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Berliner Zustände - Mbr

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Diskrimi nie rungs -<br />

freie<br />

Szenen für alle?<br />

Ein Einblick in die<br />

<strong>Berliner</strong> LSBT*IQ-<br />

Communities<br />

Trotz nach wie vor vorhandener rechtlicher, steuerlicher<br />

und anderer staatlicher Diskriminierungen<br />

lässt sich auf institutioneller und gesellschaftlicher<br />

Ebene von Erfolgen der Emanzipationsbewegungen<br />

– vor allem für Lesben und Schwule – sprechen.<br />

Demgegenüber stehen nach wie vor Gewalt und<br />

Diskriminierungen, die Lesben, Schwule und<br />

Trans*Menschen in Deutschland alltäglich erfahren,<br />

nicht nur physisch, sondern auch psychisch - über<br />

Sprache, Ausgrenzungen, Zuschreibungen, in der<br />

Zugänge oder Ausschlüsse durch Sprache re-/produzieren<br />

intersektionale Diskriminierung – also das Ineinandergreifen<br />

und Sichverstärken oder -bedingen<br />

verschiedener Diskriminierungsf ormen.<br />

Lokale Besonderheiten in den Kiezen<br />

Um diese Ausblendungen und Ausgrenzungen sichtbar<br />

zu machen und ihnen konkrete Handlungsstrategien<br />

entgegenzusetzen, haben wir im Sommer<br />

2010 das Projekt Miteinander – Füreinander. Diskriminierungs-<br />

lungsgesetz, Alltagsrassismus und Transphobie. Im<br />

Sonntags-Club fand zudem eine öffentliche Diskussions-<br />

und Vernetzungsveranstaltung zu diesen Themen<br />

statt. Im Laufe der Zeit ist daraus die Broschüre<br />

Was tun gegen Diskriminierungen! entstanden, die aus<br />

verschiedenen Perspektiven Tipps zum Umgang mit<br />

Gewalt und Diskriminierungen gibt – sowohl aus<br />

Sicht von Betroffenen, als auch aus Sicht von Unterstützenden.<br />

Gemeinsam wurde auch ein Leitfaden<br />

für diskriminierungsfreiere Einrichtungen entwi-<br />

Schule, im Gesundheitssystem, auf dem Wohnungs-<br />

freie Szenen für alle! gestartet. Finanziert wird es von<br />

ckelt, der helfen soll, die eigene Einrichtung, Orga-<br />

und Arbeitsmarkt.<br />

der Landesantidiskriminierungsstelle im Rahmen<br />

nisation, Location oder Veranstaltung in Bezug auf<br />

Nach wie vor sind politische Kämpfe gegen die<br />

der Initiative Berlin tritt ein für Selbstbestimmung und Ak-<br />

mögliche Ausschlüsse zu reflektieren und bestimm-<br />

andauernde Diskriminierung und fehlende<br />

zeptanz sexueller Vielfalt!.<br />

te Standards zu entwickeln.<br />

Gleichberechtigung von Lesben, Schwulen und<br />

Da es in Berlin, anders als in anderen Städten, eine<br />

Da es sich als schwierig herausstellte, auch Betrei-<br />

Trans*Menschen also unabdingbar. Gleichzeitig re-/<br />

Vielfalt an LSBT*IQ-Szenen gibt, die sich, neben<br />

ber_innen von kommerziellen Locations mit ins Boot<br />

produzieren diese politischen Kämpfe jedoch immer<br />

zahlreichen Gemeinsamkeiten und Überschneidun-<br />

zu holen, hat das Netzwerk Bierdeckel zum Thema<br />

auch Ausschlüsse. Durch das Sprechen im Namen<br />

gen, geographisch und alltagskulturell voneinander<br />

Transphobie entwickelt, die an verschiedenen Sze-<br />

einer Gruppe, das homogene Identitäten konstru-<br />

abgrenzen lassen und unterschiedliche Ausgangssi-<br />

ne-Orten verteilt wurden. Trotz positiver Rückmel-<br />

iert, werden Lebensrealitäten vieler LSBT*IQ 1 ausge-<br />

tuationen und Problemlagen vorweisen, verfolgen<br />

dungen ist es uns bis heute jedoch nicht gelungen,<br />

blendet. Die Ignoranz gegenüber komplexen Iden-<br />

wir hierbei einen lokalen Ansatz.<br />

Wirt_innen für das Netzwerk zu gewinnen. Der<br />

titäten, gegenüber Diskriminierungen und Gewalt,<br />

In Prenzlauer Berg, Kreuzberg/Nordneukölln und<br />

Wunsch nach einer besseren lokalen Vernetzung<br />

die über die politischen Themen sexuelle Orientie-<br />

Schöneberg, wo es jeweils sehr ausgeprägte Sze-<br />

wurde zwar von vielen geäußert, aber eher in Bezug<br />

rung und/oder Geschlechtsidentität hinausgehen,<br />

nen gibt, haben sich dazu drei Netzwerke aus Ein-<br />

auf einen besseren Austausch über Schwierigkei-<br />

bestimmt für mehrfachzugehörige LSBT*IQ – wie<br />

zelpersonen, Organisationen, Gewerbetreibenden<br />

ten und Probleme, die das Geschäft betreffen. Für<br />

z.B. lesbische, schwule und Trans*-Menschen mit<br />

und Aktivist_innengruppen gebildet, in denen wir<br />

das Thema Diskriminierungen gibt es bisher kaum<br />

Nelly Tschörtner und Yeter Ölki (GLADT e.V.)<br />

Rassismuserfahrungen oder LSBT*IQ, die aufgrund<br />

gemeinsam lokalspezifische Strategien erarbeiten,<br />

ein Problembewusstsein, was u.a. auch daran liegt,<br />

einer Behinderung diskriminiert werden, – den All-<br />

um gegen Diskriminierungen und Ausgrenzungen<br />

dass Menschen, die den Prenzlauer Berg als einen<br />

Lesben, Schwule und Trans* personen<br />

treten heute in der medialen<br />

Öffentlichkeit immer sichtbarer<br />

in Erscheinung. Dennoch ist<br />

ihr Alltag von Diskriminierungen<br />

geprägt – auch innerhalb der eigenen<br />

Szenen: Die vermeintlichen<br />

Schutzräume sind nicht frei von<br />

tag auch innerhalb der lesbisch-schwulen-queeren<br />

Szenen. Diskriminierungserfahrungen setzen sich<br />

so für mehrfachzugehörige LSBT*IQ auch im vermeintlichen<br />

Schutzraum fort.<br />

Beispiele dafür sind rassistisch motivierte Einlasskontrollen<br />

in Szene-Locations, diskriminierende<br />

Sprüche in sozialen Netzwerken im Internet und Unterstellungen<br />

wegen der tatsächlichen oder vermeintlichen<br />

Herkunft (»Coming-Out besonders schwer«,<br />

»Familie bzw. Kultur/Religion besonders homophob«<br />

etc.). Auch die Personalpolitik in Vereinen und Projekten,<br />

die Ausrichtung des Informationsmaterials<br />

auf nicht behinderte, weiß-deutsch-christlich sozi-<br />

innerhalb der jeweiligen Szene vorzugehen. Schwerpunktthemen,<br />

die sich aus den lokalen Problemlagen<br />

ergaben, waren bisher Rassismus, Sexismus,<br />

Transphobie und Behindertenfeindlichkeit.<br />

Bierdeckel gegen Transphobie<br />

Ausgangslage in Prenzlauer Berg ist eine eher bildungsprivilegierte,<br />

mittelschichtsorientierte Szene,<br />

die u.a. auch gekennzeichnet ist durch das Fehlen<br />

von Queers of Color – sowohl an Ausgeh-Orten als<br />

auch in Organisationen und Einrichtungen –, Alltagsrassismen<br />

und eine fehlende Sensibilisierung<br />

zu Trans*Themen. Für die im Netzwerk vertretenen<br />

für sie nicht sicheren Ausgeh-Ort erleben, eher auf<br />

andere Stadtbezirke ausweichen. Das hat zur Folge,<br />

dass weder Wirt_innen noch Besucher_innen in<br />

Prenzlauer Berg gezwungen werden, sich mit dem<br />

Thema Diskriminierung und mit eigenen Privilegien<br />

auseinanderzusetzen.<br />

Von der Tradition zur Exklusion<br />

Eine ähnliche Problemlage, wenn auch noch etwas<br />

extremer, haben wir in Schöneberg vorgefunden.<br />

Die dort ansässige Szene, die auf eine traditionsreiche<br />

Geschichte zurückblicken kann, ist heute vor<br />

allem eine kommerzielle weiße deutsche Schwulen-<br />

Sexismus, Rassismus und anderen<br />

diskriminierenden Ausgrenzungen.<br />

alisierte Klient_innen, fehlende Kenntnisse in Beratungsstellen<br />

(zu Mehrfachzugehörigkeit, Zuwanderungsrecht,<br />

Asyl/Flucht etc.), nicht barrierefreie<br />

Organisationen und Beratungsstellen gab es daher<br />

zunächst Qualifizierungen zu den Themen Antidiskriminierung<br />

und Allgemeines Gleichbehand-<br />

szene mit einem eher höheren Altersdurchschnitt,<br />

deren Wurzeln meist in der westdeutschen Schwulenbewegung<br />

und im Bildungsbürgertum liegen. Es<br />

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