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LUFTWAFFEN - Netteverlag

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unternommen werden müssen, um die<br />

Kampfmittelbeseitigung voranzutreiben.<br />

Brunnen mit Vermessungszeichen<br />

In diesem Bereich gibt es bereits seit Jahren<br />

mehrere Programme. Zivile Nichtregierungsorganisationen<br />

arbeiten seit<br />

mehr als 20 Jahren an der Räumung<br />

von Kampfmittel- und Minenfeldern. Die<br />

afghanischen Sicherheitskräfte, die sich<br />

grob in die Polizei und die Armee aufgliedern,<br />

haben für die Kampfmittelbeseitigung<br />

eine gemeinsame Ausbildungsstätte<br />

an der afghanischen Pionierschule in<br />

Mazar eingerichtet. Dort wird im Auftrag<br />

der afghanischen Regierung von der zivilen<br />

Firma Ronco sowohl die Beseitigung<br />

von militärischen Kampfmitteln (Explosive<br />

Ordnance Disposal - EOD) als auch<br />

terroristischen Kampfmitteln (Improvised<br />

Explosive Device Disposal - IEDD) unterrichtet.<br />

Der fünfstufige Ausbildungsgang<br />

ist hart, daher ist die Durchfallquote<br />

trotz eines Eignungstestes entsprechend<br />

hoch. In diesem Eignungstest wird unter<br />

anderem eine Schreib- und Lesefähigkeit<br />

abgefragt, da ein Großteil der jungen<br />

Soldaten und Polizisten nur eine rudimentäre<br />

Schulausbildung genossen hat.<br />

Insgesamt zwei Jahre dauert die komplette<br />

Ausbildung vom einfachen Soldaten<br />

bis zum Kampfmittelbeseitiger mit einer<br />

IEDD-Lizenz. Dies ist lang, für einen<br />

Abzug von ISAF bis Ende 2014 sogar zu<br />

lang, um die Afghanen hier in die Eigenständigkeit<br />

zu entlassen, obwohl eine Entlastung<br />

der ISAF-Kampfmittelbeseitiger<br />

schon zu spüren ist. Aber es fehlt nach<br />

der Ausbildung der Afghanen schlicht<br />

die nötige Erfahrung in der praktischen<br />

Arbeit. Hinzu kommen fehlendes Material,<br />

mangelhafte Bezahlung und das<br />

schlechte Image bei der Bevölkerung als<br />

Hauptprobleme. Dazu kommt ein mangelhaftes<br />

Personalmanagement und eine<br />

kaum nachvollziehbare unterschiedliche<br />

REPORTAGE<br />

Schreibweise der Namen eines Soldaten.<br />

Neben der Schreibweise in Paschtu oder<br />

Dari gibt es eine phonetische Umschreibung<br />

in lateinischen Buchstaben sowie<br />

unterschiedliche Personenkennziffern.<br />

Die Verifizierung des Ausbildungsstandes<br />

eines afghanischen Kampfmittelbeseitigers<br />

kann so schon mal eine Stunde Sucharbeit<br />

in verschiedenen Listen bedeuten,<br />

da es auch von dem Lehrgangszeugnis<br />

nur eine Ausfertigung gibt, die der Soldat<br />

oder Polizist bei sich trägt. Hinzu kommt,<br />

dass ein Soldat oder Polizist, der lesen<br />

und schreiben kann, in der jeweiligen<br />

Einheit als Spezialist gehandelt wird und<br />

so schnell durch den Kommandeur auf<br />

einen anderen, vermeintlich wichtigeren<br />

Posten versetzt wird. Um hier zumindest<br />

einen moralischen Rückhalt zu bieten,<br />

wird auch durch deutsche Soldaten eine<br />

partnerschaftliche Unterstützung geleistet.<br />

Wie auch in anderen Bereichen, zum<br />

Beispiel bei der Schiessausbildung, unterstützt<br />

auch die Bundeswehr mit sogenannten<br />

Operational Mentor and Liaison<br />

Teams, doch bei der Arbeit an einem<br />

Blindgänger oder an einer Autobombe<br />

ist dies aus Sicherheitsgründen nicht so<br />

leicht möglich. Die Gefährdungslage vor<br />

Ort läßt auch die deutsche Beteiligung<br />

mit Kampfmittelbeseitigern bei einem<br />

afghanischen Räumeinsatz eines IEDs<br />

vor Ort nicht zu. Sehr schnell würde ein<br />

deutscher Kampfmittelbeseitiger durch<br />

Aufständische bei einer solchen Operation<br />

erkannt und ausgeschaltet werden,<br />

sei es durch ein weiteres IED oder auch<br />

durch einen gezielten Schuss aus einem<br />

Scharfschützengewehr. Denn die Masse<br />

der IEDs wird in bebautem Gelände<br />

aufgefunden, wo ein Schutz des Kampfmittelbeseitigers<br />

bei der Entschärfungsarbeit<br />

in der Regel schwierig ist. Natürlich<br />

lassen die Sicherheitsbestimmungen<br />

beim Beseitigen eines IEDs (Render Safe<br />

Procedure) auch nur das Arbeiten einer<br />

Person am Objekt zu. So beschränkt man<br />

sich von deutscher Seite auf das Durcharbeiten<br />

von Übungslagen, die man auch<br />

in einer Kaserne entsprechend aufbereiten<br />

kann. Und dies ist schwierig genug,<br />

alleine schon aufgrund der Sprachbarrieren.<br />

Zumeist hat man einen englischsprachigen<br />

Dolmetscher dabei, der alles<br />

in Paschtu oder Dari, eine der beiden<br />

afghanischen Landessprachen, übersetzen<br />

muss. Das verzögert die Ausbildung<br />

beträchtlich. Ein weiterer Kunstgriff muss<br />

bei Grundlagendokumenten angewandt<br />

werden, da die Masse der Vorschriften auf<br />

dem Gebiet der Kampfmittelbeseitigung<br />

sicherheitsmäßig eingestuft ist und somit<br />

nicht weitergegeben werden darf. Zum<br />

Glück hat die UN in den vergangenen<br />

Jahren dieses Problem erkannt und eigene<br />

Vorschriften im Internet bereitgestellt.<br />

So kann mit Hilfe der „UN-Vorschriften“<br />

auf dem Gebiet der Kampfmittelbeseitigung<br />

und munitionstechnischen Vorschriften<br />

diese Klippe umschifft werden.<br />

Die wichtigsten Vorschriften sind hier die<br />

„International Ammunition Technical<br />

Guidelines“ und die „International Mine<br />

Action Standards“, in denen der Inhalt<br />

einer Vielzahl auch deutscher Vorschriften<br />

enthalten sind, nur eben ohne Einstufungsvermerk.<br />

Dieses Begleiten der<br />

Afghanen hilft, einen Teil des Frustes abzubauen,<br />

der sich in den afghanischen<br />

Sicherheitskräften aufgebaut hat. Wer<br />

gut ist, wechselt zu den zivilen Kräften<br />

der nichtstaatlichen Organisationen, die<br />

besser zahlen, besser ausgerüstet sind<br />

und vor allem nur noch in den Gebieten<br />

arbeiten, in denen die Sicherheitslage für<br />

sie erträglich ist. Fazit, auch hier ist eine<br />

Verbesserung der Sicherheitslage nur<br />

langsam möglich und auch nach 2014<br />

werden deutsche Kräfte hier unentbehrlich<br />

sein.<br />

Nach zehn Jahren ISAF zeigt sich ein eher<br />

trübes Bild. Mit Blick auf Deutschland<br />

und die Situation nach 1945 sollte aber<br />

auch klar sein, dass Fortschritte in der<br />

Kampfmittelräumung sehr langsam von<br />

statten gehen und auch in Deutschland<br />

heute noch Minenfelder und Kampfgebiete<br />

vorhanden sind, deren Räumung<br />

sich noch nicht einmal in der Planungsphase<br />

befindet. Somit helfen auch hier<br />

nur Geduld und sehr viel Geldmittel...<br />

Bericht und Fotos Thomas Enke<br />

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