Rezensionen durch Michael Sturm-Berger seit 1991 - Sturm-berger.de
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Schwerpunkt seines Kapitels über die römische Eisenzeit (S. 41-63) ist die Opferung von<br />
Heeres-Ausrüstungen, was uns einmal mehr die Grausamkeit und kriegerische<br />
Grun<strong>de</strong>instellung <strong>de</strong>s „germanischen“ Zeitalters belegt. Doch muss auch auf <strong>de</strong>ssen ergebene<br />
Religiosität hingewiesen wer<strong>de</strong>n, die offensichtlich Kriegsgeschehen und Politik weitgehend<br />
<strong>durch</strong>drang.<br />
Der auf S. 45 verwen<strong>de</strong>te Begriff „Ringbrünnen“ fin<strong>de</strong>t sich lei<strong>de</strong>r nicht in gewöhnlichen<br />
o<strong>de</strong>r archäologischen Lexika und müsste <strong>de</strong>shalb meines Erachtens erläutert wer<strong>de</strong>n.<br />
Auf S. 56f. (Abb. 62-64) ließ Müller-Wille gleich dreimal das Prunkortband von Nydam (II)<br />
abbil<strong>de</strong>n, wobei <strong>de</strong>r Nutzen von Abb. 63 nicht ersichtlich ist. Vermutlich hat <strong>de</strong>n Autor die<br />
Ästhetik <strong>de</strong>s Stückes fasziniert.<br />
S. 60 hätte man die im Text erwähnten Tieropfer <strong>de</strong>s 5. Jahrhun<strong>de</strong>rts v. bis 3. Jh.s n. Chr. aus<br />
Ske<strong>de</strong>mosse/Öland etwa in Abb. 69 kartieren sollen o<strong>de</strong>r aber erklärt, warum dies nicht<br />
möglich sei. Das wäre wichtig gewesen, weil jene Fundgruppe <strong>de</strong>n Beginn <strong>de</strong>s<br />
Opfergeschehens markiert, aber nicht bis zu <strong>de</strong>ssen En<strong>de</strong> im 6. Jh. <strong>durch</strong>läuft. Hingegen<br />
fin<strong>de</strong>n wir S. 62 (Abb. 71) die Kirchen in <strong>de</strong>r Umgebung von Ske<strong>de</strong>mosse kartiert, ohne dass<br />
im Text Bezug auf die geografischen Zusammenhänge genommen wur<strong>de</strong>.<br />
Sehr nützlich erscheint mir die allgemeine Übersicht für Süd-Skandinavien in Abb. 72 auf<br />
S. 63: Demnach vollzog sich im 5.-7. Jh. ein allmählicher Übergang vom feuchten zum<br />
trockenen Opfermilieu und im 10./11. Jh. vom Menschenopfer zum Gottesdienst in Kirchen.<br />
„Bestattungsopfer“ waren anscheinend auf <strong>de</strong>n älteren Teil <strong>de</strong>s 5. Jh.s beschränkt und somit<br />
eine sehr kurzlebige Kategorie. „Kriegsbeuteopfer“ verzeichnete Müller-Wille bis zur zweiten<br />
Hälfte <strong>de</strong>s 6. Jh.s und „Fruchtbarkeitsopfer“ bis um 700. Im folgen<strong>de</strong>n Kapitel aber (S. 78f.)<br />
wies er darauf hin, dass man unter <strong>de</strong>n Fun<strong>de</strong>n vom Tissø (‚Tyr-See‘) auf Seeland Waffen aus<br />
<strong>de</strong>r Zeit bis etwa 1100 als Gewässer- o<strong>de</strong>r Mooropfer barg – „eine Sitte, die auch an an<strong>de</strong>ren<br />
Stellen in Dänemark belegt wer<strong>de</strong>n kann.“ Dies scheint ein Gegensatz zu <strong>de</strong>n vorher<br />
gemachten Aussagen zu sein!<br />
Die nachrömische Eisenzeit Nor<strong>de</strong>uropas (S. 64-73) war anscheinend gekennzeichnet <strong>durch</strong><br />
Opferungen menschengestaltiger Bildchen von wahrscheinlich als göttlich verehrten<br />
Wesenheiten, die man bevorzugt auf Goldbleche prägte. Man brachte diesen offenkundig<br />
auch Gold in an<strong>de</strong>ren Formen dar und benannte Opferstätten nach Odin, Thor, Tyr, Njord,<br />
Frøy, Frøya o<strong>de</strong>r übergreifen<strong>de</strong>n Begriffen wie „Gud“ (Gott), „Hellig“ (Heilig) und „Vi“<br />
(Geweihtes). Solche geografischen Namen sind bis heute vorhan<strong>de</strong>n.<br />
Ein kleiner Formulierungsfehler existiert auf S. 70, 3. Absatz, im ersten Satz, wo es wohl<br />
heißen sollte: „... Halsringe ähnlicher Art wie bei <strong>de</strong>r Statuette ...“.<br />
S. 72 wur<strong>de</strong> im ersten Abschnitt auf Abb. 85 (Mitte) Bezug genommen, wo „die Mythe von<br />
<strong>de</strong>r Opferung Bal<strong>de</strong>rs“ dargestellt sei. Hierzu hätte man gerne mehr erfahren - zumal sich<br />
dabei eine kurze Runeninschrift befin<strong>de</strong>t.<br />
Mit <strong>de</strong>r Wikingerzeit (S. 74-80) trat verstärkt schriftliche Überlieferung auf. Menschen- und<br />
Tieropfer waren noch immer üblich; die „Tempel“ von Gamla Uppsala und Lejre wur<strong>de</strong>n auf<br />
Grund ihrer Verbindung mit <strong>de</strong>n Sitzen mächtiger Herrschergeschlechter beson<strong>de</strong>rs bekannt.<br />
Nach <strong>de</strong>r Christianisierung Süd-Skandinaviens im frühen 11. Jahrhun<strong>de</strong>rt waren in Nordost-<br />
Deutschland noch die vorchristlich-slawischen Stammes-Religionen vorhan<strong>de</strong>n (S. 81-89).<br />
Ihre Heiligtümer, Tempel und Vorstellungen sind uns teilweise aus mittelalterlichen<br />
Chroniken überliefert, an<strong>de</strong>rnteils auch ergraben, letzteres z. B. bei Groß Ra<strong>de</strong>n am<br />
Stern<strong>berger</strong> See in Mecklenburg. Gegen En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s 12. Jahrhun<strong>de</strong>rts hatte die „christliche“<br />
Mission zum Teil gewaltsame „Erfolge“ gegen die slawischen Glaubensformen zu verbuchen.<br />
Es gab aber anscheinend (und dies sei hier ergänzt) - wie zuvor bei <strong>de</strong>n Germanen - im<br />
slawischen A<strong>de</strong>l Persönlichkeiten, welche sich von <strong>de</strong>r größeren geistigen Kraft <strong>de</strong>s<br />
Christentums überzeugen ließen, auch wenn dieses in vielen Aktionen nicht son<strong>de</strong>rlich geistig<br />
aufgetreten sein mochte (Unterschie<strong>de</strong> zwischen Worten und Taten!).<br />
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