsein sich selbst beobachtet, ist es sich selbst bereits wieder enteilt. Das Bewusstsein<br />
selbst kann sich dieses Dilemmas nur in abstrakter Form gewahr werden (so wie wir dies gerade tun), nicht<br />
jedoch im Konkreten. Daher wird das Bewusstsein immer mit der Annahme leben müssen, dass die<br />
Veränderung durch die Selbstbeobachtung hinreichend klein ist, um in der Bewertung des<br />
Beobachtungsergebnisses nicht berücksichtigt werden zu müssen. Damit nimmt das Bewusstsein quasi eine<br />
ganz eigene Form der Differentialrechnung vor, es bildet einen Grenzwert und substituiert damit das<br />
Ergebnis der Beobachtung durch diesen Grenzwert. Dann verschiebt es diesen Grenzwert ein ganz klein<br />
wenig in die Zukunft und voilá, die Identität von Beobachtung und Reflexion scheint hergestellt. Zur<br />
Auflösung der Paradoxie ist es für das Bewusstsein <strong>als</strong>o notwendig, im Hinblick auf Identität Konvergenz zu<br />
vermuten.<br />
35 Besser gesagt: Beim Versuch Identität <strong>als</strong> Vorstellung durch Selbstreflexion zu gewinnen<br />
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