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Rezensionen durch Michael Sturm-Berger seit 1991 - Sturm-berger.de

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Willeke Wendrich befasste sich mit <strong>de</strong>m Thema „Neolithische Korbflechterei“ (230-235),<br />

basierend auf fünf verschie<strong>de</strong>nen Herstellungs-Verfahren, <strong>de</strong>nen sie hohen technologischen<br />

Standard zuerkannte: Behälter – auch für Flüssigkeiten(!) – Bo<strong>de</strong>n- und Schlafmatten trugen<br />

wahrscheinlich erheblich zur Lebensqualität neolithischer Menschen bei. Darüber hinaus<br />

kamen Korb- und Flechtwaren für Bestattungen, beson<strong>de</strong>rs von Neugeborenen, zum Einsatz –<br />

ebenso beim Toten- und Opferkult, wie es scheint.<br />

Der sechste Aufsatzteil han<strong>de</strong>lt vom „Leben und Sterben in <strong>de</strong>r Steinzeit“. Basak Boz<br />

schrieb „Aus <strong>de</strong>m Leben im Neolithikum – Einblick in die damalige Lebensweise nach<br />

Befun<strong>de</strong>n von Skelettüberresten“ (238-245), wobei es hauptsächlich um <strong>de</strong>n archäologisch<br />

fassbaren Gesundheitszustand damaliger Menschen geht: Die Auswirkungen zunehmend<br />

stärkehaltiger Nahrung und <strong>de</strong>s Kochens auf die Zahngesundheit, wobei nach <strong>de</strong>n Befun<strong>de</strong>n<br />

Frauen und Männer dieselbe Nahrung zu sich nahmen. Häufige Überbeanspruchungen von<br />

Gelenken und Wirbeln <strong>durch</strong> schwere Lasten, vorwiegend bei Frauen(!); häufige knien<strong>de</strong><br />

Tätigkeiten bei bei<strong>de</strong>n Geschlechtern führten zu Bein- und Fußverformungen; Mangel und<br />

Stress bewirkten oftmals Kleinwuchs; negativer Einfluss von Wasser im Ohrbereich; <strong>durch</strong><br />

Stürze verursachte Schä<strong>de</strong>l-Verletzungen; poröse Knochen <strong>durch</strong> Eisenmangel;<br />

Geburtsumstän<strong>de</strong> mit To<strong>de</strong>sfolge für die wer<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Mütter vor <strong>de</strong>m 30. Lebensjahr waren<br />

normal; Lungenkrankheiten <strong>durch</strong> starken Rauch in (fast) geschlossenen Räumen (Ruß an<br />

Rippen-Innen<strong>seit</strong>en!) sind beson<strong>de</strong>rs bei älteren Menschen <strong>de</strong>r Steinzeit belegt – insgesamt<br />

ein, körperlich gesehen, sehr beschwerliches Leben!<br />

Clemens Lichter verfasste „Geschnitten o<strong>de</strong>r am Stück – Totenritual und Leichenbehandlung<br />

im jungsteinzeitlichen Anatolien“ (246-257). Die Lebenserwartung im Neolithikum betrug ein<br />

wenig mehr als 30 Jahre; <strong>de</strong>r Tod – oft auch <strong>durch</strong> heute harmlos erscheinen<strong>de</strong> Ursachen –<br />

war alltäglich. Landbesitz, <strong>de</strong>r an die Abstammung gebun<strong>de</strong>n war, führte wahrscheinlich zu<br />

neuen Einstellungen gegenüber <strong>de</strong>n Ahnen. Eines <strong>de</strong>r ältesten (vorneolithischen!) Gräber (ca.<br />

60.000 v. Chr.) in Israel zeigte wohl schon die bewusste nachträgliche Entnahme <strong>de</strong>s bereits<br />

entfleischten Schä<strong>de</strong>ls. Diese Sitte wur<strong>de</strong> im Frühneolithikum üblich und auf (noch nicht<br />

entfleischte) Köpfe von Verstorbenen ausgeweitet. In einem Gebäu<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Fundortes Cayönü<br />

(südlicher Osttaurus), in <strong>de</strong>m auch Opferhandlungen stattfan<strong>de</strong>n, sammelte man Schä<strong>de</strong>l und<br />

Langknochen (PPN B). In diese Zeit fiel auch das Aufkommen von mit Ton o<strong>de</strong>r Gips<br />

übermo<strong>de</strong>llierten Schä<strong>de</strong>ln, die wohl von Verwandten <strong>de</strong>r Toten „son<strong>de</strong>rbehan<strong>de</strong>lt“ wur<strong>de</strong>n,<br />

wobei Geschlecht und Alter <strong>de</strong>r Verstorbenen keine Rolle spielten. Bestattungen fan<strong>de</strong>n<br />

vielfach unter Häusern und in Siedlungen – allerdings in hygienisch ausreichen<strong>de</strong>r Bo<strong>de</strong>ntiefe<br />

– statt. Jedoch entspricht die Zahl dieser Gräber nicht <strong>de</strong>r zu erwarten<strong>de</strong>n Anzahl <strong>de</strong>r Toten,<br />

was be<strong>de</strong>utet, dass ein Teil <strong>de</strong>rselben bis heute nicht auffindbar gewesen ist! Kleinkin<strong>de</strong>r<br />

wur<strong>de</strong>n meist im Herd- und Eingangsbereich bestattet. Die insgesamt geringe Zahl<br />

aufgefun<strong>de</strong>ner Begrabener könnte <strong>durch</strong> „Luftbestattungen“ erklärt wer<strong>de</strong>n, in<strong>de</strong>m Geier und<br />

an<strong>de</strong>re Tiere die Aufgabe <strong>de</strong>r Leichenbe<strong>seit</strong>igung übernommen hätten. Jedoch erinnern aus<br />

dieser Zeit vorhan<strong>de</strong>ne bildliche Darstellungen eher an mythische als an reale Wesen. „Geier“<br />

und „Kraniche“ erscheinen in Tier-Mensch-Mischgestalt bei Totenritualen und sollten wohl<br />

<strong>de</strong>n Übergang <strong>de</strong>r/<strong>de</strong>s Toten in „eine an<strong>de</strong>re Welt“ för<strong>de</strong>rn (256f.).<br />

Ich möchte hier an die viel späteren Vogelmenschen-Darstellungen etwa <strong>de</strong>s Grabhügels von<br />

Kivik/Schwe<strong>de</strong>n erinnern, wo diese offenkundig ebenfalls die Bestattung begleiteten – seien<br />

sie nun Ahnen, mythische Wesen (vgl. etwa Walküren) o<strong>de</strong>r eine wirkliche und verklei<strong>de</strong>te<br />

Trauergemein<strong>de</strong>, eventuell auch all dieses in Einem, gewesen. Am Göbekli Tepe wur<strong>de</strong>n auch<br />

zahlreiche Knochen von Rabenvögeln ausgegraben, von Tieren also, die sich ähnlich Geiern<br />

als Aasfresser betätigen. Zusammenfassend zeigte sich weiterhin, dass man die Vielfalt <strong>de</strong>r<br />

Bestattungsbräuche <strong>de</strong>s vorkeramischen Neolithikums im Keramikum reduziert hatte, so dass<br />

man von „standardisierter Nie<strong>de</strong>rlegung“ <strong>de</strong>r Toten sprechen kann.<br />

Der siebte und letzte Aufsatzteil (Der Göbekli Tepe heute) besteht aus Irene Schön<strong>berger</strong>s<br />

Text „Der Wunschbaum von Göbekli Tepe und das Wallfahrtswesen in <strong>de</strong>r Türkei“ (260-<br />

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