Rezensionen durch Michael Sturm-Berger seit 1991 - Sturm-berger.de
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„Schrift und Münzen“ heißt ein weiterer Abschnitt (206-231), in <strong>de</strong>m <strong>de</strong>utlich wird, dass die<br />
Schriftzeichen <strong>de</strong>r Iberer zwar phönizisch-punisch und griechisch beeinflusst waren, aber zum<br />
Teil nicht nur Buchstaben, son<strong>de</strong>rn auch Silben darstellen konnten. Obwohl über 1750<br />
iberische Inschriften gefun<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>ren Wortlaut großteils lesbar zu sein scheint, ist die<br />
darin festgehaltene Sprache bis auf wenige Wörter heute noch unverständlich. Nach<br />
einhelliger Ansicht ist sie we<strong>de</strong>r indogermanisch noch semitisch, auch nicht verwandt mit<br />
<strong>de</strong>m isoliert wirken<strong>de</strong>n Baskischen! Lei<strong>de</strong>r sind die wenigen mit einiger Wahrscheinlichkeit<br />
erschließbaren Wortbe<strong>de</strong>utungen in diesem Abschnitt und im Katalogteil ebenso verstreut wie<br />
mühsam auffindbar, weswegen ich sie hier aufzähle:<br />
s´alir - 'Silber' (225); -sken - (Plural-Genitiv bei Stammesnamen; 227); ekiar - 'machte'<br />
(268f.); eban/teban - 'Sohn/Tochter' (283); iltir - 'Wolf' (296f.); ili - 'Stadt' (298); „-Yi“ - '-<br />
vater' (360).<br />
Man hofft auf zukünftig auszugraben<strong>de</strong> zweisprachige Texte – Bilinguen, einer<strong>seit</strong>s iberisch,<br />
an<strong>de</strong>rer<strong>seit</strong>s griechisch, lateinisch, phönizisch-punisch, keltisch o<strong>de</strong>r etruskisch - um<br />
Wortbestand und Grammatik dieser verschwun<strong>de</strong>nen Sprache besser zu erfassen. Wir<br />
erfahren hier und in <strong>de</strong>r anschließen<strong>de</strong>n Zusammenfassung „Von Tartessos bis in die<br />
römische Zeit“ (232-245), dass sich iberische Kultur- und Schriftzeugnisse unter römischem<br />
Einfluss zunächst ausbreiteten um dann aber im Römisch-Lateinischen aufzugehen. Als<br />
Hinweise darauf, dass iberisches Bewusstsein die Römer überlebt haben könnte, erscheinen<br />
mir die Münzen <strong>de</strong>r Stadt Barcelona, <strong>de</strong>ren Inschriften zunächst „bar´keno“, in römischer Zeit<br />
„laiesken“ (Genitiv-Plural von „Laietaner“), unter <strong>de</strong>n Westgoten (zwischen 429 und 711)<br />
dann „Barcino“ lauteten (295).<br />
Mein mehrfacher Eindruck ist, dass die Lektüre <strong>de</strong>s anschließen<strong>de</strong>n Kataloges (246-361), in<br />
<strong>de</strong>m 352 Ausstellungsstücke beschrieben und abgebil<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>n Haupttext in<br />
unentbehrlicher Weise ergänzt. Dies trifft auch in hohem Maße auf die Bereiche von Kult und<br />
Religion zu, weil sich im Katalog viele Beobachtungen und Deutungen fin<strong>de</strong>n, die zuvor<br />
manchmal nur angerissen o<strong>de</strong>r gar nicht erwähnt wor<strong>de</strong>n waren. Dies gilt etwa für Auspicien<br />
o<strong>de</strong>r Orakel in Anwesenheit von Vögeln (263f., Nr. 39) - vergleiche auch im Glossar, S. 365:<br />
„Ornithomantia (Vogelschau)“ -, Lokalmythen auf Münzen (293, II A; 300, IV A), die<br />
Vorstellung von einem Totenreich am Grun<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Meeres (317, Nr. 39) und die in Köpfe von<br />
geweihten Figuren eingebohrten Gehörgänge (329, Nr. 236; 345, Nr. 299), was als „Dialog<br />
mit <strong>de</strong>r Gottheit“ ge<strong>de</strong>utet wur<strong>de</strong>. Viele Weihefiguren (Votive) sind im Katalog einzeln<br />
beschrieben wor<strong>de</strong>n, wobei es sich oft um Adorant/inn/en han<strong>de</strong>lt, welche nicht selten nach<br />
oben zu blicken scheinen.<br />
Das nachfolgen<strong>de</strong> Glossar (362-367) erklärt die meisten im Text verwen<strong>de</strong>ten Fachbegriffe.<br />
Hingegen fehlt dort das auf S. 186 verwen<strong>de</strong>te Wort „favissa“, welches allerdings S. 154<br />
erklärt wor<strong>de</strong>n war - ähnlich wie <strong>de</strong>r im Buch oft verwen<strong>de</strong>te Begriff „Askos“ (Plural: Askoi),<br />
<strong>de</strong>n wir nur im Katalog auf S. 269 (Nr. 52) erläutert fin<strong>de</strong>n. Völlig fehlen im Glossar die<br />
Fachwörter „Apoikie“ (58), „Falarica“ (144), „Victoriat“ (229) und „opus signinum“ (242).<br />
Auch besteht eine Neigung zur Benutzung von Fachbegriffen aus Architektur<br />
(Mezzaninkonstruktionen, Plinthe), Biologie (Bossen, Lefzen, Wamme) und natürlich aus <strong>de</strong>r<br />
Archäologie, die sich aber mit Hilfe üblicher Nachschlagewerke klären lassen. Übertrieben<br />
erscheint mir auf S. 173 unten <strong>de</strong>r Ausdruck „sensu lato“. Ein ungewöhnlicher Wortgebrauch<br />
liegt mit „Entfettungsmittel“ (270, Nr. 55) vor - anscheinend ist „Magerung“ von Keramik<br />
gemeint.<br />
Insgesamt aber ist das Buch sehr sorgfältig bearbeitet: ich fand nur zwei Schreib- o<strong>de</strong>r<br />
Druckfehler (195 unten; 282, Nr. 83)! Ab und zu jedoch wi<strong>de</strong>rsprechen sich Texte - wohl<br />
wegen <strong>de</strong>r vielen Verfasser: z. B. wird im Glossar (364) behauptet, man wisse nichts über <strong>de</strong>n<br />
Inhalt <strong>de</strong>r iberischen Kalathos-Zylin<strong>de</strong>rgefäße. An<strong>de</strong>rs zuvor S. 204f., wonach man Honigund<br />
(Trocken-?)Obst-Spuren in solchen Gefäßen gefun<strong>de</strong>n hat (und vermutet, dass darin auch<br />
Nüsse und Fischsauce aufbewahrt wor<strong>de</strong>n sein könnten). Eine so bezeichnete, aber nicht<br />
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