Berliner Zustände - Mbr
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<strong>Berliner</strong><br />
Spielwiesen<br />
Polizeiliche<br />
Geheimhaltung kommt<br />
Nazi-Taktik entgegen<br />
Bereits im Januar 2011 stimmte sich die neonazistische<br />
NPD auf den Wahlkampf in der »Reichshauptstadt«<br />
ein. Der damals amtierende Landesvorsitzende<br />
Uwe Meenen äußerte sich auf der bundesweiten<br />
Fusionsfeier von DVU und NPD in Lichtenberg zuversichtlich,<br />
die NPD werde sich nicht verstecken. Bis<br />
zum Wahltag am 18. September 2011 folgten nahezu<br />
in monatlichem Rhythmus zumeist provokant<br />
spontanen Aufmarsch (siehe unten) führte der »Nationale<br />
Widerstand Berlin« nach eigenen Angaben<br />
mindestens zwölf Aktionen durch, darunter Kleinstkundgebungen,<br />
die nur wenige Minuten dauerten,<br />
sowie Infostände und Flugblatt-Verteilaktionen in<br />
Neukölln, Köpenick, Schöneweide, Tempelhof und<br />
Friedrichshain.<br />
Einen vorläufigen Höhepunkt der rassistischen<br />
Was folgte war eine scharfe öffentliche Kontroverse<br />
um das polizeiliche Vorgehen. Aus Kreisen der Polizei<br />
und der Politik wurde der Einsatz vor Ort einhellig<br />
und selbstkritisch als »nicht so gelungen« (Polizeipräsident<br />
Glietsch), »nicht optimal« (Innensenator<br />
Körting) oder »kein Ruhmesblatt« (Robbin Juhnke,<br />
CDU-Vertreter im Innenausschuss) bezeichnet. Die<br />
Presse zitierte anonym bleibende »Polizeikreise«, die<br />
inszenierte Aufmärsche und Kundgebungen unter<br />
Kampagne der <strong>Berliner</strong> Naziszene bildete ein kons-<br />
den »Kräfteansatz« als zu gering kritisierten und sich<br />
dem Wahlmotto »Sicherheit durch Recht und Ord-<br />
pirativ beworbener Aufmarsch am 14. Mai in Kreuz-<br />
offensichtlich erstaunt zeigten über den Gewaltaus-<br />
nung«. Die öffentlichen Aktionen richteten sich<br />
berg. Der »Nationale Widerstand Berlin« hatte nur<br />
bruch während des Aufmarsches: Dieser »muss zu<br />
konkret gegen »kriminelle Ausländer«, deren Aus-<br />
über interne Kommunikationswege zu der Demon-<br />
neuem Nachdenken führen«, die Zeiten, »in denen<br />
weisung gefordert wurde, oder gegen »Linkskrimi-<br />
stration mobilisiert. Auf den einschlägigen Inter-<br />
die Polizei Rechtsextremisten als eklig, aber friedlich<br />
nelle« und griffen damit zwei prominente Themen<br />
netseiten, dem sonst wichtigsten Mobilisierungs-<br />
ansieht, sind vorbei«. In Richtung des Anmelders<br />
des allgemeinen sicherheitspolitischen Diskurses<br />
instrument, waren im Vorfeld keine Hinweise auf<br />
Sebastian Schmidtke drohte der Polizeipräsident,<br />
Von Ulli Jentsch (apabiz)<br />
der letzten Jahre auf.<br />
eine Demonstration zu lesen. Solch ein konspiratives<br />
Vorgehen ist in den vergangenen Jahren zu ei-<br />
dessen Verhalten und das »seines Anhangs« werde<br />
man künftig »im Hinblick auf Verbotsgründe« bei<br />
Neonazistische »Ausländer Raus!«-Kampagne<br />
nem festen Bestandteil des Aktionsrepertoires der<br />
von ihm angemeldeten Aufzügen berücksichtigen.<br />
Die <strong>Berliner</strong> Naziszene rund um die<br />
NPD und die parteifreien »Autono-<br />
Die NPD genoss während des Wahlkampfes die personelle<br />
und ideologische Unterstützung der parteifreien<br />
Neonazis um den »Nationalen Widerstand<br />
extremen Rechten geworden. Das Kalkül dahinter<br />
ist, dem Druck von Gegenprotesten und von Blockaden<br />
auszuweichen.<br />
Schmidtke, von dem des öfteren cholerische Reaktionen<br />
berichtet wurden, hatte während des Aufzuges<br />
ebenfalls versucht, auf Gegendemonstrant_innen<br />
men Nationalisten« ist seit Jahren<br />
nicht besonders erfolgreich und<br />
Berlin« (NW Berlin). Diese begannen im Februar 2011<br />
mit einer parallel zum NPD-Wahlkampf geführten<br />
Kampagne unter dem Titel »Ausländer Raus!«. Als<br />
Verfehlte Polizeitaktik<br />
Die Polizei war über die am U-Bahnhof Mehring-<br />
loszugehen und musste mühsam von »Kameraden«<br />
zurückgehalten werden.<br />
nur mäßig attraktiv, auch im Wahljahr<br />
2011. Ideologisch und perso-<br />
Auslöser galt ein Übergriff Anfang Februar. Damals<br />
wurden zwei Männer im U-Bahnhof Lichtenberg von<br />
mehreren Jugendlichen überfallen und einer von ih-<br />
damm angemeldete Demonstration schon vorher<br />
informiert, hatte aber anders als in früheren Jahren<br />
entschieden, sich der Geheimhaltungstaktik der<br />
Jenseits der Selbstkritik<br />
»Im Rahmen der Einsatzvorbereitung«, so Glietsch<br />
vor dem Innenausschuss, seien ein Verbot sowie<br />
nell sind die Fraktionen noch enger<br />
zusammen gerückt. Lediglich<br />
das widersprüchliche Verhalten<br />
der Polizei bescherte den öffentlichen<br />
Auftritten der Neonazis in<br />
der Wahlkampfphase eine breitere<br />
Debatte. Wäre die Szene in der<br />
nen schwer verletzt. Von Seiten der Neonazis wird<br />
der Vorfall als ein Überfall einer »Ausländerbande«<br />
auf einen »jungen Deutschen« dargestellt. Am 18.<br />
Februar veranstaltete die NPD eine Mahnwache unter<br />
dem Motto »Kriminelle Ausländer raus!«, an der<br />
200 Nazis teilnahmen.<br />
Zwei Wochen später wurde auf der Homepage des<br />
NW Berlin ein Text zur Kampagne veröffentlicht.<br />
Darin wird von einem »Ausländerproblem« gesprochen,<br />
das wie ein »Krebsgeschwür in den deutschen<br />
Volkskörper« eindringe und versuche, »ihn von in-<br />
Neonazis anzuschließen. So sollten Proteste verhindert<br />
oder zumindest erschwert werden. Die Bevölkerung<br />
Kreuzbergs und auch das Bezirksamt wurden<br />
von der Polizei nicht informiert oder gewarnt, dass<br />
gewaltbereite Rechte durch ihren Bezirk laufen wollen.<br />
Treffpunkt und Route wurden auch am Tag des<br />
Aufmarsches verschwiegen. Trotz der Geheimhaltungstaktik<br />
kamen am U-Bahnhof Mehringdamm<br />
rund 500 Gegendemonstrant_innen zusammen, und<br />
ein reibungsloser Ablauf der Nazidemo war unmöglich<br />
geworden. Es kam zu Blockaden und die Nazis<br />
Auflagen geprüft worden. »Als Ergebnis der Prüfung<br />
im Vorfeld seien auch in diesem Fall keine Tatsachen<br />
festzustellen gewesen, die eine derartige Gefahr<br />
begründet hätten.« Es scheint, dass bei der <strong>Berliner</strong><br />
Polizei noch im Mai 2011 eine verharmlosende<br />
Einschätzung der <strong>Berliner</strong> Naziszene vorherrschte.<br />
Wurde der Anmelder, der sich als Nationalsozialist<br />
inszeniert, und die erwarteten Teilnehmenden<br />
sowie Motto und Inhalt des Aufzuges tatsächlich<br />
ausreichend gewürdigt? Das Motto lautete unter anderem<br />
»Wahrheit macht frei«, eine zynische Anspie-<br />
Hauptstadt noch erfolgloser ohne<br />
die Spielwiesen, die ihr von dieser<br />
nen zu zersetzen«. In den 60 Jahren der Demokratie<br />
würde nun der »Volkstod der Deutschen« vollführt.<br />
Passend zu der inhaltlichen Ausrichtung an der Blut-<br />
wurden unter chaotischen Bedingungen quasi unter<br />
den Protestierenden hinweg durch den U-Bahnhof<br />
geleitet. Sie traten vor den Augen von Polizei und<br />
lung auf die Lagertore der KZ's Auschwitz und Dachau,<br />
auf denen die Inhaftierten »Arbeit macht frei«<br />
lesen mussten.<br />
Seite gelegentlich bereit gestellt<br />
werden?<br />
und Boden-Ideologie des historischen Nationalsozialismus<br />
wird der Text mit einem Zitat Adolf Hitlers<br />
beendet. Neben einer Kundgebung und einem<br />
Presse auf Blockierende ein. Auf dem U-Bahnhof und<br />
in der U-Bahn wurden Unbeteiligte angegriffen und<br />
bedroht; der Polizei schien die Lage zu entgleiten.<br />
Der zweite Teil des Mottos hieß »Für die Erfassung<br />
der Nationalität bei Straftätern«, im Einklang mit<br />
der oben beschriebenen Kampagne. Die Ausrichtung<br />
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