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Berliner Zustände - Mbr

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derzusetzen. Es handelt sich dabei nicht um das Ver-<br />

mehrdimensionalen Betrachtung unter verschiede-<br />

rechte Motivation nicht, so könnte man darauf set-<br />

Landeskriminalamtes einbezogen wurden.« (Sächsi-<br />

sagen Einzelner sondern um eine Gesamthaltung,<br />

nen Gesichtspunkten bewertet (werden).« Die Hoff-<br />

zen, dass dieser Fehler eventuell im späteren Ver-<br />

scher Landtag, Drucksache 5/4749). Beiläufig wird<br />

die letztlich auch dem NSU ein ungestörtes Vorge-<br />

nung, dass diese Gesichtspunkte sinnvolle Kriterien<br />

fahren durch eine/n andere/n Beamt/in, die Staats-<br />

hier im Nebensatz eingeräumt, dass die Behörden<br />

hen ermögliche.<br />

sein könnten, zerschlägt sich aber. Denn darunter<br />

anwaltschaft oder die gerichtliche Entscheidung<br />

sich über zehn Jahre nicht die Mühe gemacht haben,<br />

werden u.a. abstrakte Begriffe wie »Deliktsqualität«,<br />

korrigiert wird. Dies ist jedoch unwahrscheinlich,<br />

die Urteilssprüche der Verfahren in ihre Bewertun-<br />

Die Lücke zwischen Theorie und Praxis<br />

die »mögliche internationale Dimension der Tat«<br />

da Korrekturen nur bis maximal zum 31. Januar des<br />

gen mit einzubeziehen.<br />

Die angesprochenen in Behörden verankerten Un-<br />

oder die »gegebenenfalls zu verzeichnende, extre-<br />

Folgejahres möglich sind, danach wird die Statistik<br />

gleichwertigkeitsvorstellungen tragen mit dazu bei,<br />

mistische Ausprägung« verstanden. Ob die existie-<br />

zur Politisch Motivierten Kriminalität veröffent-<br />

Schluss mit der Kosmetik<br />

dass auch das polizeiliche Definitionssystem zum<br />

renden polizeiinternen Ausfüllanleitungen bessere<br />

licht, rückwirkende Veränderungen gestalten sich<br />

Eine kleine Korrektur hier, eine weitere Fortbildung<br />

Erfassen vorurteilsmotivierter insbesondere rechter<br />

und praktischere Kriterien beinhalten, kann leider<br />

schwierig. Vorteil dieser tatzeitnahen Erfassung ist,<br />

dort, ein Gespräch mit Repräsentant/innen von Be-<br />

Straftaten in seiner Wirkung beschränkt bleibt. So ist<br />

nicht nachvollzogen werden, da diese als polizeiin-<br />

dass relativ aktuelle Lagebilder und Reaktionsmög-<br />

troffenengruppen, die Abmahnung einer/s einzel-<br />

die seit 2001 geltende Definition zur »Politisch moti-<br />

terne Verschlusssache deklariert sind.<br />

lichkeiten geliefert werden können. Dieser Vorteil<br />

nen Beamt/in können als reine Kosmetik bezeichnet<br />

vierten Kriminalität« (PMK) mit einigen Abstrichen<br />

In der polizeilichen Praxis ist der/die sachbear-<br />

wird aber zum eklatanten Nachteil sofern entweder<br />

werden, die nicht in der Lage sind das Problem zu<br />

als durchaus fortschrittlich zu beschreiben. Es wer-<br />

beitende Beamt/in dafür zuständig, das Vorliegen<br />

die Tat zu Ermittlungsbeginn tatsächlich nicht als<br />

lösen. Die Behörden brauchen keine oberflächlichen<br />

den theoretisch all diejenigen Delikte aufgenommen,<br />

einer rechten Straftat zu melden. Da die Statistik zur<br />

rechtsmotiviert einzuschätzen ist oder die sachbear-<br />

Verschönerungen sondern grundlegende Verände-<br />

»die sich gegen eine Person wegen ihrer politischen<br />

»Politisch Motivierten Kriminalität« als sogenannte<br />

beitenden Beamt/innen nicht in der Lage sind (oder<br />

rungen im Denken, Handeln und auf struktureller<br />

Einstellung, Nationalität, Volkszugehörigkeit, Ras-<br />

Eingangsstatistik geführt wird, muss diese Meldung<br />

sein wollen) die Vorurteilsmotivation zu erkennen.<br />

Ebene. Dazu gehört zunächst die Einsicht, dass es<br />

se, Hautfarbe, Religion, Weltanschauung, Herkunft<br />

bereits im Rahmen der ersten Ermittlungen gesche-<br />

sich um ein Problem der weißen Mehrheitsgesell-<br />

oder aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes,<br />

hen. Behördlicherseits wurde mehrfach darauf hin-<br />

Aus den Augen, aus dem Sinn<br />

schaft handelt und nicht mit sogenannten Integra-<br />

ihrer Behinderung, ihrer sexuellen Orientierung<br />

gewiesen, dass es in diesem Stadium mangels Täter/<br />

Neben einer zeitlichen Komponente hat diese »End-<br />

tionsforderungen verknüpft werden darf. Wissen-<br />

oder ihres gesellschaftlichen Status richten«. Ohne<br />

inneneinlassung schwierig sei die Kategorisierung<br />

gültigkeit« auch eine Unsichtbarmachung von rech-<br />

schaftliche Erkenntnisse müssen ernst genommen<br />

Frage sind insbesondere Begriffe wie »Rasse« oder<br />

zu treffen. Anwendungsrichtlinien aus anderen<br />

ter und rassistischer Gewalt zur Folge, was insbeson-<br />

und die Arbeit von zivilgesellschaftlichen Initiativen<br />

»Volkszugehörigkeit« abzulehnen. Versinnbildlicht<br />

Staaten zeigen im Gegensatz zu dieser Beschwerde<br />

dere bei Todesfällen dramatisch ist. So sind nach den<br />

verstetigt werden. Auf polizeilicher Ebene gehört<br />

ersterer die Existenz von »Rassen« statt vom eigent-<br />

aber, wie abseits von Geständnissen Rückschlüsse<br />

Recherchen der Zeitungen Die Zeit und Der Tagesspiegel<br />

dazu auch die Erkenntnis, dass unbedingter Korps-<br />

lichen Problem des Rassismus zu sprechen, wurzelt<br />

auf das Motiv gezogen werden können. Dabei können<br />

seit 1990 148 Menschen durch rechte Gewalttaten zu<br />

geist demokratiefeindlich ist.<br />

der Begriff der »Volkszugehörigkeit« im Merkmal der<br />

beispielsweise die Gruppenzugehörigkeit des Opfers,<br />

Tode gekommen, nur 58 dieser Opfer werden durch<br />

In der Konsequenz muss, insbesondere nach der NSU-<br />

biologischen Abstammung und rekurriert auf einen<br />

diskriminierende Beleidigungen durch die Täter/in-<br />

den Staat als Todesopfer rechter Gewalt anerkannt.<br />

Mordserie, der politische Wille aufgebracht werden,<br />

NS-Erlass von 1939, der insbesondere Juden und Jü-<br />

nen, am Tatort angebrachte Graffitis, symbolhafte<br />

Diese skandalöse Vertuschung beruht einerseits auf<br />

Einschnitte durchzusetzen und endlich eine polizei-<br />

dinnen ausschloss. Auch über weitere zu weit gera-<br />

Tatbegehungen, bestimmte Daten oder Orte Hin-<br />

einer unzulässig eingeengten Anwendung des Defi-<br />

unabhängige Beschwerdestelle zu schaffen, die über<br />

tene Begriffe wie den »gesellschaftlichen Status«, der<br />

weise auf die Motivation geben. Jenseits dieser wohl<br />

nitionssystems und andererseits auf der Praxis der<br />

tatsächliche Kompetenzen verfügt. Von all dem ist<br />

sowohl Opfer aus »vermeintlich niederen Schichten«<br />

lösbaren Schwierigkeiten besteht eher die Gefahr,<br />

Eingangsstatistik.<br />

man selbst in fortschrittlichen Bundesländern weit<br />

also auch aus »vermeintlich höheren Schichten« um-<br />

dass vorhandene Anhaltspunkte durch die Beamt/<br />

So kann das Bundesland Sachsen als Beispiel dienen,<br />

entfernt.<br />

schließt, ließe sich weiter diskutieren, was aber an<br />

innen (un)wissentlich übersehen bzw. falsch gewer-<br />

wie erst nach der Aufdeckung der NSU-Mordserie<br />

dieser Stelle den Rahmen sprengen würde.<br />

tet werden. Neben eigenen Ungleichwertigkeitsvor-<br />

Bewegung in die jahrelang ablehnende Anerken-<br />

Jenseits von begrifflichen Kritikpunkten ist die<br />

stellungen kommen auch immer wieder Opportuni-<br />

nungspraxis kam. Nach einer erneuten Überprüfung<br />

Kati Lang (Ass. iur.) ist bei der Beratungsstelle für rechtsmoti-<br />

Definition ein brauchbares Werkzeug um rechts mo-<br />

tätsüberlegungen hinzu, die eigene Region nicht »in<br />

aller Todesfälle auf öffentlichen Druck hin, erklärte<br />

vierte und rassistische Gewalt des RAA Sachsen e.V. tätig. Die<br />

tivierte Taten als solche zu kategorisieren und sicht-<br />

den Schmutz zu ziehen«. 2007 wies beispielsweise<br />

der Freistaat plötzlich im Jahr 2012, dass nunmehr<br />

gelernte Juristin ist spezialisiert auf rechtliche Fragen rund um den<br />

bar zu machen.<br />

der Direktor des sachsen-anhaltinischen Landeskri-<br />

zwei längst bekannte rechte Tötungsdelikte aus den<br />

Umgang mit Rechtsextremismus und promoviert derzeit an der TU<br />

Die Taten sollen dann als politisch gelten, wenn es<br />

minalamts seine Beamt/innen an, eindeutig rechte<br />

Jahren 1996 und 1999 anerkannt werden. Zur bisher<br />

Dresden zur Frage der Gesetzgebung in Bezug auf rechte und rassis-<br />

»in Würdigung der Umstände der Tat und/oder der<br />

Straftaten, deren Täter/innen nicht bekannt seien,<br />

abweichenden Einschätzung nach über zehn Jahren<br />

tische Gewalt in Deutschland.<br />

Einstellung des Täters Anhaltspunkte« gebe, dass sie<br />

als politisch uneindeutig einzuordnen. Die Zahl der<br />

heißt es seitens der Behörden lapidar: »Die unter-<br />

aus den oben genannten Kategorien heraus began-<br />

gemeldeten rechtsmotivierten Straftaten halbierte<br />

schiedliche Bewertung ist damit zu erklären, dass<br />

gen wurden. Zur konkreten Vorgehensweise wird<br />

sich durch diese statistische Verschiebung nahezu.<br />

diesmal zusätzlich die hierzu ergangenen Urteile der<br />

näher erläutert, dass die Taten »im Rahmen einer<br />

Erkennt der/die polizeiliche Sachbearbeiter/in die<br />

Strafgerichte beigezogen und in die Überprüfung des<br />

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