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James Johnson Esq. - Gicht - Kathrin-von-basse.de

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<strong>James</strong> <strong>Johnson</strong> <strong>Esq</strong>.<br />

Wundarzt Sr. Königl. Hoheit <strong>de</strong>s Herzogs <strong>von</strong><br />

Clarence<br />

Praktische Untersuchungen<br />

über die<br />

Natur, Behandlung und Vorbauung<br />

<strong>de</strong>r <strong>Gicht</strong><br />

in allen ihren Formen<br />

mit einer kritischen Prüfung<br />

<strong>de</strong>r<br />

berühmtesten Mittel und Heilmetho<strong>de</strong>n dieser<br />

Krankheit<br />

aus <strong>de</strong>m Englischen übersetzt<br />

vom<br />

Dr. Adolph Friedrich Bloch.<br />

Halberstadt, 1820<br />

In H. Vogler’s Buch- und Kunsthandlung<br />

1


Das Buch wur<strong>de</strong> auszugsweise kopiert. Die Behandlungsformen und die<br />

dazugehörigen Medikamente habe ich ausgelassen. Mir ging es<br />

ausschließlich um die verschie<strong>de</strong>nen Arten <strong>de</strong>r <strong>Gicht</strong> und ihre Symptomatik.<br />

Orthographie und Grammatik sind unverän<strong>de</strong>rt übernommen wor<strong>de</strong>n.<br />

K. <strong>von</strong> Basse<br />

Halle/Saale im Dezember 2008<br />

2


Diese Abhandlung über die <strong>Gicht</strong> zerfällt in zwei grosse Abschnitte, <strong>von</strong> <strong>de</strong>nen<br />

<strong>de</strong>r erste über das Wesen dieser furchtbaren Krankheit, <strong>de</strong>r zweite über die Kur<br />

<strong>de</strong>rselben spricht. Um leichtere Übersicht <strong>de</strong>s Ganzen zu verschaffen, haben wir die<br />

Hauptabschnitte wie<strong>de</strong>r in kleinere getheilt.<br />

Erstes Capitel.<br />

Reguläre o<strong>de</strong>r acute Gelenkgicht.<br />

§. 1.<br />

Sy<strong>de</strong>nham, <strong>de</strong>r Hippocrates <strong>de</strong>r Englän<strong>de</strong>r, hat uns eine so genaue Beschreibung<br />

<strong>de</strong>s regulären <strong>Gicht</strong>anfalls gegeben, dass alle späteren Schriftsteller ihm nur<br />

nachgeschrieben haben. Die Hauptsymptome sind folgen<strong>de</strong>: Der Anfall kommt plötzlich,<br />

während <strong>de</strong>s Schlafes, mit <strong>de</strong>m Gefühle <strong>von</strong> überlaufen<strong>de</strong>m Frösteln und Schau<strong>de</strong>r,<br />

welchem ein örtlicher Schmerz (gewöhnlich im grossen Zeh) mit symptomatischem<br />

Fieber folgt, das mit jenem wächst und abnimmt. Nach Verlauf <strong>von</strong> 24 Stun<strong>de</strong>n en<strong>de</strong>t<br />

<strong>de</strong>r Anfall mit <strong>de</strong>r Bildung einer dünnen Geschwulst, die mit Röthe und Hitze <strong>de</strong>s<br />

afficirten Theiles verbun<strong>de</strong>n ist. Während <strong>de</strong>s Zeitraums <strong>de</strong>r <strong>Gicht</strong>paroxysmen (<strong>de</strong>r<br />

gewöhnlich 14 Tage dauert) erfolgt je<strong>de</strong>n Abend eine Exacerbation, die <strong>de</strong>m ersten<br />

Anfalle gleicht.<br />

Wenige Worte wollen wir nur <strong>von</strong> <strong>de</strong>n Schmerzen, <strong>de</strong>m Fieber und <strong>de</strong>r<br />

Geschwulst sagen. Der S c h m e r z hat keinen bestimmten Charakter, aber zeichnet sich<br />

durch eine mannigfaltige Verschie<strong>de</strong>nheit aus: bald giebt er das Gefühl <strong>von</strong> Dehnung,<br />

Zerrung, Pressung, o<strong>de</strong>r als wenn ein Keil in die Knochenen<strong>de</strong>n eingestossen wür<strong>de</strong>,<br />

bald gleicht er <strong>de</strong>m Nagen eines Thieres; bald ist er brennend wie Feuer.<br />

Bei genauer Beobachtung fand man oft, beson<strong>de</strong>rs bei <strong>de</strong>n ersten und regulären<br />

Abfällen, ein F i e b e r <strong>von</strong> wöchentlicher Dauer und dreitägigem Typus, das, nach<br />

Plenciz, sehr leicht <strong>de</strong>n herrschen<strong>de</strong>n epi<strong>de</strong>mischen Charakter annimmt. Stoll<br />

beobachtete, dass je<strong>de</strong>r gichtische Fieberparoxysmus mit einer partiellen Krise en<strong>de</strong>te,<br />

die sich durch Hautschweisse, Bo<strong>de</strong>nsatz im Urine, o<strong>de</strong>r vermehrte Magen- und<br />

Darmsecretion manifestirte. Eben so wird die rosenartige Geschwulst für kritisch<br />

gehalten.<br />

Die G e s c h w u l s t , als Folge <strong>de</strong>s <strong>Gicht</strong>anfalles, endigt sich mit Abschuppung <strong>de</strong>r<br />

Oberhaut und örtlichem Schweisse, <strong>de</strong>r oft einen specifiken Geruch und die Eigenschaft,<br />

Silber schwarz zu färben, hat.<br />

Ist <strong>de</strong>r Anfall vorbei, so erlangt <strong>de</strong>r Kranke schnell einen höheren Grad <strong>von</strong><br />

Wohlbefin<strong>de</strong>n, als er vorher hatte, <strong>de</strong>r ihm lange Zeit, wenn nicht für immer, Sicherheit<br />

vor ähnlichen Anfällen verspricht.<br />

Obgleich wir gewöhnlich sehen, dass die <strong>Gicht</strong> zuerst in <strong>de</strong>n Füssen ihre Rolle zu<br />

spielen beginnt, so fängt sie doch zuweilen auch in <strong>de</strong>n Handgelenken, <strong>de</strong>n Armen und<br />

<strong>de</strong>n Knieen an. Eben so greift sie zuweilen, statt wie ein Dieb in <strong>de</strong>r Nacht zu kommen,<br />

bei hellem Tage an, und dann meistens während einer ungewohnten geistigen o<strong>de</strong>r<br />

körperlichen Anstrengung. Van Suiten sah einen starken Mann beim Aussteigen aus <strong>de</strong>r<br />

Kutsche so schnell <strong>von</strong> <strong>de</strong>r <strong>Gicht</strong> befallen, dass er glaubte, er habe sich <strong>de</strong>n Knöchel<br />

verrenkt. Guilbert kannte einen E<strong>de</strong>lmann, <strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>r Retira<strong>de</strong> vor <strong>de</strong>m Fein<strong>de</strong>, durch<br />

die Gemüthsbewegungen, die eine solche Lage mit sich bringt, mitten auf einer Brücke,<br />

die er schnell passirte, einen so heftigen Anfall <strong>von</strong> <strong>Gicht</strong> bekam, dass sein Leben nur<br />

durch <strong>de</strong>n E<strong>de</strong>lmuth seiner Gefährten, die ihn auf ihren Schultern wegtrugen, gerettet<br />

wur<strong>de</strong>.<br />

Aber die <strong>Gicht</strong> nähert sich auch oft auf eine sehr heimtückische Weise. Desault<br />

kannte einen Beamten, <strong>de</strong>r alle Jahr, gegen das En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Winters, Anfälle <strong>von</strong> <strong>Gicht</strong><br />

bekam, die aber so leicht und unregelmässig waren, dass er ihnen lange Zeit kaum <strong>de</strong>n<br />

Namen <strong>de</strong>r Krankheit zugestehen wollte. Zuweilen beschuldigte er <strong>de</strong>n Schuhmacher,


<strong>de</strong>r seine Schuhe zu enge mache; ein an<strong>de</strong>r Mal hatte er sich <strong>de</strong>n Fuss verrenkt o<strong>de</strong>r<br />

einen falschen Schritt gethan u. s. w. Endlich warf <strong>de</strong>r Feind seine Maske ab, und liess<br />

keinen Zweifel mehr über seine wahre Natur zu.<br />

Die Alten waren stets abgeneigter, das, was wir dafür halten, <strong>Gicht</strong> zu nennen.<br />

Bei uns ist diese oft die Folge einer sitzen<strong>de</strong>n, ehrenvollen und nützlichen Studien<br />

gewidmeten Lebensweise. Im Alterthume hingegen traten solche Ursachen seltener ein,<br />

in<strong>de</strong>m litterärische Beschäftigungen in <strong>de</strong>r freien Luft auf peripatetische Art getrieben<br />

wur<strong>de</strong>. Die schönen Briefe <strong>de</strong>s Plinius wur<strong>de</strong>n unter <strong>de</strong>n Vergnügungen <strong>de</strong>r Jagd und<br />

<strong>de</strong>s Fischfanges geschrieben; zur Schan<strong>de</strong> <strong>de</strong>r atheniensischen und römischen<br />

<strong>Gicht</strong>kranken müssen wir eingestehen, dass ihre <strong>Gicht</strong>anfälle in <strong>de</strong>r Regel die Folge<br />

ihrer Unmässigkeit im Essen und Trinken waren, - daher ihre Abneigung gegen die<br />

gichtische Constitution. Endlich beschränkt die reguläre <strong>Gicht</strong> gewöhnlich ihre ersten<br />

Angriffe auf gewisse Gelenke, vorzüglich die <strong>de</strong>r Füsse; aber mit <strong>de</strong>r Zeit wächst die<br />

Ausbreitung ihrer Thätigkeit, bis <strong>de</strong>r Kranke endlich mit <strong>de</strong>r allgemeinen <strong>Gicht</strong> befallen<br />

erscheint.<br />

Chronische <strong>Gicht</strong>.<br />

§. 2.<br />

Diese besteht, wie die acute, aus Exacerbationen und Paroxysmen, die aber <strong>von</strong><br />

längerer Dauer und weniger bestimmen<strong>de</strong>m Charakter sind. Die verschie<strong>de</strong>nen Stadien,<br />

die Zunahme, die Höhe und die Min<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Krankheit sind ungeregelt und stehen in<br />

keinem Verhältnisse zu einan<strong>de</strong>r. In <strong>de</strong>r acuten <strong>Gicht</strong> sehen wir ein Gelenk in einem<br />

gewissen Gra<strong>de</strong> <strong>von</strong> Verbindung mit an<strong>de</strong>ren Lei<strong>de</strong>n: hier aber bemerken wir häufig ein<br />

Gelenk nur leicht unberührt <strong>von</strong> <strong>de</strong>r Krankheit, während das Nämliche an <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren<br />

Extremität lange Zeit schrecklich gepeinigt wird. Die chronische Form hat eben so mehr<br />

Neigung, innere Organe anzugreifen, und <strong>von</strong> einem Orte zum an<strong>de</strong>ren zu wan<strong>de</strong>rn, und<br />

zwar aus geringfügigeren Ursachen, als acute <strong>Gicht</strong>, daher man ihr auch mit Recht <strong>de</strong>n<br />

Beinamen <strong>de</strong>r i r r e g u l ä r e n gegeben hat.<br />

Diese Form dauert Monate lang, ja selbst das ganze Jahr hindurch, mit<br />

Ausnahme einer kurzen Zeit im Sommer, und wan<strong>de</strong>rt <strong>von</strong> Gelenk zu Gelenk. Hier<br />

treten die Unterleibsbeschwer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utlicher hervor und sind hartnäckiger. Der Appetit<br />

fehlt, die Verdauung ist träge, <strong>de</strong>r Urin geht we<strong>de</strong>r in sehr dunkler Farbe und geringer<br />

Qualität ab, noch giebt er einen hinreichen<strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>nsatz, son<strong>de</strong>rn er wird sehr häufig<br />

gelassen, und hat eine diabetische Farbe. Der Kranke lei<strong>de</strong>t an Hämorrhoi<strong>de</strong>n, Jucken<br />

an verschie<strong>de</strong>nen Theilen, Mattigkeit, Krämpfen und vielen an<strong>de</strong>ren inneren<br />

krankhaften Empfindungen. Dabei wird er zu Zorn, Ärger, zu Furchtsamkeit und<br />

an<strong>de</strong>ren hypochondrischen Gefühlen geneigt; doch giebt es mehrere merkwürdige<br />

Ausnahmen <strong>von</strong> dieser Regel. Der grosse Condé war nie liebenswürdiger und<br />

angenehmer in Gesellschaft, nie gesprächiger in <strong>de</strong>r Unterhaltung, als wenn er seine<br />

<strong>Gicht</strong>anfälle hatte; und <strong>von</strong> Carl V. erzählt man, dass er unter <strong>Gicht</strong> und Sieg auf <strong>de</strong>m<br />

nämlichen Triumphwagen fuhr.<br />

Die örtlichen Folgen, die Steifheit und andre Ausgänge <strong>de</strong>r chronischen <strong>Gicht</strong><br />

sind sehr traurig. Die Geschwulst, obgleich weniger be<strong>de</strong>utend, als in <strong>de</strong>r acuten Form,<br />

und zuweilen selbst farblos, verschwin<strong>de</strong>t doch langsam, und bleibt lange steif und<br />

schmerzhaft. Oft ist es unklug, mit <strong>Gicht</strong>patienten zu scherzen. Kaiser Severus bestrafte<br />

einige witzeln<strong>de</strong> Hofleute mit <strong>de</strong>m To<strong>de</strong> für ihre Spötterei, in<strong>de</strong>m er sagte: „Meine<br />

Unterthanen sollen erfahren, dass ich sie am Kopfe und nicht an <strong>de</strong>n Füssen<br />

beherrsche.“ –<br />

Die örtlichen Folgen können in fünf Arten getheilt wer<strong>de</strong>n:<br />

a) Das gichtische O e d e m , o<strong>de</strong>r eine wässrige Geschwulst, die einen<br />

be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>n Raum einnimmt, ohne Röthe und ohne grosse Elastizität, mit<br />

4


<strong>de</strong>n gewöhnlichen Ö<strong>de</strong>m verbun<strong>de</strong>n, die häufig im höheren Alter und bei<br />

schlaffer Constitution angetroffen wer<strong>de</strong>n.<br />

b) C o n t r a c t u r e n o<strong>de</strong>r Steifheit <strong>de</strong>r Muskeln, Sehnen und Bän<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />

Theile, die lange <strong>de</strong>r Sitz <strong>de</strong>r gichtischen Reizung waren.<br />

c) L i g a m e n t ö s e A n s c h w e l l u n g e n o<strong>de</strong>r partielle Verdickungen <strong>de</strong>r<br />

Bän<strong>de</strong>r und Sehnen, die zuerst noch geschmeidig und schmerzhaft sind,<br />

endlich aber verhärten und Steifheit in <strong>de</strong>n Gelenkbewegungen zur Folge<br />

haben. Die natürliche Bewegung und Thätigkeit <strong>de</strong>r befallenen Theile<br />

wird dadurch ganz umgeän<strong>de</strong>rt. Die Knoten bil<strong>de</strong>n neue Bän<strong>de</strong>r und<br />

Verwachsungen unter <strong>de</strong>n Sehnen, in <strong>de</strong>ren Folge <strong>de</strong>r ganze Mechanismus<br />

<strong>de</strong>r Gelenke zerstört, und alle Beweglichkeit aufgehoben o<strong>de</strong>r erschwert<br />

wird.<br />

d) G e l e n k s t e i f i g k e i t . Diese folgt schon aus <strong>de</strong>r vorherigen Affection,<br />

o<strong>de</strong>r einzig aus <strong>de</strong>r langen Unbeweglichkeit <strong>de</strong>s Glie<strong>de</strong>s, und <strong>de</strong>r daraus<br />

entspringen<strong>de</strong>n Verhärtung <strong>de</strong>r umgeben<strong>de</strong>n Be<strong>de</strong>ckungen. Zuweilen<br />

scheint sie die Würkung wie<strong>de</strong>rholter Entzündungen <strong>de</strong>r Gelenkhäute zu<br />

seyn, wodurch diese mit einan<strong>de</strong>r verwachsen. Andre halten die Knoch-<br />

En<strong>de</strong>n für <strong>de</strong>n Sitz dieses Übels, das entwe<strong>de</strong>r durch Caries, Erweichung<br />

o<strong>de</strong>r Ausschwitzung <strong>von</strong> überflüssiger Knochenmasse entstehen soll. Aber<br />

<strong>de</strong>r häufigsten Ursache <strong>de</strong>sselben sind<br />

e) G i c h t c o n c r e m e n t e . Diese wer<strong>de</strong>n durch eine Substanz gebil<strong>de</strong>t, die<br />

anscheinend <strong>de</strong>m feinen Gypsmörtel o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Kalke gleicht, und<br />

ursprünglich in einem flüssigen o<strong>de</strong>r gallertartigen Zustan<strong>de</strong> war. Sie<br />

reizen nicht durch ihren eigenen Stoff, son<strong>de</strong>rn würken nur mechanisch<br />

durch Sitz, Gestalt und Bildung als frem<strong>de</strong> Körper. In<strong>de</strong>m sie meistens<br />

beständigen Schmerz und Reizung verursachen, führen sie endlich die<br />

h a b i t u e l l e <strong>Gicht</strong>, die man daher auch die f i x e genannt hat, herbei,<br />

und <strong>von</strong> <strong>de</strong>r hernach noch die Re<strong>de</strong> seyn wird.<br />

Fixirte Gelenkgicht.<br />

§. 3.<br />

Sie ist die gewöhnliche Form <strong>de</strong>r chronischen <strong>Gicht</strong>, und ihr Charakter hängt <strong>von</strong><br />

<strong>de</strong>n eben beschriebenen Knoten o<strong>de</strong>r Concrementen ab. Eine gute Beschreibung<br />

<strong>de</strong>rselben hat <strong>James</strong> Moore im ersten Ban<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Abh. d. med. chir. Gesellschaft zu<br />

London geliefert. Die Geschwulst, die zu diesen Concrementen Veranlassung giebt,<br />

unterschei<strong>de</strong>t sich im Anfange nicht <strong>von</strong> <strong>de</strong>r gewöhnlichen <strong>Gicht</strong>geschwulst, aber nach<br />

einiger Zeit giebt sie <strong>de</strong>r Hand das Gefühl <strong>von</strong> Fluctuation. Ein Theil dieses Fluidums<br />

wird eingesogen, <strong>de</strong>r andre trocknet allmählich ein und wird zuletzt hart und bröcklich.<br />

Während jenes <strong>Gicht</strong>anfalles, und zuweilen selbst in <strong>de</strong>r Zwischenzeit, fin<strong>de</strong>t eine neue<br />

Ausschwitzung statt, und so bil<strong>de</strong>n sich Geschwülste <strong>von</strong> <strong>de</strong>r Grösse einer Erbse bis zu<br />

<strong>de</strong>r eines Eyes. Diese Knoten sind nicht in einen Sack eingeschlossen, son<strong>de</strong>rn in <strong>de</strong>n<br />

Zellen <strong>de</strong>s Zellgewebes, selbst in <strong>de</strong>n Gelenkhöhlen befindlich. Zuweilen nähern sie sich<br />

<strong>de</strong>r Oberfläche und wer<strong>de</strong>n ausgestossen. Heftige Anfälle <strong>von</strong> <strong>Gicht</strong>entzündung<br />

ergreifen nun die so mechanisch gereizten Theile, und neue Ausschwitzungen erfolgen,<br />

bis die Geschwülste eine enorme Grösse erreicht haben. Im Umfange <strong>de</strong>rselben erscheint<br />

ein breiter rother Streif, <strong>de</strong>r in Brand überzugehen droht, und eine grosse Menge <strong>von</strong><br />

seröser Flüssigkeit ergiesst sich, und lässt die Concremente in <strong>de</strong>r Tiefe zurück. Diese<br />

letzteren gehen wie Mehlstückchen weg, und for<strong>de</strong>rn oft Jahre zu ihrer Austreibung aus<br />

unreinen und schmerzhaften Geschwüren. Zum Glück ist das Aufbrechen <strong>de</strong>rselben in<br />

die Gelenkhöhlen nicht mit <strong>de</strong>r Gefahr verbun<strong>de</strong>n, wie die <strong>von</strong> Wun<strong>de</strong>n bei gesun<strong>de</strong>m<br />

Zustan<strong>de</strong> dieser Theile herrühren.<br />

5


Primäre fixirte <strong>Gicht</strong>.<br />

§. 4.<br />

Diese Form ist nur wenig bekannt, und wenn wird die Abhandlung <strong>von</strong> Hallé und<br />

Nyrten ausnehmen, auch nur unvollkommen beschrieben wor<strong>de</strong>n. Sie zeigt sich<br />

vorzüglich bei Personen <strong>von</strong> phlegmatischem Temperamente, und beson<strong>de</strong>rs bei Weibern<br />

in späteren Jahren. Die Geschwülste sind fast schmerzlos, selbst während plötzlichem<br />

Temperaturwechsel, und <strong>de</strong>r Kranke empfin<strong>de</strong>t nur beim Beugen und Ausstrecken <strong>de</strong>s<br />

Gelenkes eine Art <strong>von</strong> durchschiessen<strong>de</strong>n Stichen. Auch haben sie nicht die rosenartige<br />

Farbe und geben <strong>de</strong>m Finger nicht das Gefühl <strong>von</strong> Wi<strong>de</strong>rstand, wie in <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren<br />

Formen <strong>de</strong>r <strong>Gicht</strong>: sie sind blass und etwas weich anzufühlen. Meistens befallen sie das<br />

Knie und die Gelenke <strong>de</strong>r oberen Extremitäten. Nach<strong>de</strong>m diese Form lange ihren Sitz in<br />

<strong>de</strong>n Gelenken behauptet hat, wird sie endlich wan<strong>de</strong>rnd, o<strong>de</strong>r verbin<strong>de</strong>t sich zuletzt mit<br />

organischen Störungen <strong>de</strong>r Eingewei<strong>de</strong>. Diese Art <strong>de</strong>r <strong>Gicht</strong> plagte Daubentou, <strong>de</strong>n<br />

berühmten Naturforscher in seinen letzten Jahren, <strong>de</strong>ssen Hän<strong>de</strong> dadurch so entstellt<br />

wur<strong>de</strong>n, dass sie, nach <strong>de</strong>m Ausdrucke <strong>de</strong>s Perseus, „<strong>de</strong>n Ästen einer alten Buche“<br />

glichen. – Die Schriftsteller haben sie unter verschie<strong>de</strong>nen Namen unbestimmt<br />

beschrieben.<br />

Verwandlung andrer Krankheiten in <strong>Gicht</strong>.<br />

Kritische <strong>Gicht</strong>.<br />

§. 5.<br />

Mit diesem Namen hat man verschiedne merkwürdige Erfahrungen belegt. So<br />

erzählt van Swieten, dass ein Mann, <strong>de</strong>r, an <strong>de</strong>r Pleuresie lei<strong>de</strong>nd, vergebens mit<br />

häufigen A<strong>de</strong>rlässen etc. behan<strong>de</strong>lt wor<strong>de</strong>n war, am vierten Tage <strong>de</strong>r Krankheit plötzlich<br />

einen Anfall <strong>de</strong>r <strong>Gicht</strong> in bei<strong>de</strong> Füsse bekam, worauf Fieber und Brustschmerzen<br />

sogleich verschwan<strong>de</strong>n und nicht wie<strong>de</strong>rkehrten. Übrigens hatte <strong>de</strong>r Kranken früherhin<br />

nie an <strong>Gicht</strong> gelitten, und blieb auch in <strong>de</strong>r Folge da<strong>von</strong> befreiet. Morgagni wur<strong>de</strong> selbst<br />

<strong>von</strong> einer heftigen Entzündung an bei<strong>de</strong>n Augen befallen, die je<strong>de</strong>m Mittel wi<strong>de</strong>rstand,<br />

bis nach einem warmen Fussba<strong>de</strong> die <strong>Gicht</strong> im grossen Zeh <strong>de</strong>s rechten Fusses sich<br />

einfand, worauf die Augenentzündung sogleich verschwand. Lorry 1 erzählt einen Fall<br />

<strong>von</strong> Geisteszerrüttung, welche (obgleich sie allerdings die Folge einer zurückgetretenen<br />

<strong>Gicht</strong> zu seyn schien, aber schon 10 Jahre gewährt hatte) nach einem heftigen, aber<br />

niemals wie<strong>de</strong>rkehren<strong>de</strong>n Anfalle <strong>von</strong> Fussgicht gänzlich verschwand. Lanzoni führt das<br />

Beispiel eines Frauenzimmers an, das, 25 Jahre epileptisch, durch einen <strong>Gicht</strong>anfall <strong>de</strong>r<br />

unteren Extremitäten <strong>von</strong> jener Krankheit befreiet wur<strong>de</strong>. Auch in verschie<strong>de</strong>nen<br />

Nervenübeln hat man die <strong>Gicht</strong> oft kritisch wer<strong>de</strong>n gesehen, vorzüglich in <strong>de</strong>r<br />

Hypochondrie und Melancholie. Die letztere und <strong>Gicht</strong> sind selten mit einan<strong>de</strong>r<br />

verbun<strong>de</strong>n, - eine tröstliche Bemerkung für die Opfer bei<strong>de</strong>r Krankheiten.<br />

Metastatische <strong>Gicht</strong>.<br />

§. 6.<br />

Häufig sieht man hartnäckige Hautkrankheiten sich plötzlich in eben so<br />

hartnäckige <strong>Gicht</strong> <strong>de</strong>r Extremitäten umwan<strong>de</strong>ln. Bang sah sie auf Flechten und schnelle<br />

Heilung <strong>von</strong> Geschwüren und Fontanellen folgen. In diese Reihe stellt Barthez, vielleicht<br />

nicht mit Unrecht, die schmerzhafte Schenkelgeschwulst <strong>de</strong>r Wöchnerinnen,<br />

1 Im Original steht, wahrscheinlich durch einen Druckfehler, Long statt Lorry. Die Stelle fin<strong>de</strong>t<br />

sich in: Lorry <strong>de</strong> praecipuis morborum mutationibus. Paris 1784. pag. 280.<br />

6


(Phlegmasia alba dolens puerperarum) die <strong>de</strong>r <strong>Gicht</strong> so sehr ähnlich und <strong>von</strong> <strong>de</strong>r<br />

Musgrave vier interessante Fälle anführt.<br />

<strong>Gicht</strong> durch Ausbreitung einer an<strong>de</strong>rn Krankheit.<br />

§. 7.<br />

Gewisse chronische Krankheiten <strong>de</strong>hnen sich, wie es scheint, auf die Gelenke aus,<br />

und spielen dort die Rolle <strong>de</strong>r <strong>Gicht</strong>, aber ohne Erleichterung <strong>de</strong>r Grundkrankheit. „Man<br />

sieht nicht selten“, sagt Hallé, „schmerzhafte chronische Übel <strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nen Organe<br />

die Form <strong>de</strong>r wan<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>n <strong>Gicht</strong> annehmen, mit <strong>de</strong>m Entstehen <strong>von</strong> Röthe, Geschwulst<br />

und selbst Knoten <strong>de</strong>r Gelenke, und einer augenblicklichen, aber trügerischen<br />

Min<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s inneren Lei<strong>de</strong>ns. Bei <strong>de</strong>m Gebrauche <strong>de</strong>r üblichen <strong>Gicht</strong>mittel gegen<br />

diese örtlichen Übel fin<strong>de</strong>t dann <strong>de</strong>r Arzt sich immer getäuscht.“<br />

Untersuchungen über <strong>de</strong>n Sitz <strong>de</strong>r <strong>Gicht</strong>.<br />

§. 8.<br />

Über diesen Punkt waren bisher die Meinungen <strong>de</strong>r Ärzte sehr getheilt; doch hat<br />

die pathologische Anatomie jetzt <strong>de</strong>n Streit geschie<strong>de</strong>n. Das F a s e r n g e w e b e ist<br />

unstreitig <strong>de</strong>r gewöhnlichste, aber durchaus nicht <strong>de</strong>r ausschliessliche Sitz <strong>de</strong>r<br />

gichtischen Thätigkeit, da je<strong>de</strong>s Gewebe und je<strong>de</strong> organische Form, die zur Bildung <strong>de</strong>r<br />

Gelenke beiträgt, nach <strong>de</strong>r Reihe, durch die <strong>Gicht</strong>krankheit in ihrer Structur<br />

umgeän<strong>de</strong>rt wor<strong>de</strong>n ist.<br />

§. 9.<br />

Man hat die Frage aufgeworfen: Ist <strong>de</strong>r Charakter <strong>de</strong>r <strong>Gicht</strong> entzündlich o<strong>de</strong>r<br />

nervös? – Pinel hatte sie in <strong>de</strong>r ersten Ausgabe seiner Nosographie zu <strong>de</strong>n nervösen<br />

Krankheiten gerechnet, setzte sie aber späterhin in die erstere Klasse. Obgleich die<br />

<strong>Gicht</strong> sich durch grosse Beweglichkeit auszeichnet, und sie im Nu <strong>von</strong> einem Gelenk<br />

auf’s andre, und <strong>von</strong> diesem auf innere Organe sich versetzen kann; so erkennen wir<br />

doch <strong>de</strong>utlich, bei genauer Untersuchung ihrer Symptome und <strong>de</strong>r pathologischen<br />

Anatomie, ihren entzündlichen Charakter. Folgen<strong>de</strong> interessante Erläuterung dieses<br />

Satzes erhielt <strong>de</strong>r Herausgeber <strong>von</strong> Dr. Felix aus Bristol durch Dr. Dickson in Clifton,<br />

wofür er sich ihm sehr verpflichtet fühlt.<br />

„Werther Freund,<br />

Ich re<strong>de</strong>te einst mit Ihnen darüber, dass mir im Anfange meiner praktischen<br />

Laufbahn ein o<strong>de</strong>r zwei Umstän<strong>de</strong> vorgekommen wären, die, wenn auch nicht durch ihr<br />

Wesen ausgezeichnet, doch nicht im gewöhnlichen Gange <strong>de</strong>r Dinge sich ereigneten.<br />

Herr Gottoch, ein Lan<strong>de</strong><strong>de</strong>lmann, 70 Jahre alt, <strong>von</strong> starkem und corpulentem<br />

Körperbau, welcher seine jährlichen <strong>Gicht</strong>anfälle ausgenommen, die er schon seit<br />

mehreren Jahren regelmässig bekommen hatte, und die er scherzweise seinen Doctor<br />

nannte, sich einer vollkommenen Gesundheit erfreute, bekam um Weihnachten 1787<br />

einen Anfall <strong>de</strong>r erwähnten Krankheit. Da ich Gelegenheit hatte, sein Gut zu passiren,<br />

so stattete ich ihm einen freundschaftlichen Besuch ab, und fand <strong>de</strong>n alten E<strong>de</strong>lmann<br />

behaglich in Flanell und Betten eingehüllt; er war bei froher Laune, und sagte mir, dass<br />

er nie vorher einen s o l e i c h t e n A n f a l l gehabt habe, und bat mich zugleich seine<br />

r o s a f a r b e n e n F ü s s e zu besehen. Ich machte ihn auf das Gefährliche seiner Lage<br />

aufmerksam, da das Wetter kalt und strenger Frost war, aber er bestand auf seinem<br />

Willen und die Füsse wur<strong>de</strong>n a u f d e r H ö h e <strong>de</strong>r gichtischen Affection vorgezeigt. Die<br />

Besichtigung währte nicht lange, und ich verliess ihn bald darauf mit <strong>de</strong>m Versprechen,<br />

zum Mittagessen zurückzukehren. Binnen einer Stun<strong>de</strong> war ich wie<strong>de</strong>r zurück, und ging<br />

7


die Treppe herauf, um mit meinem alten Freun<strong>de</strong> bis zur Mittagsstun<strong>de</strong> zu plau<strong>de</strong>rn. Er<br />

sass still im Bette und wir knüpften unsere Unterhaltung wie<strong>de</strong>r an: aber ich bemerkte<br />

nun, dass er seine Hand einige Male auf die linke Seite legte, und fragte ihn endlich, ob<br />

er etwa dort Schmerzen empfän<strong>de</strong>. Seine Antwort war: er fühle sich etwas schläfrig und<br />

wolle sich <strong>de</strong>shalb nie<strong>de</strong>rlegen. Ich rief daher seinen Bedienten, um ihm Hülfe zu leisten;<br />

aber kaum hatte er sich nie<strong>de</strong>rgelegt, als er einen so stechen<strong>de</strong>n Schmerz in <strong>de</strong>r Seite<br />

fühlte, dass er sich sogleich genöthigt sahe, sich wie<strong>de</strong>r aufzurichten. Dies schaffte keine<br />

Erleichterung; <strong>de</strong>r Schmerz wuchs, das Athmen ward schwer und kurz, in wenigen<br />

Minuten war, <strong>de</strong>m Anscheine nach, eine vollkommene Pleuritis vorhan<strong>de</strong>n. Das Gesicht<br />

war roth, und <strong>de</strong>r Puls ging heftig. Bei <strong>de</strong>r Wegnahme <strong>de</strong>r Bett<strong>de</strong>cke und <strong>de</strong>s Flanells<br />

fand ich, zu meinem Erstaunen, die Geschwulst ganz gesunken, und die Röthe<br />

verschwun<strong>de</strong>n und die Füsse vollkommen schmerzfrei. Das Mittagessen war eben<br />

aufgetragen wor<strong>de</strong>n, und da es ein Familien- und Weihnachtsfest war, so herrschte<br />

Überfluss auf <strong>de</strong>r Tafel. Da alle Kessel, Töpfe und Gefässe in Requisition gesetzt waren,<br />

so fehlte es auch nicht an warmen Flüssigkeiten: daher liess ich einen großen<br />

Waschzuber mit Hammelfleisch- und Rindfleischsuppe füllen und heraufbringen, wobei<br />

ich nicht auf <strong>de</strong>n Inhalt son<strong>de</strong>rn auf die Temperatur Rücksicht nahm. Während nun <strong>de</strong>r<br />

alte Mann in diese heterogene Mischung hineingesetzt wur<strong>de</strong>, öffnete ich ihm eine A<strong>de</strong>r<br />

und liess das Blut so lange fliessen, bis er mit Leichtigkeit respirien konnte. Durch die<br />

schnelle Anwendung dieser Mittel glaube ich sein Leben gerettet zu haben; aber die<br />

Krankheit war nun langwierig und verdrüsslich, die gichtische Affection <strong>de</strong>r Füsse war<br />

nur teilweise und langsam zurückgebracht und die r e g e l m ä s s i g e n <strong>Gicht</strong>anfälle<br />

kamen nie wie<strong>de</strong>r. Der Zurücktritt o<strong>de</strong>r die Metastase <strong>de</strong>s <strong>Gicht</strong>stoffes o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />

gichtischen Thätigkeit zeigte sich hier sehr schnell und <strong>de</strong>utlich. Kaum waren zwei volle<br />

Stun<strong>de</strong>n vergangen seit <strong>de</strong>r Zeit, dass ich die Füsse gesehen, bis dass ich zu A<strong>de</strong>rlässen<br />

genöthigt war. Vielleicht ist dieser Fall nicht sehr selten und merkwürdig, aber er<br />

musste <strong>de</strong>m folgen<strong>de</strong>n nothwendig vorausgeschickt wer<strong>de</strong>n. Kurz, er war nur das erste<br />

Glied einer Kette <strong>von</strong> merkwürdigen und anomalen Erscheinungen, welche die<br />

Aufmerksamkeit <strong>de</strong>s Pathologen, wie <strong>de</strong>s praktischen Arztes, mit vollem Rechte<br />

verdienen.<br />

Die Genesung <strong>de</strong>s Herrn G. ging langsam <strong>von</strong> Statten und zog sich <strong>de</strong>n ganzen<br />

Winter hin, aber bei <strong>de</strong>r Annäherung <strong>de</strong>s Sommers erholte er sich allmählich, und<br />

erlangte, bis auf einen gewissen Grad; seine vorige Gesundheit und Heiterkeit wie<strong>de</strong>r.<br />

Sein r e g e l m ä s s i g e r D o c t o r kehrte aber nicht zurück, o<strong>de</strong>r machte nur kurze und<br />

unzureichen<strong>de</strong> Besuche. Nach <strong>de</strong>m Schlusse <strong>de</strong>r Jahres 1788 lud er mich zu einem<br />

Besuche ein, um mich wegen eines Umstan<strong>de</strong>s zu consultiren, <strong>de</strong>r ihm seit einiger Zeit<br />

sehr beschwerlich gefallen war, <strong>de</strong>n er aber bis jetzt verschwiegen hatte. Nach vielen<br />

Umschweifen ent<strong>de</strong>ckte er nun sein geheimes Unglück, welches in einer <strong>de</strong>utlichen<br />

Hydrocele bestand. Nach verschie<strong>de</strong>nen Erläuterungen und Rathschlägen, willigte er<br />

nur in die palliative Operation ein, die dann vorgenommen und wobei ein Quart Wasser<br />

entleert wur<strong>de</strong>. Natürlich kehrte die Wasseransammlung wie<strong>de</strong>r zurück, und <strong>de</strong>r<br />

Kranke sah sich nun genöthigt, seine Einwilligung zur Radicalcur zu geben: nun bat er,<br />

noch ein Mal die vorige Operation vorzunehmen, mit <strong>de</strong>m Versprechen, dass, wenn das<br />

Scrotum sich zum dritten Male anfüllte, er die Einsprützungen zur radicalen Heilung<br />

zugeben wollte. Als nun die Geschwulst aufs Neue sich gefüllt und die grösste Höhe<br />

erreicht hatte, untersuchte ich sie spät am Abend noch sorgsam, und bestimmte <strong>de</strong>n<br />

nächsten Morgen zur Operation. Bei meiner Ankunft fand ich <strong>de</strong>n Patienten im Bette,<br />

und nach<strong>de</strong>m ich die nöthigen Instrumente auf <strong>de</strong>n Tisch gelegt hatte, nahm ich die<br />

Bett<strong>de</strong>cke weg und entblösste das Scrotum, aber – zu meiner unaussprechlichen<br />

Bestürzung und zum äussersten Erstaunen <strong>de</strong>s Kranken, war keine Spur mehr <strong>von</strong> <strong>de</strong>r<br />

Hydrocele vorhan<strong>de</strong>n! Das Scrotum war wie im natürlichen Zustan<strong>de</strong> gerunzelt.<br />

Während <strong>de</strong>r Nacht, da jener im tiefsten Schlafe lag, war nichts Beson<strong>de</strong>res vorgefallen,<br />

was mit <strong>de</strong>m plötzlichen Verschwin<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Geschwulst in Verbindung stehen konnte.<br />

Er hatte we<strong>de</strong>r mehr Urin als gewöhnlich gelassen, noch auch während <strong>de</strong>r letzten 24<br />

8


Stun<strong>de</strong>n einen Stuhlgang gehabt. Dem sey nun, wie ihm wolle, mein Patient drückte<br />

seine Freu<strong>de</strong> sehr richtig so aus, dass die Natur mich <strong>von</strong> <strong>de</strong>r Mühe und ihn <strong>von</strong> <strong>de</strong>n<br />

Schmerzen <strong>de</strong>r vorgehabten Operation befreit habe. – Keine sichtlichen Folgen zeigten<br />

sich sogleich nach dieser ausseror<strong>de</strong>ntlichen Einsaugung, aber nach wenigen Wochen<br />

stellten sich Erscheinungen ein, die eine allgemeine Zerrüttung <strong>de</strong>s Körpers<br />

dokumentirten. Sein Appetit verlor sich; es stellten sich wan<strong>de</strong>rn<strong>de</strong> Schmerzen, kurzer<br />

Husten und beim Besteigen eines Hügels o<strong>de</strong>r beim Treppensteigen Beschwer<strong>de</strong>n im<br />

Athmen ein. Seine Arme waren beson<strong>de</strong>rs <strong>de</strong>r Sitz <strong>de</strong>r Schmerzen und allmählich verlor<br />

er fast ganz ihren Gebrauch. Damals waren keine Anschwellungen <strong>de</strong>r Füsse o<strong>de</strong>r<br />

Knöchel vorhan<strong>de</strong>n, aber er bemerkte stets, dass die Brust <strong>de</strong>sto freier war, je grösser<br />

seine Armschmerzen waren. Es wäre langweilig, hier die mannigfachen, während einer<br />

langen Zeit angewandten Heilmittel aufzuzählen: genug, die Brustaffection trug endlich<br />

über alle an<strong>de</strong>ren Beschwer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>n Sieg da<strong>von</strong>, und Brustwassersucht entwickelte sich<br />

nun <strong>de</strong>utlich. Lange Zeit hielten nun angemessene Arzneien diese gefährliche<br />

Brustkrankheit in Schranken; aber endlich schien <strong>de</strong>r Körper <strong>de</strong>s Kranken unter ihrem<br />

Drucke zu erliegen: <strong>de</strong>shalb wur<strong>de</strong> die Familie auf seinen Tod vorbereitet, einen<br />

Ausgang, <strong>de</strong>n er selbst erwartete, und wozu er die nöthigen Vorbereitungen machte,<br />

in<strong>de</strong>m er seine weltlichen und geistigen Angelegenheiten in Ordnung brachte. In einer<br />

Nacht, als die letzte Stun<strong>de</strong> zu nahen schien, liess mich die Familie holen, um mit ihr<br />

<strong>de</strong>n traurigen Ausgang zu erwarten, in welche Bitte ich auch einwilligte, da alle<br />

Symptome für eine baldige Auflösung sprachen. Am Tage hatte Patient schon ganz<br />

sprachlos gelegen. Ich blieb bis in die späte Nacht bei ihm auf, und drang dann in die<br />

Familie, sich zur Ruhe zu begeben, mit <strong>de</strong>m Versprechen, sie, sobald die fürchterliche<br />

To<strong>de</strong>sstun<strong>de</strong> herankäme, rufen zu lassen. Als ich sah, dass <strong>de</strong>r Kranke ruhig schlief,<br />

legte ich mich um zwei Uhr Morgens in einem anstossen<strong>de</strong>n Kabinette nie<strong>de</strong>r, in<strong>de</strong>m ich<br />

<strong>de</strong>r Wärterinn befahl, bei <strong>de</strong>r geringsten Verän<strong>de</strong>rung mich zu rufen. Nach 7 Uhr weckte<br />

sie mich mit <strong>de</strong>r Nachricht, dass <strong>de</strong>r Patient im Begriff sey zu sterben. Ich eilte sogleich<br />

ins Krankenzimmer, wo ich die ganze Familie ums Bett herum versammelt fand, um<br />

Zeugen seines letzten Augenblickes zu seyn. Ich setzte mich ans Bett und ergriff seinen<br />

Arm, aber anstatt eines Pulses fühlte ich nur zuweilen ein unbestimmtes Wallen. Seine<br />

Augen waren starr und leblos; auf <strong>de</strong>r Stirne lag ein kalter Schweiss; die Brust arbeitete<br />

mühsam und in langen Intervallen: kurz, es war das wahre Bild eines Verschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n.<br />

So lag er über eine halbe Stun<strong>de</strong>, während <strong>de</strong>r ich meine Finger ans Handgelenk legte,<br />

<strong>de</strong>n letzten Pulsschlag erwartend, und in <strong>de</strong>r Meinung, dass je<strong>de</strong>r Versuch zum Athmen<br />

<strong>de</strong>r letzte seyn wür<strong>de</strong>. Während dieser traurigen Scene schlug er zu meinem Erstaunen,<br />

o<strong>de</strong>r möchte ich sagen, zu meiner Bestürzung, die Augen auf, fuhr plötzlich im Bette auf,<br />

starrte einige Secun<strong>de</strong>nlang eine seiner Töchter, die trostlos nahe am Bette sass, an, und<br />

sprang dann plötzlich heraus, als habe er die Absicht, sie fest zu halten, ohne dass ich<br />

die Kraft hatte, o<strong>de</strong>r nur daran dachte, ihm zuvorzukommen! So fiel er auf <strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>n<br />

hin, und nun erhielten wir erst hinreichen<strong>de</strong> Besinnung wie<strong>de</strong>r, ihm zu Hülfe zu eilen<br />

und ihn wie<strong>de</strong>r ins Bette zu legen. Von diesem Augenblicke an ward seine Brust frei, <strong>de</strong>r<br />

Pulsschlag kehrte zurück, so wie seine Sprache, aber sein Verstand war gänzlich dahin,<br />

und blieb auch weg, bis zu seinem To<strong>de</strong>, <strong>de</strong>r erst 14 Monate danach erfolgte.“<br />

Während dieses langen Zeitraums <strong>von</strong> Geisteszerrüttung hatte ich oft<br />

Gelegenheit, <strong>de</strong>nn unglücklichen Kranken zu sehen. Jene wechselte oft ihren Charakter.<br />

Im Anfange schien sie mehr Phantasie, als Wahnsinn zu seyn: bei ihrer Zunahme<br />

zeigten sich bald Spuren <strong>von</strong> Narrheit, bald Ausbrüche <strong>von</strong> Wuth. Zuletzt war die I<strong>de</strong>e<br />

beim ihm vorherrschend, dass er in einem einzelnen Wirtshause in einer entfernten<br />

Gegend <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s sey, und diesen Gedanken hielt er eine Zeitlang fest, in<strong>de</strong>m er Tag<br />

und Nach da<strong>von</strong> re<strong>de</strong>te: dann waren keine Symptome <strong>von</strong> Fieber o<strong>de</strong>r irgend einer Art<br />

<strong>von</strong> vermehrter Gefässthätigkeit vorhan<strong>de</strong>n. Nach einigen Monaten bekam er ein<br />

heftiges Jucken, das ihm sehr beschwerlich fiel; aber während <strong>de</strong>r Dauer besserte sich<br />

sein allgemeiner Gesundheitszustand sichtlich. Als aber dies Hautübel verschwand,<br />

stellte sich Hautwassersucht ein. Und endlich starb er an allgemeiner Wassersucht. –<br />

9


Ich überlasse es Ihnen, mein Herr, sich Ihren eigenen Commentar zu dieser<br />

merkwürdigen Reihe <strong>von</strong> Krankheitsmetamorphosen zu machen, und gebe Ihnen nur die<br />

heilige Versicherung, dass meine Erzählung treu ist, und die Thatsachen authentisch<br />

sind. Ich habe selten <strong>de</strong>n Fall mitgetheilt, weil man meine Erzählung in <strong>de</strong>r Regel mit<br />

einer gewissen Art <strong>von</strong> Zweifel anhörte, aber ich kann <strong>de</strong>n Gedanken nicht aufgeben,<br />

dass er sowohl in pathologischer als therapeutischer Hinsicht nicht ohne Interesse und<br />

<strong>de</strong>r Erwähnung werth ist.<br />

Ich bin u. s. w. – „<br />

<strong>Gicht</strong> andrer Theile.<br />

§. 10.<br />

Man hat dieser verschie<strong>de</strong>ne Namen beigelegt, und sie a n o m a l e ,<br />

u n r e g e l m ä s s i g e u n d i n n e r e G i c h t genannt. Sie nimmt meist je<strong>de</strong> Form an<br />

und ergreift je<strong>de</strong>s Organ. Aber hier, wie in <strong>de</strong>r regulären Art, zieht sie das weisse<br />

Faserngewebe vor, weshalb man sie lei<strong>de</strong>r oft mit Rheumatismus und Nervenaffectionen<br />

verwechselt hat. Es ist daher <strong>von</strong> <strong>de</strong>r höchsten Wichtigkeit, eine so trügerische<br />

Krankheitsform genau zu kennen, die heute ein Ligament und morgen vielleicht <strong>de</strong>n<br />

Magen, die Lungen o<strong>de</strong>r das Gehirn befällt.<br />

Sitzt sie in <strong>de</strong>r Muskelbe<strong>de</strong>ckung, so verbreitet sich <strong>de</strong>r Schmerz nach <strong>de</strong>m<br />

ganzen Laufe dieser Membranen, ohne dass Spuren <strong>von</strong> Entzündung o<strong>de</strong>r Anschwellung<br />

an <strong>de</strong>r Oberfläche sich zeigen. In <strong>de</strong>n B ä n d e r n unter <strong>de</strong>m sternum spielt <strong>Gicht</strong> die<br />

Rolle <strong>de</strong>r Angina pectoris: in <strong>de</strong>r B e i n h a u t zeigen sich oft Knoten an Armen und<br />

Beinen, die leicht für venerische gehalten wer<strong>de</strong>n. In diesem Augenblicke behan<strong>de</strong>ln wir<br />

eine solche gichtische grosse Geschwulst, die sehr schmerzhaft ist und an einigen Rippen<br />

sitzt: <strong>de</strong>r Kranke hat im Frühjahre regelmässige <strong>Gicht</strong>anfälle. Mehrere solcher Fälle<br />

könnte ich anführen. - Greift sie die B e i n h a u t d e s S c h ä d e l s an, so verfolgt sie<br />

<strong>de</strong>n Lauf <strong>de</strong>r Nähte so genau, dass <strong>de</strong>r Kranke, wie Aretäus schon vor Zeiten bemerkt<br />

hat, sie richtiger, als <strong>de</strong>r Anatom angeben kann. Wir haben grosses Recht zu glauben,<br />

dass manches periodische Kopfweh, welches China, Arsenik etc. ungeheilt lässt, eine<br />

gichtische Affection <strong>de</strong>r h a r t e n H i r n h a u t ist. – Die Kapselhülle <strong>de</strong>r N i e r e n ist,<br />

wie bekannt, häufig <strong>de</strong>r Sitz <strong>de</strong>r <strong>Gicht</strong>, und dieses Übel wird nicht selten mit Len<strong>de</strong>nweh<br />

und an<strong>de</strong>ren Krankheiten <strong>de</strong>r Nachbarschaft verwechselt. In vielen<br />

A u g e n e n t z ü n d u n g e n mit periodischen Verschlimmerungen ist <strong>Gicht</strong> das<br />

ursächliche Moment gewesen. Wir haben sie <strong>de</strong>n Ho<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Mannes <strong>von</strong> mittleren<br />

Jahren, <strong>de</strong>r <strong>von</strong> je<strong>de</strong>m Verdacht auf Syphilis frei war, befallen sehen. Der linke Ho<strong>de</strong>n<br />

verursachte ihm die fürchterlichsten Schmerzen, ohne anzuschwellen und ohne <strong>de</strong>n<br />

Samenstrang in Mitlei<strong>de</strong>nschaft zu ziehen. Ein Anfall <strong>von</strong> regulärer <strong>Gicht</strong> war<br />

vorhergegangen. Zu <strong>de</strong>n Fällen, wo die <strong>Gicht</strong> das weisse Faserngewebe <strong>de</strong>s arteriellen<br />

Systems angreift, möchten wir die Geschichte <strong>de</strong>s berühmten John Hunter rechnen, die<br />

Deportes in seiner Abhandlung über die Brustbräune mittheilt. Man sieht dort, dass<br />

regelmässige <strong>Gicht</strong>anfälle im Frühjahre <strong>de</strong>m Brustlei<strong>de</strong>n vorhergingen, welches so<br />

merkwürdige Erscheinungen zeigte, in<strong>de</strong>m z. B. die Arterien <strong>de</strong>s linken Armes <strong>de</strong>r Sitz<br />

eines so peinigen<strong>de</strong>n Schmerzes waren, dass sie nicht <strong>de</strong>n geringsten Druck ertragen<br />

konnten. Viele Fälle <strong>von</strong> sogenannter Brustbräune scheinen in <strong>de</strong>r That nur Effecte <strong>von</strong><br />

gichtischer Reizung <strong>de</strong>s Herzens, <strong>de</strong>r grossen Gefässe und <strong>de</strong>r Nervengeflechte in <strong>de</strong>r<br />

Brust zu seyn.<br />

Die Verwandtschaft zwischen <strong>Gicht</strong> und <strong>de</strong>n sogenannten Nervenlei<strong>de</strong>n verdient<br />

unsre ganze Aufmerksamkeit und eine genaue Untersuchung. Whytt machte die richtige<br />

Bemerkung, dass Männer und Weiber <strong>von</strong> kräftiger Constitution leicht <strong>von</strong> <strong>Gicht</strong>, aber<br />

selten <strong>von</strong> Nervenkrankheiten befallen wer<strong>de</strong>n, während zart gebaute Körper weniger<br />

<strong>de</strong>r ersteren, aber häufiger <strong>de</strong>r letzteren ausgesetzt sind. I<strong>de</strong>ler sah bei einer Frau eine<br />

traurige Kette <strong>von</strong> Nervenlei<strong>de</strong>n durch einen Anfall <strong>von</strong> Fussgicht verschwin<strong>de</strong>n.<br />

10


Lei<strong>de</strong>nfrort 2 erzählt einen Fall <strong>von</strong> Gesichtsschmerz, <strong>de</strong>r durch <strong>de</strong>n Eintritt <strong>von</strong><br />

Fussgicht behoben wur<strong>de</strong>. Wir selbst haben einen nervösen Gesichtsschmerz beobachtet,<br />

<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>utlichem Zusammenhange mit <strong>Gicht</strong> stand, und <strong>de</strong>m ein Anfall <strong>de</strong>rselben im<br />

Kinn folgte. Das Gelenk <strong>de</strong>s Unterkiefers auf <strong>de</strong>r rechten Seite war <strong>de</strong>r Sitz <strong>de</strong>s<br />

<strong>Gicht</strong>schmerzes, während ein andrer und bestimmter Schmerz vom foramen mentale<br />

auszugehen schien, <strong>de</strong>r sich über das Kinn und die Lippen verbreitete. Der Anfall<br />

dauerte sechs Wochen, und die Paroxysmen glichen <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r regulären <strong>Gicht</strong>. Während<br />

dieser ganzen Zeit hielt <strong>de</strong>r Tic immer gleichen Schritt: Zunahme, Abnahme und<br />

Verschwin<strong>de</strong>n war wie bei <strong>de</strong>m an<strong>de</strong>ren Übel. Eine unzählige Menge <strong>von</strong> Erfahrungen in<br />

diesem Punkte bringen uns auf die Vermuthung, dass <strong>Gicht</strong> und Nervenaffectionen in<br />

einem innigen Zusammenhange mit einan<strong>de</strong>r stehen und vielleicht einen<br />

gemeinschaftlichen Ursprung haben. Diese Meinung wird bestätigt durch die<br />

Betrachtung <strong>de</strong>s weissen Faserngewebes, woraus die Umgebung o<strong>de</strong>r das Neurilemma<br />

<strong>de</strong>r Nerven besteht, und das wir als <strong>de</strong>n vorzüglichsten Sitz <strong>de</strong>r <strong>Gicht</strong> kennen 3 .<br />

Wir kommen jetzt dahin, die verschie<strong>de</strong>nen Verwandlungen, welche <strong>Gicht</strong>, die<br />

nicht die Gelenke befällt, macht, zu zeigen. Wir wollen diesen Proteus in allen seinen<br />

Formen verfolgen, und alle seine Larven und Verwandlungen kennen lernen, um dann<br />

<strong>de</strong>n Feind in alle seine Schlupfwinkel verfolgen und ihn mit Erfolg bekämpfen zu<br />

können.<br />

Umwandlungen <strong>de</strong>r <strong>Gicht</strong> in andre Krankheitsformen<br />

§. 11.<br />

Diese entwickeln sich oft durch <strong>de</strong>n unvorsichtigen Gebrauch äusserer Mittel an<br />

Gelenken, wodurch die gichtische Thätigkeit, wie es scheint, <strong>von</strong> ihrem äusseren Sitze<br />

nach einem inneren Theile getrieben wird, - zuweilen auch durch wichtige psychische<br />

Einflüsse, welche die Thätigkeit <strong>de</strong>s Körpers stören und <strong>de</strong>n harmonischen Gang seiner<br />

Verrichtungen hemmen; weshalb man diesen Krankheiten <strong>de</strong>n Namen <strong>de</strong>r<br />

z u r ü c k g e t r e t e n e n , u n t e r d r ü c k t e n o<strong>de</strong>r v e r s e t z t e n <strong>Gicht</strong> gegeben hat.<br />

Zuweilen auch wechselt die <strong>Gicht</strong>, partiell o<strong>de</strong>r allgemein, ohne sichtbare Veranlassung,<br />

o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Gebrauche äusserer Mittel, ihren Sitz und geht <strong>von</strong> <strong>de</strong>n Extremitäten auf<br />

innere Theile über, wo sie dann <strong>de</strong>n Namen <strong>de</strong>r f r e i w i l l i g z u r ü c k g e t r e t e n e n<br />

<strong>Gicht</strong> erhält. Es kommen aber auch, ohne unmittelbar vorhergegangene <strong>Gicht</strong>anfälle,<br />

innere Krankheiten gichtischer Natur vor, die zum Wohl <strong>de</strong>s Patienten genau erkannt<br />

wer<strong>de</strong>n müssen. Diese Form nennt man die l a v i r t e o<strong>de</strong>r v e r b o r g e n e <strong>Gicht</strong>, die wir<br />

jetzt etwas genauer durchgehen wollen. – Es hatte Jemand z. B. früher Anfälle <strong>von</strong><br />

regulärer <strong>Gicht</strong> gehabt, war aber ungewöhnlich lange da<strong>von</strong> frei geblieben. Dieser wird<br />

nun, und zwar um die Zeit seiner früheren <strong>Gicht</strong>anfälle, <strong>von</strong> einer herrschen<strong>de</strong>n<br />

Jahreskrankheit befallen, die nicht bloss <strong>de</strong>n gewöhnlichen Mitteln wi<strong>de</strong>rsteht, son<strong>de</strong>rn<br />

auch fremdartige und ganz besondre Erscheinungen darbietet, die sonst bei dieser<br />

Krankheit nicht Statt fin<strong>de</strong>n. Hier argwöhnen wir mit Recht eine verborgene o<strong>de</strong>r<br />

lavirte <strong>Gicht</strong>, obgleich diese we<strong>de</strong>r kurz zuvor die Gelenke befallen, noch auch <strong>von</strong> ihnen<br />

zurückgetreten ist. Wenn, wie Stoll und Barthez schon ganz richtig bemerkt haben, <strong>de</strong>r<br />

Magen o<strong>de</strong>r die Unterleibsorgane (die vorzugsweise <strong>von</strong> <strong>de</strong>r inneren <strong>Gicht</strong> befallen<br />

2 Nicht Lei<strong>de</strong>nfort, wie im Originale steht. (Anm. d. Uebers.)<br />

3 Dies ist ein zweiter Schlag für die Classe <strong>de</strong>r Neurosen, wobei ich zugleich das<br />

Übereinstimmen<strong>de</strong> zwischen <strong>de</strong>n Schriftstellern <strong>de</strong>s festen Lan<strong>de</strong>s und <strong>de</strong>m Dr. Parry bemerken<br />

muss. Täglich sehen wir neue Beweise <strong>von</strong> <strong>de</strong>m grossen Einflusse <strong>de</strong>s Blutgefässsystems auf die<br />

Nerven, wahrscheinlich bewürkt durch das weisse Faserngewebe o<strong>de</strong>r das Neurilemma, in<br />

welchem Congestionen, Entzündungen o<strong>de</strong>r gichtische und rheumatische Reizungen, diese<br />

krampfhaften, bis jetzt sogenannten nervösen, Affectionen leicht hervorzubringen vermögen. –<br />

Vid. Dr. Moulson über Krampfkrankheiten, in <strong>de</strong>n Abh. D. Med. chir. Gesellschaft, Bd. III., und<br />

Dr. Seeds, über Blutlassen. Ebend. Bd. I. p. 88 sq. D. V.<br />

11


wer<strong>de</strong>n) <strong>de</strong>r Sitz <strong>de</strong>s Übels sind, so giebt uns dies hinreichen<strong>de</strong> Grün<strong>de</strong> für unsern<br />

Verdacht.<br />

Aber wir müssen dann auch selbst manches innere Lei<strong>de</strong>n für gichtisch halten,<br />

wenn <strong>de</strong>r Kranke vorher nie einen regulären <strong>Gicht</strong>anfall gehabt hat. Barthez stellt<br />

folgen<strong>de</strong> Kriterien auf:<br />

a) Prädisposition durch Abstammung <strong>von</strong> gichtischen Eltern, o<strong>de</strong>r<br />

en<strong>de</strong>mische gichtische Constitution <strong>de</strong>r Gegend;<br />

b) <strong>Gicht</strong>ischer Habitus <strong>de</strong>s Körpers;<br />

c) Fortwähren<strong>de</strong> Störungen in <strong>de</strong>n Digestionsorganen – und vorzüglich<br />

Unmässigkeit und Lei<strong>de</strong>nschaften aller Art;<br />

d) Innere, mehr o<strong>de</strong>r weniger heftige Lei<strong>de</strong>n, die zu beson<strong>de</strong>ren Jahreszeiten<br />

ab- und zunehmen, o<strong>de</strong>r durch Umstän<strong>de</strong>, die auf die Haut und die<br />

Ausdünstung influiren, verursacht wer<strong>de</strong>n.<br />

Kommen zu einem dieser Zeichen noch Schmerzen eines Theils, <strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>m<br />

weissen Faserngewebe besteht, und lässt <strong>de</strong>r Kranke einen häufigen, ein reichliches<br />

Sediment absetzen<strong>de</strong>n Urin: so ist die grösste Wahrscheinlichkeit vorhan<strong>de</strong>n, dass die<br />

dunkle Krankheit eine lavirte <strong>Gicht</strong> ist. Untersucht man die Schriften <strong>de</strong>s Musgrave,<br />

Cullen und Stoll, so fin<strong>de</strong>t man hinlängliche Bestätigung <strong>de</strong>s vorhergegangenen Satzes.<br />

Stoll zählt folgen<strong>de</strong> Krankheiten auf, <strong>de</strong>ren Rolle die <strong>Gicht</strong> spielt: Langwierige Koliken,<br />

Hämorrhoi<strong>de</strong>n, Hypochondrie, Melancholie, Wahnsinn, Asthma, Schwin<strong>de</strong>l, Schlagfluss,<br />

Epilepsie, hysterische und nervöse Zufälle, chronische Hautausschläge etc. Es ist in <strong>de</strong>r<br />

That wahr, dass man in unseren öffentlichen Hospitälern, <strong>de</strong>m Zufluchtsorte <strong>de</strong>s Elends<br />

und <strong>de</strong>r Armuth, eine Krankheit nicht studiren kann, die man recht passend die<br />

„Krankheit <strong>de</strong>r Reichen“ genannt hat. Nur in <strong>de</strong>n höheren Stän<strong>de</strong>n und unter <strong>de</strong>n<br />

Vornehmen fin<strong>de</strong>n wir die <strong>von</strong> Stoll und vielen an<strong>de</strong>ren aufgezählten gichtischen<br />

Krankheitsformen.<br />

Hauptarten <strong>de</strong>r inneren <strong>Gicht</strong>.<br />

§. 12.<br />

Wenn die <strong>Gicht</strong> sich unter <strong>de</strong>n Formen und Umstän<strong>de</strong>n zeigt, die wir mit <strong>de</strong>m<br />

Namen <strong>de</strong>r zurückgetriebenen o<strong>de</strong>r zurückgetretenen <strong>Gicht</strong> belegen, so ist sie in <strong>de</strong>r<br />

That entwe<strong>de</strong>r eine mehr o<strong>de</strong>r weniger heftige E n t z ü n d u n g <strong>de</strong>r befallenen Organe,<br />

o<strong>de</strong>r eine Affection, die man n e r v ö s o<strong>de</strong>r k r a m p f h a f t nennen muss. Dies sind die<br />

bei<strong>de</strong>n Hauptgattungen <strong>de</strong>r inneren <strong>Gicht</strong>. Die Möglichkeit einer daseyen<strong>de</strong>n<br />

Entzündung sollte nie <strong>von</strong> <strong>de</strong>nen ausser Acht gelassen wer<strong>de</strong>n, die so grausam und<br />

empirisch zu Werke gehen, dass sie selbst da, wo <strong>de</strong>r Feind <strong>de</strong>n Magen unter <strong>de</strong>r Form<br />

<strong>von</strong> Entzündungen angreift, hartnäckig nur ein g e w i s s e s E t w a s , G i c h t genannt,<br />

sehen wollen, und diese wie<strong>de</strong>r auf die Extremitäten zurück zu treiben ge<strong>de</strong>nken, wenn<br />

sie auf eine entzün<strong>de</strong>te Oberfläche die hitzigsten Tincturen, o<strong>de</strong>r die reizendsten Mittel<br />

bringen, <strong>de</strong>nen sie s p e z i f i k e Kräfte gegen die <strong>Gicht</strong>reizung beilegen!<br />

Nervöse o<strong>de</strong>r krampfige Form <strong>de</strong>r versetzten <strong>Gicht</strong>.<br />

§. 13.<br />

Viele Fälle dieser Art hat man an <strong>de</strong>n Sinnesorganen, vorzüglich am Auge,<br />

beobachtet. Barthez kannte einen Kranken, <strong>de</strong>r an einer Art <strong>von</strong> Gesichtstäuschung litt,<br />

wobei er flimmern<strong>de</strong> Punkte vor <strong>de</strong>n Augen sah, die er aber nach einem Anfalle <strong>von</strong><br />

Fussgicht wie<strong>de</strong>r verlor. Ätius führt ein ähnliches Beispiel an; und Klein erwähnt einer<br />

Amaurose, die, nach <strong>de</strong>m Zurücktritte <strong>de</strong>r <strong>Gicht</strong> entstan<strong>de</strong>n, durch die Anwendung <strong>von</strong><br />

Blasenpflastern behoben wur<strong>de</strong>. – In <strong>de</strong>r Regel sind diese Formen mit Affectionen<br />

benachbarter Theile verbun<strong>de</strong>n. Folgen<strong>de</strong>n, sehr lehrreichen Fall, verdanken wir <strong>de</strong>n<br />

12


Breslauer Ärzten. (Hist. Morbar. Vratislav. etc. pag. 51.) „Ein Mann, <strong>de</strong>r in seiner<br />

Jugend ein unor<strong>de</strong>ntliches Leben geführt hatte, wur<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n Jahren <strong>de</strong>s Mannesalters<br />

<strong>von</strong> heftigen Kolikschmerzen befallen, die mit <strong>de</strong>r Lähmung <strong>de</strong>r einen Körperhälfte<br />

endigten: diese ward aber durch Quecksilbereinreibungen wie<strong>de</strong>r behoben. Einige Zeit<br />

darauf bekam er einen heftigen <strong>Gicht</strong>anfall; da er aber zu ungeduldig war, die<br />

Schmerzen zu ertragen, so tauchte er seine Füsse verschie<strong>de</strong>ne Male und dann auch <strong>de</strong>n<br />

Körper in Wasser, in welchem heisses Silber abgekühlt war. Die Schmerzen<br />

verschwan<strong>de</strong>n aus <strong>de</strong>n Gelenken, griffen aber <strong>de</strong>n Kopf mit einer unbeschreiblichen<br />

Wuth an. Je<strong>de</strong> Exacerbation <strong>de</strong>s Schmerzes kündigte sich durch einen häufigen<br />

Thränenerguss an, verbun<strong>de</strong>n mit convulsivischen Bewegungen <strong>de</strong>r Augen, Sausen vor<br />

<strong>de</strong>n Ohren, Magenbeschwer<strong>de</strong>n und <strong>de</strong>m Abgange eines blassen Urins. Der Schmerz<br />

begann gewöhnlich an <strong>de</strong>r linken Seite <strong>de</strong>s Kopfes, bald <strong>von</strong> <strong>de</strong>r einen, bald <strong>von</strong> <strong>de</strong>r<br />

an<strong>de</strong>rn Stelle ausgehend, und verbreitete sich dann mit grosser Schnelle und Heftigkeit<br />

in die benachbarten Theile, in die Kinnla<strong>de</strong>n, die Schulter und selbst die rechte Seite <strong>de</strong>r<br />

Brust. Am unerträglichsten war er aber in <strong>de</strong>r Mitte <strong>de</strong>s Auges. Von Zeit zu Zeit bil<strong>de</strong>te<br />

sich im Nacken eine rothe Geschwulst, die so empfindlich war, dass man sie nicht<br />

berühren konnte, ohne <strong>de</strong>m Kranken die fürchterlichste Pein zu verursachen. Diese<br />

Anfälle währten 12 Stun<strong>de</strong>n bis 2 volle Tage, während <strong>de</strong>m jener we<strong>de</strong>r die<br />

Lichtstrahlen ertragen, noch <strong>de</strong>n Mund öffnen o<strong>de</strong>r mit Leichtigkeit athmen konnte.<br />

Hatten die Schmerzen dann <strong>de</strong>n höchsten Gipfel erreicht, so trat Erbrechen ein, und die<br />

ganze Scene endigte mit <strong>de</strong>m Abgange eines trüben, sich stark sedimentiren<strong>de</strong>n Urins,<br />

worauf nun <strong>de</strong>r Kranke einige Zeit lang in einem etwas gereizten Zustan<strong>de</strong> blieb.“ –<br />

Der Verfasser hat in diesem Augenblicke einen ganz ähnlichen Fall in<br />

Behandlung. Ein Frauenzimmer hat schon seit mehr als 20 Jahren Anfälle dieser Art,<br />

<strong>de</strong>nen dieselben Erscheinungen vorhergehen. Gewöhnlich kommen sie ein Mal in <strong>de</strong>r<br />

Woche und dauern dann <strong>von</strong> 4 bis zu 12 und 16 Stun<strong>de</strong>n: doch waren sie ein Mal nach<br />

einer starken Salivation und <strong>de</strong>m Gebrauche einer sehr schmalen Kost, 11 Wochen lang<br />

nicht dagewesen. Bei Hoffmann fin<strong>de</strong>t man einen Fall <strong>von</strong> chronischer Schlafsucht, die<br />

nach <strong>de</strong>m Wie<strong>de</strong>rerscheinen <strong>de</strong>r Gelenkgicht verschwand, und <strong>von</strong> Lethargie, die mit <strong>de</strong>r<br />

Stollschen verborgenen <strong>Gicht</strong> in Verbindung stand.<br />

Der schlimmsten aller Formen, <strong>de</strong>r g i c h t i s c h e n A p o p l e x i e , gehen oft<br />

ähnliche Zufälle, wie die eben erwähnten, vorher: beson<strong>de</strong>rs Schwin<strong>de</strong>l, bald<br />

transitorischer, bald chronischer, begleitet <strong>von</strong> einem gewissen Stammeln im Re<strong>de</strong>n und<br />

schwanken<strong>de</strong>m Gange. Möchten doch diese Erscheinungen <strong>von</strong> <strong>de</strong>n Ärzten gehörig<br />

gewürdigt wer<strong>de</strong>n, als drohen<strong>de</strong> Vorboten <strong>de</strong>r nahen Gefahr.<br />

Erster Fall. „Frau <strong>von</strong> St. J – viele Jahre lang mit <strong>Gicht</strong> behaftet, bekam im<br />

letzten Winter zum zweiten Male einen Anfall <strong>von</strong> Schlagfluss, mit Lähmung einer<br />

Seite. Ich wur<strong>de</strong>“, sagt Guilbert; „zu Rathe gezogen, und verordnete die für <strong>de</strong>n<br />

Augenblick nöthigen Mittel. Bei meinem Besuche am folgen<strong>de</strong>n Tage fand ich je<strong>de</strong> Spur<br />

<strong>von</strong> Schlagfluss und Lähmung verschwun<strong>de</strong>n; an ihrer Stelle aber ein unregelmässiges<br />

Fieber mit Irrere<strong>de</strong>n und heftigen Bewegungen etc. Auch diese Symptome verschwan<strong>de</strong>n<br />

bald, und die Grundkrankheit erschien wie<strong>de</strong>r, aber son<strong>de</strong>rbar verän<strong>de</strong>rt. Der vorher<br />

unempfindliche Arm <strong>de</strong>r gelähmten Seite war <strong>de</strong>r Sitz so fürchterlicher Schmerzen<br />

gewor<strong>de</strong>n, dass die leiseste Berührung <strong>de</strong>r Kranken einen heftigen Schmerz auspresste.<br />

Seit<strong>de</strong>m blieb <strong>de</strong>r Arm gelähmt. – Ähnliche Erscheinungen habe ich bei einem an<strong>de</strong>rn<br />

Falle <strong>von</strong> gichtischer Apoplexie beobachtet.“<br />

In <strong>de</strong>n Schriften <strong>de</strong>s Wepfer, Hoffmann, Musgrave und Morgagni fin<strong>de</strong>n wir<br />

häufige Beispiele <strong>von</strong> gichtischer Apoplexie. Unter diesen dürfen wir eine Gattung nicht<br />

mit Stillschweigen übergehen, die einen, wenn auch nicht genau periodischen, doch<br />

diesem sehr nahe kommen<strong>de</strong>n Typus beobachtet. Diese kehrt in kurzen Zeiträumen<br />

zurück, und meistens, wenn ein regulärer <strong>Gicht</strong>anfall eintreten sollte. Wir haben<br />

manche Fälle dieser Art und andrer Formen <strong>von</strong> lavirter <strong>Gicht</strong> gesehen, wo wir, am<br />

En<strong>de</strong> eines Anfalls <strong>von</strong> innerer <strong>Gicht</strong>, unsere Zuflucht zur China in grossen Gaben<br />

nehmen mussten, um jenen gefährlichen Folgen vorzubeugen.<br />

13


Zweiter Fall. „Ein Frauenzimmer <strong>von</strong> starkem Körperbau, aber <strong>von</strong> gichtischen<br />

Eltern erzeugt, und mehrere Jahre lang mit wan<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>r <strong>Gicht</strong> behaftet, bekam,<br />

nach<strong>de</strong>m die Katamenien lange ausgeblieben waren, einen heftigen Anfall <strong>von</strong><br />

Apoplexie, mit völligem Verluste aller Sensibilität <strong>de</strong>r Muskelbewegung und <strong>de</strong>r<br />

Geisteskräfte. Die Behandlung war glücklich, und die Kranke in wenig Tagen scheinbar<br />

wie<strong>de</strong>r hergestellt; doch empfahlen wir <strong>de</strong>n inneren Gebrauch <strong>de</strong>r China in grossen<br />

Dosen, um Recidive zu verhüten. Sie nahm diese aber selten ein, da ihre Verwandten sie<br />

zu überre<strong>de</strong>n wussten, dass es bei ihrer schon so weit vorgerückten Genesung wohl<br />

unnötig sey. Aber am eilften Tage vom Anfalle an gerechnet, als <strong>von</strong> allen Seiten<br />

Besuche herbeiströmten, um ihr zu ihrer glücklichen Wie<strong>de</strong>rgenesung Glück zu<br />

wünschen, stellte sich ein Paroxysmus <strong>von</strong> unregelmässigem Fieber ein, <strong>de</strong>r mit<br />

tödlicher Apoplexie endigte.“<br />

Die anomale <strong>Gicht</strong>, welche die meisten Krankheitsformen nachbil<strong>de</strong>t, nimmt<br />

zuweilen die <strong>de</strong>r E p i l e p s i e und recht häufig die <strong>de</strong>r H y p o c h o n d r i e an. To<strong>de</strong> in<br />

Copenhagen und mehrere grosse Ärzte haben dieses so beobachtet. I<strong>de</strong>ler sagt dasselbe<br />

<strong>von</strong> <strong>de</strong>r Hysterie und <strong>de</strong>n meisten dieser sogenannten Nervenkrankheiten. Musgrave<br />

führt mehrere Fälle <strong>von</strong> Hypochondrie und Hysterie an, die nach <strong>de</strong>r Ausbildung <strong>von</strong><br />

Gelenkgicht verschwan<strong>de</strong>n. Je mehr wir die Symptome <strong>de</strong>r Hypochondrie und <strong>de</strong>r<br />

atypischen <strong>Gicht</strong> mit einan<strong>de</strong>r vergleichen, <strong>de</strong>sto mehr Grün<strong>de</strong> fin<strong>de</strong>n wir, einen<br />

gemeinschaftlichen Ursprung o<strong>de</strong>r wenigstens einen hohen Grad <strong>von</strong> Verwandtschaft<br />

bei<strong>de</strong>r anzunehmen. „Eine hochbejahrte Dame“, erzählt Guilbert, „bekam eine<br />

periodische Hypochondrie; je<strong>de</strong>r Anfall begann mit Sonnenaufgang, nahm bis Mittag zu<br />

und liess gegen Abend nach. Hier stand nun die Hypochondrie im innigsten Verhältnisse<br />

zum Stan<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Sonne. Die nicht sehr geistreiche Kranke ward zuerst immer mehr<br />

kleinmüthig und nie<strong>de</strong>rgeschlagen, bis sie vor Ärger verzehrt o<strong>de</strong>r <strong>von</strong> Verzweiflung<br />

überwältigt schien. Aber wenn die Sonne ihre höchste Höhe erreicht hatte, bemeisterte<br />

sich ihrer ein solches Gefühl <strong>von</strong> Furcht, dass das geringste Geräusch – das leiseste<br />

Wort ihr das Signal <strong>de</strong>s fürchterlichsten Unglücks schien, das über sie hereinzubrechen<br />

und sie zu vernichten drohte. Mit <strong>de</strong>r Neigung <strong>de</strong>r Sonne zum Untergange nahm diese<br />

krankhafte Erscheinung ab und ging wie<strong>de</strong>r dieselben Gra<strong>de</strong> <strong>von</strong> Trübsinn durch, die<br />

ihre Entwickelung bezeichneten. Zu diesem Gefühle <strong>von</strong> Furcht kam noch eine heftige<br />

Neigung zum Ärger, <strong>de</strong>r, allmählig immer schwächer wer<strong>de</strong>nd, die verschie<strong>de</strong>nen<br />

Schattirungen <strong>de</strong>s Grams annahm, bis er sich in eine sanfte und nicht unangenehme<br />

Melancholie auflöste. Dies war <strong>de</strong>r Zustand <strong>de</strong>r gesagten Gefühle, aber mit ihnen<br />

stellten sich noch an<strong>de</strong>re Phänomene ein. Im Augenblicke <strong>de</strong>s Anfalls hatte die Kranke<br />

ein durchschiessen<strong>de</strong>s o<strong>de</strong>r zittern<strong>de</strong>s Gefühl in <strong>de</strong>r Gegend <strong>de</strong>s Herzens, welches sich<br />

nach allen Seiten hin, beson<strong>de</strong>rs aber nach <strong>de</strong>n obren Theilen zu verbreitete. Die Schläge<br />

<strong>de</strong>s Herzens und endlich aller an<strong>de</strong>rn Schlaga<strong>de</strong>rn nahmen an Härte, Stärke und<br />

Schnelligkeit zu. Der Forttrieb <strong>de</strong>s Blutes in <strong>de</strong>n Arterien war so sehr vermehrt, dass ich<br />

bei je<strong>de</strong>m Herzschlage ein <strong>de</strong>utliches Aufschwellen <strong>de</strong>r Finger bemerken konnte. Dies<br />

son<strong>de</strong>rbare Symptom, welches <strong>de</strong>r ungewöhnlichen Herz- und Schlaga<strong>de</strong>rthätigkeit<br />

voranging, hielt gleichen Schritt, sowohl mit dieser, als mit <strong>de</strong>r hypochondrischen<br />

Stimmung und <strong>de</strong>m Steigen <strong>de</strong>r Sonne am Horizonte.“ –<br />

Dieser Fall, <strong>de</strong>r an sich schon so viel Interesse gewährt, verdient noch grössere<br />

Aufmerksamkeit durch seine periodische Natur, und das merkwürdige Gefühl, das sich<br />

über das Herz und <strong>von</strong> da aus über das ganze Arteriensystem verbreitete. Wir glauben,<br />

dass diese Erscheinungen e i n e g i c h t i s c h e A f f e c t i o n d e r<br />

N e r v e n g e f l e c h t e i n d e r G e g e n d d e s H e r z e n s <strong>de</strong>utlich aussprechen.<br />

Bei einer langen und genauen Beobachtung verschiedner an<strong>de</strong>rer<br />

Hypochondristen haben wir in <strong>de</strong>r Regel e i n e a u f f a l l e n d e u n d s c h m e r z h a f t e<br />

E m p f i n d l i c h k e i t i n d e r N a c h b a r s c h a f t d e r a r t e r i a c o e l i a c a<br />

gefun<strong>de</strong>n, welche mit <strong>de</strong>r grösseren Intensität <strong>de</strong>r Hypochondrie unfehlbar zunahmen.<br />

Man fin<strong>de</strong>t diese Beobachtung in <strong>de</strong>r Praxis so häufig bestätigt, dass wir keinen Anstand<br />

nehmen, <strong>de</strong>n Schluss daraus zu ziehen: d a s s H y p o c h o n d r i e h ä u f i g n u r e i n<br />

14


s c h m e r z h a f t e s N e r v e n l e i d e n d e s p l e x u s c a r d i a c u s ist. Und in <strong>de</strong>r<br />

That, wenn wir die Würksamkeit und <strong>de</strong>n Einfluss dieser Nerven in Entwickelung so<br />

mannigfacher melancholischer Stimmungen <strong>de</strong>s Gemüthes i m g e s u n d e n<br />

Z u s t a n d e , die ihren Ursprung in inneren Sensationen haben, berücksichtigen; und<br />

wenn wir be<strong>de</strong>nken, dass das sie umgeben<strong>de</strong> Neurilem, ein weisses Faserngewebe, <strong>de</strong>r<br />

vorzüglichste Sitz <strong>de</strong>r <strong>Gicht</strong> ist, so dürfen wir uns nicht wun<strong>de</strong>rn, dass eine solche<br />

Verän<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Materie auch Veranlassung zu diesen traurigen Affectionen wer<strong>de</strong>n<br />

und eine Reihe <strong>von</strong> melancholischen Geistesverwirrungen hervorbringen kann. 4<br />

Die Schriftsteller haben uns viele Fälle <strong>von</strong> gichtischer Manie und Melancholie<br />

aufgezeichnet: vorzüglich Whytt. Wir haben eine Melancholie mit Neigung zum<br />

Selbstmor<strong>de</strong> mit herumirren<strong>de</strong>r <strong>Gicht</strong> alterniren sehen. Paulmier kannte einen Beamten<br />

in Anvers, einen starken Esser und Gutschmecker, <strong>de</strong>r lange Anfälle <strong>von</strong> entzündlicher<br />

Gelenkgicht gehabt hatte, die sich aber nun nach <strong>de</strong>m Kopfe versetzte, und son<strong>de</strong>rbare<br />

Erscheinungen darbot. Bald glaubte er in Gesellschaft zu seyn, mit <strong>de</strong>r er sich or<strong>de</strong>ntlich<br />

unterhielt; bald wähnte er in einer sechsspännigen Kutsche zu fahren, und so waren<br />

noch mehrere an<strong>de</strong>re Visionen vorhan<strong>de</strong>n. Nach <strong>de</strong>r Anwendung <strong>von</strong> Zugpflastern auf<br />

die Füsse verschwan<strong>de</strong>n diese, und er war 8 bis 10 Tage <strong>von</strong> allen Beschwer<strong>de</strong>n frei.<br />

Bald kehrte nun die <strong>Gicht</strong> zu ihrem alten Sitze, <strong>de</strong>n Füssen, zurück, bald versetzte sie<br />

sich wie<strong>de</strong>r auf das Gehirn: neue Visionen, neue Phantome, wie<strong>de</strong>rum Anwendung <strong>von</strong><br />

Blasenpflastern, und in Folge dieser das Verschwin<strong>de</strong>n aller Symptome. Die gänzliche<br />

Heilung bewürkte Paulmier durch Legung einer Fontanelle an je<strong>de</strong>s Bein. Viele<br />

Beispiele beweisen <strong>de</strong>n Einfluss <strong>de</strong>r versetzen <strong>Gicht</strong> auf die Nerven <strong>de</strong>r<br />

Bewegungsmuskeln und <strong>de</strong>r Stimme.<br />

Fall: „Ein an Gelenkgicht lei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r Mann hatte mehrere Unglücksfälle erlitten.<br />

Zur Zeit seines gewöhnlichen <strong>Gicht</strong>anfalls ward er auf ein Mal vom St. Veitstanze<br />

ergriffen, <strong>de</strong>r ihn einige Tagelang in beständiger Bewegung erhielt. Während dieses<br />

fürchterlichen Tanzes und <strong>de</strong>s ihn begleiten<strong>de</strong>n convulsivischen Lachens, hörte er nicht<br />

auf, <strong>de</strong>n Kummer, <strong>von</strong> <strong>de</strong>m er gequält wur<strong>de</strong>, auszudrücken. Einige <strong>von</strong> <strong>de</strong>n Gelenken<br />

fingen wie<strong>de</strong>r an etwas zu schmerzen, aber die vollständige Entwickelung <strong>de</strong>r regulären<br />

<strong>Gicht</strong> konnte nicht herbeigeführt wer<strong>de</strong>n.“ –<br />

Aber unter allen Theilen scheinen die Digestionsorgane am meisten an versetzter<br />

krampfiger <strong>Gicht</strong> zu lei<strong>de</strong>n. Wir haben eine grosse Menge Erfahrungen <strong>von</strong><br />

krampfhaften Affectionen dieser Theile, die <strong>von</strong> zurückgetretener o<strong>de</strong>r verborgener<br />

<strong>Gicht</strong> herrühren. Die ersten 6 Capitel in Musgraves Werke han<strong>de</strong>ln diese ganz speziell<br />

ab. Stoll bemerkt, dass es nicht selten sey, gichtische Menschen viele Monate lang, ja<br />

selbst Jahre lang, an verschie<strong>de</strong>nen Magenbeschwer<strong>de</strong>n lei<strong>de</strong>nd zu sehen; dahin gehören<br />

dann: schlechte Verdauung, Flatulenz, Wasserbrechen, o<strong>de</strong>r im Gegentheil ein sehr<br />

peinigen<strong>de</strong>s Gefühl <strong>von</strong> Kälte in <strong>de</strong>r Magengegend. Hoffmann beobachtete ein<br />

k r a m p f h a f t e s E r b r e c h e n nach <strong>de</strong>m Einreiben <strong>von</strong> Campherlinimenten auf <strong>de</strong>n<br />

geschwollenen Gelenken. De Haen führt <strong>de</strong>n Fall <strong>de</strong>s Prinzen Sinzendorf an, <strong>de</strong>r <strong>von</strong><br />

einer Art Heisshunger, <strong>de</strong>r gichtischen Ursprungs war, befallen wur<strong>de</strong>.<br />

Unter <strong>de</strong>n krampfhaften Affectionen <strong>de</strong>r Organe, die <strong>de</strong>r Blutcirculation und<br />

Respiration vorstehen, zeigt sich die B r u s t b r ä u n e sehr häufig als eine <strong>de</strong>r<br />

fürchterlichsten <strong>Gicht</strong>formen; wir haben sie selbst schon mehrere Male beobachtet. Die<br />

4 Diese Lehre <strong>de</strong>r Schriftsteller <strong>de</strong>s festen Lan<strong>de</strong>s erhält grosse Bestätigung durch <strong>de</strong>n Erfolg,<br />

<strong>de</strong>n man bei <strong>de</strong>r Behandlung chronischer und sogenannter Nervenkrankheiten durch<br />

Ausleerungen und schwache Diät, obgleich scheinbare Schwäche vorhan<strong>de</strong>n war, sah. Dr. Parry<br />

hat bestimmt <strong>de</strong>n Satz aufgestellt, dass in <strong>de</strong>n meisten Neurosen, Congestionen <strong>de</strong>s Blutes an<br />

verschie<strong>de</strong>nen Theilen (wie z. B. im Neurilem beim Tic douloureux) alle diese Erscheinungen<br />

begrün<strong>de</strong>ten. Er versichert, dass die Kur dieser Krankheit durch Zerschneidung <strong>de</strong>s Nerven eine<br />

Täuschung war, und dass jene nur aus <strong>de</strong>r Trennung <strong>de</strong>r Arterien und <strong>de</strong>r örtlichen<br />

Blutentleerung aus <strong>de</strong>m Neurilem resultirte. Nach allen Erfahrungen herrscht über diesen Punkt<br />

nur Eine Stimme zwischen <strong>de</strong>n englischen und französischen Pathologen.<br />

15


englischen und <strong>de</strong>utschen Zeitschriften sind voll <strong>von</strong> solchen Fällen, so dass mehrere<br />

ausgezeichnete Ärzte jene Krankheit immer als rein-gichtisch betrachten. Von allen<br />

krampfhaften Formen ist gewiss aber die g i c h t i s c h e E n g b r ü s t i g k e i t bei weitem<br />

die häufigste.<br />

<strong>Gicht</strong>ische Hautentzündung.<br />

§. 14.<br />

Stoll hat sehr gut die gichtische Rose o<strong>de</strong>r das Antonius-Feuer beschrieben. (Rat.<br />

Med. Vol. V. p. 436.) Er hat hartnäckige Fälle dieser Art gesehen, wo jene das Gesicht<br />

und an<strong>de</strong>re Theile befallen hatten, ihren Sitz zuweilen än<strong>de</strong>rten und nur eine geringe<br />

Anschwellung mit einer Ergiessung <strong>von</strong> Serum darbot. Nach<strong>de</strong>m sie <strong>de</strong>n Kranken<br />

Monate und Jahre lang geplagt hat, zeigt sie auf ein Mal ihre Natur durch Übergang in<br />

langwierige <strong>Gicht</strong>. Musgrave sah eine Gesichtsrose nach einem A<strong>de</strong>rlasse sich plötzlich<br />

in Gelenkgicht umwan<strong>de</strong>ln. Aber wer sieht nicht täglich anomale <strong>Gicht</strong> die Form <strong>de</strong>r<br />

Rose annehmen, vorzüglich nach <strong>de</strong>r Anwendung <strong>von</strong> Sinapsimen, Blasenpflastern o<strong>de</strong>r<br />

eines ähnlichen Reizes?<br />

Wir haben häufig die wan<strong>de</strong>rn<strong>de</strong> <strong>Gicht</strong> die Form <strong>de</strong>r F l e c h t e n annehmen<br />

sehen, die sich gern an <strong>de</strong>n ursprünglich afficirten Theilen, an <strong>de</strong>r Handwurzel und <strong>de</strong>n<br />

Knöcheln zeigten. Aber bei gichtischen Subjekten sehen wir weit öfter eine Menge<br />

unregelmässiger Ausschläge, die sich nicht gut beschreiben o<strong>de</strong>r klassificiren lassen.<br />

<strong>Gicht</strong>ische Entzündung <strong>de</strong>r Schleimhäute.<br />

§. 15.<br />

Täglich sehen wir gichtische A u g e n e n t z ü n d u n g , die oft chronisch wird und<br />

heftiges Jucken erregt. Bald ist ein Auge trocken, bald laufen eine Menge sehr heisser<br />

und scharfer Thränen aus <strong>de</strong>mselben, und die Rän<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Augenlie<strong>de</strong>r wer<strong>de</strong>n roth und<br />

entzün<strong>de</strong>n sich. Oft verwan<strong>de</strong>lt sich diese Ophthalmie schnell in schwarzen Staar. –<br />

Obgleich die gichtische M a g e n e n t z ü n d u n g <strong>de</strong>n Schriftstellern nicht sehr bekannt<br />

scheint, so kömmt sie doch sehr häufig vor. Hoffmann war <strong>de</strong>r erste und beinahe einzige<br />

Schriftsteller seiner Zeit, <strong>de</strong>r sie erkannte, ihre Häufigkeit anführte und sie in einer<br />

kleinen und interessanten Abhandlung beschrieb. 5 In unserm Zeitalter hat Broussais<br />

über diesen Gegenstand treffliche Untersuchungen angestellt.<br />

Das Nämliche gilt <strong>von</strong> <strong>de</strong>n gichtischen D a r m e n t z ü n d u n g e n , die nicht selten<br />

unter <strong>de</strong>r Form <strong>von</strong> Schmerzen, Krämpfen, Blähungskoliken, Diarrhöen und selbst<br />

Ruhren auftreten. In <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n letzteren Formen ist die Darmausleerung oft heilsam<br />

und verhütet Entzündungen. Durch die unvorsichtige Anwendung <strong>von</strong> adstringiren<strong>de</strong>n<br />

Mitteln ist mancher Missgriff in diesen Krankheiten geschehen. Wir müssen hier<br />

bemerken, dass die gichtischen Entzündungen <strong>de</strong>r Unterleibseingewei<strong>de</strong> sehr complicirt,<br />

unregelmässig und täuschend sind. Wir haben solche einige Male mit krampfhaften<br />

Schmerzen in <strong>de</strong>n Ho<strong>de</strong>n verbun<strong>de</strong>n, zuweilen auch mit <strong>de</strong>m Gefühle einer grossen Last<br />

auf <strong>de</strong>r Brust gesehen: eben so eine heftige Magenentzündung mit einer acuten<br />

Herzentzündung complicirt.<br />

Die gichtische Cholera bietet zuweilen einen schrecklichen und gefährlichen<br />

Anblick dar. An dieser Krankheit starb <strong>de</strong>r berühmte Sy<strong>de</strong>nham. Chronische<br />

B l a s e n e n t z ü n d u n g ist keine ungewöhnliche Form <strong>de</strong>r anomalen <strong>Gicht</strong>. Wir haben<br />

einen Fall dieser Art, verbun<strong>de</strong>n mit wan<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>n Schmerzen <strong>de</strong>r Ho<strong>de</strong>n, gesehen, <strong>de</strong>m<br />

gichtisches Kopfweh und an<strong>de</strong>re Lei<strong>de</strong>n vorhergingen. Der gichtische w e i s s e F l u s s<br />

5 Der Titel <strong>de</strong>s Werckchens ist: De inflammatione ventriculi frequentissima. – Fälle dieser Art<br />

fin<strong>de</strong>t man auch in seinen Opusc. Pract. Dec. II. diss. VII. p. 460.<br />

16


ist nicht selten, selbst bei jungen Frauenzimmern, die durchaus vorher keine Spur <strong>von</strong><br />

<strong>Gicht</strong> gehabt haben. Storch erzählt <strong>de</strong>n Fall <strong>von</strong> einer dreissigjährigen Frau <strong>von</strong><br />

melancholischem Temperamente, die nach <strong>de</strong>m ersten Wochenbette einen weissen Fluss<br />

bekam, welcher aufhörte, als <strong>Gicht</strong> <strong>de</strong>n grossen Zeh befiel. Diese verschwand aber nach<br />

<strong>de</strong>m Gebrauche verschie<strong>de</strong>ner Mittel, und <strong>de</strong>r weisse Fluss stellte sich wie<strong>de</strong>r ein,<br />

welcher nachher viele Jahre lang mit Kopf- und Zahnschmerzen abwechselte. Bei diesem<br />

gichtischen Tripper und weissen Flusse ist <strong>de</strong>r abgehen<strong>de</strong> Schleim gewöhnlich so scharf<br />

brennend und übel gefärbt, dass er <strong>de</strong>m venerischen fast gleich kömmt, und unter<br />

Eheleuten zu unangenehmem Zwiste Anlass giebt, <strong>de</strong>n nur <strong>de</strong>r Arzt beseitigen kann.<br />

<strong>Gicht</strong> als Entzündung <strong>de</strong>r serösen Membranen.<br />

§. 16.<br />

Guilbert war einst mitten in <strong>de</strong>r Nacht zu folgen<strong>de</strong>m Kranken gerufen: „Ein<br />

Mann <strong>von</strong> kräftiger, aber gichtischer Constitution, <strong>de</strong>r am vorhergehen<strong>de</strong>n Tage<br />

wan<strong>de</strong>rn<strong>de</strong> Schmerzen in <strong>de</strong>n Gelenken, <strong>de</strong>r Hüft- und Len<strong>de</strong>ngegend gehabt hatte,<br />

beging einen Exzess in spirituösen Getränken in Gesellschaft eines Nebenbuhlers, wo er<br />

seinen Missmuth verhehlen und froh erscheinen musste. Voll Wein und Verdruss kehrte<br />

er nach hause zurück, und legte sich zu Bette, ward aber bald durch einen fürchterlichen<br />

Schmerz in <strong>de</strong>r Herzgegend aufgeweckt. Auf sein Geschrei, dass sein Nebenbuhler ihn<br />

vergiftet habe, gab man ihm mehrere Pinten warmes Wasser zu trinken, welche er mit<br />

<strong>de</strong>m vorher genossenen Weine wie<strong>de</strong>r ausbrach. Es folgte keine Erleichterung: <strong>de</strong>r Puls<br />

war nicht klein und zusammengezogen, wie in schweren Abdominallei<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn voll,<br />

kräftig und hart, und ein fixer Schmerz in <strong>de</strong>r Herzgegend peinigte ihn unaufhörlich.<br />

Dieser hatte das Gepräge einer brennen<strong>de</strong>n Hitze, die <strong>de</strong>r Kranke mit einem inneren<br />

verzehren<strong>de</strong>n Feuer verglich. Ein reichlicher A<strong>de</strong>rlass am Fusse, Blutigel, in die ganze<br />

Herzgegend gesetzt, Senfteige auf die Knie, die auf <strong>de</strong>r Stelle zugleich angewandt<br />

wur<strong>de</strong>n, - diluiren<strong>de</strong> Getränke – die strengste Diät – Klystiere und beruhigen<strong>de</strong><br />

Trostgrün<strong>de</strong>, entrissen ihn bald seiner gefährlichen Lage, und bewürkten vollkommene<br />

Heilung.“ –<br />

Wir bemerken hier nur noch, dass gichtische Pleuritis oft auf blossen Seitenstich<br />

folgt.<br />

„Ein Mann <strong>von</strong> gichtischer Constitution ward mit einem stechen<strong>de</strong>n Schmerze im<br />

ganzen rechten Arme und <strong>de</strong>r rechten Seite <strong>de</strong>r Brust befallen. Dieser beschränkte sich<br />

zuerst auf die Oberfläche <strong>de</strong>s Brustkastens, schien aber bald sich ins Innere <strong>de</strong>r Brust<br />

zu verbreiten, und am folgen<strong>de</strong>n Tage zeigten sich <strong>de</strong>utliche Symptome <strong>von</strong><br />

Brustentzündung, Seitenstich, Beschwer<strong>de</strong>n beim Athmen, blutiger Auswurf etc. In <strong>de</strong>r<br />

Höhe <strong>de</strong>r Krankheit stellte sich Irrere<strong>de</strong>n ein mit einem fast apoplectischen Zustan<strong>de</strong>,<br />

mit Röcheln etc.; wogegen Blutigel und Basenpflaster ohne Nutzen in Gebrauch gezogen<br />

wor<strong>de</strong>n waren. Wir wur<strong>de</strong>n zu Rathe gezogen und liessen sogleich auf alle Hauptgelenke<br />

Senfteig mit Ammonium legen. Kein Augenblick war zu verlieren, und wir konnten nicht<br />

mit Sicherheit auf Genesung rechnen. In<strong>de</strong>ssen kaum hatten die Simapismen auf die<br />

Gelenke zu würken angefangen, so ward Kopf und Brust erleichtert, und endlich <strong>de</strong>r<br />

Kranke vom Ran<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Grabes gerettet!“ –<br />

Diese und viele ähnliche Erfahrungen, die wir anführen könnten, müssen uns auf<br />

<strong>de</strong>n Gedanken bringen, dass, wenn gleich die zurückgetretene <strong>Gicht</strong> noch so gefährlich,<br />

ihre Form noch so furchtbar – ihr Charakter entzündlich ist, - und ihre Symptome <strong>de</strong>n<br />

nahen Tod drohen, - wir doch nie an <strong>de</strong>r Heilung verzweifeln, o<strong>de</strong>r in unseren<br />

Bemühungen nachlassen müssen, solange nur noch Leben da ist. Bei diesen gichtischen<br />

Entzündungen, selbst wenn sie ein wichtiges inneres Organ befallen, sichert uns am<br />

En<strong>de</strong> doch <strong>de</strong>r Grundcharakter <strong>de</strong>r <strong>Gicht</strong>, die B e w e g l i c h k e i t , da jene oft selbst,<br />

wenn Alles schon verloren scheint, ihren Sitz ganz o<strong>de</strong>r theilweise än<strong>de</strong>rn.<br />

17


Folgen<strong>de</strong>r Fall ist ein Beispiel <strong>von</strong> gichtischer Affection <strong>de</strong>r Gebärmutter:<br />

„Madame E -, eine Frau <strong>von</strong> athletischem und gichtischem Körperbau, mit grossem<br />

Kopfe und männlichen Knochenformen, litt 15 Jahre lang auf folgen<strong>de</strong> Weise: Sie hatte<br />

vielen Kummer gehabt, führte eine sitzen<strong>de</strong> Lebensweise und befand sich in einer<br />

traurigen Lage. Sehr oft, und beson<strong>de</strong>rs im Frühjahre und Herbste bekam sie nach<br />

einigen Frostanfällen ein Fieber mit Schmerz und Anschwellung in <strong>de</strong>r Gegend <strong>de</strong>r<br />

Gebärmutter. Das collum uteri ward hart und schmerzhaft, und sehr empfindlich bei <strong>de</strong>r<br />

Berührung, womit sich eine reissen<strong>de</strong> Empfindung in <strong>de</strong>n Schamlefzen und <strong>de</strong>m anus<br />

verband – zugleich Schmerzen in <strong>de</strong>r Harnröhre, die beim urinieren zunahmen – reine<br />

aber blasse Zunge und bleiches Gesicht. Mit <strong>de</strong>r Zunahme <strong>de</strong>r Gebärmutterentzündung<br />

verbreitete sie sich auf die benachbarten Theile: es zeigte sich <strong>de</strong>utliche Entzündung <strong>de</strong>s<br />

Bauchfells mit Geschwulst, Aus<strong>de</strong>hnung und Schmerzen <strong>de</strong>s Unterleibes; <strong>de</strong>r Puls war<br />

klein und zusammengezogen. Zu diesen Symptomen gesellten sich noch einige<br />

hysterische, als Weinen, Krämpfe in verschie<strong>de</strong>nen Theilen etc. Erweichen<strong>de</strong><br />

Umschläge, warme Bä<strong>de</strong>r, Blutigel etc. und innerlich Säuren und diluiren<strong>de</strong> Mittel<br />

vermogten keine Erleichterung herbeizuführen. Erst wie<strong>de</strong>rholte und reichliche<br />

Arma<strong>de</strong>rlässe brachten <strong>de</strong>n erwünschten Effect hervor; aber <strong>de</strong>r Magen war nun so<br />

empfindlich, dass er nicht das Geringste vertragen konnte. Campher mit kalten<br />

Getränken vermin<strong>de</strong>rten o<strong>de</strong>r hoben diese Symptome. Diese Anfälle dauerten so 10 bis<br />

15 Tage, und bei ihrem Verschwin<strong>de</strong>n liess <strong>de</strong>r Urin ein häufiges Sediment fallen. – Eine<br />

silberne Uhr, welche die Kranke auf <strong>de</strong>r Brust trug, ward während <strong>de</strong>r Anfälle schwarz,<br />

und sobald sie vorbei waren, wie<strong>de</strong>r glänzend. So kehrten diese Zufälle lange Zeit<br />

periodisch wie<strong>de</strong>r, meist je<strong>de</strong>n Monat, spätestens nur ein o<strong>de</strong>r zwei Mal im Jahre. Das<br />

zu En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Anfälle gegebene Extr. Aconiti schien ihre Rückkehr zu verzögern. Nach<br />

je<strong>de</strong>m Anfalle blieb eine Zeitlang eine be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong> Anschwellung <strong>de</strong>r Gebärmutter<br />

zurück. Diese nun, das Gefühl <strong>von</strong> Zusammenschnüren in diesem Theile, die<br />

Beschwer<strong>de</strong>n beim Gehen und die blasse Gesichtsfarbe verleiteten Viele zu glauben,<br />

dass hier Scirrhus o<strong>de</strong>r sonst ein organischer Fehler <strong>de</strong>s uterus Statt fän<strong>de</strong>. In <strong>de</strong>m Alter<br />

<strong>von</strong> 45 Jahren starb die Kranke an einem leichten Fieber, das auf einen <strong>de</strong>r oben<br />

beschriebenen Anfälle folgte, und bei <strong>de</strong>r Section fand man Spuren <strong>von</strong> Entzündung im<br />

äusseren Gewebe <strong>de</strong>s uterus; die Structuren dieses Organs waren aber unverletzt und<br />

sein Volumen kaum merklich vergössert.“ –<br />

Ähnliche Affectionen <strong>de</strong>r Gebärmutter haben wir vor vielen Jahren häufig zu<br />

sehen Gelegenheit gehabt. G i c h t i s c h e N i e r e n e n t z ü n d u n g e n sind zu häufig<br />

beobachtet wor<strong>de</strong>n, als das wir nöthig hätten, Fälle dieser Art anzuführen; aber es wird<br />

nützlich seyn, einige Beispiele zu erzählen, wo das Übel die fibröse Be<strong>de</strong>ckung dieser<br />

Drüse insbeson<strong>de</strong>re befallen hatte.<br />

„Ein Mann <strong>von</strong> sanguinischem Temperamente, magerem Körperbau, <strong>de</strong>r sein<br />

vierzigstes Jahr erreicht, und obgleich mannigfaltiger Exzesse im Essen und Trinken,<br />

nie an einer Krankheit, am wenigsten an Nierensteinen gelitten hatte, ward auf ein Mal<br />

<strong>von</strong> einem heftigen Schmerze in <strong>de</strong>r Lumbargegend mit Schau<strong>de</strong>r und Frost <strong>de</strong>r<br />

Extremitäten befallen, <strong>de</strong>m brennen<strong>de</strong> Hitze mit Durst und vollem, frequenten Pulse<br />

folgte. Der Unterleib fühlte sich hart an, und war <strong>von</strong> Blähungen ausge<strong>de</strong>hnt. Einige<br />

hielten die Krankheit für eine Art <strong>von</strong> Verrenkung <strong>de</strong>r Len<strong>de</strong>nwirbel. An<strong>de</strong>re für eine<br />

Entzündungsfieber; aber da <strong>de</strong>r Urin trübe war, und in geringem Masse abging, und sich<br />

Neigung zum Erbrechen zeigte, so nahm ich ein Lei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Urinwerkzeuge an.<br />

Klystiere, Fomentationen, Gerstenschleim mit Salpeter etc. gaben keine Erleichterung<br />

und die Symptome wur<strong>de</strong>n immer dringen<strong>de</strong>r. Jetzt wur<strong>de</strong> ein A<strong>de</strong>rlass am Fusse<br />

angestellt, und die genannten Mittel fortgesetzt. Bald darauf ging <strong>de</strong>r Urin reichlich ab<br />

– die Schmerzen legten sich – ein allgemeiner Schweiss brach aus; - und am siebenten<br />

Tage <strong>de</strong>r Krankheit gingen mit <strong>de</strong>m Urine kleine, glänzen<strong>de</strong> Sandkörner, aber kein<br />

Stein ab.“ –<br />

18


<strong>Gicht</strong>ische Entzündung <strong>de</strong>r Muskeln<br />

§. 17.<br />

Nicolas Chesneau hat in seinen medizinischen Beobachtungen ein treffliches Bild<br />

dieser fibrösen <strong>Gicht</strong>, die er an seinem eigenen Körper erfahren, entworfen. Wir wollen<br />

hier einige Umrisse da<strong>von</strong> zu geben versuchen, die dazu dienen können, die engen<br />

Gränzen zwischen <strong>Gicht</strong> und Rheumatismus zu zeigen.<br />

„Chesneau hatte <strong>von</strong> seiner frühesten Jugend an die Gewohnheit, mit<br />

unbe<strong>de</strong>cktem Haupte zu schlafen und <strong>de</strong>n schwitzen<strong>de</strong>n Kopf mit kaltem Wasser zu<br />

waschen. Er litt daher viel an Zahnschmerzen, und verlor fast alle Backenzähne.<br />

Späterhin ward er häufig <strong>von</strong> Rheumatismus afficirt, und setzte sich <strong>de</strong>n disponiren<strong>de</strong>n<br />

Ursachen <strong>de</strong>r <strong>Gicht</strong> aus, - beson<strong>de</strong>rs studirte er anhaltend und bis in die Nacht hinein.<br />

Zuerst fing sein Magen an zu lei<strong>de</strong>n – dann ward er <strong>von</strong> Kopfweh – und späterhin <strong>von</strong><br />

Schmerzen auf bei<strong>de</strong>n Seiten in <strong>de</strong>r Nähe <strong>de</strong>r Brustwarzen gepeinigt. Vergebens<br />

be<strong>de</strong>ckte er seinen Kopf Tag und Nacht; er bekam Schmerzen in <strong>de</strong>n Fusssohlen rund<br />

um die Fersen herum, in <strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n, Hüften und endlich in <strong>de</strong>n Gelenken <strong>de</strong>r grossen<br />

Zehen. (Er war nun 45 Jahre alt.) Der Hauptsitz <strong>de</strong>s Übels war in <strong>de</strong>n Hüften, Knieen<br />

und Füssen. Je<strong>de</strong>n Morgen war er mit Schweiss be<strong>de</strong>ckt, <strong>de</strong>r zuletzt alle seine<br />

Schmerzen min<strong>de</strong>rte. Hatte die Transpiration aufgehört, so kehrten die Schmerzen in<br />

<strong>de</strong>n Nieren und <strong>de</strong>m rechten Urether zurück mit allen Zeichen <strong>von</strong> Gries, <strong>de</strong>n<br />

würklichen Abgang <strong>de</strong>sselben ausgenommen. Dann litt <strong>de</strong>r Magen an <strong>de</strong>m<br />

unerträglichsten Sodbrennen, welches wie<strong>de</strong>r zu einem heftigen Catarrh Anlass gab.<br />

(Jetzt war er 52 Jahre alt.) Einige Jahre litt er nun an einer Art <strong>von</strong> Rheumatismus im<br />

Knie, mit periodischen Schmerzen in <strong>de</strong>n Rippen auf bei<strong>de</strong>n Seiten, welche durch<br />

schweisstreiben<strong>de</strong> Mittel gehoben wur<strong>de</strong>n. Als er 66 Jahre alt war, ward er für je<strong>de</strong>n<br />

atmosphärischen Eindruck sehr empfindlich. Zuletzt peinigten ihn nacheinan<strong>de</strong>r<br />

Zahnweh – Lungencatarrh – Schmerzen in <strong>de</strong>n Schultern, Armen, Schulterblättern und<br />

Rippen. Diese wechselten dann ihren Sitz und griffen wechselweise die Hüften, die nervi<br />

poplitaci und die Achillessehne an. In<strong>de</strong>m sie so <strong>de</strong>n Rumpf und die Extremitäten<br />

durchgegangen waren, wen<strong>de</strong>ten sie sich wie<strong>de</strong>r zum Kopfe und <strong>de</strong>n oberen Theilen, um<br />

ihren schrecklichen und abän<strong>de</strong>rlichen Gang <strong>von</strong> neuem zu beginnen! -<br />

Man könnte aus <strong>de</strong>n Annalen <strong>de</strong>r Arzneiwissenschaft unzählige Beispiele <strong>von</strong><br />

<strong>Gicht</strong> <strong>de</strong>r muskulösen Theile anführen, aber man muss sie nur nicht immer unter <strong>de</strong>m<br />

Namen <strong>de</strong>r <strong>Gicht</strong> aufgeführt erwarten. Unter <strong>de</strong>r grossen Rubrik <strong>von</strong> rheumatischen,<br />

catarrhalischen und krampfhaften Übeln wird <strong>de</strong>r erfahrne und umsichtige Arzt die<br />

lavirten Formen <strong>de</strong>r Krankheit, <strong>von</strong> <strong>de</strong>r wir re<strong>de</strong>n, fin<strong>de</strong>n, die aber <strong>de</strong>r oberflächlichen<br />

Beobachtung ganz entgehen.<br />

§. 1<br />

8. Der Zusammenhang zwischen <strong>Gicht</strong> und Hämorrhoi<strong>de</strong>n ist oft beobachtet<br />

wor<strong>de</strong>n. Stahl glaubte, dass häufiges Ansetzen <strong>von</strong> Blutigeln an die Hämorrhoidalvenen<br />

die <strong>Gicht</strong> radikal heilen wür<strong>de</strong>. Hoffmann beobachtete, dass auf Unterdrückung <strong>de</strong>r<br />

Hämorrhoi<strong>de</strong>n schnell ein Anfall <strong>von</strong> Fussgicht folgte; und Forestus sah einen<br />

<strong>Gicht</strong>anfall nach <strong>de</strong>r Bildung einer Hämorrhoidalgeschwulst sogleich verschwin<strong>de</strong>n.<br />

Solche Metaschematismen sind <strong>de</strong>mohngeachtet nicht immer wünschenswerth, wie<br />

folgen<strong>de</strong>r Fall beweist, <strong>de</strong>n Stoll erzählt:<br />

„Ein vierzigjähriger, unmässig leben<strong>de</strong>r Mann ward nach einigen Schmerzen in<br />

<strong>de</strong>n Gelenken, die schnell wie<strong>de</strong>r verschwan<strong>de</strong>n, <strong>von</strong> Stuhlzwang, Kolikschmerzen und<br />

Abgang eines schwarzen Blutes durch <strong>de</strong>n After befallen. Diese Symptome nahmen<br />

gegen Abend zu, und <strong>de</strong>r Brand en<strong>de</strong>te schnell das Leben <strong>de</strong>s Kranken.“<br />

19


<strong>Gicht</strong> im Zusammenhange mit <strong>de</strong>m Alter.<br />

§. 19.<br />

Obgleich die <strong>Gicht</strong>, selbst wenn sie erblich ist, sich selten vor <strong>de</strong>m 25sten Jahre<br />

zeigt, so beschleunigen doch Exzesse in Venere ihre frühe Entwicklung. Ihr allgemeiner<br />

Gang ist ungefähr folgen<strong>de</strong>r: In <strong>de</strong>r Jugend sind die Anfälle unregelmäßig, o<strong>de</strong>r wie es<br />

scheint unausgebil<strong>de</strong>t; im männlichen Alter erscheint die <strong>Gicht</strong>, wenn sie nicht<br />

überwun<strong>de</strong>n wird, unter <strong>de</strong>r regulären Form mit immer kürzer wer<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />

Zwischenräumen. Dann wird sie chronisch; späterhin fix o<strong>de</strong>r anomal; und zuletzt stellt<br />

sich mit <strong>de</strong>m Frost <strong>de</strong>s Alters die gefährliche innere <strong>Gicht</strong> ein.<br />

<strong>Gicht</strong> im Zusammenhange mit <strong>de</strong>m Geschlechte.<br />

§. 20.<br />

Bei Frauen fin<strong>de</strong>t man die atonische <strong>Gicht</strong> lange vor ihrem To<strong>de</strong>. In<strong>de</strong>ssen ist es<br />

doch gewiss, dass die wan<strong>de</strong>rn<strong>de</strong> <strong>Gicht</strong> häufiger noch, als vor <strong>de</strong>m Aufhören <strong>de</strong>r<br />

Menstruation sich einstellt. Selten aber kömmt bei ihnen zu irgend einer Zeit die<br />

regelmässige <strong>Gicht</strong> vor. Im Allgemeinen kann man sagen, dass sie bei Weibern die<br />

krampfhafte Form, bei Männern die entzündliche annimmt.<br />

<strong>Gicht</strong> im Zusammenhange mit Lebensweise und<br />

Beschäftigung.<br />

§. 21.<br />

Panarolus bemerkte, dass Leute, die in <strong>de</strong>r Jugend <strong>de</strong>m Tanze sehr ergeben<br />

waren, im Alter <strong>de</strong>r <strong>Gicht</strong> unterworfen sind; und Pechlin beschuldigt enge Schuhe als<br />

Ursachen <strong>de</strong>r Krankheit. Offenbar liegt <strong>de</strong>r Grund, warum die versetzte <strong>Gicht</strong> mehr <strong>de</strong>n<br />

Magen und die Eingewei<strong>de</strong>, als an<strong>de</strong>re Theile befällt, in <strong>de</strong>m täglichen Übermaasse im<br />

Essen und Trinken, wohin uns <strong>de</strong>r gegenwärtige Stand <strong>de</strong>r Cultur geführt hat. Wo man<br />

noch Mässigkeit beobachtet, wird <strong>de</strong>r Sitz durch verschie<strong>de</strong>ne Umstän<strong>de</strong> bestimmt. So<br />

bekömmt <strong>de</strong>r Philosoph o<strong>de</strong>r Gelehrte gichtische Affectionen <strong>de</strong>s Gehirns und <strong>de</strong>r<br />

Sinnesnerven; <strong>de</strong>r Sänger, Schauspieler und Advocat hingegen gichtischen Catarrh und<br />

Lungenübel. Wer eine sitzen<strong>de</strong> Lebensart führt, <strong>de</strong>r wird zu gichtischen<br />

Nierenaffectionen geneigter seyn, als <strong>de</strong>r, welcher in körperlicher Thätigkeit lebt. Eine<br />

Frau, die viele Kin<strong>de</strong>r geboren, o<strong>de</strong>r viele Missfälle erlitten hat, ist gichtischen<br />

Affectionen <strong>de</strong>r Sexualorgane leicht ausgesetzt; und endlich wen<strong>de</strong>t sich bei<br />

Ausschweifen<strong>de</strong>n die Krankheit nach <strong>de</strong>m Genitaliensysteme.<br />

<strong>Gicht</strong> im Zusammenhang mit <strong>de</strong>n Jahreszeiten.<br />

§. 22.<br />

Wenn sie gleich bei grosser Disposition und kräftiger Einwürkung <strong>de</strong>r erregen<strong>de</strong>n<br />

Ursachen zu je<strong>de</strong>r Jahreszeit erscheinen kann, so scheint doch <strong>de</strong>r günstigste Zeitpunkt<br />

für sie <strong>de</strong>r Frühling und Herbst zu seyn, wie schon Hippocrates uns lehrte.<br />

<strong>Gicht</strong> als Krankheit verschie<strong>de</strong>ner Stän<strong>de</strong>.<br />

§. 23.<br />

Bei Vergleichung <strong>de</strong>rer, die <strong>de</strong>r <strong>Gicht</strong> unterworfen, und die es nicht sind, stellt<br />

Grant als U r s a c h e n dieser Krankheit auf: eine gemächliche, träge Lebensweise mit<br />

20


zu reichlicher Nahrung verbun<strong>de</strong>n; Debauchen; Gemüthsaffecte, vorzüglich Kummer<br />

und Verdruss. In <strong>de</strong>r That ist <strong>Gicht</strong> sehr häufig bei <strong>de</strong>nen, die, wie die Sybarioten im<br />

Alterthume, ihr Leben in üppigen und sinnlichen Genüssen zubringen,. Die römischen<br />

Schriftsteller erzählen uns, dass diese Krankheiten unter <strong>de</strong>n Römern fast allgemein<br />

wur<strong>de</strong>n, als ihre Sitten ausarteten. Wie Seneca sagt, wur<strong>de</strong>n selbst die Weiber häufig<br />

da<strong>von</strong> befallen – „ob varii generis <strong>de</strong>bacchationes.“ Im Gegentheile aber waren sie bei<br />

<strong>de</strong>n Alten wenig bekannt zu <strong>de</strong>r Zeit ihrer einfachen Lebensweise, und als gymnastische<br />

Übungen in ihrem Flore stan<strong>de</strong>n. Die Chinesen und Japaner lei<strong>de</strong>n selten an<br />

regelmässiger, <strong>de</strong>sto häufiger aber an anomaler <strong>Gicht</strong>, die sich oft durch die plötzlichen<br />

und farblosen Geschwülste zu erkennen giebt, welche die Arzte jener Gegen<strong>de</strong>n auf die<br />

Vermuthung bringen, dass die Krankheit in einer Art Windsucht besteht, daher sie diese<br />

durch Einstiche mit Na<strong>de</strong>ln zu heilen versuchen.<br />

In ihrem grössten Umfange scheint die <strong>Gicht</strong> die Einwohner <strong>de</strong>r am Meere<br />

gelegenen o<strong>de</strong>r <strong>von</strong> vielen Morästen durchschnittenen Gegen<strong>de</strong>n zu befallen. Daher<br />

kömmt sie vorzüglich in England und <strong>de</strong>n nördlichen Deutschland vor. In einigen<br />

Theilen scheint sie fast e n d e m i s c h zu seyn.<br />

Verhältniss <strong>de</strong>r <strong>Gicht</strong> zu an<strong>de</strong>ren Krankheiten und zu sich<br />

selbst.<br />

§. 24.<br />

Die anomale und wan<strong>de</strong>rn<strong>de</strong> <strong>Gicht</strong> nimmer gern die Form <strong>de</strong>s Rheumatismus an,<br />

o<strong>de</strong>r alternirt vorzüglich mit Hämorrhoi<strong>de</strong>n und Hautkrankheiten, z. B. Flechten, Rose<br />

etc. Nicht selten verkün<strong>de</strong>n die Krankheiten in <strong>de</strong>r Jugend die <strong>de</strong>s Alters. Wie oft haben<br />

wir nicht gesehen, dass die, welche in früheren Jahren mit heftigen Kopfschmerzen,<br />

Hämorrhoi<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r stinken<strong>de</strong>n Fussschweissen behaftet waren, in späteren Jahren die<br />

<strong>Gicht</strong> bekamen? Frägt man die an wan<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>r <strong>Gicht</strong> Lei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n nun, so wer<strong>de</strong>n sie als<br />

frühere Übel die Hypochondrie, Nasenbluten o<strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>ne Hautkrankheiten<br />

nennen. Die Krankheit selbst sehen wir nach verschie<strong>de</strong>nen, schon genannten Vorboten<br />

eintreten, und die äussersten Theile <strong>de</strong>s Körpers, die Zehen, befallen; also die Theile,<br />

welche <strong>von</strong> <strong>de</strong>n wichtigsten Organen am weitesten entfernt sind. - Hier bleibt jene nun<br />

mehrere Jahre stehen; aber beim herannahen <strong>de</strong>s Alters, o<strong>de</strong>r bei zufällig eintreten<strong>de</strong>r<br />

Schwäche <strong>de</strong>s Kranken, rückt <strong>de</strong>r Feind <strong>de</strong>m Rumpfe etwas näher und fixirt sich in <strong>de</strong>n<br />

Fersen, Knöcheln, <strong>de</strong>r Achillessehne, <strong>de</strong>m Knie o<strong>de</strong>r Handgelenke und Ellenbogen. In<br />

noch späterer Zeit wer<strong>de</strong>n die Hüften, Schultern und an<strong>de</strong>re <strong>de</strong>n Lebensorganen<br />

näheren Theile <strong>de</strong>r Schauplatz <strong>de</strong>r <strong>Gicht</strong>; dann ist nur noch eine Stufe übrig, sie wird<br />

unregelmässig und verbreitet sich über die verschie<strong>de</strong>nen Gewebe, welche die<br />

wichtigsten Organe <strong>de</strong>r Kopfes, <strong>de</strong>r Brust und <strong>de</strong>s Unterleibes be<strong>de</strong>cken o<strong>de</strong>r bil<strong>de</strong>n. –<br />

Wir haben jetzt unter unseren Augen ein merkwürdiges Beispiel <strong>von</strong> <strong>de</strong>m<br />

fortschreiten<strong>de</strong>n Gange <strong>de</strong>r <strong>Gicht</strong>. „Der Kranke hatte in seiner Jugend an fürchterlichen<br />

Kopfschmerzen gelitten, die ihn ganze Tage ans Bett fesselten, und hatte be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong><br />

Hämorrhoidalanschwellungen gehabt. Darauf fing regelmäßige <strong>Gicht</strong> in <strong>de</strong>n<br />

Extremitäten an, die 8 Jahre dauerte. Während <strong>de</strong>r nächsten 12 Jahre befiel die <strong>Gicht</strong><br />

die Knie, Handgelenke und Ellenbogen. Vor einem Jahre ward die Hüfte <strong>de</strong>r Sitz <strong>de</strong>s<br />

Übels, und bald wird es, wie wir glauben, in innere <strong>Gicht</strong> übergehen!“ –<br />

Die Parallele zwischen <strong>Gicht</strong> und gewissen an<strong>de</strong>ren Krankheiten ist oft sehr<br />

treffend. Wir wollen das St. Antonsfeuer zum Beweise nehmen. Bei bei<strong>de</strong>n Krankheiten<br />

bemerkt man Schau<strong>de</strong>r, darauf folgen<strong>de</strong> Geschwulst mit Hitze, Röthe und einem fast<br />

gleichen Ansehen. Wahr ist es, dass die Schmerzen in bei<strong>de</strong>n Fällen nicht gleich sind,<br />

aber wir müssen bemerken, dass die Krankheit, wenn sie verschie<strong>de</strong>ne Organe befällt,<br />

auch besondre Arten <strong>de</strong>r Schmerzen hervorbringen muss. In bei<strong>de</strong>n Übeln verschwin<strong>de</strong>t<br />

die Geschwulst auf eine fast ähnliche Weise – durch eine Art <strong>von</strong> Abschuppung auf <strong>de</strong>r<br />

Oberhaut. Verschie<strong>de</strong>ne Gattungen <strong>de</strong>r Rose hinterlassen eine weiche Geschwulst: eben<br />

21


so einige Arten <strong>von</strong> <strong>Gicht</strong>. Mit welcher schrecklichen Leichtigkeit ferner treibt die<br />

unvorsichtige Anwendung <strong>von</strong> togischen Mitteln auf gichtischen Anschwellungen die<br />

Krankheit zurück, wonach ein heftiger Anfall auf die inneren Organe erfolgt! Derselbe<br />

Fall ist es bei <strong>de</strong>r Rose. Dieselben togischen Mittel bringen in bei<strong>de</strong>n Krankheiten<br />

dieselben Folgen in <strong>de</strong>n inneren Organen hervor. Hoffmann und alle genauen<br />

Beobachter haben unzählige Fälle dieser Art gesammelt. Man hat oft die <strong>Gicht</strong> sich auf<br />

innere Theile werfen sehen, ohne dass ein Zurücktritt vorhergegangen war; eben so auch<br />

die Rose. - Bei<strong>de</strong>, <strong>Gicht</strong> und Rose, sind zuweilen periodisch; bei<strong>de</strong> wer<strong>de</strong>n <strong>von</strong><br />

Unordnungen in <strong>de</strong>n Digestionsorganen begleitet, und zwar oft in so hohem Gra<strong>de</strong>, dass<br />

viele Ärzte die Rose nur als ein consensuelles Lei<strong>de</strong>n, durch jene herbeigeführt,<br />

angesehen haben. Wir sprachen vorhin <strong>von</strong> wan<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>r <strong>Gicht</strong>; aber auch die Rose<br />

verdient oft <strong>de</strong>nselben Namen. Ein merkwürdiges Beispiel erzählt Frank: „Bei einer<br />

Frau, die an <strong>de</strong>r Gesichtsrose litt, warf sich diese am dreizehnten Tage plötzlich auf<br />

einen Fuss und <strong>von</strong> da nach wenigen Stun<strong>de</strong>n auf die Hüfte. Dann kehrte sie zum<br />

Gesichte zurück, und <strong>von</strong> da an wie<strong>de</strong>r nach <strong>de</strong>n Gedärmen. Vom Unterleibe versetzte<br />

sie sich bald wie<strong>de</strong>r nach <strong>de</strong>m Fusse, bald nach <strong>de</strong>n Rippen und <strong>de</strong>n Lungen, und zuletzt<br />

warf sie sch auf das Gehirn, welches <strong>de</strong>n Tod zur Folge hatte.“ – Kurz, je mehr wir die<br />

wechseln<strong>de</strong>n Formen <strong>de</strong>r Rose betrachten, und sie mit <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r <strong>Gicht</strong> vergleichen,<br />

<strong>de</strong>sto <strong>de</strong>utlicher wird uns die Analogie bei<strong>de</strong>r Krankheiten wer<strong>de</strong>n. -<br />

Ist die <strong>Gicht</strong> erblich?<br />

§. 25.<br />

Viele Menschen scheinen die <strong>Gicht</strong> <strong>von</strong> ihren Eltern zu erben. Daher kann ihre<br />

Lebensweise keinen Einfluss auf die Erzeugung dieser Krankheit haben. Dies bestätigen<br />

alle unpartheiischen Beobachter. Wir haben in diesem Augenblicke ein Beispiel dieser<br />

Art, o<strong>de</strong>r vielmehr einen unwi<strong>de</strong>rlegbaren Beweis unseres Satzes vor Augen. „Ein Mann,<br />

Vater einer zahlreichen Familie, hatte schon 8 Kin<strong>de</strong>r gezeugt, als er <strong>von</strong> <strong>de</strong>r <strong>Gicht</strong> und<br />

vorzüglich <strong>von</strong> einem hartnäckigen Hüftweh befallen wur<strong>de</strong>, das ihn seine übrige<br />

Lebenszeit peinigte. Während dieser Zeit ward er Vater <strong>de</strong>s neunten Kin<strong>de</strong>s, und dieser<br />

Sohn war <strong>de</strong>r einzige in <strong>de</strong>r ganzen Familie, <strong>de</strong>r späterhin <strong>Gicht</strong> bekam. Dieser war<br />

überdiess <strong>von</strong> stillem, ruhigen Temperamente, und, eine sitzen<strong>de</strong> Lebensart<br />

ausgenommen, würkten keine an<strong>de</strong>re prädisponiren<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r erregen<strong>de</strong>n Ursachen <strong>de</strong>r<br />

<strong>Gicht</strong> auf ihn ein.“ –<br />

A b e r i s t d e r v o n e i n e m g i c h t i s c h e n V a t e r g e z e u g t e S o h n<br />

d u r c h a u s i m m e r d e r E r b e d e r v ä t e r l i c h e n K r a n k h e i t ? Loubet (Lettres<br />

p. 132.) hat diese Frage durch folgen<strong>de</strong> wahre Geschichte beantwortet: „Ein gichtischer<br />

Vater hatte zwei Zwillingssöhne, die, wie er, robust und stark im Heranwachsen<br />

wur<strong>de</strong>n. So glichen sie ihm zwar in seinem körperlichen Baue, aber nicht in seinem<br />

geistigen Wesen, und bei<strong>de</strong> führten eine ganz verschie<strong>de</strong>ne Lebensweise. Der Eine blieb<br />

zu Hause beim Vater, und da er die Lebensart und Gewohnheiten <strong>de</strong>sselben annahm, so<br />

bekam er frühzeitig schon unzwei<strong>de</strong>utige Spuren <strong>von</strong> <strong>Gicht</strong>; <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Sohn aber, <strong>de</strong>r<br />

durch seine Verhältnisse ein mässiges und thätiges Leben zu führen gezwungen war,<br />

ward nie <strong>von</strong> <strong>Gicht</strong> befallen.“<br />

Pathologische Anatomie <strong>de</strong>r <strong>Gicht</strong>.<br />

§. 26.<br />

Lieutaud sagt, dass man in <strong>de</strong>n Gelenken gichtischer Personen nach <strong>de</strong>m To<strong>de</strong><br />

eine krei<strong>de</strong>artige Substanz fin<strong>de</strong>t, die nicht nur die Sehnen und Bän<strong>de</strong>r, son<strong>de</strong>rn auch<br />

sogar die Knochen be<strong>de</strong>ckt, die oft dadurch aus ihrer Lage gerückt wer<strong>de</strong>n. „Doch“, setzt<br />

er hinzu, „hat man diese Substanz noch nicht in <strong>de</strong>n Kapselbän<strong>de</strong>rn gefun<strong>de</strong>n.“ Dasselbe<br />

22


haben Bonetus, Schnei<strong>de</strong>r und Fernelius angemerkt; und auf diese Autoritäten stützt<br />

sich die Meinung, (die Viele noch hegen) dass <strong>de</strong>r Sitz <strong>de</strong>r <strong>Gicht</strong> in <strong>de</strong>m<br />

F a s e r n g e w e b e sey, mit Ausschluss <strong>de</strong>sjenigen, das die Gelenke umgiebt. Dennoch<br />

aber sprechen viele Beweise dafür, dass die s e r ö s e n o<strong>de</strong>r S y n o v i a l h ä u t e <strong>von</strong> <strong>de</strong>n<br />

zerstören<strong>de</strong>n Würkungen dieser Krankheit nicht frei sind. Portal fand die<br />

Gelenkschmiere (Synovia) eines <strong>Gicht</strong>kranken gallertähnlich und zu einer gypsartigen<br />

Masse verdickt. Er sowohl, als Morgagni und Dobrenzki beobachteten, dass die<br />

Fussknochen bei Personen, die lange mit <strong>Gicht</strong> behaftet waren, durch diese<br />

Concremente gewaltsam getrennt und keilförmig gespalten waren. Die folgen<strong>de</strong> Section,<br />

sagt Guilbert, bei <strong>de</strong>r uns <strong>de</strong>r junge aber geschickte Arzt Dallidé unterstütze, bietet die<br />

verschie<strong>de</strong>nsten und wichtigsten Resultate dar, welche die krankhaften Folgen <strong>de</strong>r <strong>Gicht</strong><br />

in <strong>de</strong>n Gelenken <strong>de</strong>utlich zeigen, und uns an <strong>de</strong>r Annahme irgend einer Theorie hin<strong>de</strong>rn,<br />

welche die Thätigkeit <strong>de</strong>r <strong>Gicht</strong> auf einzelne organische Formen beschränkt.<br />

„Der traurige Gegenstand dieser Untersuchung hatte, obgleich noch nicht sehr<br />

alt, doch schon lange an Gelenkgicht gelitten. Diese begann die knotige Form<br />

anzunehmen, als <strong>de</strong>r unglückliche Kranke, nach <strong>de</strong>r plötzlichen Einwürkung einer<br />

nie<strong>de</strong>rschlagen<strong>de</strong>n Gemüthsaffection, mitten in einem <strong>Gicht</strong>anfalle verschied! – Damals<br />

hatte sich die Krankheit im linken Fusse und in <strong>de</strong>r rechten Hand fixirt. Das<br />

Mittelfussgelenk <strong>de</strong>r grossen Zehe war mit einem krei<strong>de</strong>artigen Concremente <strong>von</strong><br />

hellrother Farbe umgeben, welches sich unregelmässig verbreitete und die das Gelenk<br />

bil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Knochenen<strong>de</strong>n einhüllte. In <strong>de</strong>r Nähe dieses Gelenkes, an <strong>de</strong>r inneren<br />

Fussseite, befand sich ein kleiner, mit Eiter und krei<strong>de</strong>artiger Masse gefüllter Abszess,<br />

welcher letztere so fein war, dass sie unter günstigen Umstän<strong>de</strong>n ihren Ausweg durch<br />

die Hautporen hätten nehmen können. Die benachbarten Theile waren in einem hohen<br />

Gra<strong>de</strong> <strong>von</strong> vermehrter Erregung; die Synovialmembranen selbst erschienen hell, aber<br />

völlig injicirt. Auf <strong>de</strong>n Gelenkflächen <strong>de</strong>r Knochen war eine dünne Schicht <strong>von</strong> einer<br />

weissen Substanz befindlich, die sich <strong>von</strong> <strong>de</strong>m oben erwähnten Concremente sowohl in<br />

Farbe als auch in Hinsicht <strong>de</strong>r Masse unterschied, in<strong>de</strong>m erstere weit feiner zu seyn<br />

schien: daher war sie nicht im Geringsten glatt und eben, wie gewöhnlich. Der übrige<br />

Theil <strong>de</strong>r inneren Fläche <strong>de</strong>r Synovialmembran war mit <strong>de</strong>rselben kreidigen Masse<br />

be<strong>de</strong>ckt, die das äussere Gelenk umgab, nur in geringerer Quantität. Zugleich<br />

bemerkten wir, dass die Articulationsflächen <strong>de</strong>s Handgelenkes, (an <strong>de</strong>m wir die Hand,<br />

um freier untersuchen zu können, amputiert hatten) welche bei <strong>de</strong>r Amputation nichts<br />

Ungewöhnliches dargeboten hatten, nach Verlauf <strong>von</strong> 2 Stun<strong>de</strong>n, einer weissen und<br />

glatten Kruste, <strong>de</strong>m gekochten Eiweisse ähnlich, gleich sahen. Bei <strong>de</strong>r Untersuchung<br />

<strong>de</strong>s an<strong>de</strong>ren Gelenkes <strong>de</strong>rselben grossen Zehe, das während <strong>de</strong>s <strong>Gicht</strong>anfalles nur wenig<br />

gelitten hatte, fan<strong>de</strong>n wir die innere Fläche nur leicht entzün<strong>de</strong>t. Eben so war die<br />

Entzündung auf <strong>de</strong>r Oberfläche <strong>de</strong>r Knochen weniger bemerkbar, als an <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren<br />

Theilen <strong>de</strong>r Synovialmembran. Auf <strong>de</strong>m Handrücken befand sich eine Art <strong>von</strong> Ganglion<br />

gera<strong>de</strong> da, wo <strong>de</strong>r m. extensor communis digit. sich in die verschie<strong>de</strong>nen Fingersehnen<br />

spaltet. Nach <strong>de</strong>r Wegnahme <strong>de</strong>r äusseren Be<strong>de</strong>ckungen sahen wir einen Sack <strong>von</strong><br />

dunkelrother Farbe <strong>de</strong>r nicht <strong>von</strong> <strong>de</strong>r Sehne getrennt wer<strong>de</strong>n konnte. Er war mit einer<br />

blutigen Flüssigkeit gefüllt, in <strong>de</strong>r feine Körner <strong>von</strong> <strong>de</strong>rselben krei<strong>de</strong>artigen Masse, wie<br />

die in <strong>de</strong>m Fussgeschwüre sich befan<strong>de</strong>n. Die Sehne selbst <strong>de</strong>r Länge nach<br />

aufgeschnitten, zeigte sehr <strong>de</strong>utlich zwischen ihren Fasern eine Menge <strong>von</strong> <strong>de</strong>r kreidigen<br />

Substanz, in <strong>de</strong>r Gestalt eines sehr feinen San<strong>de</strong>s, <strong>de</strong>r ihr ganzes Gewebe in <strong>de</strong>r Länge<br />

eines Zolls durchdrang. Dieselben Phänomene boten auch die zu <strong>de</strong>n einzelnen Fingern<br />

gehen<strong>de</strong>n Sehnenstreifen dar; und unter <strong>de</strong>m Muskel selbst fand sich ein Stückchen <strong>von</strong><br />

<strong>de</strong>rselben Masse, wie es schien, frei liegend und nicht an die Sehnenfasern angeheftet. –<br />

Beim Umdrehen <strong>de</strong>r Hand fan<strong>de</strong>n wir zwischen <strong>de</strong>r Haut und <strong>de</strong>m Beugemuskel <strong>de</strong>s<br />

Daumens ein krei<strong>de</strong>artiges, <strong>de</strong>m vorigen ähnliches Concrement, das aber an kein<br />

fibröses o<strong>de</strong>r seröses Gewebe befestigt, son<strong>de</strong>rn nur mit Fett umgeben war. Diese Seite<br />

<strong>de</strong>r Hand zeigte keine an<strong>de</strong>re Spur <strong>von</strong> vorhan<strong>de</strong>ner o<strong>de</strong>r dagewesener Krankheit.“<br />

23


„Wir untersuchten nun zunächst die an<strong>de</strong>ren <strong>von</strong> <strong>de</strong>r <strong>Gicht</strong> befallenen Gelenke<br />

<strong>de</strong>r Hand, und fan<strong>de</strong>n aussen und innen <strong>de</strong>nselben Grad <strong>von</strong> Entzündung mit ähnlichen<br />

Ausschwitzungen, wie vorhin; dann öffneten wir verschie<strong>de</strong>ne andre nicht <strong>von</strong> <strong>de</strong>r <strong>Gicht</strong><br />

afficirten Gelenke, und fan<strong>de</strong>n sie in normalem Zustan<strong>de</strong> und in strengstem Gegensatze<br />

zu <strong>de</strong>nen, welche die <strong>de</strong>sorganisiren<strong>de</strong>n Würkungen <strong>de</strong>r Krankheit erfahren hatten.“ –<br />

Dies waren die wichtigsten Resultate dieser mit Sorgfakt und Genauigkeit<br />

angestellten Section. Sie beweisen vollkommen, dass <strong>de</strong>r Sitz <strong>de</strong>r <strong>Gicht</strong> nicht<br />

ausschliesslich in irgend einem Gewebe sey; son<strong>de</strong>rn dass jene sie alle, einzeln o<strong>de</strong>r<br />

gemeinschaftlich, befallen kann.<br />

Was die Metamorphosen betrifft, welche die metastatische <strong>Gicht</strong> zur Folge hat, so<br />

sind sie so verschie<strong>de</strong>n, als ihre Symptome selbst. Lieutaud nennt, unter an<strong>de</strong>ren,<br />

Blutergiessungen in die Gehirnhöhlen; verstopfte, entzün<strong>de</strong>te, brandige und<br />

geschwürige Lungen; steinige Concremente im Gehirne, Herzen und <strong>de</strong>n Lungen etc.; –<br />

Gries und Steine in <strong>de</strong>n Urinwerkzeugen; runzlige Nieren, verstopfte und verhärtete<br />

Milz; körnige, entzün<strong>de</strong>te und faulige Leber; Verhärtungen <strong>de</strong>s pylorus;<br />

Vergrösserungen <strong>de</strong>r Vorsteherdrüse etc. – Kurz, so wie die zurückgetriebene <strong>Gicht</strong> fast<br />

die Form je<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Krankheit annehmen kann, eben so gleichen die durch sie<br />

hervorgebrachten Structurverän<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>nen, welche auf die Krankheit folgen, <strong>de</strong>ren<br />

Rolle sie spielt.<br />

Portal berichtet folgen<strong>de</strong> Fälle: „Ein vierzigjähriger Mann, <strong>de</strong>r sich <strong>von</strong> <strong>de</strong>r<br />

Fussgicht durch unvorsichtiges Waschen <strong>de</strong>r Füsse mit kaltem Weinessig und Wasser<br />

befreiet hatte, bekam bald nachher ein heftiges Gefühl <strong>von</strong> Zusammenschnüren in <strong>de</strong>m<br />

unteren Theile <strong>de</strong>r Brust, mit Spannung in <strong>de</strong>n Hypochondrien, Beschwer<strong>de</strong>n beim<br />

Athmen und heftigem Fieber. Nach wenigen Tagen starb er. Bei <strong>de</strong>r Section fand man<br />

die rechte Seite und einen Theil <strong>de</strong>s sehnigten Centrums <strong>de</strong>s Zwerchfells sehr roth und<br />

geschwollen; die Lungen waren weich und schlaff, wie bei beginnen<strong>de</strong>m Bran<strong>de</strong>.“ –<br />

„Derselbe fand bei zwei nach zurückgetretener <strong>Gicht</strong> an Schlagflusse<br />

Gestorbenen, in <strong>de</strong>n Seitenventrikeln <strong>de</strong>s Gehirns zwei weisse Concremente <strong>von</strong><br />

beträchtlicher Härte.“ – Verschie<strong>de</strong>ne organische Fehler <strong>de</strong>r Herzens, die ihren Grund in<br />

anomaler <strong>Gicht</strong>thätigkeit hatten, fin<strong>de</strong>t man bei Portal aufgeführt in seinen Anatom.<br />

Medic. Vol. III. p. 19.<br />

Krankhafter Chemismus in <strong>de</strong>r <strong>Gicht</strong>. Concremente in <strong>de</strong>n<br />

Gelenken.<br />

§. 27.<br />

Im Allgemeinen bestehen sie aus Harnsäure und Natrum. Aber dieselbe grosse<br />

Verschie<strong>de</strong>nheit, die sich bei <strong>de</strong>n Harnsteinen fin<strong>de</strong>t, trifft man auch bei <strong>de</strong>n<br />

<strong>Gicht</strong>concrementen an. Vanquelin fand sie aus harnsaurem Natrum, harnsaurem Kalk,<br />

phosphorsaurem Kalk und etwas thierischer Gallerte zusammengesetzt. Die mit<br />

Gelenkfeuchtigkeit angestellten Versuche haben keine genügen<strong>de</strong>n Resultate gegeben.<br />

Die <strong>Gicht</strong>concremente, die man in <strong>de</strong>n Lungen und an<strong>de</strong>ren inneren Organen fand,<br />

bestan<strong>de</strong>n im Allgemeinen aus phosphorsaurem Kalke, zuweilen in Verbindung mit<br />

kohlensaurem Kalke.<br />

G i c h t i s c h e r U r i n . Bertholet ent<strong>de</strong>ckte, dass <strong>de</strong>r Urin gichtischer Personen<br />

seine Harnsäure einige Tage vor <strong>de</strong>m Anfalle verlor und sie erst nach <strong>de</strong>r Beendigung<br />

<strong>de</strong>sselben wie<strong>de</strong>r erhielt. Trampel wie<strong>de</strong>rholte die Versuche <strong>von</strong> Bertholet und bemerkte,<br />

dass <strong>de</strong>r Urin <strong>Gicht</strong>ischer, we<strong>de</strong>r vor, noch während <strong>de</strong>s Anfalls, blaugefärbtes Papier<br />

röthet, son<strong>de</strong>rn erst dann wie<strong>de</strong>r, wenn irgend eine kritische Ausleerung o<strong>de</strong>r ein<br />

Nie<strong>de</strong>rschlag im Urin erfolgt ist. 6 Hufeland bestätigt diese Beobachtungen; eben so auch<br />

6 Scudamore versichert, dass das blassrothe Sediment im Anfange <strong>de</strong>s <strong>Gicht</strong>anfalles sich bil<strong>de</strong>t;<br />

dahingegen sein Recensent im Medical Repository sagt, dass jenes auch nach völliger Beendigung<br />

24


I<strong>de</strong>ler 7 , <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Urin als ein Kriterium für die Prognose betrachtet, - das wir jedoch oft<br />

als trüglich befun<strong>de</strong>n haben, beson<strong>de</strong>rs in <strong>de</strong>r chronischen <strong>Gicht</strong>. – Man sollte billig<br />

diese Versuche mit <strong>de</strong>m Urine nicht zu allen Tageszeiten machen. Nur <strong>de</strong>r am Morgen<br />

excernirte und nicht mit <strong>de</strong>m in <strong>de</strong>r Nacht gelassenen vermischte Urin sollte dazu<br />

bestimmt, und die Untersuchung sogleich nach <strong>de</strong>r Excretion <strong>de</strong>sselben angestellt<br />

wer<strong>de</strong>n, da es ja ausgemacht ist, dass er oft eben so schnell ammoniakalisch wird, als er<br />

in diesem Augenblicke Säure zeigt, und bald darauf wie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>utlich <strong>de</strong>n alkalischen<br />

Charakter annimmt. Auch sollte man diese Untersuchungen nur in <strong>de</strong>r einfachen, nicht<br />

mit an<strong>de</strong>rn Affectionen complicirten <strong>Gicht</strong> anstellen, da diese meistens die Urinsecretion<br />

mannigfaltig modificieren. Der S c h w e i s s G i c h t i s c h e r röthet das blaugefärbte<br />

Papier, doch haben wir dasselbe auch bei Gesun<strong>de</strong>n gefun<strong>de</strong>n. Thenard fand in<br />

<strong>de</strong>mselben freie Essigsäure. Soviel ist in<strong>de</strong>ssen gewiss, dass die örtlichen Schweisse <strong>de</strong>r<br />

<strong>von</strong> <strong>Gicht</strong> befallenen Theile im Allgemeinen einen starken Geruch haben, und, nach<br />

Coste 8 , das Silber schwarz färben. Hoffmann 9 kannte einen an Fussgicht lei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />

Mann, <strong>de</strong>r einen aus Quecksilber, Schwefel und Zink verfertigten Ring am Finger trug.<br />

Einige Tage vor <strong>de</strong>m Anfalle und während <strong>de</strong>s ganzen Verlaufes <strong>de</strong>sselben, wur<strong>de</strong> dieser<br />

schwarz, erhielt aber mit <strong>de</strong>r Abnahme <strong>de</strong>r Krankheit seine vorige Farbe wie<strong>de</strong>r.<br />

Ursachen <strong>de</strong>r <strong>Gicht</strong>.<br />

§. 28.<br />

Bei Aufzählung <strong>de</strong>r Ursachen han<strong>de</strong>ln wir grösstentheils auch schon die<br />

Vorbeugung <strong>de</strong>r <strong>Gicht</strong> ab. Wir wollen hier nicht wie<strong>de</strong>rholen, was wir schon über <strong>de</strong>n<br />

Einfluss <strong>de</strong>s Alters, Geschlechtes und <strong>de</strong>r Jahreszeiten gesagt haben etc.; son<strong>de</strong>rn nur<br />

mit Cullen und Barthez hinzufügen, dass ein gewisser Körperbau sehr häufig eine<br />

eigenthümliche Anlage zu dieser Krankheit verräth: nämlich ein wohlbeleibter und<br />

starker Körper, ein grosser Kopf, dicke Knochen und eine grobe Haut. Dr. Scudamore,<br />

<strong>de</strong>r an <strong>de</strong>m Vorhan<strong>de</strong>nseyn <strong>de</strong>s grossen Kopfes und <strong>de</strong>r groben Haut zweifelt, fügt noch<br />

hinzu: ein geräumiger und run<strong>de</strong>r Brustkasten – grosse, volle Bluta<strong>de</strong>rn – schwache,<br />

feste Theile.<br />

a) Feuchte Atmosphäre, Ost- und Nordwin<strong>de</strong>, schnelle Abwechselung <strong>von</strong><br />

Wärme und Kälte, feuchte und kalte Wohnungen sind Ursachen <strong>de</strong>r <strong>Gicht</strong>.<br />

b) Zu dünne Bekleidungen, und zwei freie Wärmeleiter – schmale Betten und<br />

fortwähren<strong>de</strong> Exposition <strong>de</strong>r Kälte im Schlafe – Waschen mit<br />

wohlriechen<strong>de</strong>m Wasser o<strong>de</strong>r solchen Mitteln, welche die Ausdünstungen<br />

<strong>de</strong>r Füsse o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>rer Theile unterdrücken, unvorsichtige Anwendung<br />

kalter Fuss- o<strong>de</strong>r allgemeiner Bä<strong>de</strong>r, vernachlässigte Reinlichkeit,<br />

wodurch die Hautporen verstopft wer<strong>de</strong>n, zurücktreiben<strong>de</strong> Mittel in<br />

Hautkrankheiten und adstringiren<strong>de</strong> Mittel bei Hämorrhoi<strong>de</strong>n<br />

angewandt, kann man eher wie gelegentliche, wie als vorzügliche und<br />

wesentliche Ursachen betrachten. Die letzteren müssen auf folgen<strong>de</strong><br />

Hauptpunkte reducirt wer<strong>de</strong>n.<br />

c) Reichliche, zumal Fleischnahrung, - zu häufiger Genuss <strong>von</strong> fetten und<br />

öhligten Speisen, Ragouts, stark gewürzten und gesalzenen Gerichten und<br />

allen schwerverdaulichen Nahrungsmitteln – Missbrauch <strong>de</strong>r Weine und<br />

an<strong>de</strong>rer spirituöser Getränke. Scaliger und An<strong>de</strong>re legen <strong>de</strong>m K ä s e eine<br />

<strong>de</strong>s Paroxysmus Statt fin<strong>de</strong>. So weit meine Erfahrung reicht, gilt hier nicht je<strong>de</strong>s Mal eine<br />

bestimmte Regel; aber die französischen Schriftsteller sind <strong>de</strong>utlich auf <strong>de</strong>r Seite jenes<br />

Recensenten. D. V.<br />

7 Hufel. Journ. B. 13. St. 4. p. 99.(Anm. D. Uebers.)<br />

8 Traité pratique <strong>de</strong> la goutte. Par. 1764. pag. 23. (Anm. d. Uebers.)<br />

9 Med. Rat. System. Tom. IV. Part. 2. Sect. 2. Cap. II. P. 507. (Anm. D. Uebers.)<br />

25


zur <strong>Gicht</strong> disponiren<strong>de</strong> Kraft bei: dasselbe hat man <strong>von</strong> verschie<strong>de</strong>nen<br />

Weinsorten behauptet, wie vom B u r g u n d e r , Champagner, und <strong>de</strong>n in<br />

einem K r e i d e b o d e n erzeugten Weinen, z. B. <strong>de</strong>m <strong>von</strong> Candia, wo nach<br />

Alexan<strong>de</strong>r Benedict, die gesun<strong>de</strong>sten Frem<strong>de</strong>n <strong>von</strong> <strong>de</strong>r <strong>Gicht</strong> befallen<br />

wer<strong>de</strong>n, sobald sie <strong>von</strong> <strong>de</strong>n Weinen jener Insel häufig trinken. Musgrave<br />

versichert, dass in De<strong>von</strong>shire, ehe man <strong>de</strong>n Kalk zum Düngen benutzte,<br />

die <strong>Gicht</strong> eine seltene Krankheit war, diese aber in <strong>de</strong>m Gra<strong>de</strong> häufiger<br />

wur<strong>de</strong>, als <strong>de</strong>r Gebrauch <strong>de</strong>s Kalkes beim Landbau zunahm. In dieser<br />

Gegend disponirt <strong>de</strong>r Champagner zur <strong>Gicht</strong> und bringt sie sogar hervor:<br />

und dieselben Würkungen zeigen die starken Biersorten.<br />

d) Gewöhnlich zeigt sich einige Zeit vor <strong>de</strong>m <strong>Gicht</strong>anfalle eine merkliche<br />

Thätigkeit in allen Ausleerungen: daher entsteht Verstopfung – die<br />

Functionen <strong>de</strong>r Unterleibsorgane gehen schwer <strong>von</strong> Statten – <strong>de</strong>r Urin ist<br />

mehr o<strong>de</strong>r weniger blass o<strong>de</strong>r entfärbt 10 ; die Hautthätigkeit wird gestört,<br />

und die Schweisse an <strong>de</strong>n Füssen und unter <strong>de</strong>n Achseln verlieren sich.<br />

Desault, welcher darauf sehr achtete, hielt die v e r m i n d e r t e<br />

H a u t a u s d ü n s t u n g für eine <strong>de</strong>r vorzüglichsten Ursachen <strong>de</strong>r <strong>Gicht</strong>.<br />

Dazu könnte man noch das Ausbleiben <strong>de</strong>s gewohnten Bo<strong>de</strong>nsatzes im<br />

Urin rechnen. Hun<strong>de</strong>rtmark 11 erzählt, dass ein Mann <strong>von</strong> seiner Kindheit<br />

an, bis in sein 45stes Jahr einen weisslichten, schleimigten und wie<br />

krei<strong>de</strong>artiges Sediment absetzen<strong>de</strong>n Urin liess, und nach <strong>de</strong>m<br />

Verschwin<strong>de</strong>n dieser Erscheinungen gichtisch wur<strong>de</strong>. – Einen ähnlichen<br />

Fall kannte auch Veussens. – Aber auch die Unterdrückung habitueller<br />

Blutflüsse, o<strong>de</strong>r das Unterlassen gewohnter Ausleerungen und<br />

periodischer A<strong>de</strong>rlässe können bei dazu Disponirten als erregen<strong>de</strong> Ursache<br />

<strong>de</strong>r <strong>Gicht</strong> würken.<br />

e) Eine sitzen<strong>de</strong> Lebensart, vorzüglich wenn sie auf ein thätiges Leben folgt,<br />

- wie <strong>de</strong>r Übergang vom See- o<strong>de</strong>r Landdienste zu einem ehrenvollen<br />

Ruhestan<strong>de</strong> in Pension (of half-pay) 12 ; heftige und ungewohnte körperliche<br />

Anstrengungen, Ausschweifungen und beson<strong>de</strong>rs zu frühzeitige in<br />

Geschlechtsgenüssen, Onanie, tiefes Nach<strong>de</strong>nken, zumal während <strong>de</strong>r<br />

Nacht, o<strong>de</strong>r kurz nach <strong>de</strong>m Essen, disponiren zur <strong>Gicht</strong> o<strong>de</strong>r erzeugen sie.<br />

f) Nichts bringt bei dazu Disponirten häufiger <strong>Gicht</strong>anfälle hervor, als<br />

heftige Lei<strong>de</strong>nschaften. Stahl erzählt einen Fall, wo Schrecken und<br />

Verdruss so schnell einen Anfall herbeiführten, wo <strong>de</strong>r Kranke nicht gehen<br />

konnte, son<strong>de</strong>rn ins Bett getragen wer<strong>de</strong>n musste. Gemüthsunruhe,<br />

Kummer und alle melancholischen Geistesverstimmungen erzeugen sehr<br />

rasch die <strong>Gicht</strong>, wahrscheinlich durch die <strong>von</strong> ihnen hervorgebrachten<br />

Unordnungen in <strong>de</strong>n Verdauungsorganen. Noch würksamer ist in dieser<br />

Hinsicht tiefes Nach<strong>de</strong>nken. Van Swieten kannte einen mässig leben<strong>de</strong>n,<br />

aber mit erblicher <strong>Gicht</strong> behafteten Mathematiker, <strong>de</strong>r sich nach Gefallen<br />

einen <strong>Gicht</strong>anfall zuziehen konnte, wenn er sich mit <strong>de</strong>r Lösung eines<br />

schwierigen Problems beschäftigte. – Der Pabst Gregorius <strong>de</strong>r Grosse,<br />

einer <strong>de</strong>r Mässigsten seines Zeitalters und <strong>von</strong> scheinbar fester<br />

Gesundheit, <strong>de</strong>r sich aber fortwährend <strong>de</strong>n anstrengendsten und tiefsten<br />

Studien hingab, litt 3o Jahre so sehr an <strong>de</strong>r <strong>Gicht</strong>, dass er <strong>de</strong>n grössten<br />

10 Scudamore sagt, dass die spezifische Schwere <strong>de</strong>r Urins ausserhalb <strong>de</strong>r Gränzen <strong>de</strong>r<br />

geusndheit zunimmt. D. V.<br />

11 Diss. De urina cretacea in Baldinger’s Opusc. Med. Pract. Tom. VI. (Anm. D. Uebers.)<br />

12 Die Regierung trägt sehr gütig Sorge dafür, dass die Zurückziehung vom S t a a t s d i e n s t e<br />

nicht im Allgemeionen zur Erzeugung <strong>de</strong>r <strong>Gicht</strong> mitwürkt! Aber das Aufgeben <strong>von</strong><br />

P r i v a t g e s c h ä f t e n trägt bei weitem mehr dazu bei. D. V.<br />

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Theil seiner Werke mit zwei Fingern schrieb, <strong>de</strong>n einzigen, <strong>de</strong>ren<br />

Gebrauch ihm die Krankheit gelassen hatte! –<br />

g) Die Ursachen <strong>de</strong>r anomalen <strong>Gicht</strong> sind die <strong>de</strong>r regelmässigen <strong>Gicht</strong>,<br />

verbun<strong>de</strong>n mit allgemeiner Schwäche <strong>de</strong>s Körpers und beson<strong>de</strong>ren Lei<strong>de</strong>n<br />

<strong>de</strong>r einzelnen Organe, zu <strong>de</strong>nen noch die Einflüsse gerechnet wer<strong>de</strong>n<br />

müssen, welche die Function o<strong>de</strong>r Structur innerer Theile umän<strong>de</strong>rn. Die<br />

häufigsten Ursachen <strong>de</strong>r z u r ü c k g e t r i e b e n e n o<strong>de</strong>r zurückgetretenen<br />

<strong>Gicht</strong> sind: Anwendung <strong>von</strong> adstringiren<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r kalten Mitteln auf die<br />

Anschwellungen <strong>de</strong>r Gelenke, zu starkes Warmhalten <strong>de</strong>r Füsse, daher<br />

sehr heisse Fussbä<strong>de</strong>r, Reizungen durch unzweckmässige innere<br />

Arzneimittel, Arma<strong>de</strong>rlässe während <strong>de</strong>s Anfalls.<br />

Die d u r c h s i c h s e l b s t z u r ü c k g e t r e t e n e <strong>Gicht</strong> ist meistens die Folge<br />

einer inneren Krankheit, durch <strong>de</strong>ren Reiz die gichtische Thätigkeit <strong>von</strong> <strong>de</strong>n Gelenken<br />

abgeleitet wird. Dieser Metaschemismus wird oft noch durch beson<strong>de</strong>re Veranlassungen<br />

herbeigeführt, wie durch öfteren Temperaturwechsel, plötzlich erhaltene unangenehme<br />

Nachrichten, und meistens durch eine lebhafte, aber ungleich traurige<br />

Gemüthsbewegung.<br />

Verschiedne an<strong>de</strong>re prädisponiren<strong>de</strong> und erwegen<strong>de</strong> Ursachen haben wir theils<br />

schon vorhin angeführt, theils wer<strong>de</strong>n wir noch späterhin da<strong>von</strong> re<strong>de</strong>n, und übergehen<br />

sie daher hier, um Wie<strong>de</strong>rholungen zu vermei<strong>de</strong>n. Wir erlauben uns nur noch hier daran<br />

zu erinnern, dass die <strong>Gicht</strong> sich zuweilen plötzlich durch <strong>de</strong>n blossen Reiz eines<br />

Schnupfens nach <strong>de</strong>m Gehirne versetzt; eben so nach <strong>de</strong>m Magen nach lange<br />

fortgesetztem Gebrauche bitterer Mittel, in <strong>de</strong>r Absicht, diese Krankheit damit zu<br />

heilen, und nach raschem Übergange <strong>von</strong> einer reichlichen zu einer mageren Kost.<br />

Endlich sind gichtische Frauen während <strong>de</strong>r Schwangerschaft häufig Krankheiten <strong>de</strong>r<br />

Gebärmutter unterworfen, welche meistens im dritten o<strong>de</strong>r vierten Monate <strong>de</strong>r<br />

Schwangerschaft abortus herbeiführen.<br />

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