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Priesterrundbrief_Nr. 18.pdf - Aktion alte Messe

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Religion geführt werde, sei nichts anderes als die vollkommene Entwicklung<br />

der im Geist wurzelnden Kräfte. Das Christentum führe uns<br />

also nur zu einer solchen Erkenntnis und Sittlichkeit, wie sie im natürlichen<br />

Geist schon angelegt sei. Der Mensch brauche zwar die übernatürlichen<br />

Mittel, um in diesen Zustand zu gelangen, aber dies nur wegen<br />

seines gefallenen Zustands! Im Urzustand habe der Mensch die<br />

Vollkommenheit ohne außerordentlichen Beistand Gottes, also ohne<br />

Offenbarung und Gnade erreichen können. Die Vollkommenheit des<br />

Christentums sei einfach die Vollkommenheit der vollentwickelten<br />

Natur. Selbst für Staudenmaier († 1856), der an sich zur Epoche des<br />

allmählichen Wiederaufstiegs nach dem Verfall gehört, besteht die<br />

Vergöttlichung des Menschen nur in der vollen Entwicklung der natürlichen<br />

Kräfte. 9<br />

In den gegenteiligen Irrtum verfiel der Jansenismus, der die Schädigung<br />

der menschlichen Natur durch die Erbsünde derart übertrieb,<br />

daß er sie praktisch zu nichts Gutem mehr fähig erklärte. Nach Kleutgen<br />

nannten die Jansenisten die Gaben der ursprünglichen Gerechtigkeit<br />

– also die Gaben des Urzustandes – zwar übernatürlich, weil sie<br />

nicht in der Natur enth<strong>alte</strong>n seien, aber sie behaupteten, der Mensch<br />

könne ohne sie nur unglückselig sein. Aber dann wären sie nicht mehr<br />

übernatürlich! Wenn der Mensch sie bräuchte, um glücklich zu sein,<br />

wenn er ohne die Gaben der Übernatur nur unglücklich sein könnte,<br />

dann wären sie der Natur geschuldet und nicht im eigentlichen Sinn<br />

übernatürlich.<br />

Auch der Traditionalismus (Bautain, Bonnetty u. a.), der damals<br />

vor allem in Frankreich verbreitet war, unterschied nicht richtig zwischen<br />

Natur und Übernatur, der natürlichen und übernatürlichen<br />

Ordnung, indem er alle wissenschaftliche Erkenntnis – vor allem im<br />

Bereich der Philosophie und Religion – von der Offenbarung abhängig<br />

machte. Er behauptete, die Offenbarung – und zwar wenigstens die<br />

Uroffenbarung – sei nötig, damit der Mensch überhaupt Wissenschaft<br />

betreiben könne. Das war eine zwar fromme, aber doch falsche Vermischung<br />

der Ordnungen.<br />

Nur in Italien und vielleicht noch in Spanien war zu dieser Zeit<br />

die Scholastik nicht völlig vergessen; vor allem nicht in Rom, wo die<br />

Dominikaner immer noch die Summa erklärten. Ansonsten war nicht<br />

mehr viel vom Wissen der Scholastik übriggeblieben.<br />

9<br />

Vgl. Scheeben, Natur und Gnade, München 1922, S. 63<br />

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