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Berliner Zustände - Mbr

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»Schulfach:<br />

Schwul«<br />

Wie pädagogisches<br />

Material zum<br />

»Porno-Koffer« wurde<br />

Von den vielen Beiträgen in diversen Medien kann<br />

hier nur eine Auswahl genannt und genauer betrachtet<br />

werden. Beteiligte an der Diskussion waren<br />

Tageszeitungen aus Berlin, überregionale Zeitungen<br />

und Zeitschriften und Artikel auf diversen, hauptsächlich<br />

rechtspopulistischen Websites. Im Wahlkampf<br />

2011 in Berlin wurde die Diskussion um den<br />

Auslöser der Debatte<br />

Der genannte B.Z.-Artikel beschreibt kurz den Medienkoffer<br />

und erfindet ganz im Stil der reißerischen<br />

Springerpresse das »Schulfach Schwul«. Gleichzeitig<br />

wird von weiterem Material berichtet, welches<br />

fälschlicherweise dem Verein GLADT e.V. zugeordnet<br />

wird. Dort würden Jugendliche aufgefordert,<br />

sierung der Kinder bzw. der Kindheit befürchteten<br />

gleich mehrere Autor_innen und Vereinigungen,–<br />

wie Cicero, die Website Familien-Schutz.de, die Deutsche<br />

Vereinigung für Christliche Kultur e.V. (DVCK) und das<br />

Forum deutscher Katholiken. Oft wurde behauptet, es<br />

wäre schädigend für Kinder, sich mit Homosexualität<br />

auseinanderzusetzen: »[...] grenzt es für mich<br />

Medienkoffer sogar von einigen Parteien aufgegrif-<br />

Begriffe wie »Selbstbefriedigung« und »Dark Room«<br />

an Missbrauch, wenn man einem Kind in Sachen<br />

fen. Zudem engagierten sich christliche Interessen-<br />

pantomimisch darzustellen. Laut B.Z. sehen »Bil-<br />

Sexualität etwas eintrichtern will, wonach es nicht<br />

gruppen aktiv gegen die Thematisierung von Homo-<br />

dungs-Experten« die »Aufklärungs-Bemühungen«<br />

gefragt hat!« (Tagesspiegel User_in). Einige Autor_<br />

sexualität in Grundschulen. Alle Akteur_innen und<br />

zwiespältig.<br />

innen arbeiteten gezielt mit Überzeichnungen, um<br />

Medien nahmen den Medienkoffer zum Anlass, um<br />

Dieses Pantomimespiel wurde im B.Z.-Artikel irr-<br />

die Leser_innen für ihre Argumente zu gewinnen:<br />

eigene z.B. christlich-fundamentalistische oder ras-<br />

tümlich dem Koffer für die Grundschulen zugeord-<br />

»Sex Spiele von Minderjährigen im Unterricht, por-<br />

sistische Haltungen zu propagieren.<br />

net. Es befindet sich aber in einer Handreichung für<br />

nographische Inhalte in der Schule im vermeintlich<br />

Pädagog_innen zum Thema »Lesbische und schwule<br />

pädagogischen Sinne.« (B.Z. vom 21.6.2011).<br />

Die Vorgeschichte<br />

Lebensweisen«, die sich ausdrücklich an die Sekun-<br />

Vom damaligen Bildungssenator Zöllner wurde in<br />

darstufen richtet. Die Handreichung wurde 2006<br />

»Naturgegebenes« Familienbild und elterliche<br />

einer Pressemitteilung auf neue Materialien für<br />

von der Senatsverwaltung herausgegeben und stützt<br />

Erziehungsrechte<br />

Lehrkräfte an <strong>Berliner</strong> Schulen hingewiesen. Die-<br />

sich auf fachlich anerkannte Methoden der Sexual-<br />

An die starke Sexualisierung des Themas knüpften<br />

se wurden im Rahmen der Initiative Berlin tritt ein für<br />

pädagogik. Die Vermischung dieser verschiedenen<br />

unmittelbar Argumente an, die ein traditionelles/<br />

Selbstbestimmung und Akzeptanz sexueller Vielfalt (ISV) er-<br />

Materialien sowie die Nennung des Vereins GLADT<br />

reaktionäres Familienbild propagieren und einen<br />

Kerstin Florkiw (QUEERFORMAT)<br />

stellt, welche das Abgeordnetenhaus im Jahr 2009<br />

einstimmig beschlossen hatte. Mit dieser Initiative<br />

e.V., der mit beschriebener Methode nichts zu tun<br />

hat, dient der B.Z. ausschließlich zur Skandalisie-<br />

»massiven Eingriff in die elterlichen Erziehungsrechte«<br />

attestieren (Junge Freiheit). Nur die Fami-<br />

soll Homophobie und Transphobie im Land Berlin<br />

rung und rassistischer Aufladung der Diskussion.<br />

lienform von Vater, Mutter, Kind wird als die »na-<br />

»Schulfach: Schwul« mit dieser<br />

Schlagzeile eröffnete die Boule-<br />

aktiv entgegengetreten werden. In Schule, Kinder-<br />

und Jugendhilfe sollen Fachkräfte fortgebildet<br />

werden, um Kinder und Jugendliche schon frühzei-<br />

Wie gegen den Medienkoffer<br />

argumentiert wurde<br />

türliche« angesehen (NPD). Durch »Aufklärung« in<br />

Schulen würde die Freiheit der Eltern beschnitten,<br />

diese sollen selber entscheiden, wann und wie ihre<br />

vardzeitung B.Z. am 20. Juni 2011<br />

eine mehrmonatige Diskussion.<br />

Anlass war die Veröffentlichung<br />

von Materialien für Lehrkräfte<br />

zum Thema »Vielfältige Lebensweisen«,<br />

ein Medienkoffer für die<br />

Grundschule. Die vor allem medial<br />

tig mit einem akzeptierenden Umgang mit sexueller<br />

Vielfalt vertraut zu machen. Queerformat wurde<br />

von der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und<br />

Wissenschaft beauftragt, die ISV umzusetzen, Fortbildungen<br />

durchzuführen und Materialien für Pädagog_innen<br />

zu erstellen. Zu diesen gehört auch der<br />

Medienkoffer für die Grundschulen. Er enthält eine<br />

altersgerechte Zusammenstellung von 25 Büchern,<br />

die Vielfalt pädagogisch sinnvoll und kindgerecht<br />

behandeln. In den Bilderbüchern geht es NICHT<br />

um Sexualität, sondern um vielfältige Familienfor-<br />

Auf diesen B.Z.-Artikel bezogen sich verschiedene<br />

Medien, die in Print- und Online-Ausgaben ein großes<br />

Publikum erreichten. Von einem kleinen Teil der<br />

Leser_innen wurde anschließend eine sehr heftige<br />

Online-Diskussion geführt. Es lassen sich einige<br />

Hauptargumente herausfiltern, die von den unterschiedlichsten<br />

Protagonist_innen genutzt wurden.<br />

Die Sexualisierung des Themas<br />

Der Versuch der Stigmatisierung von Bildungsarbeit<br />

als sexualisierte Gewalt und Sexualisierung war bei<br />

Kinder aufgeklärt werden (Cicero), weil »sexuelle Vielfalt<br />

in ihrer ganzen scham- und persönlichkeitsverletzenden<br />

Bandbreite kein Lehrstoff des Grundschulunterrichtes<br />

sein darf« (Familien-Schutz). Ein User<br />

der rassistischen Webseite »Politically Incorrect«<br />

behauptete sogar: »Das ist Zwangsbeschwulung. In<br />

den Schulämtern sitzen auch öfters Homoperverse<br />

die sich ihr frisches Fleisch heranzüchten wollen<br />

[...]«. Auf eine Bildungsarbeit zu vielfältigen<br />

Lebensweisen wurde mit diskriminierenden und<br />

entwürdigenden Ansichten gegenüber Lesben und<br />

geführte Debatte war von Homophobie,<br />

Transphobie, antimuslimi-<br />

men und Lebensweisen von Menschen, u.a. um Geschlechterrollen,<br />

Homosexualität, Fremdsein. Namhafte<br />

Verlage und Schriftsteller_innen (z.B. Cornelia<br />

den Argumentationsweisen am deutlichsten. »Hier<br />

droht (u.a.) – staatlich gefördert – Pädophilie 1 in<br />

widerwärtigster Art und Weise.«, schrieb eine FAZ-<br />

Schwulen reagiert.<br />

Antikommunismus und vermeintliche<br />

schem Rassismus und Sexismus<br />

geprägt.<br />

Funke) sowie mehrfache Auflagen und Auszeichnungen<br />

stehen für die Qualität der Bücher.<br />

User_in. Die FAZ hatte in ihrem Artikel veröffentlicht,<br />

dass »Erstklässlern die Vielfalt des Sexuallebens« nahegebracht<br />

werden solle. Eine gefährliche Sexuali-<br />

Indoktrination<br />

Als Verursacher_in für die »ideologische, ja dämonische,<br />

Gehirnwäsche« wurde ein »ZK der ökologi-<br />

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