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LUFTWAFFEN - Netteverlag

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„Liebe Schwester nebst Schwager!<br />

Damit Ihr nicht ganz ohne Nachricht bleibt,<br />

will ich wieder mal ein Lebenszeichen geben.<br />

…<br />

So manche Nacht hing ich mit meiner guten<br />

Heinkel 111 im stärksten Scheinwerferlicht<br />

unter Flakfeuer. Aber meine Bomben haben<br />

ihr Ziel noch nie verfehlt. Mancher russische<br />

Bahnhof ist schon in die Luft geflogen. …<br />

Letztens morgens um 6 Uhr, nachdem ich<br />

eine große Kaserne vor Leningrad in die Luft<br />

gejagd hatte, griffen mich 3 feindliche Jäger<br />

an. Mir wars nicht gut zumute. Ein Jäger<br />

jagte mir von hinten einen Kanonenschuß<br />

durch mein linkes Kabinenfenster 10 cm an<br />

meinem Kopf vorbei. Er wurde anschließend<br />

von einem unserer Jäger abgeschossen: das<br />

war ein toller Luftkampf. …<br />

Aber das ist so spannend, wenn einem die<br />

bunten Sachen so entgegenfliegen und dann<br />

krepieren, daß man selbst vom Sitz fliegt.<br />

Diese Nacht jagde ich in Leningrad einen<br />

Gasomaten in die Luft, die Detonation war<br />

unbeschreiblich! …<br />

Heute Nacht geht es gleich 2 x nach Leningrad,<br />

dann wird die Stadt bald fertig sein.<br />

Wir greifen nur militärisch wichtige Ziele an.<br />

Nicht wie der Tommy, der seine Bomben in<br />

die Häuser wirft und dann schleunigst wieder<br />

absaust. Ich selbst mache es sogar so,<br />

daß ich nach dem Bombenwurf noch eine<br />

Leuchtbombe werfe, um zu sehen ob meine<br />

Bomben richtig gesessen haben. Wenn Leningrad<br />

gefallen ist, geht es auf Moskau. …<br />

Denn als wir Moskau die ersten male angriffen<br />

flogen wir mit 40 Zentner Bomben<br />

von Königsberg dort hin. Abends 19 Uhr<br />

war Start und morgens 5 Uhr sind wir wieder<br />

gelandet. Das waren immer 10 Stunden.<br />

Ihr könnt Euch vielleicht nicht vorstellen was<br />

ein 10 stündiger Feindflug bedeutet! Da war<br />

man restlos fertig! So ging das jede Nacht.<br />

…<br />

Rußland ist eine elende Wüste. Das kann<br />

sich kein Mensch vorstellen. Und dazu dieses<br />

verkommene rohe Volk und der Dreck. Ich<br />

möchte nicht wissen, was aus Euch und aus<br />

Deutschland geworden wäre, wenn die Bolschewisten<br />

ins Reich gekommen wären, wie<br />

es geplant war. Aber es ist gottseidank umgekehrt<br />

gekommen. Wenn der Russe etwas<br />

menschlicher, nicht so grenzenlos verhetzt<br />

wär, wäre der Krieg schon aus. Das sind ja<br />

gar keine Menschen, sie sind völlig vertiert.<br />

Aber es kann sich jeder drauf verlassen, wir<br />

geben es ihnen, wo er auch ist. …<br />

Als wir letztens gegen Morgen bei der Heimfahrt<br />

beschossen wurden, ließ ich anhalten<br />

u. dann haben wir 5 solche Strolche über<br />

den Haufen gerannt. Ich habe 3 davon mit<br />

der Maschinenpistole umgelegt, als sie uns<br />

bei der Gefangennahme Handgranaten vor<br />

die Füße werfen wollten. Aber das ist nichts<br />

neues mehr. Es ist eben Krieg. Und der wird<br />

hier bald aus sein. Dafür werden wir Flieger<br />

schon sorgen.<br />

Nun will ich schließen. Gleich ist Einsatzbesprechung<br />

und dann geht es auf Leningrad.<br />

Herzliche Grüße Euer Georg“<br />

Ein Dokument des Krieges, der Gewalt<br />

und der Ideologie. Feldpostbriefe sind<br />

aussagekräftige Zeitzeugen, die es gilt,<br />

quellenkritisch zu interpretieren.<br />

In der heute zu eröffnenden Ausstellung<br />

gibt es auch eine computergestützte Lesestation,<br />

die in Zusammenarbeit von<br />

Museum für Kommunikation Berlin und<br />

dem Militärhistorischen Museum der<br />

REPORTAGE<br />

Bundeswehr entstanden ist. Die Auswahl<br />

der präsentierten Briefe erfolgte auf der<br />

Grundlage vieler zu den Texten gesammelter<br />

wertvoller Kontextinformationen,<br />

die die Quelle Feldpost reichlich sprudeln<br />

lassen.<br />

Eine Ausstellung, die sich in dieser Breite<br />

und Tiefe der Institution Feldpost widmet<br />

und auch die kommunizierten Feldpostinhalte<br />

in den Blick nimmt, hat es bisher<br />

noch nicht gegeben. Ein besonderes Verdienst<br />

ist auch die Tatsache, dass die umfassende<br />

Schau des Militärhistorischen<br />

Museums der Bundeswehr Flugplatz<br />

Berlin-Gatow den gravierenden Unterschied<br />

zwischen historischer und aktueller<br />

deutscher Feldpost herausarbeitet.<br />

Die heutige Feldpost, geschrieben vom<br />

Bürger in Uniform im demokratisch legitimierten<br />

Kriegseinsatz, unterliegt keiner<br />

Zensur und soll auch keine Waffe sein.<br />

Sie ist – auch in der erweiterten Form von<br />

Email, SMS, Postkarte und Brief – ein zu<br />

schützendes Gut der Individualkommunikation<br />

oder wie es Horst Schuh in der<br />

Luftwaffen Revue Heft 4/2011 genannt<br />

hat: „ein intimes Lebenszeichen in der<br />

Fernbeziehung zwischen Soldaten und<br />

Familienangehörigen“.<br />

Ich wünsche der Ausstellung ein breites,<br />

interessiertes Publikum und schließe mit<br />

dem Leitspruch der Kolleginnen und Kollegen<br />

vom Heeresgeschichtlichen Museum<br />

Wien: Kriege gehören ins Museum!<br />

Vortrag zur Eröffnung der Ausstellung „Es<br />

geht mir gut.“ Deutsche Feldpost von 1870<br />

bis 2010 im Luftwaffenmuseum der Bundeswehr<br />

in Berlin-Gatow von Dr. Veit Didczuneit,<br />

Museum für Kommunikation Berlin<br />

Horst Obbelode und Horst Schuh vom Vorstand<br />

des „Deutscher Luftwaffenring e.V.“ bewundern<br />

die gelungene Ausstellung, an der unser Verband<br />

massgeblich mitgearbeitet hat.<br />

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