alte Schäden und faule lte Schäden und faule ... - Kathrin von Basse
alte Schäden und faule lte Schäden und faule ... - Kathrin von Basse
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Anleitung<br />
<strong>a<strong>lte</strong></strong> <strong>lte</strong> <strong>Schäden</strong> <strong>Schäden</strong> <strong>und</strong> <strong>und</strong> <strong>faule</strong><br />
<strong>faule</strong><br />
Geschwüre<br />
Geschwüre<br />
gründlich zu heilen<br />
nebst<br />
einem einem Anhange<br />
Anhange<br />
über eine zwekmäsigere Behandlung der Fisteln,<br />
der Knochenfäule, des Winddorns, des Krebses,<br />
des Gliedschwamms <strong>und</strong> der Lungensucht<br />
<strong>von</strong><br />
Samuel Samuel Hahneman<br />
Hahneman<br />
der Arzneyk<strong>und</strong>e Doktors <strong>und</strong> Physikus des Amtes<br />
Gommern<br />
Leipzig<br />
Leipzig<br />
Bey Siegfried Lebrecht Crusius 1784
Anmerkung des Kopisten<br />
In der Hoffnung, daß auch in späteren Zeiten noch Menschen die Werke Samuel<br />
Hahnemanns lesen können, die schon jetzt in nur wenigen Bibliotheken<br />
<strong>und</strong> nur schwer einsehbar sind, habe ich dieses Werk kopiert.<br />
Die vorliegende Schrift wurde originalgetreu wiedergegeben. Lediglich die<br />
Fußnoten stammen <strong>von</strong> mir, zum besseren Verständnis mancher obsoleter Begriffe.<br />
Auch in Hahnemanns vorhomöopathischer Zeit zeigt sich sein eigensinniger,<br />
sich nicht der allgemeinen Lehrmeinung unterordnender Geist. Seine<br />
Menschlichkeit hat mich berührt, sein Pragmatismus hat mich begeistert.<br />
Auch wenn dieses Buch keine Arbeitsgr<strong>und</strong>lage für heute arbeitende Homöopathen<br />
sein kann, so ist es doch ein Mosaikstein auf dem Wege zum Verständnis<br />
der Genies Samuel Hahnemanns.<br />
2<br />
<strong>Kathrin</strong> <strong>von</strong> <strong>Basse</strong>,<br />
Halle, den 27. November 2007
Einleitung inleitung inleitung. inleitung<br />
Ich handle hier <strong>von</strong> der Heilung derjenigen Art <strong>von</strong> Verlezzungen der äusern<br />
weichen Theile des menschlichen Körpers, die aus mehrern Ursachen sich<br />
<strong>von</strong> den Heilmitteln für frische W<strong>und</strong>en nicht bessern, noch weniger heben läßt.<br />
Ich werde noch etwas über die Behandlung der oft dabey vorkommenden<br />
Verrottung der festen Theile, des Knochenfrases, <strong>und</strong> etwas vom Krebse, dem<br />
Winddorne, dem Gliedschwamme, <strong>und</strong> einigen innerlichen Geschwüren hinzusezzen,<br />
alles so, wie mir es meine Erfahrung an die Hand gegeben hat.<br />
Es ist so viel über die <strong>a<strong>lte</strong></strong>n <strong>Schäden</strong> geschrieben <strong>und</strong> gesagt worden, daß<br />
man glauben mögte, dieser Gegenstand sei erschöpft, wenn nicht fast alle diese<br />
künstlichen Methoden den Arzt in der Ausübung verliesen, <strong>und</strong> der traurigen<br />
Nothwendigkeit Preis gäben, den Kranken schändlicher Weise seinem <strong>a<strong>lte</strong></strong>n Uebel<br />
ohne Trost zu überlassen. Dieser trostlosen Veranlassung hat man im gemeinen<br />
Leben doch einen Anstrich <strong>von</strong> Gerechtigkeit geben müssen, damit die<br />
Ungeschicklichkeit des Arztes nicht ins Gedränge komme. Bald gab man diese<br />
W<strong>und</strong>en für eine Wirkung der Zauberei, das ist, durch medizinische Hülfe unheilbar,<br />
bald für Todenbrüche aus, deren Zuheilung den Tod unfehlbar nach sich<br />
ziehe; man hielt sie für unmittelbare Folgen der Niederkunft, <strong>und</strong> da hies es, sie<br />
hat den <strong>a<strong>lte</strong></strong>n Knacks in den Sechswochen bekommen, sie wird ihn wohl beh<strong>a<strong>lte</strong></strong>n<br />
müssen. Andre verließen ihre Kranken mit dem Troste, es sey ein Erbstückchen,<br />
<strong>von</strong> einem ihrer Ae<strong>lte</strong>rn oder Grosä<strong>lte</strong>rn, man müsse es in Ruhe lassen, <strong>und</strong> nun<br />
eine lateinische Brocke, noli me tangere 1hießen die Lateiner diese Schaden mit<br />
großem Rechte, <strong>und</strong> es sind eine Menge heilbarer Personen vieljährigen<br />
Schmerzen, einem siechen Leben <strong>und</strong> einem frühzeitigen Tode Preis gegeben<br />
worden. Noch eine gewöhnliche Ausflucht der Ungeschicklichkeit; man heilt ein<br />
mäsiges <strong>a<strong>lte</strong></strong>s Geschwür nach vielen vergeblichen Salbbadereien dadurch, daß<br />
man etliche Fontanelle sezt, das heißt wohl nichts, als eine <strong>a<strong>lte</strong></strong> W<strong>und</strong>e mit mehreren<br />
vertauschen. Der größte Theil der Aerzte macht sich damit nichts zu schaffen<br />
<strong>und</strong> überläßt sie dem Bader, dem Schäfer <strong>und</strong> dem Scharfrichter, gewiß mehr aus<br />
Unwissenheit als aus Ekel. Der Ruhm, dergleichen Heldenkur verrichtet zu<br />
haben, überriecht den <strong>faule</strong>n Eiter bey weitem. Der W<strong>und</strong>arzt hat mit dem Arzte<br />
theils gleiche Beweggründe, den Kranken seinem Schicksale zu überlassen,<br />
theils wendet er hier seine bei ihm sonst se<strong>lte</strong>ne Bescheidenheit an, die innere<br />
Kur müsse damit verb<strong>und</strong>en werden, <strong>und</strong> dies sei des Arztes Sache, womit er<br />
soviel sagen will, vier Schu<strong>lte</strong>rn tragen mehr Schande, als zwei. Ist der Kranke<br />
so thöricht, beide zu brauchen, so erfährt er gar oft, worüber sich das Weib mit<br />
dem langwierigen Blutfluse beim Evangelisten 2 beschwert. Das gewöhnliche En-<br />
1 Berühre mich nicht<br />
2 Markus-Evangelium 5,25 - 34<br />
3
de solcher Kurarten machen <strong>a<strong>lte</strong></strong> Weiber, der Scharfrichter, der Vieharzt, der<br />
Schäfer <strong>und</strong> der Tod. Bei dem allen hindert mich Ehrgeiz nicht, zu gestehen, daß<br />
Viehärzte gröstentheils glücklicher, das ist, geschikter in Heilung <strong>a<strong>lte</strong></strong>r W<strong>und</strong>en<br />
sind, als oft der schulgerechte Professor <strong>und</strong> Mitglied aller Akademien. Man<br />
schreie nicht, dies sei bloße Empirie, ich wünsche mir ihre handwerksmäsigen<br />
Kunstgriffe zu besitzen, die sich auf Erfahrungen gründen, welche ihnen freilich<br />
oft nur die Behandlung der Thiere an die Hand gegeben hat, die ich aber gerne<br />
gegen verschiedne medizinische Folianten eintauschen mögte, wenn sie ihnen dafür<br />
feil wären. Ferne aber sei es auf der andern Seite <strong>von</strong> mir, hieraus allgemeine<br />
Verhaltungsregeln für mich zu ziehn, <strong>und</strong> geläuterte Theorie der Arzneik<strong>und</strong>e<br />
auf Versuche <strong>und</strong> Erfahrungen berühmter <strong>und</strong> rechtschaffner Männer gestüzt,<br />
unvernünftiger Pfuscherey unterzuordnen. Ich kenne beider Gränzen. So viel<br />
aber ist wahr <strong>und</strong> dies könnte uns bescheidner machen, daß fast alle unsre Kenntniß<br />
<strong>von</strong> den Heilkräften der einfachen, natürlichen, so wie der künstlichen Produkte<br />
größtentheils <strong>von</strong> der rohen <strong>und</strong> automatischen Handanlegung des gemeinen<br />
Mannes herzuleiten ist, <strong>und</strong> daß der gründliche Arzt oft noch Folgen aus der<br />
Wirkung der sogenannten Hausmittel zieht, die ihm unschäzbar sind, <strong>und</strong> deren<br />
Wichtigkeit ihn immermehr zur einfachen Natur unter Frohlokken seiner Kranken<br />
herabzieht. Ich erspare mir die Beweise hie<strong>von</strong>.<br />
4
Schädlichkeit Schädlichkeit der der der gewöhnlichen gewöhnlichen Kurarten Kurarten bei bei vielen vielen Körpern,<br />
durch durch hä häufige hä ufige Ausleerungen Ausleerungen <strong>und</strong> <strong>und</strong> Blutreinigu Blutreinigungen.<br />
Blutreinigu gen.<br />
Wenn ich auf die Vereinfachung der Heilart bei <strong>a<strong>lte</strong></strong>n Geschwüren dringe, so heise<br />
ich die gewöhnliche Behandlungsart derselben nicht gut, die sehr einfach zu seyn scheint.<br />
Aderlassen, Schröpfen, Schwizzen, Purgieren <strong>und</strong> Bleimittel sind das Arkanum unsrer<br />
alltäglichen Aerzte <strong>und</strong> W<strong>und</strong>ärzte, einfach <strong>und</strong> unschuldig dem äusern, aber widersprechend,<br />
zweideutig <strong>und</strong> schädlich seinem inneren Werthe nach, wo<strong>von</strong> sie kaum ein<br />
Haar breit in der Ausübung abweichen, der Körper oder die W<strong>und</strong>e mag beschaffen<br />
seyn wie sie will. Andre haben besonders auf die Reinigung des Blutes gedrungen <strong>und</strong><br />
Wege eingeschlagen, die den Körper größtentheils entkräften, se<strong>lte</strong>n aber gefrommet<br />
haben. Holder 3 <strong>und</strong> Hopfenkeimchen, Fichtensprossen <strong>und</strong> junge Rokkensaat, Birken<br />
<strong>und</strong> Theerwasser, ausgepreßte Kräutersäfte ohne Auswahl, Pfaffenplatte 4 , Löffelkraut,<br />
Seifenkraut, Kletten <strong>und</strong> Quekkenwurzel, Gamanderlein, Bachbungen, Kresse, Holztränke<br />
<strong>von</strong> Quajak, <strong>von</strong> Chinawurzel, Sassaparille, Bittersüs, <strong>und</strong> Pferdesaat 5 mineralische<br />
Wässer ohne Unterschied, Ziegenmolken, Mittelsalze in Menge, Salpeter,<br />
vitriolisirter Weinstein, Glauber <strong>und</strong> Bittersalz, Polychrestsalze, warme Bäder <strong>und</strong><br />
dergleichen.<br />
Diese Mittel unter den ansehnlichsten Benennungen der Molken- Brunnen-<br />
Kräuter- Bade- Blutreinigungs- <strong>und</strong> Frühlingskuren methodisch angebracht, sol<strong>lte</strong>n<br />
nun die übeln Säfte besonders ausführen, das Blut versüßen, schmeidigen, <strong>und</strong> verbessern,<br />
die Lebensgeister erquicken u. s. w. Verstopfungen der Drüsen <strong>und</strong> feinen Gefäse<br />
aufzulösen, <strong>und</strong> allzu vollsaftige Körper, γας ές γα έχατα ένεξιας, nach dem<br />
Hippokrates, herabzustimmen <strong>und</strong> in einen geringern <strong>und</strong> eben deswegen in einen ges<strong>und</strong>en<br />
Zustand zu versezzen, sind sie herrliche Mittel, aber dies ist se<strong>lte</strong>n der Fall,<br />
gutes Blut hingegen geradezu zu verschaffen, sind sie unkräftig.<br />
Fall Fall. Fall<br />
Ein Mädchen <strong>von</strong> dreizehn Jahren hatte seit sechs Jahren ihre Ae<strong>lte</strong>rn verloren,<br />
<strong>von</strong> denen sie verzärtelt <strong>und</strong> mit wärmlicher Diät <strong>von</strong> Jugend auf so geschwächt worden<br />
war, daß sie wenig ges<strong>und</strong>e Kräfte erzeuget <strong>und</strong> schon seit zehn Jahren am Grinde, an<br />
bösen Augen, an der englischen Krankheit, an Würmern <strong>und</strong> am Ausschlage gekränkelt<br />
hatte. Ihre jezzigen Pflegeä<strong>lte</strong>rn hatten sie zwar in Arbeit wenig geschont, die aber<br />
in stetigem Spinnen, also aus sehr geringer Bewegung, mit Sizzen <strong>und</strong> dem Nachtheile<br />
der Stubenluft verb<strong>und</strong>en bestand, an Vorwürfen <strong>und</strong> stiefmütterlichen Zurechtweisungen<br />
also an Aergerniß <strong>und</strong> Kränkungen hatte es ebenfalls nicht gefehlt. Nun hatte<br />
sich aller Hang ihrer verderbten Säfte nach der Oberfläche der Haut gewandt <strong>und</strong><br />
Schwären <strong>von</strong> verschiedner Größe <strong>und</strong> Bösartigkeit dahin getrieben. Die Arme, wie die<br />
Füse <strong>und</strong> der übrige Körper, waren, wie ich gerufen ward, mit etlichen <strong>und</strong> dreisig solcher<br />
<strong>a<strong>lte</strong></strong>n Geschwüre besezt, wo<strong>von</strong> die meisten wie Gulden <strong>und</strong> Thaler groß waren.<br />
3 Hol<strong>und</strong>er<br />
4 Löwenzahn<br />
5 Wasserfenchel - Gemeiner Wasserfenchel / Gewöhnlicher Wasserfenchel / Großer Wasserfenchel / Rebendolde / Rosskümmel / Wasser-Pferdesaat<br />
5
Die Jauche, die herauslief, war scharf <strong>und</strong> brachte Geschwürchen hervor, wo sie hinlief.<br />
Am schlimmsten waren die Füse beschaffen. Zu dieser Bösartigkeit kam die warmfeuchte<br />
Luft <strong>und</strong> die Ausdünstung der Sümpfe, die sich besonders um den untern Theil<br />
der Hermanstadt befinden, wo das Mädchen wohnte. Ans System gewöhnt, konnte ich<br />
damals noch keinen andern Weg einschlagen, als sie mit Holztränken, Kräutersäften<br />
<strong>und</strong> Laxiermitteln zu überhäufen. Ihre W<strong>und</strong>en ließ ich mit einer Digestivsalbe verbinden.<br />
Die W<strong>und</strong>en verloren nichts <strong>von</strong> ihrer Unreinheit, der ganze Körper aber ward<br />
matter <strong>und</strong> entkräfteter. Um dem erstern Uebel zu begegnen, nahm ich die Digestivsalbe<br />
hinweg <strong>und</strong> ließ sie öfters die auf die W<strong>und</strong>en gelegten, alle zwölf St<strong>und</strong>en erneuerten<br />
Leinwandlappen mit einer verdünnten Auflösung des Quecksilbers in Scheidewasser<br />
6anfeuchten <strong>und</strong> feucht erh<strong>a<strong>lte</strong></strong>n. Nach vierzehn Tagen sahe ich schon den Unterschied,<br />
denn nun fieng sich an, guter Eiter zu erzeugen, in allen W<strong>und</strong>en. Ich sezte meine Behandlung<br />
noch vier Wochen fort. Ich fand überall guten Eiter, aber ob ich gleich die<br />
Ränder einiger W<strong>und</strong>en, da die Dürftigkeit eine gleiche allgemeine Behandlung versagte,<br />
mit stärkenden Essenzen befeuchten lies, während daß der Boden der W<strong>und</strong>en<br />
noch immer mit verdünntem Fernelswasser verb<strong>und</strong>en ward, so sahe ich doch nirgends<br />
eine fortgesezte Vernarbung. Was hie zugeheilt war, brach auf der andern Seite wieder<br />
auf. Während dieser Behandlung ward sie zwar vom Spinnrade entfernt, aber theils<br />
Schwäche, theils Armut, versagten ihr die gehörige Kost <strong>und</strong> den freien Gebrauch der<br />
ges<strong>und</strong>en Luft. Ich hatte auch damals nicht allzustrenge darauf gedrungen, in der festen<br />
Schulmeinung, daß innere <strong>und</strong> äußere sogenannte Heilmittel das Wesen <strong>und</strong> die Sele<br />
aller Genesung ausmachen. So hatte ich meine Blutreinigungskur nebst den äuserlichen<br />
W<strong>und</strong>mitteln zwölf Wochen lang fortgesezt, ohne das mindeste gebessert zu haben,<br />
vielmehr hatte ich sie ansehnlich zurükgesezt. Ich bleiches, gedunsenes Ansehn war noch<br />
bleicher, noch gedunsener geworden, ihre geschwächten Kräfte waren noch mehr gesunken.<br />
Betroffen nahete ich mich dem Dreifuse meines Systems, <strong>und</strong> erhielt den nur für<br />
mich tröstlichen Ausspruch, ich hätte schier alles gethan, was man <strong>von</strong> der Kunst erheischen<br />
könnte. So sprach das System, neue Zusäzze eröfneten mir noch eine schmeichelhafte<br />
Aussicht beim innerlichen Gebrauche des Sublimats; Halsgeschwülste aber, nebst<br />
entkräftenden Fieberzufällen, waren, so verdünnt auch die Auflösung war, die einzigen<br />
Folgen dieser heroischen Kur, die ich nicht lange ohne gänzlichen Umsturz ihres Lebens<br />
fortzusezzen wagte, am wenigsten aber bis zum Speichelfluß kommen lassen durfte,<br />
wozu sie viel Hang hatte. Nächst den gewöhnlichen Blutreinigungen hatte ich auch Bittersüß,<br />
Färberröthe <strong>und</strong> Spießglanz, wie gesagt aber, alles ohne guten Erfolg angewandt.<br />
Die Kur hatte nun sechzehn Wochen gewährt. Ich ward schamroth <strong>und</strong> verließ<br />
eine entkräftete in keinem Stücke gebesserte Pazientin. Nachgehends, hörte ich, ist sie<br />
<strong>von</strong> ihren Anverwandten verstosen <strong>und</strong> genöthigt worden, sich als Magd auf dem lande<br />
zu vermiethen. Ihr Herr, ein mitleidiger Bauer, gab ihr den Rath aus <strong>a<strong>lte</strong></strong>r Erfahrung,<br />
sich ihrer Schwäre wegen, täglich etliche Male in der Zibin 7 zu baden. Bald darauf ist<br />
sie völlig genesen. Entfernt <strong>von</strong> Aergerniß, Stubenluft <strong>und</strong> sizender Lebensart, hatte<br />
die Kä<strong>lte</strong> des Bades ihren Körper gestärkt <strong>und</strong> tüchtiger zur Erzeugung besserer Säfte<br />
gemacht, als alle Blutreinigungen. Ihre W<strong>und</strong>en reinigten sich zu gleicher Zeit, beson-<br />
6 Salpetersäure, wurde früher benutzt, um Silber <strong>und</strong> Gold <strong>von</strong>einander zu trennen (zu scheiden)<br />
7 Der Cibin (deutsch Zibin, ungarisch Szeben) ist ein 80 Kilometer langer, rechter Nebenfluss des Alt (rumänisch Olt) in Siebenbürgen<br />
6
ders da sie anfänglich noch verdünnte Quecksilberauflösung dazu anwandte. Ges<strong>und</strong>ere<br />
Luft <strong>und</strong> gemäsigte Arbeit aber verschluckten die übrigen noch inwohnenden bösen Säfte<br />
kräftiger, als Schwiz- <strong>und</strong> Purgiermittel <strong>und</strong> sie genas zur Bestätigung des großen<br />
Sazzes: daß die Natur sehr einfach in ihren Bedürfnissen ist, wenn man sie ihr nur<br />
darbietet.<br />
Ueberflus Ueberflus in in Nahrungsmitteln, Nahrungsmitteln, <strong>und</strong> <strong>und</strong> Unthätigkeit, Unthätigkeit, als als Urs Ursa- Urs Ursaa<br />
a<br />
chen chen übler übler Säfte Säfte <strong>und</strong> <strong>und</strong> unreiner unreiner GGeschwüre.<br />
G schwüre.<br />
Wie viel überflüssige <strong>und</strong> übelgewäh<strong>lte</strong> Nahrungsmittel zur Erzeugung übler<br />
Säfte <strong>und</strong> böser Geschwüre beytragen, wie viel dagegen geringere, einfache <strong>und</strong> mäsige<br />
Nahrung beide verbessern, sehen wir an öftern Beispielen in der Praxis. Jener<br />
Schwelger wäre nicht am Podagra verkrüpelt, jener Weinsäufer nicht mit Gicht geplagt,<br />
wenn beide mäsiger hätten seyn wollen. Sind nicht die Mastthiere häufigern Krankheiten<br />
unterworfen, als die übrigen? Besonders ist dies merkbar, wenn Unthätigkeit dazu<br />
kommt. Ruhe erschlaft nicht nur den Magen <strong>und</strong> die Därme, Beweis: Unverdaulichkeiten,<br />
öfterer Durchlauf <strong>und</strong> Hartleibigkeit, verschiedne Aeuserungen aus einer Quelle,<br />
sondern schwächt auch die feinsten Milch- <strong>und</strong> Limphagefäse. Auch halbverdauter Nahrungssaft<br />
wird <strong>von</strong> ihnen durchgelassen <strong>und</strong> mit dem Blute vermischt. Die durch Mitleidenschaft<br />
ebenfals erschlaften Pulsadern können denselben nicht gänzlich in gutes<br />
Blut umwandeln. So wird er durch ausgedehntere Aushauchungsgefäse in Gegenden<br />
abgesezt, wo solche unverfeinerte <strong>und</strong> unverarbeitete Nahrungstheile noch gar nicht hingelangen<br />
sol<strong>lte</strong>n, <strong>und</strong> in einem Ueberflusse, welchen das Zellgewebe ohne Beschwerde<br />
nicht wohl fassen kan, in den feinsten Abscheidungsgefäsen stocken sie. Gichtknoten,<br />
Fettigkeit, Wassersuchten, Spek- <strong>und</strong> Milchbeulen, Drüsengeschwülste u. s. w. sind<br />
Beyspiele. Hier können diese Säfte leicht in chemische Veränderungen <strong>und</strong> Zersezzungen<br />
fallen. Wie leicht gehen Drüsenverhärtungen nach Verlezzungen in Krebs, W<strong>und</strong>en<br />
bei Wassersüchtigen in Brand, <strong>und</strong> Verkältungen bei fetten Personen in faulichte<br />
Krankheiten über!<br />
Kein W<strong>und</strong>er also, wenn solche überfütterte <strong>und</strong> mit halbverdauten,<br />
unverfeinerten Nahrungssäften angefül<strong>lte</strong> Körper nach einigen Verlezzungen<br />
besonders an den Schenkeln, oder wo die Knochenhaut mit zerstört wird, wie leicht an<br />
den Schienbeinen <strong>und</strong> den Fußknöcheln der Fall ist, <strong>faule</strong>nde W<strong>und</strong>en bekommen, die<br />
nur alzubald besonders nach unrichtiger Behandlung in bösartige übergehen. Nun freut<br />
sich die Natur, eine Schleuse eröfnet zu sehn, wo sie sich eines Theils, der ihr<br />
aufgedrungenen unnüzzen Säfte wieder entschütten kan. Der Pazient selbst sieht, daß<br />
verschiedne Beschwerden seiner Völlerei <strong>und</strong> weichen Lebensart, die ihn sonst quä<strong>lte</strong>n,<br />
hiedurch nachlassen <strong>und</strong> gleichsam abgezapft werden, Ausschläge, Halsgeschwulst,<br />
Augenentzündung, Hautknoten, Schnupfen, Husten, Engbrüstigkeit, Ohrensausen,<br />
Rheumatism u. d. gl. Er fängt an, dieses Geschwür für ein nothwendiges Uebel <strong>und</strong> für<br />
eine heilsame Veranstaltung der Natur anzusehn, die als eine gute Mutter die Folgen<br />
seiner Lebensart durch diesen Ausweg abzuwenden sucht, <strong>und</strong> so bleibt er bei seiner<br />
gewohnten Lebensart, <strong>und</strong> sieht seinem Schaden ruhig zu, wie er nach <strong>und</strong> nach gröser<br />
<strong>und</strong> schlimmer wird, besonders wenn die W<strong>und</strong>e an den Füsen ist.<br />
7
Mit aller mechanischen <strong>und</strong> hydraulischen Einsicht, <strong>von</strong> anatomischen <strong>und</strong> physiologischen<br />
Kenntnissen begleitet, können wir doch noch nicht genau begreifen, wie eine<br />
so grose Menge Blut aus den untern Theilen des Köpers in den zurückführenden Adern<br />
bis zum Herzen mit Leichtigkeit heraufsteigen könne. Daß aber die dazu gehörige<br />
Kraft genau abgewogen seyn müsse, <strong>und</strong> kein Ueberschus da<strong>von</strong> vorhanden sei, sehen<br />
wir an der so grosen Neigung der Füse bei der geringsten Veranlassung anzulaufen<br />
<strong>und</strong> zu schwellen, an der Erweiterung der zurükführenden Adern der Füse (Krampfadern)<br />
in Schwangerschaften, bei alzu groser Befestigung des Hosenb<strong>und</strong>es, der<br />
Schnürbrust, der Strumpfbänder <strong>und</strong> Kniegürtel, durch sizzende Lebensart, warme<br />
Fusbäder u. s. w. Blos Freiheit der Adern <strong>und</strong> Muskeln der Füse <strong>und</strong> angemessene<br />
Bewegung derselben, kan den aufsteigenden Kreislauf in Ordnung h<strong>a<strong>lte</strong></strong>n.<br />
Man begreift also wohl, wie viel leichter eine W<strong>und</strong>e an den Füsen als an andern<br />
Theilen des Körpers zunehmen <strong>und</strong> schwammig werden kann, da der hefigere Theil der<br />
Säfte sich leichter unterwärts <strong>und</strong> nach den leidenden verlezten Theilen zu senket, <strong>und</strong><br />
da die kommunizirenden Röhren der ab- <strong>und</strong> aufsteigenden Gefäse in der Gegend ihrer<br />
untern Vereinigung, wo sie die meiste Festigkeit nöthig hat, leck worden sind. Zuweilen<br />
kan auch wohl noch eine <strong>a<strong>lte</strong></strong> Neigung der Natur hinzu kommen an diesem Orte<br />
vielmehr, als an einem andern, Feuchtigkeiten hinzuwerfen.<br />
Um aber auf obigen Saz zurük zu kommen, so begreift jeder der nur einige Kentnis<br />
des menschlichen Körpers besizt, wie leicht aus Völlerei <strong>und</strong> unthätiger Lebensart<br />
böse Säfte <strong>und</strong> hieraus bei der mindesten Veranlassung <strong>faule</strong> W<strong>und</strong>en, besonders an<br />
den Füsen, entstehen können. Nicht eher, als bis der Schaden ein um sich greifendes<br />
Kloak des Körpers geworden, bis sich durch Wiedereinsaugung der Jauche des Geschwürs<br />
in die Blutmasse die Säfte verschlimmert <strong>und</strong> die Kräfte verringert haben,<br />
nicht eher, als bis der Schmerz, den die dahin dringenden, verdorbenen Feuchtigkeiten<br />
verursachen, täglich <strong>und</strong> nächtlich peiniget, sucht der Schwelger, besonders wenn er in<br />
die Jahre <strong>und</strong> voll Vorurtheile ist, Hülfe beim verständigen Manne, das ist, nach<br />
einigen Jahren, <strong>und</strong> dann ist ihm schwer zu helfen.<br />
Fall Fall. Fall<br />
Ein angesehner Mauthbedienter, machte sich nach seiner Art alle Vortheile seines<br />
Amtes zu Nuzze. Seine Amtsstube war dicht neben seiner Wohnung, hinter welcher ein<br />
kleines Gärtchen war, dicht mit hohen Hintergebäuden umgeben. Er war etliche <strong>und</strong><br />
zwanzig Jahre im Amte <strong>und</strong> etliche <strong>und</strong> funfzig alt. Wenn er nach acht Uhr aufstand,<br />
nahm er das nahrhafteste Frühstück ein, rauchte etliche Pfeifchen <strong>und</strong> spukte stark dazu.<br />
Nach seiner Meinung war dies ges<strong>und</strong>, es gehen hiedurch, meinte er, viel böse Säfte<br />
weg. Von neun bis elf Uhr sas er in der Amtsstube, dann rauchte er wieder, as etwas<br />
bei einer Flasche Rheinwein, las Zeitungen <strong>und</strong> schlief zuweilen darüber ein. Halb zwei<br />
Uhr nahm er eine Menge nahrhafter Leckerbissen zu sich, <strong>und</strong> suchte ihre Verdauung<br />
durch ein paar Flaschen Rheinwein zu befördern. Das erste, was er nach einer zweistündigen<br />
Mahlzeit ergrif, war ein Roman <strong>und</strong> die volle Pfeife, dazu trank er Ael. Nun<br />
gieng er wieder an seine müsige Arbeit, während daß man zu Hause die Gäste zum<br />
8
Lhombre 8 samlete, im Sommer in einem Häuschen im dumpfen Gärtchen, im Winter<br />
im wohlgeheizten Zimmer. Hier ward bis um zehn Uhr abends gespielt <strong>und</strong> Ael getrunken<br />
<strong>und</strong> Tabak geraucht. Um diese Zeit ward, was der verfeinertste Luxus zur Täuschung<br />
des Geschmaks, <strong>und</strong> zur Nachkünstelung des Hungers erfand, aufgesezt <strong>und</strong><br />
bis um zwölf Uhr mit Rheinwein hinunter geschlemt. Nächst dieser Lebensart kante er<br />
keine andre. Sizzen <strong>und</strong> Sizzen, Schwelgen <strong>und</strong> Tabakrauchen <strong>und</strong> Schlafen wechse<strong>lte</strong>n<br />
mit einander ab. Er hatte längst vergessen, wie die Egge vom Pfluge verschieden<br />
sei, oder wie die Hagebutte blüht. Sein düstres Gärtchen, seine Stube <strong>und</strong> Arbeitsort<br />
waren seine Welt.<br />
Wenn es erlaubt ist, die <strong>a<strong>lte</strong></strong>n Temperamente beizubeh<strong>a<strong>lte</strong></strong>n, so war er gleichgemischt<br />
sanguinischphlegmatisch.<br />
Seine bleiche Stubenfarbe stimte wohl mit seinem aufgedunsenen Bauche <strong>und</strong><br />
seinen Hängebakken überein. Er war <strong>von</strong> mittlerer Gröse. In seiner Jugend hatte er<br />
wenig Krankheiten gehabt, dies machte ihn sicher. Nur seit seiner sizzenden Lebensart<br />
hatten sich einige Wehen eingef<strong>und</strong>en, die er immer durch Ruhe, ein Räuschchen, <strong>und</strong><br />
eine Pfeife zu verscheuchen suchte. Seine Frau war eine <strong>von</strong> den begehrlichen Weibern,<br />
die aber keine Kinder <strong>von</strong> ihm hatte, ihre Liebe war völlig altäglich. Theils um seine<br />
Wehtagen abzuziehn, theils, wie er sagte, um dem bösen Blute Luft zu machen, hatte er<br />
sich gewöhnt, des Jahrs viermal bald an diesem bald an jenem Fuse zur Ader zu lassen,<br />
welche Wirkung er durch sechs Wiener Tränke des Jahrs zu verstärken suchte. Uebrigens<br />
trank er jedesmal im Juny zwei Doppelflaschen Seidschüzzer Wasser 9 <strong>und</strong> nahm<br />
jeden Sonnabend abends ein warmes Fusbad. Dies war alles, was er fürs eine Ges<strong>und</strong>heit<br />
that oder zu thun wähnte. Schon seit mehrern Jahren war er etwas harthörig<br />
geworden, hatte zuweilen Schwindel, des Morgens gewöhnlich Erbrechen <strong>von</strong> blosem<br />
Schleime, öfters Schnupfen <strong>und</strong> war gewöhnlich etwas kurzäthmig <strong>und</strong> dampfig. Oft<br />
muste er sich durch Hauspillen ofnen Leib verschaffen. Seine gröste Beschwerde war,<br />
daß er zuweilen angelaufene Füse bekam, welcher Zufall <strong>von</strong> Jahre zu Jahre immer<br />
öfterer eintrat. Wenn er am Fuse zu Ader lassen wo<strong>lte</strong>, muste er eine Zeit erwarten, wo<br />
sie sich ein wenig gesezt hatten, <strong>und</strong> immer besonders die leztern Jahre schwor die Ader,<br />
<strong>und</strong> die Oefnung wo<strong>lte</strong> schwer zuheilen. Ein Fall, den er einstmals that, streifte ihm die<br />
Oberhaut am äußern Knöchel des linken Fuses ab, <strong>und</strong> ein Rothlauf gesellete sich dazu.<br />
Sein W<strong>und</strong>arzt war zugleich Heilarzt des Hauses. Er nahm wie gewöhnlich sein<br />
Bleiwasser zur Hand, <strong>und</strong> wendete noch warme Kräuterkischen an. Es schien alles gut,<br />
wiewohl langsam, <strong>von</strong> statten zu gehen, bis nach sieben Tagen ein Amtsverdrus ihn<br />
ausser Fassung brachte, <strong>und</strong> den so gering scheinenden Schaden bald ansehnlich<br />
vergröserte. An seiner Lebensart brach er sich nichts ab, sezte aber noch ein Mittagsschläfchen<br />
hinzu. Pappelsalbe, Bleiweispflaster, <strong>und</strong> wenn sichs zu entzünden schien,<br />
Umschläge <strong>von</strong> Milchbrei <strong>und</strong> Bleiwasser mit etlichen Granen Kampfer waren das einzige,<br />
was unser W<strong>und</strong>arzt dem um sich greifenden Uebel entgegen zu sezzen wuste. Einige<br />
Schwizpulver, einige Laxanzen, <strong>und</strong> etliche Aderlässe theils am Arme, theils am<br />
rechten Fuse waren die merkwürdigsten Episoden dieser almählig ins tragische sinkenden<br />
Szene.<br />
8 Kartenspiel<br />
9 Seidschützer Bitterwasser, ein Mineralbrunnen<br />
9
Nachdem nun sein W<strong>und</strong>arzt durch dreizehn monatliche Behandlung, weiter nicht<br />
gekommen war, als daß der jauchende Schaden mit harten Rändern <strong>und</strong> bläulichgrauem<br />
tiefem Gr<strong>und</strong>e nicht gröser, als ein Thaler geworden war, mit rother Geschwulst des<br />
Fuses bis über die Wade, ward unser Pazient seiner Behandlung müde, <strong>und</strong> entschlos<br />
sich, ein gewöhnliches Intermezzo solcher Krankheiten bei solchen Leuten, Hausmittel<br />
zu versuchen. Eine kluge Frau, die durch Streichen <strong>und</strong> Fieberversprechen berühmt<br />
geworden war, schlepte zufolge einer titellosen schweinsledernen Schardekke Kräutereien<br />
anbei, beobachtete dabei die Aspekten <strong>und</strong> Mondwechsel fleisiglich, samlete Thau<br />
vor Sonnenaufgang in ungenuzten Gefäsen, vergrub die in der W<strong>und</strong>e gedienten Linnen<br />
stillschweigend jedes Mal in der Geisterst<strong>und</strong>e auf einem Kreuzwege ein, <strong>und</strong> erwartete<br />
den augenscheinlichsten Erfolg <strong>von</strong> ihrer geheimnisschwangeren Arbeit. Aber<br />
der Schaden verschlimmerte sich bei dieser Salbbaderei, sie bat um Gedult, <strong>und</strong> das<br />
Uebel nahm überhand. Ich ward ihr Nachfolger nach diesem zweimonatlichen Interregnum.<br />
Konnte ich aber den Schwelger zur Mäsigkeit, den Trunkenbold zu Heiltränken,<br />
den Weichen zum k<strong>a<strong>lte</strong></strong>n Bade <strong>und</strong> den Trägen zur Arbeit umschaffen, konte ich ihm auf<br />
seinen Lehnstuhl den Aether der blühenden Wiesen <strong>und</strong> die stärkende Kühle des Morgens<br />
hinbringen? Konte ich ohne sein Zuthun alle erschlafte Gefäse seines Körpers zur<br />
hinlänglichen Spankraft zusammenziehn, oder die in algemeinen Schleim ausgeartete<br />
Masse seiner Säfte durch Transfusion umwandeln? Was mänliche Beredsamkeit, noch<br />
mehr, was Beredsamkeit eines Arztes vermogte, ihn zu einer veränderten Lebensart zu<br />
gewöhnen, that, ich, ich suchte seine W<strong>und</strong>e zu bessern <strong>und</strong> seinen Fus zu stärken. Alles<br />
Kleinigkeiten gegen das was zu thun nöthig war. Im Gr<strong>und</strong>e bliebs, weniges ausgenommen,<br />
nemlich daß die W<strong>und</strong>e nicht gröser ward, daß der Fus nicht so geschwollen<br />
blieb, <strong>und</strong> daß die Jauche ein besseres Ansehn bekam, beim <strong>a<strong>lte</strong></strong>n. Vor meiner Zeit waren<br />
zulezt die nächtlichen Schmerzen um die W<strong>und</strong>e herum gröser geworden, als selbst<br />
in derselben. Am andern Fuse hatten sich einige Blütchen hervorgethan, welche Feuchtigkeit<br />
aussiegerten <strong>und</strong> zu kleinen <strong>a<strong>lte</strong></strong>n Geschwüren ausarteten, welches selbst meine<br />
Behandlung nicht verhindern konte. Die geringste Anwendung stärkender oder zusammenziehender<br />
W<strong>und</strong>mittel brachte in beiden Füsen ein unerträgliches Jükken <strong>und</strong> Reisen<br />
zuwege. Dies war sein Zustand während beinahe zwei Jahren. Nun kömt der lezte<br />
Akt seines Dramas, nicht so glänzend, aber heilsamer für ihn. Seine Verschwendungen<br />
<strong>und</strong> die aus Nachläsigkeit erwachsenen Fehler seiner Rechnungen, hatten schon längst<br />
seine Einnahme überstiegen, er suchte also <strong>von</strong> Zeit zu Zeit das fehlende aus der Kasse<br />
zu ersezzen, bis er bei angeste<strong>lte</strong>r Generalrevision auf einmal vermisset ward. Er war<br />
nach S�� geflohen, wo ich ihn nach drei Jahren wieder antraf. Furcht <strong>und</strong> Gefahr<br />
hatten ihn zu einer beschwerlichen Reise gezwungen, <strong>und</strong> Armuth <strong>und</strong> Hunger hatten<br />
ihn zum erniedrigendsten Wechsel seines Standes gezwungen, er war Güterbeschauer<br />
oder Visitator geworden. Ein dürftiges Schlükchen Brantwein <strong>und</strong> Halbbier, mit der<br />
geringsten Kost verb<strong>und</strong>en <strong>und</strong> häufiges Umherwandeln hatte seinen Schmeerbauch<br />
abgeschmolzen, seine Füse befestigt, die W<strong>und</strong>en geheilt, ihm eine lebhaftere braune<br />
Farbe zuwege gebracht, <strong>und</strong> eine Munterkeit, die er nun nicht mehr in jener Bilzvegetazion<br />
seines vorigen Standes vertauschen wo<strong>lte</strong>. Huflattich <strong>und</strong> Wegbreitblätter waren<br />
seine W<strong>und</strong>mittel gewesen, zu Anfange seiner heruntergestimten Lebensart, die er mir<br />
denn auch weidlich in Absicht ihrer Heilkräfte herausstrich, welche er in ihnen wähnte,<br />
10
den eigentlichen Gr<strong>und</strong> seiner Genesung sahe er nicht. Er lebt, so viel ich weis, noch<br />
jetzt munter <strong>und</strong> in einem zufriednen A<strong>lte</strong>r <strong>von</strong> zwei <strong>und</strong> sechzig Jahren.<br />
Da ähnliche Fälle häufig in der medizinischen Ausübung vorkommen, so erspare<br />
ich mir die Mühe, sie zu vervielfältigen; jenen führte ich umständlich an. Da er sehr viel<br />
hieher gehörendes enthält, <strong>und</strong> sehr belehrend für mich war <strong>und</strong> auffallend.<br />
Misbrauch Misbrauch abgezogner abgezogner Geister, Geister, Geister, als als Ursache Ursache böser böser Säfte Säfte <strong>und</strong> <strong>und</strong><br />
<strong>a<strong>lte</strong></strong>r <strong>a<strong>lte</strong></strong>r GGeschwüre<br />
G schwüre<br />
Daß Uebermas in Brantwein <strong>und</strong> Liqueurs die menschliche Maschine so entsezlich<br />
zerrütten, daß sie junge Personen selbst gar bald in halblebende Leichen verwandelt,<br />
sieht man täglich. Alle feinen Flüssigkeiten des Körpers werden durch die dadurch verursachte<br />
schnellere Bewegung des Blutes mit Gewalt ausgeführt, <strong>und</strong> die Nervengeister<br />
zerstreut. Die verdikbaren Feuchtigkeiten des Körpers, die flüssige Gallerte wird<br />
dik <strong>und</strong> zäh, die Muskelfasern verkürzt <strong>und</strong> ihre Reizbarkeit zerstört. Besonders werden<br />
die Verdauungswerkzeuge eingeschrumpft, der Magen <strong>und</strong> die Gedärme werden wie<br />
gegärt, unempfindlich, dikhäutig <strong>und</strong> verengert, die Abscheidungs- <strong>und</strong> Milchgefäse bis<br />
zur Verstopfung zusammen gezogen. Das ganze Verdauungsgeschäfte sinkt zusammen.<br />
Kein W<strong>und</strong>er, wenn dann äuserste Schwäche, Kraftlosigkeit, Verstopfungen, Geschwülste<br />
<strong>und</strong> böse Säfte erzeugt werden, <strong>und</strong> daß alsdann auf leichte Veranlassung<br />
bösartige Geschwüre entstehen.<br />
Fall Fall. Fall<br />
Ein Töpfer verarmte, wegen Vernachläsigung seines Gewerbes, er ward träge<br />
<strong>und</strong> suchte seine Beruhigung in Brantweinräuschen. Während daß er nun den Rest<br />
seiner Habe in diesem verführerischen Getränke auflösete, schw<strong>und</strong>en seine Arme, sein<br />
langer Körper krümmete sich, sein Gesicht dunsete auf <strong>und</strong> seine Füse schwollen, bis<br />
sie nach <strong>und</strong> nach <strong>von</strong> selbst aufbrachen. Er wandte keine Mittel dagegen an. Eben da<br />
nun seine Ges<strong>und</strong>heit aufs äuserste zerstört <strong>und</strong> die Jauche seiner offenen Füse unerträglich<br />
stinkend war, wird sein baufälliges Häuschen den Schuldnern übergeben, er<br />
selbst aber vom Rathe in ein elendes Spital geschaft, damit er bei seinem herannahenden<br />
Ende, so glaubten sie fest, doch eine freie Beerdigung bekommen könnte. Nun hatten<br />
zwar die Bewohner dieses Elendshauses Brod <strong>und</strong> Wasser, ersteres aber nur in so<br />
geringer Menge, daß sie das übrige noch vor den Thüren zusammen suchen musten, um<br />
nicht Hungers zu sterben. Auch mein Töpfer muste sein Stückchen zusammen betteln,<br />
freilich auf die kläglichste Weise, da seine ungeheuer dikken Füse ihn kaum langsame<br />
Schritte zu thun erlaubten, doch mit der Hofnung, daß seiner Leiden bald ein Ende werden<br />
würde. Doch er <strong>und</strong> seine Obrigkeit betrogen sich. Von einer Woche zu andern<br />
gieng er besser <strong>und</strong> nach einem halben Jahre war er frisch <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>. Wasser sein<br />
einziges Getränk, dürftiges troknes Brod <strong>und</strong> angemessene hinlängliche Bewegung<br />
hatten ihn geheilt. Ich habe zwar gehört, daß er sich das Brantweintrinken nicht gänzlich<br />
abgewöhnt habe, doch hatte ihm nachgehends der so seltne <strong>und</strong> wenige Genus desselben<br />
nicht geschadet, da sich seine Natur dran gewöhnt hatte, <strong>und</strong> er viel Bewegung hatte.<br />
11
Verh<strong>a<strong>lte</strong></strong>ne Verh<strong>a<strong>lte</strong></strong>ne monatliche monatliche Reinigung <strong>und</strong> <strong>und</strong> üble Behandlung des<br />
des<br />
endlichen endlichen Aufhörens Aufhörens derselben derselben als als Ursache Ursache übler übler <strong>Schäden</strong>.<br />
<strong>Schäden</strong>.<br />
Wenn natürliche Ausleerungen unterbrochen werden, so entstehen in der menschlichen<br />
Maschine Aenderungen, wie man schwerlich jenen Ursachen zuschreiben würde,<br />
wenn die Fälle nicht so sichtlich <strong>und</strong> altäglich wären, so schwer ist hier der Zusammenhang<br />
<strong>von</strong> Wirkung <strong>und</strong> Ursache aufzufinden. Wir wissen wohl aus unsern Theorien,<br />
was unterbliebene angewöhnte Aderlässe <strong>und</strong> die daher entstandene Vollblütigkeit für<br />
Zufälle erregen, wie Kopfweh, Schläfrigkeit, Schwere der Glieder, Röthe des Gesichts,<br />
Strozzen der Adern, Nasenbluten, Blutspeien, Entzündungsfieber <strong>und</strong> Schlagflus ihre<br />
Folgen sind. Nun soll das monatlich abgehende Blut bei mannbaren Frauenzimmern<br />
nach unsrer Lehre auch das reinste Blut seyn. Ist dies, <strong>und</strong> dieser Abflus wird gehemt,<br />
so so<strong>lte</strong> auch nichts als eine Plethore mit ihren Zufällen drauf folgen. Auf Unterbrechungen<br />
der monatlichen Reinigung aber erfolgt gröstentheils, wie die Erfahrung lehrt,<br />
etwas anderes, die Zufälle derselben können se<strong>lte</strong>n durch die Hülfsmittel gegen die<br />
Vollblütigkeit, magere Lebensart <strong>und</strong> Aderlassen gehoben werden, Unterbleibung der<br />
Zeit mus also etwas ganz anders als unterbliebne Blutabzapfung seyn, blos unterbliebner<br />
Abflus der güldnen Ader hat einige Aehnlichkeit damit. Die Bleichsucht mit allen<br />
ihren schreklichen Folgen zerrüttet die gar oft unschuldigen Geschöpfe bis zur Zerstörung.<br />
Vollblütigkeit scheint den festern Theil des Blutes, seine rothen Kügelchen zu<br />
vermehren, die wässerigen Bestandtheile aber zu vermindern, bei der Bleichsucht geschieht<br />
das Gegentheil, sie greift noch überdies die Nerven an <strong>und</strong> entkräftet. Aufgedunsenheit,<br />
Schwere der Lenden, Bleichheit, Kurzäthmigkeit, alle Arten Hypochondrie<br />
<strong>und</strong> Mutterbeschwerung, verlorne oder übertriebne Eslust, Heiserkeit, Schlaflosigkeit,<br />
Melancholie, Dumheit <strong>und</strong> alle Kennzeichen verschlimmerter Säfte, Geschwulst des<br />
Unterleibes, der Hände <strong>und</strong> Füse, Drüsengeschwülste, triefende Augen, Milch- <strong>und</strong><br />
Spekbeulen, Ausschläge, Rothlauf <strong>und</strong> Geschwüre sind ihre Begleiterinnen. Ich h<strong>a<strong>lte</strong></strong><br />
mich blos bei leztern auf, denn die Zufälle der Bleichsucht sind unglaublich <strong>und</strong> unnennbar.<br />
Bei so verschlimmerten Säften, besonders bei Wassergeschwülsten, ist es leicht,<br />
daß bei der geringsten Veranlassung <strong>faule</strong>nde Geschwüre entstehen können, die mit<br />
dem Grade der Unheilbarkeit bei Bleichsucht gleichen Schritt h<strong>a<strong>lte</strong></strong>n.<br />
Fall Fall. Fall<br />
Ein Mädchen <strong>von</strong> zwanzig Jahren, <strong>von</strong> wohlgemischten, doch mehr cholerischen<br />
Temperamente, hatte <strong>von</strong> ihrem sechzehnten bis zum achtzehnten Jahre ihre Sachen<br />
pünktlich in Ordnung gehabt. Drauf stirbt ihre Mutter, der Gram darüber, die<br />
Verdrüslichkeiten der übernommenen Haushaltung, <strong>und</strong> die Aergernis mit einer Menge<br />
Geschwister, denen sie Mutter seyn so<strong>lte</strong>, verursachten eine Stokkung <strong>und</strong> endlich ein<br />
völliges Aussenbleiben ihres Monatlichen. Nach zwei Jahren, da sie zu mir kam, verriethen<br />
ihre Umstände <strong>und</strong> ihr Aeusseres die Zerrüttung des Körpers, welche die Stokkung<br />
dieser natürlichen Ausführung verursacht hatte. Schleppend <strong>und</strong> träge war ihr<br />
Gang, verdrüslich ihr ganzes Wesen, dampfig ihr Odem, heiser ihre Sprache. Ihr Gesicht<br />
war blas <strong>und</strong> aufgedunsen, die Augen blaurandig, schlaff <strong>und</strong> matt ihr Puls, ihr<br />
12
Harn wasserfarbig, zuweilen mit Bodensazze. Sie hatte jeden Abend eine fliegende abmattende<br />
Hizze <strong>und</strong> öftere matte Schweise gegen Morgen; entkräfteter stand sie auf, als<br />
sie sich niederlegte. Kuchenwerk, Milch, Obst, Käse <strong>und</strong> Süses waren ihre liebsten<br />
Speisen. Sie war ein wenig verwachsen. Die Eitelkeit hatte sie also genöthigt, durch<br />
eine beschwerliche Schnürbrust ihre Krümme zu verbergen. Vor einem halben Jahre<br />
hatte eine neue übelgemachte Schnürbrust ihr auf dem rechten Schu<strong>lte</strong>rblatte die Haut<br />
aufgerieben. Die Natur ergrif zwar bald die Gelegenheit, eine Menge übler Säfte dahin<br />
auszuwerfen. Die auf dem Schu<strong>lte</strong>rblatte befestigten Muskeln wurden vom Eiter untergraben,<br />
der endlich an der untern Spizze seinen Ausgang nahm. Ranzichte Salben hatten<br />
die W<strong>und</strong>e verschlimmert <strong>und</strong> ihr die Richtung zum <strong>a<strong>lte</strong></strong>n Geschwüre gegeben.<br />
Schon seit einem halben Jahre hatte sie die Handanlegung in der Wirthschaft ihrer<br />
zweiten Schwester übergeben, durch ihren grämlichen Kopf aber gieng übrigens alles,<br />
Verdrüslichkeiten <strong>und</strong> Sorgen blieben darin hängen, Fre<strong>und</strong>e aber hafteten an ihrer<br />
halbtönigen Seele nicht mehr.<br />
Die Uebernahme der bewegenden Geschäfte des Hauses, Geselschaften, Ermunterungen<br />
zur Frohmüthigkeit, k<strong>a<strong>lte</strong></strong> Bäder, die in Siebenbürgen ohne Zurükhaltung, die<br />
die Verschiedenheit des Geschlechts hervorbringen könnte, öffentlich vorgenommen werden,<br />
waren das äusere meiner Kur. Ihre W<strong>und</strong>e suchte ich blos rein zu erh<strong>a<strong>lte</strong></strong>n, <strong>und</strong> da<br />
war nur Sublimatwasser das dienlichste. Bittere zusammenziehende <strong>und</strong> gewürzhafte<br />
Gewächse gemischt, mit Eisenniederschlag aus dem Essig abgewechselt, waren ihre<br />
gewöhnlichen Arzneien. Nach Verflus <strong>von</strong> einigen Wochen nach dem Anfange der Kur,<br />
lies ich ihr alle sieben Tage ein starkes Abführemittel mit Safran dergestalt gemildert,<br />
nehmen, daß nur einige Stühle erfolgten. Spazierengehn, Zerstreuungen <strong>und</strong> k<strong>a<strong>lte</strong></strong> Bäder<br />
wurden fortgesezt. Nach acht Wochen fieng ich an, ihr an dem Tage, wo wahrscheinlich<br />
ihre Reinigung hätte kommen sollen, sie meldete sich jedes Mal mit verschiednen<br />
Beschwerden, obiges Abführemittel zu reichen <strong>und</strong> Tags darauf zu wiederholen,<br />
den dritten Tag aber ihr am Fuse zu Ader zu lassen. Die stärkende Behandlung<br />
ward wieder fortgesezt <strong>und</strong> Abführemittel <strong>und</strong> Aderlas nach acht <strong>und</strong> zwanzig Tagen<br />
wiederholt, in der folgenden Periode erhielt sie ihre Zeit <strong>von</strong> selbst ohne mein Zuthun.<br />
Die stärkende Lebensart, die Bewegung <strong>und</strong> die Zerstreuungen sezte sie noch einige<br />
Zeit fort, <strong>und</strong> half ihrem Monatlichen noch einigemal mit einem lauen Fusbade vor Einbruch<br />
des Tages noch, da dann die W<strong>und</strong>e gar bald, mit Hülfe trokner Leinwandfasern<br />
hei<strong>lte</strong>, Munterkeit aber, Annehmlichkeiten des Aeusern <strong>und</strong> Zunahme des Verstandes<br />
ihre Heilung unwidersprechlich machte. Sie heirathete <strong>und</strong> ward Mutter verschiedner<br />
Kinder.<br />
Viel schwieriger ist die Kur der Geschwüre bei Matronen, deren Monatszeit entweder<br />
zu zeitig weggeblieben, oder wenn bei dem natürlichen almähligen Wegbleiben<br />
desselben Fehler begangen worden sind. Die diesem A<strong>lte</strong>r gewöhnliche Trägheit, Eigensinn<br />
<strong>und</strong> Grämlichkeit kömt zu der natürlichen Abnahme der Kräfte <strong>und</strong> die Säfte<br />
arten in üble Mischung aus. Wenn nun Aderlässe zur Zeit des gehörigen oder unnatürlichen<br />
Aussenbleibens des Gewöhnlichen unterlassen werden, wenn Krankheiten, Leidenschaften<br />
oder andre Umstände dies Werk der Natur jähling ins Stokken bringen,<br />
so treten gewöhnlich hysterische <strong>und</strong> nervensieche Umstände <strong>und</strong> eine Art Bleichsucht<br />
hinzu, die das Uebel vermehren. Oft haben sizzende Lebensart oder alzuheftige Bewegung<br />
in Schwangerschaften die zurükführenden Adern am Fuse bis zum Zerplazzen<br />
13
ausgedehnt. Die übeln Säfte dringen nach dem geschwächten Theile, die Füse schwellen<br />
<strong>und</strong> bekommen bei der geringsten Veranlassung Rothlauf. Dieser wird durch Weibermanscherei<br />
verhudelt, bricht auf <strong>und</strong> bringt Geschwüre hervor, die sehr schwer zu<br />
heilen sind. Dies ist so der gewöhnliche Vorgang <strong>a<strong>lte</strong></strong>r <strong>Schäden</strong> bei betagten Frauenzimmern,<br />
die noch glüklich sind, wenn sie sich in Zeiten der Gewalt eines verständigen<br />
Arztes unterwerfen.<br />
Fall Fall. Fall<br />
Eine adliche Dame verlor in ihrem fünf <strong>und</strong> vierzigsten Jahre ihre Zeit, doch so,<br />
daß sie zuweilen wieder ansezte, aber nicht durchbrechen konnte. Man half ihr nicht<br />
durch Aderlassen nach. Kein W<strong>und</strong>er, daß die Beschwerden der Unordnung ihrer Zeit<br />
im ledigen Stande <strong>und</strong> die krampficht hysterischen Beschwerden ihrer mitlern Jahre<br />
sich hier mit vermehrter Gewalt einfanden. Zu späte suchte man, da sie nun dadurch<br />
entkräftet worden war, ein Aderlas am Fuse vorzunehmen. Zum Unglük war die Spizze<br />
des Laseisens schief in die ausdehnende Senne des grosen Zehen am linken Fuse<br />
gegangen <strong>und</strong> drin stekken geblieben, <strong>und</strong> eine starke Entzündung kam dazu. Der Barbier<br />
verband sie täglich etliche Mal mit Bleiwasser, <strong>und</strong> erwartete, daß die Spizze der<br />
Fliete herausschwären so<strong>lte</strong>, denn er verbarg den begangnen Fehler weislich vor seiner<br />
Gönnerin. Die zu Krämpfen <strong>und</strong> Unordnungen geneigten Nerven <strong>und</strong> die übelgewordnen<br />
Säfte in ihrem geschwächten Körper, schlugen gar bald ihren Tummelplatz in dieser<br />
so gereizten Gegend auf. Es entstand eine jauchichte übelriechende W<strong>und</strong>e, die nach<br />
unterwärts wüthete. Die Senne war zerfressen, die Knochenhaut zerstört, <strong>und</strong> der Kopf<br />
der ersten Röre des grosen Zehes gieng an, auch ein Theil des Haut war <strong>von</strong> bösem<br />
Eiter zur Fistel ausgehölt. Ich werde gerufen. Ich erweitere die W<strong>und</strong>e; verbinde sie<br />
etliche Tage mit Digestiv, den Knochen schabe ich reine aus <strong>und</strong> sondre das Verdorbene<br />
ab, verbinde ihn mit Alkohol <strong>und</strong> sehe dem Erfolge zu. Nach etlichen Tagen nehme ich<br />
das schwammige Fleisch mit Höllenstein weg, <strong>und</strong> verbinde wechselweise nach Beschaffenheit<br />
<strong>und</strong> der Reinigkeit der W<strong>und</strong>e bald mit Digestiv, bald mit Sublimatauflösung.<br />
Nach Reinigung der W<strong>und</strong>e wurden die Ränder mit stärkendem Balsam <strong>und</strong><br />
das Innere mit Digestiv ohne Fettigkeit verb<strong>und</strong>en. Die heise Geschwulst hemte ich<br />
durch k<strong>a<strong>lte</strong></strong> Fusbäder. Sie selbst stärkte ich durch halbe <strong>und</strong> ganze nach <strong>und</strong> nach k<strong>a<strong>lte</strong></strong><br />
Bäder, durch innerliche Arzneien, wodurch sich auch die Säfte verbesserten <strong>und</strong> durch<br />
eine vom Zeh bis zum Knie heraufsteigende Binde. Früh <strong>und</strong> gegen Abend lies ich sie<br />
ausfahren. Der Knochen entblätterte sich, feste Knorpel <strong>und</strong> Fleischwärzchen <strong>und</strong> eine<br />
Art Knochenhaut ste<strong>lte</strong> sich wieder her, auch die übrige W<strong>und</strong>e nahm ab, <strong>und</strong> hei<strong>lte</strong> nach<br />
<strong>und</strong> nach, wie wohl langsam zu. Die ganze Geschichte dauerte dreiviertel Jahr. Zur völligen<br />
Wiederherstellung lies ich die Kranke etliche Bäder nach einander besuchen, ohne<br />
daß sie an ihren Wassern Theil nahm, ausser bei den eisenhaltigen, durch k<strong>a<strong>lte</strong></strong> Fusbäder.<br />
Die Veränderung der Luft, die Unterhaltung des Geistes, die Sorglosigkeit <strong>und</strong><br />
Bewegung, die diese Reise verursachte, verscheuchten vollends alle Beschwerden, <strong>von</strong><br />
denen sie nachgehends nur etliche überhingehende Spuren empf<strong>und</strong>en hat, ausser der<br />
Unbequemlichkeit, daß die grose Zehe etwas einwärts gekrümt blieb. Ich erinnere noch,<br />
daß ich ihr auch nach der Hand immer ganze k<strong>a<strong>lte</strong></strong> Fusbäder nehmen lies, <strong>und</strong> ihr noch<br />
zwei Jahre vierteljähriges Aderlassen am Arme empfahl, welches sie blos mit der Lan-<br />
14
zette zulies. Fünf Jahre nach ihrer Heilung starb sie an Pokken. Eine seltne Dame<br />
unter ihres Gleichen an guter Gesinnung, Verstand <strong>und</strong> Folgsamkeit.<br />
Bisher habe ich unter den stärkern veranlassenden Ursachen bösartiger Geschwüre<br />
nur diejenigen beigebracht, die man seltner für solche hält <strong>und</strong> deshalb weniger<br />
<strong>von</strong> ihnen fürchtet. Eben um deswillen bin ich bei ihrer Anführung etwas weitläuftiger<br />
gewesen. Nun die übrigen, die ich kürzer behandeln will.<br />
Ich würde nicht fertig werden, wenn ich alle Ursachen bösartiger Geschwüre weitläuftig<br />
durchgehen wo<strong>lte</strong>, die entweder durch blosen Beitrit, oder durch eigne unmittelbare<br />
Wirkung dieselben hervorbringen.<br />
Alle Lebensarten <strong>und</strong> Leidenschaften, alle Zufälle des Körpers, die die Säfte verschlechtern<br />
<strong>und</strong> die festen Theile schwächen, sind hinlängliche Vorbereitungen zu diesen<br />
Uebeln. Durch Aergernis <strong>und</strong> Gram scharf gewordene Galle, entnervende Liebe, Uebermas<br />
in nahrhaften Speisen, Uebermas in hizzigen Getränken, besonders Brantwein,<br />
sizzende träge Lebensart, feuchte unges<strong>und</strong>e Luft, dumpfe übermäsig geheizte Zimmer,<br />
moderichtes Wasser <strong>und</strong> seine Ausdünstungen, alzu schlechte unverdauliche Kost, vorhergegangene<br />
theils blos schwächende, theils solche Krankheiten, die den unverarbeiteten<br />
Ueberrest ihres Gr<strong>und</strong>stofs irgend wohin in der Gestalt eines Geschwürs auswerfen,<br />
zurükgetriebne Ausschläge, ehemalige gichtische <strong>und</strong> podagrische Zufälle, unbehülfliches<br />
A<strong>lte</strong>r, besonders bei ehemals fetten Personen, ein öfters wiederkehrender<br />
Rothlauf, Frostbeulen, Geschwülste, besonders aber nächst allem diesen eine schlechte<br />
anfängliche Behandlung der entstandenen W<strong>und</strong>en, vorzüglich an den untern Gegenden<br />
des Körpers.<br />
Unter den Krankheiten sind doch wohl langwierige schlecht behande<strong>lte</strong> Wechselfieber,<br />
zurükgetriebne Ausschläge <strong>und</strong> unterbliebne Reinigung die häufigsten Ursachen<br />
eines bösartigen Geschwürs. Ueble Behandlung der Pokken, eines <strong>faule</strong>n oder hizzigen<br />
Fiebers, der Ruhr, des Rothlaufs <strong>und</strong> der Geschwülste folgen gleich darauf.<br />
Salben Salben <strong>und</strong> <strong>und</strong> <strong>und</strong> Pflaster<br />
Pflaster<br />
Reizende, ranzichte Salben <strong>und</strong> Pflaster, die theils deswegen die W<strong>und</strong>en verschlechtern,<br />
weil sie ein Fäulungsferment darbieten <strong>und</strong> erhizzen, theils auch den<br />
Ausflus des Eiters hemmen, daß er eine noch grösere Verderbnis annimmt <strong>und</strong> unter<br />
sich frist, sind in allen Ständen, <strong>und</strong> Vernachlässigung der W<strong>und</strong>en, daß Schmuz <strong>und</strong><br />
reizende Dinge hineinkommen können, sind die gewöhnliche Entstehung eines bösartigen<br />
Geschwürs beim gemeinen Manne. Ist es nun schlimm geworden, so salbt er sich<br />
mit Hausmitteln, bis das Uebel unausstehlich wird, <strong>und</strong> ruft dann einen sogenannten<br />
W<strong>und</strong>arzt, deren gewöhnliche Untauglichkeit wir in Deutschland wohl kennen, aber ihr<br />
nicht abhelfen.<br />
Ich kan nicht begreifen, wie man darauf gekommen ist, daß Pflaster über rohes<br />
Fleisch gelegt heilen solle. Pflaster als Pflaster betrachtet klebt blos, dekt zu, verhindert<br />
den Ausflus des Eiters <strong>und</strong> die Ausdünstung. Wie oft haben die unschuldigsten<br />
Pflaster die kleinsten W<strong>und</strong>en in Kurzem sehr gros gemacht, <strong>und</strong> dann tröstet man sich<br />
damit, diese Haut verträgt kein Pflaster, aber wann verträgt ein Kranker am Wechselfieber<br />
mit gereinigtem Magen die Chinarinde nicht? Die Mischung eines Pflasters deutet<br />
schon selbst auf die Unauflöslichkeit seiner Masse in den Feuchtigkeiten der W<strong>und</strong>e,<br />
15
wie kan nun das dabeigemischte etwanige Heilsame wirken. Der Nachtheil aller Arten<br />
wirklicher Pflaster in Heilung ofner W<strong>und</strong>en ist unendlich beträchtlicher, als ihr<br />
Vortheil, man höre nun endlich einmal auf, <strong>von</strong> heilenden Pflastern zu sprechen. Zu anderm<br />
Behufe zweifelt man an ihrem Werthe nicht.<br />
Vorzüglich mus ich nächst der Schädlichkeit fast aller Pflaster <strong>und</strong> fettigen Salben<br />
bei Heilung der W<strong>und</strong>en, noch besonders anmerken, daß <strong>a<strong>lte</strong></strong> Geschwüre vorzüglich<br />
mit keinem derselben behandelt werden so<strong>lte</strong>n, in deren Mischung sich Blei befindet,<br />
<strong>und</strong> fast alle Pflaster führen es bei sich.<br />
Fall Fall. Fall<br />
Ich hatte in Hermanstadt einen wohlhabenden Tischler <strong>von</strong> sechs <strong>und</strong> siebenzig<br />
Jahren zu besorgen, der seit mehr als zwanzig Jahren alle Herbste an beiden Füsen<br />
einen ofenen Schaden bekam, den er zwar anfänglich immer durch gute Lebensart <strong>und</strong><br />
geweichte Erlenblätter zuhei<strong>lte</strong>, der aber die lezten Jahre so schlim wieder kam, daß er<br />
fast gar nicht zuhei<strong>lte</strong>. Die öftere Geschwulst an diesen Füsen war zu starken bläulichten<br />
Knollen verhärtet, <strong>und</strong> die Fusbeugen ziemlich ungelenk. Vier Wochen, ehe ich gerufen<br />
ward, hatte er sich entschlossen, seine untätige Heilart zu verlassen <strong>und</strong> zu einem<br />
Arzte seine Zuflucht zu nehmen. Dieser hatte lange Jahre als Regimentsfeldscheer alle<br />
Vorurtheile seines Gewerbes eingesogen, <strong>und</strong>, da er sich damit angefült zu seyn glaubte,<br />
promovirt, in der That den goldnen Degen <strong>und</strong> dem grauen Barte nach ein sehr ehrwürdiger<br />
Mann. Bleiwasser, Bleiweissalbe, <strong>und</strong> Bleipflaster aller Art waren seine<br />
Scherwenzel auch bei den <strong>a<strong>lte</strong></strong>n W<strong>und</strong>en dieses ehrlichen Mannes. So wie nach <strong>und</strong><br />
nach das Blei zu wirken angefangen hatte, hatten sich auch seine Schmerzen gemehrt,<br />
bis sie endlich unausstehlich geworden waren, als ich zu Hülfe ei<strong>lte</strong>. Ich fand einen ausgezehrten<br />
<strong>a<strong>lte</strong></strong>n Mann, <strong>von</strong> troknen Fiebern <strong>und</strong> empfindlichen Nerven wie ein Kind<br />
weinen, da er doch sonst so mänlich <strong>und</strong> verständig war. Seine beiden W<strong>und</strong>en, an jedem<br />
Fus eine, waren einwärts an dem Schienbeine, eines Groschens gros, aber auf<br />
fünf Linien tief, fast trokken, <strong>von</strong> violetgrauer Farbe des Bodens, die Ränder waren<br />
hart. Arabisches Gummi mit Weizenmehl <strong>und</strong> Safran in Wasser zu Brei gebracht <strong>und</strong><br />
alle halbe St<strong>und</strong>e warm umgeschlagen, brachten nur erst nach acht <strong>und</strong> vierzig St<strong>und</strong>en<br />
einige Erleichterung. Nun legte ich Salbe mit Spanischfliegenpulver in die W<strong>und</strong>en,<br />
<strong>und</strong> erneuerte nach zwölf St<strong>und</strong>en die warmen Umschläge bis ich den vierten Tag Erleichterung<br />
der Schmerzen <strong>und</strong> Anfang zur Reinigung der W<strong>und</strong>en fand. Er genas nach<br />
gehöriger übrigen Behandlung.<br />
Wer die langsame Wirkung des Bleies zugleich aber auch seine zusammenziehende<br />
Kraft kennet, deren Hartnäkkigkeit bei sonst keinem Mittel auf der Welt angetroffen<br />
wird, der wird sich die Schädlichkeit der Bleimittel bei <strong>a<strong>lte</strong></strong>n W<strong>und</strong>en begreiflich machen<br />
können, <strong>und</strong> sich zugleich die Bleikolik erklären.<br />
Oben habe ich <strong>von</strong> dem unrichtigen Gebrauche einer Menge säfteverbessernder<br />
<strong>und</strong> abführender, bei der Heilung <strong>a<strong>lte</strong></strong>r W<strong>und</strong>en gebräuchlicher Mittel geredet. Wenn<br />
alle diese Mittel nicht in den Augen fast aller verständigen Leute so viel Werth bei dergleichen<br />
Kuren hätten, so wo<strong>lte</strong> ich ihrer nicht erwähnen <strong>und</strong> sie eben so mit Stillschweigen<br />
übergehen, wie ich der unleugbar schädlichen <strong>und</strong> unsinnigen Mittel, die so<br />
häufige dagegen angewandt werden, mit keinem Worte erwähnen, jeder blos Vernünfti-<br />
16
ge wird sie beiseite lassen. Aber Mittel, auf die man sich fast algemein so viel zu gute<br />
thut <strong>und</strong> deren Schädlichkeit nur dem unbefangenen Beobachter einleuchtet, die müssen<br />
entblöst werden, damit ihr Schein nicht blende.<br />
Unter diese Klasse hochgepriesner <strong>und</strong> zweideutiger Hülfsmittel rechne ich auch<br />
den innern Gebrauch des äzzenden Queksilbersublimats gegen <strong>a<strong>lte</strong></strong> W<strong>und</strong>en. Dieses<br />
sehr kräftige Mittel, die Säfte zu ändern <strong>und</strong> Verstopfung der kleinen Gefäse <strong>und</strong> Drüsen<br />
aufzulösen, ist in neuern Zeiten vielfältig gemisbraucht worden. Braucht man dieses<br />
Mittel bei schon entnervten, mit schleimichten scharfen <strong>und</strong> übeln Säften angefü<strong>lte</strong>n<br />
Körpern, die schlimme <strong>a<strong>lte</strong></strong> W<strong>und</strong>en haben, so wird man nicht nur seinen Endzwek nicht<br />
erreichen, sondern auch durch längere Fortsezzung seines Gebrauchs die Säfte noch<br />
mehr auflösen, <strong>und</strong> schärfer <strong>und</strong> zur Fäulnis geneigter machen. Auch die Entkräfteten,<br />
mit scharfen Säften <strong>und</strong> troknen Fibern vertragen ihn nicht, <strong>und</strong> fast schlimmer wie<br />
jene. Der Pazient wird dabei immer schwächer, der Ton der Fibern erschlapt noch mehr<br />
<strong>und</strong> wir sehn am Ende der Kur Pazienten der Auszehrung <strong>und</strong> Kachexie näher, ohne<br />
die W<strong>und</strong>e gebessert zu haben, oft wird sie hintennach noch schlimmer.<br />
Die Erfahrungen ge<strong>lte</strong>n denen, die durch innere sogenante Blutreinigungen alles<br />
erzwingen wollen, die blos durch die Säfte verbessern <strong>und</strong> <strong>a<strong>lte</strong></strong> <strong>Schäden</strong> heilen wollen.<br />
Ich sahe unter andern bei einem Frauenzimmer <strong>von</strong> etlichen <strong>und</strong> dreisig Jahren,<br />
wie durch den Gebrauch dieses Mittels die üble Jauche ihrer bösartigen W<strong>und</strong>en nur in<br />
dem Zeitpunkte sich besserte, wenn eine stärkere Gabe desselben einen Anfang zum<br />
Speichelflusse veranst<strong>a<strong>lte</strong></strong>te, es flos gutes Eiter. Da ihn aber der Arzt nicht für zuträglich<br />
hielt - hät er ihn verlangt, so wäre auf kürzerm <strong>und</strong> besserm Wege dazu zu kommen<br />
gewesen - so verschwand <strong>von</strong> Zeit zu Zeit die Besserung der W<strong>und</strong>e mit einem Zurükgange<br />
des Speichelflusses.<br />
Swieten lehrte uns wohl die Rezeptur dieses Mittels, <strong>und</strong> deutete die Krankheiten<br />
an, wo es vortrefflich sei. Aber wie unendlich verschieden sind die Fälle in der ausübenden<br />
Heilkunst, wo man Ausnahmen machen mus, wider den Buchstaben unsrer Gesezbücher,<br />
<strong>und</strong> wo man sich glüklich schäzt, zeitig da<strong>von</strong> zurükgekommen zu seyn.<br />
Die Säfte werden durch den innern Gebrauch des äzzenden Sublimats sehr aufgelöst,<br />
<strong>und</strong> der Körper, wenn schleimichte wässerige Säfte die Oberhand haben, zu<br />
Wassergeschwülsten, wenn scharfe Galle die Oberhand hat, zu Dürrsucht, <strong>und</strong> wenn<br />
die Lunge zu Geschwüren artet, zu Lungensucht angeleitet. Das Zahnfleisch wird gröstentheils<br />
zerstört.<br />
Bei mäsiger Verderbnis der Säfte, wo man ihn eigentlich anzuwenden in Vorschlag<br />
brachte, reichen nicht nur andre Mittel zu ihrer Verbesserung weit eher hin, sondern<br />
bringen auch sonst keinen Nachtheil im Körper hervor, lassen sich besser einnehmen<br />
- in der Länge wird der Sublimat fast allen Kranken unerträglich - <strong>und</strong> wirken<br />
kräftiger; da bei starker Verderbnis der Säfte, <strong>und</strong> bei grosen <strong>faule</strong>n W<strong>und</strong>en, der<br />
Sublimat nichts erspiesliches ausrichtet <strong>und</strong> zum Gebrauche sicherer <strong>und</strong> kräftigerer<br />
Mittel Zeit <strong>und</strong> Kräfte wegnimt. Ich nehme blos den Fall aus, wo die Verderbnis der<br />
Säfte mittelmäsig <strong>und</strong> der Schaden venerischen Ursprungs ist, da thut er freilich oft<br />
mehr als andre Mittel. Unzureichend aber ist er durchaus, wenn sich das Uebel nur im<br />
geringsten über das Mittelmäsige erhebt.<br />
17
Ich würde dies nicht wider die Behauptung so vieler Anhänger des Sublimats<br />
versichern, wenn nicht ungemeine Erfahrungen in diesem Stükke an meiner Seite<br />
stünden.<br />
Schierling<br />
Schierling<br />
Auch vom innern Gebrauche des Schierlings (conii maculati) habe ich zu diesem<br />
Behufe nicht sonderliches gesehn. Auflösung der Säfte, ein Fieberchen <strong>und</strong> Schwächung<br />
des Körpers sind seine Wirkungen nach meiner wenigen in diesen Fällen damit<br />
angeste<strong>lte</strong>n Beobachtungen, Wirkungen, die wohl ihren anderweitigen Nuzzen haben<br />
können, aber zu unserm Behufe nur alsdann Dienste thun, wenn skrofulöse Verderbnis<br />
der Säfte der Gr<strong>und</strong> der <strong>a<strong>lte</strong></strong>n W<strong>und</strong>e sind. Denn ich habe in der That, im Vorbeigehn<br />
gesagt, ausserordentliche Dienste <strong>von</strong> der innern, besonders aber äusern Anwendung<br />
desselben bei verhärteten Drüsen erh<strong>a<strong>lte</strong></strong>n.<br />
Holztränke<br />
Holztränke<br />
Ich läugne die Wirksamkeit harziger Hölzer <strong>und</strong> Wurzeln in die limphatischen<br />
Gefäse nicht.<br />
Jählinge Verderbnisse der Säfte, bei noch nicht völlig zerstörten Kräften, wie dies<br />
oft der Fall bei der Lustseuche <strong>und</strong> der Kräzze ist, können sehr durch den Gebrauch des<br />
Quajakholzes, der Sassaparille <strong>und</strong> der Seifenwurzel, denn diese wähle ich vor andern<br />
aus, gebessert werden, da man die Lobelia <strong>und</strong> den Ceanothus noch nicht hat algemein<br />
machen können, die allem Ansehn noch grösern Vorzug verdienen.<br />
Aber eine starke eingewurze<strong>lte</strong> Malignität der Säfte, mit groser Schwäche verb<strong>und</strong>en,<br />
wird durch ihren alleinigen Gebrauch nie gehoben werden.<br />
Die Art ihrer Wirkung können wir zwar nicht genau entziffern, doch läst der starke<br />
Abgang des Harns <strong>und</strong> der Drang zum Schweise vermuthen, daß eine Menge guter<br />
<strong>und</strong> böser Säfte, in dem Verhältnisse, wie sie im Körper gemischt <strong>und</strong> zur Ausführung<br />
fein <strong>und</strong> durchdringend genug sind, abgeführet werden. Daher verträgt ein starker,<br />
kräftiger <strong>und</strong> vollsaftiger Körper ihren Gebrauch am besten, <strong>und</strong> hat die gröste Erleichterung<br />
durch sie. Doch diese Körper sind bei weitem die geringste Anzahl unter denen,<br />
die mit <strong>a<strong>lte</strong></strong>n <strong>faule</strong>n W<strong>und</strong>en beschwert sind. Schwächliche, sieche Personen, besonders<br />
die mit troknen Fibern, deren Säfte stark aus der Mischung gesezt sind, haben eher<br />
Schaden als Nuzzen <strong>von</strong> ihnen.<br />
Den Wasserfenchel rechne ich zu dieser Gattung Blutreinigung, man kan ihn nur<br />
in angezeigten Fällen ge<strong>lte</strong>n lassen <strong>und</strong> sein Lob ist übertrieben worden.<br />
Salpeter<br />
Salpeter<br />
Aus eben der Ursache kan auch der <strong>von</strong> Rowley in <strong>a<strong>lte</strong></strong>n W<strong>und</strong>en so sehr angepriesne<br />
Salpeter bei wenigen viel Nuzzen stiften, bei mehreren nur etwas weniger<br />
frommen, in den meisten Fällen aber viel Schaden bringen. Wer sieht nicht ein, wie oft<br />
er bei entkräfteten Körpern mit übeln Säften schaden müsse, da er die übrigen Säfte<br />
augenscheinlich sehr bald herabschmelzt. Er schlukt die natürliche Wärme ein, <strong>und</strong><br />
dringt vermöge dieser kä<strong>lte</strong>nden Wirkung <strong>und</strong> als leicht auflösliches Salz mit Gewalt zu<br />
18
den Harnwegen, <strong>und</strong> reizt die Nieren, eine Menge Säfte als Harn abzusondern, deren<br />
nahrhafte Natur dem Kranken so unentbehrlich war.<br />
Oder haben wir etwa ein Produkt der Erde oder der Kunst, das blos die schlechten<br />
Säfte spezifisch zerstörte, ohne die bessern zugleich mit hinweg zu nehmen, oder haben<br />
wir auch nur Namen zu den verschiednen Verderbnissen der Säfte? Giebt es eine eigentlich<br />
alkalische oder eine kochsalzige Beschaffenheit der Säfte, <strong>und</strong> wo bleiben die<br />
übrigen? Welches ist das Gift der Kräzze, des Aussazes, der Schlieren, der Pokken,<br />
der Masern, der Pest, der Lustseuche, des Krebses, des Winddorns, des Scharboks,<br />
der Kriebelkrankheit, des Wechselfiebers, sind die Stoffe dieser Krankheiten nicht verschieden?<br />
Aber worinnen <strong>und</strong> welches sind ihre Gränzlinien?<br />
Bei dieser Unwissenheit können wir noch in ein paar Jahrh<strong>und</strong>erten an keine eigentlichen<br />
säfteverbessernden Mittel gedenken. Wir müssen bei der Heilung andre<br />
Wege einschlagen, die durch sichere Krümmen <strong>und</strong> zum Ziele führen.<br />
Die Natur ist höchst einfach, besonders in den Mitteln zur Erreichung ihres<br />
Endzweks. Sind bei W<strong>und</strong>en die Kräfte des Körpers noch überwiegend, so dürfen wir<br />
nur die Hindernisse der Heilung hinwegnehmen <strong>und</strong> die Natur vollendet ihr Werk.<br />
Man wird eine ungeheure Anzahl <strong>a<strong>lte</strong></strong>r W<strong>und</strong>en verhindern, wenn man gewissen<br />
anfänglichen Unordnungen des Körpers, die Gelegenheitsursachen <strong>faule</strong>r W<strong>und</strong>en<br />
werden können, auf schikliche Weise begegnen. Ich werde einige da<strong>von</strong> in der Ordnung<br />
durchgehn.<br />
Frische Frische W<strong>und</strong>en W<strong>und</strong>en ohne ohne Verlust Verlust <strong>von</strong> <strong>von</strong> Substanz<br />
Substanz<br />
Bei frischen W<strong>und</strong>en ohne Verlust <strong>von</strong> Substanz oder Quetschung, darf man nur<br />
die Entzündung der verlezten <strong>und</strong> eben dadurch gereizten Theile hindern, durch Ausbluten<br />
der W<strong>und</strong>en, Aderlassen, <strong>und</strong> Bähungen10 mit lindernden <strong>und</strong> stärkenden Mitteln,<br />
Kalkwasser, Wein etc.; nur das versamlete Blut oder das unnatürliche hineingerathene,<br />
hinwegnehmen, den Theil ruhen lassen, <strong>und</strong> die Lefzen der W<strong>und</strong>e durch schiklichen<br />
Verband zusammen bringen, so kleben die Fibern wieder zusammen, vermittelst der<br />
Verdichtung des austretenden Blutwassers <strong>und</strong> der Limphe. Der Tischler wäscht seine<br />
W<strong>und</strong>e mit k<strong>a<strong>lte</strong></strong>m Wasser aus, leimt sie zu, <strong>und</strong> sie heilt.<br />
Aber verfährt man so gewöhnlich bei dieser Art W<strong>und</strong>en? Tausend Hausmittel,<br />
wo<strong>von</strong> immer eins nachtheiliger ist, als das andre, Salben, Pflaster <strong>und</strong> Leinwandfasern,<br />
<strong>und</strong> sogenante blutstillende Mittel müssen die Theile erst reizen, erhizzen <strong>und</strong> die<br />
Ausdünstung hemmen, es mus sich Eiter erzeugen, <strong>und</strong> eine Menge ges<strong>und</strong>en Fleisches<br />
verloren gehen, bis endlich die Natur durchdringt <strong>und</strong> eine Vernarbung veranst<strong>a<strong>lte</strong></strong>t,<br />
wenn man nicht fortfährt, sie alzusehr in ihren heilsamen Verrichtungen zu stören.<br />
Quetschunge<br />
Quetschungen<br />
Quetschunge<br />
Kleine Quetschungen vertheilt venetische Seife in versüstem Salpetergeiste aufgelöst,<br />
Weingeist etc., grösern mus man dadurch begegnen, daß man die entzündeten<br />
10 Fomentatio, die Anwendung k<strong>a<strong>lte</strong></strong>r oder warmer, trockner oder feuchter Umschläge auf leidende Teile des Körpers, um denselben Wärme zuzuführen<br />
oder zu entziehen <strong>und</strong> verschiedenartige Heilzwecke zu erreichen.<br />
19
Stellen mit erweichenden Umschlägen bäht, das ausgetretene Blut durch eine gemachte<br />
Oefnung herausläst, den zertrümmerten, zerquetschten Muskelfasern aber durch stärkende<br />
Bähungen, die man sonst W<strong>und</strong>- <strong>und</strong> Schuswasser nent, ihren verlornen Ton<br />
wiedergiebt. Vitriolöl <strong>und</strong> Weingeist mit einer Abkochung <strong>von</strong> gewürzhaften, bittern<br />
<strong>und</strong> zusammenziehenden Pflanzen verdünnt, erreicht die Absicht <strong>und</strong> k<strong>a<strong>lte</strong></strong>s Wasser ist<br />
hinlänglich. Aderlas <strong>und</strong> der Genus verdünnender Getränke <strong>und</strong> vegetabilischer Speisen<br />
mildern die Heftigkeit des eintretenden Fiebers, welches übrigens zur Erzeugung<br />
des Eiters <strong>und</strong> der Verheilung der stokkenden Feuchtigkeiten <strong>von</strong> der Natur nicht ohne<br />
Absicht veranst<strong>a<strong>lte</strong></strong>t wird. Hier nimt der gemeine Mann wiederum ohne Unterschied der<br />
Umstände oft schädliche Hausmittel, Brantwein u. s. w. zu Hülfe oder läst es hinhängen,<br />
da dann oft die gefährlichsten Folgen, übermäsige Eiterung, Geschwulst <strong>und</strong><br />
Brand entstehen.<br />
Brandschäden<br />
Brandschäden<br />
Bei Brandschäden ist, wenn sie gering sind, k<strong>a<strong>lte</strong></strong>s gemeines oder Bleiwasser,<br />
wenn sie aber tiefer eindringen <strong>und</strong> viele wesentliche Theile zerstört sind, ein erweichender<br />
Umschlag hinreichend, die entstehende Eiterung behandelt man, wie W<strong>und</strong>e mit<br />
Verlust <strong>von</strong> Substanz. Den Mischmasch, der gewöhnlich Barndschäden bei den Laien<br />
verhudelt, kent man wohl, er ist unendlich.<br />
W<strong>und</strong>en W<strong>und</strong>en mit mit mit Verlust Verlust <strong>von</strong> <strong>von</strong> Substanz<br />
Substanz<br />
Diese Art W<strong>und</strong>en sind gröstentheils mit Quetschung oder Zerreisung der Fibern<br />
<strong>und</strong> Gefäse verb<strong>und</strong>en. Geschwulst, Entzündung, Anhäufung <strong>und</strong> Stokkung der<br />
Säfte in den gereizten <strong>und</strong> zerrisnen Gefäsen, müssen durch erweichende Umschläge<br />
erschlaft, die Mündung der Gefäse durch Digestiv ohne Fettigkeit eröfnet <strong>und</strong> gestärkt<br />
werden, damit die Natur die unnüzzen, abgestorbenen Theile, in Eiter auflöst, abstosen<br />
könne. Das Fieber mildert man, wie oben, auch bei heftigeren Fällen mit der Rinde,<br />
unterdrükt es aber nie völlig. Wenn die Eiterung völlig zu Stande ist <strong>und</strong> das reine<br />
Fleisch hervortritt, so wird die Natur durch aufgelegte stärkende <strong>und</strong> zusammenziehende<br />
Mittel angeführt, die Heilung zu vollenden.<br />
Welche Menge <strong>von</strong> Salben unter den vielversprechenden Benennungen werden<br />
hier angewandt, die theils durch ihre Zusammensezzung, theils durch ihre Schärfe <strong>und</strong><br />
Ranzigkeit, theils auch schon dadurch schaden, daß sie die Oefnungen der Gefäse, durch<br />
die das Eiter ausgestosen werden soll, als Fettigkeiten verstopfen <strong>und</strong> erschlaffen, daher<br />
eine Menge wildes Fleisch bei ihrer Anwendung. Auch die demungeachtet durchdringenden<br />
Feuchtigkeiten werden unter ihnen aufgedämt <strong>und</strong> erlangen eine fressende<br />
Verderbnis. Pflaster, ohne die fast keine solche W<strong>und</strong>e geheilt wird, verstopfen die<br />
Ausdünstung sichtlich <strong>und</strong> lassen keine Feuchtigkeit durch, daher Geschwulst <strong>und</strong> vermehrte<br />
Entzündung mit allen ihren erschreklichen Folgen. Wer sieht nicht, wie die<br />
Bausche <strong>und</strong> Propfe <strong>von</strong> troknen Leinwandfasern die W<strong>und</strong>en reizen <strong>und</strong> erhizzen, auch<br />
nur sehr wenig gute Eiter in sich nehmen, mit dem sie bald eine Kruste bilden, die bald<br />
gar kein Eiter mehr einnimt oder durchläst. Bei dünnen wässerigen Eiter <strong>und</strong> ähnlicher<br />
übrigen Beschaffenheit sind sie nuzbar.<br />
20
Wie einfach ist die Natur bei Heilung der W<strong>und</strong>en, <strong>und</strong> wir verkrüpeln sie durch<br />
eine Unendlichkeit <strong>von</strong> zusammengesezten Mischmasch, wie die galante Mutter durch<br />
tausend pariser Erfindungen die reine Haut, den schlanken Wuchs <strong>und</strong> die Ges<strong>und</strong>heit<br />
ihrer Kinder.<br />
Würden anfängliche W<strong>und</strong>en gehörig behandelt, so würden zwei Drittheile <strong>a<strong>lte</strong></strong>r<br />
<strong>Schäden</strong> verschwinden. Aber Schade, daß dieser Theil der Heilk<strong>und</strong>e besonders in<br />
Deutschland solchen Händen anvertraut ist, deren jugendliche Bildung das Barbiermesser,<br />
das Laseisen <strong>und</strong> den Schröpfkopf vollendet. Wenig <strong>und</strong> kostbar sind die noch<br />
etwanigen Anst<strong>a<strong>lte</strong></strong>n zu ihrer Unterweisung, wenige bedienen <strong>und</strong> können sich ihrer<br />
bedienen, <strong>und</strong> als Männer sehen sie erst durch den Nebel ihrer Handwerksvorurtheile<br />
den Schaden des versäumten Unterrichts. Ohne die Hülfsmittel, die ein aufgeräumter<br />
Kopf, das jugendliche Studium der Sprachen, der Zergliederungskunst, der körperlichen<br />
Oekonomie u. s. w. gewähren kan, greifen sie nun zum ersten deutschen Handbuche,<br />
<strong>und</strong> tappen <strong>von</strong> ihm geleitet im Finstern herum, wo nicht noch Mutterwiz <strong>und</strong> eine<br />
wohlthätige Hand sie aus dem Staubnebel hervorzieht. Wahrlich, wenn dies nicht der<br />
Kommentar zu den ungeschikten zwekwidrigen Behandlungen der meisten örtlichen<br />
Uebel der Oberfläche des Körpers ist, so kenne ich keinen. Und steht wohl irgend ein<br />
andrer Theil der Heilk<strong>und</strong>e unmittelbarer unter dem Gebiete der Zuverlässigkeit als die<br />
W<strong>und</strong>arznei? Wenn man dagegen nur einen flüchtigen Blik auf die innere Heilk<strong>und</strong>e<br />
wirft, so wird man gestehen müssen, daß die sogenannten Aerzte, bei aller Dunkelheit<br />
der zu behandelnden Krankheiten, doch unendlich weiter ins Licht der Gewisheit gedrungen<br />
sind, als jene, die doch mit, ofnen Augen <strong>von</strong> der Wirkung ihres angewandten<br />
Mittel, <strong>von</strong> den Verlezzungen des Köpers, <strong>von</strong> den Unnatürlichkeiten, die mit Händen<br />
gegriffen werden, urtheilen könten. Objektivische Dunkelheit in der Arzneik<strong>und</strong>e mögte<br />
etwa die subjektivische bei unsern gewöhnlichen W<strong>und</strong>ärzten aufwiegen. Diese Ausschweifung<br />
wird man meiner Liebe zum Menschengeschlecht verzeihen.<br />
Es giebt freilich kleine Verlezzungen, die, wie man sagt, bei aller Bemühung zum<br />
Unheil schlagen, gröser <strong>und</strong> gröser, unreiner <strong>und</strong> unreiner werden, wenn auch der<br />
Fehler am W<strong>und</strong>arzt nicht liegt. Dann liegt er zuverlässig im Körper. Man behandle<br />
solche kleinen, anfänglichen W<strong>und</strong>en ihrer Hartnäkkigkeit wegen zeitig wie <strong>a<strong>lte</strong></strong> Geschwüre,<br />
unterziehe den Körper, wo nöthig, beizeiten ähnlichen Verbesserungen, <strong>und</strong><br />
stärke ihn vorzüglich, alles so, doch nach Verhältnis, wie unten gelehrt werden soll, bei<br />
der Kur <strong>a<strong>lte</strong></strong>r <strong>faule</strong>r Geschwüre.<br />
Rothlauf<br />
Rothlauf<br />
So<strong>lte</strong>n nicht vegetabilische Säuren <strong>und</strong> viele warme Ausdünstung befördernde,<br />
verdünnende Getränke, nebst Brechmitteln innerlich genommen, <strong>und</strong> hinlängliches Reiben<br />
der umliegenden Theile, nebst dem k<strong>a<strong>lte</strong></strong>n Bade fast allen Rothlauf verscheuchen,<br />
<strong>und</strong> stärkende Mittel ihn nicht auf immer verbannen, wo ein durch Empörung <strong>und</strong> Verderbnis<br />
der Galle gereiztes Nervensystem, die Ausdünstung gehemt, <strong>und</strong> die Absezzung<br />
der krankhaften Materie auf den schwächsten <strong>und</strong> empfindlichsten Theil veranst<strong>a<strong>lte</strong></strong>t<br />
zu haben scheint. Wie w<strong>und</strong>erlich erscheint nach dieser Voraussezzung nicht die<br />
Menge abergläubischer Hausmittel, <strong>und</strong> die örtliche Zurüktreibung des Rothlaufs durch<br />
trokne Bleibereitungen mit Rokkenmehl u. s. w.<br />
21
Sähe man diese Entzündung nicht für so unbedeutend an, sondern überliese sie<br />
sogleich einem sachverständigen Manne, so würden wir eine Menge <strong>a<strong>lte</strong></strong>r W<strong>und</strong>en weniger<br />
haben.<br />
Krampfadern<br />
Krampfadern<br />
Krampfadern<br />
Durch Vermeidung der sizzenden Lebensart, oder der alzustarken Bewegungen,<br />
<strong>und</strong> Einschnürungen, durch Schnürbrüste, Kniebänder u. s. w. würden der aufgedunsenen<br />
Blutadern der Füse in Schwangerschaften <strong>und</strong> sonst weniger werden, <strong>und</strong> wären<br />
sie einmal da, so würden bald nach ihren Entstehungen k<strong>a<strong>lte</strong></strong> Alaunbäder <strong>und</strong> bis<br />
zum Knie heraufsteigende Einwickelungen sie vertreiben.<br />
Bleichsucht Bleichsucht<br />
Bleichsucht<br />
Man so<strong>lte</strong> junge Mädchen behutsamer machen, die für sie so heilsame Ausleerung<br />
der Natur die Monatszeit gleichgültig anzusehn.<br />
Bewegung ist nächst der Nahrung das nothwendigste Bedürfnis der thierischen<br />
Maschine, durch sie wird das Uhrwerk aufgezogen. Man so<strong>lte</strong> diese zarten Geschöpfe<br />
nicht an das Nehpult anheften oder zum Puztisch, zur Karte, zu langweiligen Besuchen<br />
<strong>und</strong> zum müsigen Bücherlesen verbannen, <strong>und</strong> dadurch zur vergelbenden Pflanze des<br />
Kellers umschaffen. Bewegung <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>e Luft treibt nur allein jeden Saft unsers<br />
Körpers zu dem ihm bestimten Ort, zwingt allein alle Abscheidungswege desselben, die<br />
ihnen beschiedenen Feuchtigkeiten abzusondern, giebt Kraft den Muskeln, färbt allein<br />
das Blut zur höchsten Röthe, verfeinert die Säfte, in die subtilsten Haarrörchen mit<br />
Leichtigkeit zu dringen, verstärkt die Schläge des Herzens, bringt allein gehörige ges<strong>und</strong>e<br />
Verdauungswege <strong>und</strong> ladet am besten zur Ruhe, zum Schlafe ein, der Zeit der<br />
Erquikkung <strong>und</strong> Erschaffung neuer Lebensgeister. Wie kan ohne Bewegung, ohne den<br />
Genus ges<strong>und</strong>er Luft eine Ueberflus an ges<strong>und</strong>em weiblichen Blute entstehen <strong>und</strong> seine<br />
monatliche Abscheidung ungehindert erfolgen. Der die Blutgefäse des Unterleibes<br />
zusammenschnürende modische Anzug unsrer Frauenzimmer ist keine geringe, sehr oft<br />
gerügte Ursache, der verh<strong>a<strong>lte</strong></strong>nen Reinigung.<br />
Aber weichliche Kost, eine Menge warmer, erschlaffender, reizender Getränke,<br />
Koffee besonders, nächst dem Thee, bringen keine geringe Menge krampfhafter Nervenkrankheiten<br />
zuwege, gewisse Hindernisse des monatlichen Blutflusses.<br />
Die Lebensart unsrer jungen Frauenzimmer zeigt uns noch weit mehr Ursachen<br />
dieser Krankheit, wo<strong>von</strong> ich vorjezt nur die Modelektüre nenne, die nächst der vorauszusezzenden<br />
sizzenden Lebensart auch unnatürliche Leidenschaften erregt, die alle jugendliche<br />
Kraft aus ihren Nerven schmelzen, oder die doch eine verzweife<strong>lte</strong> Körperschwäche<br />
anzetteln, die oft weder Moral noch Diät aus ihren verzärte<strong>lte</strong>n Nerven verbannen<br />
kan. Ehedem wurden Vapeurs <strong>von</strong> Thee, jetzt <strong>von</strong> Koffee <strong>und</strong> Empfindelei erzeugt.<br />
Ich weis kein anderes Mittel dagegen, als Quarantainen anzupreisen, um diese<br />
im Finstern schleichende Seuche aus unsern Staaten zu verbannen.<br />
Vom Uebermase in rasenden Tänzen rede ich nicht, ihre Schädlichkeit ist bekant.<br />
Schlimm genug, daß viele, fast unvermeidliche Ursachen bei den Landdirnen eintreten,<br />
die den Fortgang ihrer Zeit hemmen. Alzuheftige Anstrengungen <strong>und</strong> Verkältungen<br />
sind einige da<strong>von</strong>.<br />
22
Vermeidung aller dieser Hindernisse der Reinigung <strong>und</strong> zwekmäsige Behandlung<br />
dieser nicht gleichgültigen Krankheit werden uns viele <strong>a<strong>lte</strong></strong> W<strong>und</strong>en ersparen.<br />
Stärkende innere <strong>und</strong> äusere Mittel, zur rechten Zeit veranst<strong>a<strong>lte</strong></strong>te Aderlässe,<br />
wenn das Uebel noch nicht zu weit gediehen ist, <strong>und</strong> Leitung des Blutes nach dem Unterleibe,<br />
sind kürzlich die algemein nöthigen Dinge, ausser andern, die nicht aus dem<br />
Gebiete des verständigen Arztes kommen dürfen, worunter Laxanzen, Eisen, Spiesglanz,<br />
Safran, Mohnsaft <strong>und</strong> Elektricität gehören. Hizzige <strong>und</strong> treibende Mittel meide<br />
man wie Gift.<br />
Versezzung Versezzung einer einer Krankhei Krankheitsmaterie<br />
Krankhei tsmaterie<br />
Wenn ich <strong>von</strong> der gehörigen Behandlung der Absezzung siecher Kräfte auf die<br />
Oberfläche des Körpers handeln wo<strong>lte</strong>, so müste ich in das Gebiet der ausübenden<br />
Heilk<strong>und</strong>e weit herum ausschweifen, <strong>und</strong> das wo<strong>lte</strong> ich nicht gern.<br />
Geschwüre, Beulen <strong>und</strong> Geschwülste sind die Formen, unter denen sich zuweilen<br />
die Natur nach Krankheiten übriggebliebner böser Säfte entledigt, die dann vieles Unheil<br />
anzurichten pflegen. Im Anfange ihnen zu begegnen <strong>und</strong> die Krankheiten gründlich<br />
zu heilen, ist alles was ich über diesen Gegenstand zu sagen habe.<br />
Die entstandnen Geschwüre müssen so bald wie möglich eröfnet <strong>und</strong> anfänglich<br />
mit reizzenden Mitteln verb<strong>und</strong>en werden, Wassergeschwülsten aber mus mit innerer<br />
<strong>und</strong> äuserer stärkender Behandlung entgegen gegangen werden.<br />
Andre Andre Ursachen<br />
Ursachen<br />
Jede Art <strong>von</strong> schwächender Lebensart, alzunährende in zu groser Menge genossene<br />
Nahrungsmittel, heise Stuben, die Entfernung <strong>von</strong> ges<strong>und</strong>er Luft, alzuviel Schlaf,<br />
Nachtwachen, entnervende Leidenschaften, Gram, Zorn <strong>und</strong> Liebesrasereien, Anstrengung<br />
des Kopfes, Mangel an Bewegung, häufige Ausleerungsmittel, besonders Purganzien<br />
<strong>und</strong> Aderlässe u. s. w. sind sehr häufige Ursachen verschlimmerter Säfte <strong>und</strong><br />
<strong>a<strong>lte</strong></strong>r Geschwüre, denen man durch Entfernung <strong>von</strong> jener Lebensart zuvorkommen mus.<br />
Ich höre auf, die Entstehungsursachen <strong>a<strong>lte</strong></strong>r Geschwüre <strong>und</strong> <strong>faule</strong>r <strong>Schäden</strong> anzuführen,<br />
sie sind theils zu unzählbar, theils zu algemein in die Augen fallend, als daß ich<br />
eine fernere Erörterung derselben über mich nehmen so<strong>lte</strong>.<br />
Ich gehe vielmehr zu ihrer Behandlung <strong>und</strong> Heilung über, wo ich desto kürzer<br />
seyn werde, je mehr ich mir schon im voraus weggenommen habe.<br />
Beschre Beschreibung Beschre ibung eines eines <strong>a<strong>lte</strong></strong>n <strong>a<strong>lte</strong></strong>n Geschwürs<br />
Geschwürs<br />
Wenn eine W<strong>und</strong>e dahin gediehen ist, daß sie, statt einen gutartigen, gilblichdiklichen,<br />
milden Eiter <strong>von</strong> gewöhnlichem Geruche <strong>von</strong> sich zu geben, mehr oder weniger<br />
sehr übelriechende, scharfe, wie mit Blut gefärbte Jauche aussiepert, die wohl gar, wo<br />
sie hinläuft, Prikkeln in der nahegelegnen Haut <strong>und</strong> neue Blätterchen erzeugt; wenn die<br />
Ränder der W<strong>und</strong>e weislicht, hart, ungefühlig, erhaben, auch wohl unterköthig, der Boden<br />
der W<strong>und</strong>e aber misfärbig, besonders <strong>von</strong> grauer, brauner, violetter Farbe, dem<br />
Wesen nach wie <strong>faule</strong>nder Spek, entweder sehr tief unter den Rändern eingefallen, oder<br />
hie <strong>und</strong> da mit weislichen schwammichten, unempfindlichen Fleischschwämmchen ange-<br />
23
fült ist, die nichts als Wasser <strong>von</strong> sich geben; wenn die Schmerzen tief in der W<strong>und</strong>e<br />
<strong>und</strong> umher sehr heftig sind <strong>und</strong> einem prickelnden Reisen gleichen, das sich gegen die<br />
Nacht verstärkt, <strong>und</strong> die umherbefindliche violette, knotenartig verhärtete Geschwulst<br />
vermehrt; wenn die Gesichtsfarbe blasgelb oder bräunlichgelb wird, die ges<strong>und</strong>e Röthe<br />
sich verliert <strong>und</strong> das Weise des Auges sich entfärbt; wenn wohl gar die W<strong>und</strong>e <strong>von</strong> Zeit<br />
zu Zeit weiter um sich frist <strong>und</strong> Brand hie <strong>und</strong> da mehr <strong>und</strong> mehr des guten Fleisches<br />
zerstört; wenn endlich alle kleinen Verlezzungen des Körpers leicht zum Unheil schlagen,<br />
schwären <strong>und</strong> schwer zuheilen, so ist man gewis, daß der Schaden des Körpers eine <strong>a<strong>lte</strong></strong><br />
bösartige W<strong>und</strong>e ist, mehr oder weniger, jenachdem angezeigte Kennzeichen in gröserm<br />
oder mindern Grade, in stärkerer oder geringerer Anzahl vorhanden sind. So giebts<br />
dergleichen, die nur einige Wochen, andre die zwanzig <strong>und</strong> mehrere Jahre alt sind, einige<br />
die eine Linie im Durchschnitt, andre die sechs <strong>und</strong> mehrere Zolle haben. Die<br />
Schwierigkeit oder wohl gar die Unmöglichkeit ein <strong>a<strong>lte</strong></strong>s Geschwür zu heilen, nimt nach<br />
dem Grade der Langwierigkeit, der Gröse <strong>und</strong> Bösartigkeit der W<strong>und</strong>e, der übeln Beschaffenheit<br />
des übrigen Körpers <strong>und</strong> seiner Säfte, der Armuth, des Eigensins, des<br />
A<strong>lte</strong>rs <strong>und</strong> andrer Umstände des Pazienten zu, die ich ohne Weitläuftigkeit nicht erörtern<br />
kan.<br />
Behandlung Behandlung Behandlung eines eines Körpers Körpers mit mit ei einem ei em em <strong>a<strong>lte</strong></strong>n <strong>a<strong>lte</strong></strong>n Geschwüre Geschwüre durch durch<br />
Blutre Blutreinigungen<br />
Blutre nigungen<br />
Nur wenn die W<strong>und</strong>e nicht alzu alt ist <strong>und</strong> der Körper noch hinreichende, fast<br />
mögte ich sagen, überflüssige Kräfte hat; welches se<strong>lte</strong>n der Fall ist, wenn man einen<br />
Arzte zu Hülfe ruft; nur dann lasse ich eine starke Abkochung <strong>von</strong> Quajakholze <strong>und</strong><br />
Seifenwurzel oder Löwenzahn (lignum quajacum, radix saponariae, taraxaci) auch wohl<br />
Pferdesaat (Wasserfenchel) entweder jedes besonders oder in gewissen Verhältnissen<br />
zusammengesezt, trinken. Ich lasse diesen Trank so stark <strong>und</strong> braun wie Bier kochen<br />
<strong>und</strong> täglich hie<strong>von</strong> vierzehn Tage lang früh ein halbes bis ganzes Nösel (sechzehn bis<br />
dreisig Loth) kalt trinken, <strong>und</strong> dabei so viel Bewegung als möglich machen, auch wohl,<br />
doch se<strong>lte</strong>n, wöchentlich einmal eine Abführung <strong>von</strong> zwanzig bis siebenzig Gran Jalapwurzel<br />
nehmen, wenn der Absud nicht selbst laxirt. Ueberdies lasse ich auch wohl rohen<br />
gepülverten Spiesglanz bis zu 5 bis 50 Gran täglich nehmen.<br />
Dies h<strong>a<strong>lte</strong></strong> ich für den Kern der Blutreinigungen, die in angezeigtem Falle nie ohne<br />
Wirkung gewesen sind.<br />
Veränderung Veränderung der der Diät, Diät, der der Luft Luft <strong>und</strong> <strong>und</strong> anderer anderer äusern äusern Umstände,<br />
Umstände,<br />
als als oft oft dienliche dienliche Mittel Mittel <strong>a<strong>lte</strong></strong> <strong>a<strong>lte</strong></strong> <strong>a<strong>lte</strong></strong> W<strong>und</strong>en W<strong>und</strong>en zu zu heilen.<br />
heilen.<br />
Es giebt sumpfichte unges<strong>und</strong>e Gegenden, die Wechselfieber <strong>und</strong> <strong>a<strong>lte</strong></strong> Geschwüre<br />
gleichsam endemisch erzeugen, ihre Veranlassung ist oft die einzige Bedingung der<br />
Heilung. Auch die blose Veränderung eines Erdstrichs mit dem andern, ohne ersterm<br />
einige Bösartigkeit Schuld zu geben, <strong>und</strong> lezterm einen Vorzug einzuräumen, hat oft<br />
Veränderungen im Körper zuwege gebracht, die der unmittelbare Gr<strong>und</strong> der Heilung<br />
gewesen sind, wenn man nicht zugleich auf die dabei unumgänglich nöthige Bewegung<br />
einige Rüksicht nehmen will. In dieser Rüksicht verdienen die Seereisen empfohlen zu<br />
24
werden, Luft <strong>und</strong> Lebensart werden hie zugleich ganz abgeändert <strong>und</strong> die heftige ungewöhnliche<br />
Bewegung tritt zu den heilsamen Wirkungen der erstern. Einen Pazienten<br />
<strong>von</strong> einer gegebnen Zeit an, nichts als wenige Gattungen Vegetabilien <strong>und</strong> Wasser,<br />
oder nichts als eine Gattung Milch oder Molken statt aller Nahrung nehmen lassen,<br />
heist mehr, die Oekonomie seines Körpers gänzlich verändern <strong>und</strong> dadurch gutes zu<br />
bewirken suchen, als die absolute Heilsamkeit dieser Dinge ge<strong>lte</strong>nd machen wollen.<br />
Aus jenem Gr<strong>und</strong>e haben sie oft ausserordentliche Dienste bei Heilung langwieriger<br />
Krankheiten <strong>und</strong> <strong>a<strong>lte</strong></strong>r Geschwüre geleistet. Was thun oft die berühmten Brunnenkuren,<br />
gröstentheils wirken sie aus berührter Ursache gutes. Die Umtauschung einer sehr<br />
geschäftigen, unruhigen Lebensart mit einer gemächlichen oder <strong>von</strong> ganz andrer Natur,<br />
hat oft ungemeine Dienste in ähnlichen Fällen geleistet, wenn der Fischer auch nur<br />
Nachtwächter, der Karnschieber nur Briefträger, <strong>und</strong> die Waschfrau nur Krankenwärterin<br />
werden so<strong>lte</strong>. Die Veränderung der äusern Umstände des Menschen ist zu unendlich,<br />
als daß man einen Abris da<strong>von</strong> geben könte. Die Grade der Veränderung der Umstände,<br />
ihrer Natur <strong>und</strong> der Empfänglichkeit des Körpers dafür, lassen auf die Aenderung<br />
einen Schlus machen, die in seiner Ges<strong>und</strong>heit bewirkt werden können. Ein sichtbares<br />
aber wenig bearbeitetes Feld für den praktischen Arzt, der Kopf hat.<br />
Einleitung Einleitung in in in die die die stärkende stärkende stärkende Heilart. Heilart.<br />
Heilart.<br />
So wenig ich besonders obigen Blutreinigungen ihre Kräfte bei Heilung <strong>a<strong>lte</strong></strong>r<br />
W<strong>und</strong>en <strong>und</strong> der Verbesserung der Säfte abspreche, so se<strong>lte</strong>n sind doch die Fälle, wo<br />
sie zuverlässig sind. Ich glaube es schon erwiesen zu haben <strong>und</strong> die Erfahrung lehrts<br />
gnüglich, daß es keine spezifische säfteverbessernde Arzneimittel giebt, daß alle Blutreinigungen<br />
Ausleerungsmittel sind, <strong>und</strong> daß alle veranst<strong>a<strong>lte</strong></strong>te Ausführungen der Säfte<br />
des Körpers durch Ausdünstung, Harn, Stuhlgang, Speichel, Aderlässe <strong>und</strong> so<br />
weiter, die guten wie die bösen Säfte vermindern, folglich den Körper schwächen, <strong>und</strong><br />
daß die eine Ausleerung mehr feinere, eine andere gröbere Säfte, die eine in grösrer<br />
Menge als die andere ausführt, daß diese mehr schwächt als jene, u. s. w. Nur allein<br />
der Speichelflus treibt z. B. eine so grose Menge zäher Säfte aus den Gefäsen, ohne<br />
eine verhältnismäsig grösere Schwächung des Körpers hinter sich zu lassen, wenigstens<br />
erholt sich der Kranke bald nachher sichtlich. Da nun, die algemeinen Eigenschaften<br />
der ausführenden Mittel hier vorausgesezt, die Bösartigkeit der Säfte fast durchaus<br />
mit der Abnahme der Kräfte in gleichem Schritte fortgeht, <strong>und</strong> sich erstere ohne leztere<br />
nicht denken läst, nur ein geringer Grad venerischen Uebels macht hier einige Ausnahme<br />
- so folgt augenscheinlich, daß schwächende sogenante säftereinigende Mittel, bei<br />
dieser Bösartigkeit der Säfte, die fast stets bei <strong>a<strong>lte</strong></strong>n W<strong>und</strong>en zugegen ist, wider den<br />
Zwek sind <strong>und</strong> viel mehr Schaden als Nuzzen anrichten müssen. Beweise sind in<br />
Menge fast alle gewöhnlichen Kurarten <strong>a<strong>lte</strong></strong>r bösartiger W<strong>und</strong>en, wo man den Körper<br />
blos durch Blutreinigungsmittel zu verbessern trachtet, die Kräfte werden schwächer,<br />
die W<strong>und</strong>e verschlimmert sich <strong>und</strong> nun ist vielweniger an eine Heilung zu denken, als<br />
vor der künstlichen Anwendung der wohl ausstudierten methodischen Blutreinigungskur.<br />
Die beste äusere Behandlung der W<strong>und</strong>e kan in keinem andern Falle ihre<br />
wohlthätige Wirkung zeigen, als wenn mit dem übrigen Körper zugleich zwekmäsig<br />
umgegangen wird.<br />
25
Bei solchen ohnehin schwächlichen oder theils durch Leidenschaften, durch<br />
Schmerzen, durch Sizzen, durch Bösartigkeit der Säfte oder durch andre Umstände<br />
entkräfteten Personen also, die <strong>von</strong> einer <strong>a<strong>lte</strong></strong>n W<strong>und</strong>e befreit seyn wollen, fange ich zu<br />
ihrer einzigen Hülfe sogleich die stärkende Kurart an, <strong>und</strong> finde sie als Panazee bis zur<br />
Vollendung der Kur.<br />
Das Das algemeine algemeine der der stärkenden stärkenden Kurart.<br />
Kurart.<br />
Kräftige Diät, ges<strong>und</strong>e Luft <strong>und</strong> Bewegung nebst der Aufheiterung des Gemüths<br />
sind Vordersäzze, deren Anwendung <strong>und</strong> Kraft jederman einzusehen im Stande ist.<br />
Eine dem Körper angemesne Nahrung, in blos zulänglicher Menge, verstattet allein<br />
ges<strong>und</strong>e Verdauung, <strong>und</strong> vertreibt die üblen Säfte der ersten Wege, die Bewegung<br />
schaft Hunger, verstärkt die Verdauung, <strong>und</strong> führt besser als alle Ausleerungsmittel<br />
den Ueberflus unartiger Feuchtigkeiten durch die Oefnungen des Körpers, jedes bewegte<br />
Glied trägt zum stärkern Umlaufe des Bluts, <strong>und</strong> zur Vervolkommnung der Aneignung<br />
der fertigen Nahrungssäfte bei, keine Ges<strong>und</strong>heit ohne Bewegung.<br />
Wo ist das Mittel, welches das in unsern Blutgefäsen stets zur Zerstörung<br />
unsrer Maschine aufgelegte Fäulungsferment angenehmer <strong>und</strong> gewisser hinwegnimt<br />
als die reine Luft. Mit jedem Odemzuge ziehn wir eine Menge da<strong>von</strong> in unsre Lungen,<br />
ihr reinster ätherischer Theil, der Gr<strong>und</strong> der Wärme unsers Körpers, trit durch die<br />
Aushauchungsgefäse der unzähligen Adern dieses Eingeweides in die Blutmasse über<br />
<strong>und</strong> scheidet die verderbliche verdorbene Luft heraus, die Luft, die wir ausathmen. Nur<br />
in reiner freier Luft fühlen wir Erquikkung durch Odemholen, in Kerkern <strong>und</strong> dumpfen<br />
mit lebendigen Geschöpfen angefü<strong>lte</strong>n Wohnungen ermatten wir, werden ohnmächtig<br />
<strong>und</strong> sterben, wenn die Luft durch vieles Odemholen sehr verdorben ist, auch wohl in<br />
wenigen St<strong>und</strong>en. Dieser Unterschied der Einatmungsluft zwingt uns gleich beim ersten<br />
Anblikke zum Geständnis, daß Leben <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit ohne reine Luft nicht zu erwarten<br />
sei.<br />
Die geringste Kost gedeiht bei einem heitern Gemüthe <strong>und</strong> der ausgesuchteste<br />
Lekkerbissen wird dem Magen des mismuthigen zum Gifte. Die Zahl der Ae<strong>lte</strong>sten im<br />
Lande, ist zugleich die Zahl der Zufriedensten im Volke. Gram hingegen ist der gewisseste<br />
Selbstmord, Winke genug für uns, auf Heiterkeit des Gemüths zu dringen <strong>und</strong><br />
die selbst gegen Aufopferung des grösten Vortheils eintauschen zu lassen, wenn wir die<br />
übeln Säfte schwächlicher Personen verbessern wollen.<br />
Als Arzneien, die in meiner stärkenden Heilart vorkommen, <strong>und</strong> ausser denen ich<br />
keine andern kenne, wende ich gewürzhafte, bittere <strong>und</strong> zusammenziehende Dinge an.<br />
Der Sporn <strong>und</strong> die Peitsche vermehrt zwar die Kräfte des arbeitenden Thieres<br />
nicht, so wenig wie Senf an sich die Verdauung ausmacht. Der Sporn aber, den Gewürze<br />
innerlich an die thierische Maschine bringen, reizt gleichwohl die sinkenden Kräfte,<br />
das zu vollendende Gute auszuwirken, <strong>und</strong> Verdauung <strong>und</strong> Aneignung zu veranst<strong>a<strong>lte</strong></strong>n.<br />
Die Wirkunsgart der bittern Pflanzen kennen wir nicht genau. Vielleicht wirken<br />
sie gewürzhaft <strong>und</strong> zusammenziehend, vielleicht nicht aus einem andern Gr<strong>und</strong>e, ihre<br />
Tugend aber liegt am Tage. Sie stärken am zuverlässigsten.<br />
26
Die zusammenziehenden Dinge stärken selbst die tode Faser, der Zusammenhang<br />
der Theile einer rohen Haut <strong>und</strong> einer gegerbten ist ungemein verschieden. Sie sind<br />
<strong>von</strong> mehrerlei Art. Die gewächsartigen sind unserm Körper am angemessensten, dann<br />
komt die Kä<strong>lte</strong>, das k<strong>a<strong>lte</strong></strong> Wasser u. s. w. die erdigen <strong>und</strong> metallischen zusammenziehenden<br />
Salze folgen drauf, Alaun, Eisen <strong>und</strong> Zinkkalk, die durch die Säfte unsers<br />
Magens zusammenziehende Salze werden, <strong>und</strong> den Verschlus machen die mineralischen<br />
vorzüglich die Säure des Vitriols.<br />
Unter den geistigen stärkenden Mitteln verdient ein wohlgemischter reiner Wein<br />
den Vorzug. Die blos abgezognen Geister troknen die Muskelfaser zusehr, verhärten<br />
den Thierschleim, stümpfen die Nervengeister <strong>und</strong> vermindern die dem thierischen Leben<br />
so unentbehrliche Irritabilität.<br />
Ausübung Ausübung der der stärkenden stärkenden Kur Kur. Kur<br />
Wenn ich Kranken mit <strong>a<strong>lte</strong></strong>n Geschwüren, die zur Heilung erforderliche Lebensordnung<br />
vorschreibe, so theile ich derselben gröstentheils in die bei der Heilk<strong>und</strong>e so<br />
merkbaren zwei Temperamente ein in solche, deren Fibern trokner <strong>und</strong> steifer, deren<br />
Galle schärfer <strong>und</strong> feuriger, <strong>und</strong> deren Muskeln vorzüglich reizbar sind. Ich nenne sie<br />
cholerisches Temperament, zum Unterschiede gegen die Personen, deren vollsaftiger,<br />
träger Körper, kä<strong>lte</strong>re, ungekochtere <strong>und</strong> wässerichte Galle zu erzeugen scheint, <strong>und</strong><br />
deren Fibern schlaffer <strong>und</strong> unreizbarer sind. Die höchsten Stufen beider Temperamente<br />
fallen sehr leicht in die Augen, ihre höchste Verschiedenheit ist unleugbar, da wo sich<br />
aber beide zu vermischen <strong>und</strong> in einander überzugehn anfangen, da gehört ein geübtes<br />
Auge dazu, die Ueberlegenheit des einen vor dem andern einzusehn, in diesem Falle<br />
aber ist der Mittelweg in der arzneilichen Behandlung schon hinlänglich, da hingegen<br />
eine blödsichtige Vertauschung der höchsten Grade dieser beiden Temperament in der<br />
medizinischen Ausübung sichtlich sich durch unglükliche Erfolge bestraft.<br />
Ersterm, dem cholerischen Temperamente, ordne ich weniger <strong>und</strong> säuerlichen<br />
Wein, dergleichen alle nördliche sind, Rheinwein, östereichischen, Franken, <strong>und</strong> hiesigen<br />
Landwein weniger thierisches <strong>und</strong> gewürzhaftes bei ihren Speisen, mehr säuerliches<br />
<strong>und</strong> süses Gemüse, Obst <strong>und</strong> Milch in reichem Mase, Bier <strong>von</strong> Luftmalze <strong>und</strong><br />
guter Kraft ist ihr gewöhnliches Getränk.<br />
Dem Phlegmatischen lasse ich einen kräftigen Franzwein zu, der doch aber nicht<br />
mit Sprit verstärkt oder verfälscht worden ist, sie bekommen hinlängliches inländisches<br />
<strong>und</strong> ausländisches Gewürze an thierische Speisen <strong>und</strong> kräftige Gemüse, Obst, Milch<br />
<strong>und</strong> alle säuerliche <strong>und</strong> süse Sachen werden ihnen se<strong>lte</strong>n <strong>und</strong> blos zum Appetite erlaubt,<br />
da sie ohnehin schon mehr als zu sehr zur Erzeugung der Säure geneigt sind, ein Hindernis<br />
ihrer Verdauung. Bitteres Lagerbier ihr Getränk.<br />
Dem Mitte<strong>lte</strong>mperamente suche ich aus dieser Diät den Mittelweg aus, <strong>und</strong> es ist<br />
leicht sie zu befriedigen.<br />
Blos blähende Gemüse untersage ich beiden, Erbsen, Linsen, trokne Bohnen aller<br />
Art, Weiskohl, Zwiebeln als Gemüse; Kartoffeln (solanum tuberosum), Erdbirnen<br />
(helianthus tuberosus), Rüben aller Art.<br />
Beiden vermehre ich <strong>von</strong> Zeit zu Zeit <strong>und</strong> nach Masgabe ihrer wachsenden Kräfte<br />
<strong>und</strong> der Besserung ihres Zustandes die beschiedne Menge Tischwein, <strong>und</strong> rechne unter<br />
27
die Verweigerungsanzeigen nicht die chronische verhärtete, entzündungsartige Geschwulst,<br />
die sich gewöhnlich um ein <strong>a<strong>lte</strong></strong>s Geschwür herum befindet.<br />
Schweinefleisch erlaube ich beiden nicht, se<strong>lte</strong>n dem phlegmatischen das gebratne<br />
Gänse, oder Entenfleisch, beide hüte ich vor alzu fetten Speisen <strong>und</strong> Talg darf auf ihren<br />
Gemüsen <strong>und</strong> Brühen nicht umherschwimmen. Ausländische Lekkerbissen, getroknete<br />
Fische, Klipfisch, Labertan, Kabeljau, Austern u. s. w. lasse ich nicht zu. Pökkelfleisch<br />
<strong>und</strong> <strong>a<strong>lte</strong></strong>n Käse erlaube ich dem Phlegmatischen.<br />
Ueberhaupt suche ich beide vor Uebermas in Speisen <strong>und</strong> Getränken zu warnen<br />
<strong>und</strong> dahin einzuschränken.<br />
Luft Luft. Luft<br />
Die freie Luft in allen Jahreszeiten suche ich auf alle Weise zu ihrem Aufenthaltsorte<br />
zu machen. Dies ist eine der wichtigsten Regeln der Kur, die ich so viel möglich<br />
selbst auf die Nacht in allen Witterungen zu erstrekken suche, doch stets nach der<br />
Warnung Hippokrates, die Uebergänge in gegenseitige Gewohnheiten almählig <strong>und</strong><br />
stufenweise vorzunehmen.<br />
Der belebende Geist der thierischen Säfte, die dephlogisirte Luft läst sich in einem<br />
dumpfen Zimmer durch kein Räuchern, die gewöhnliche Zuflucht der Stubensiechen,<br />
wieder herstellen, bei Heilung <strong>a<strong>lte</strong></strong>r Geschwüre ist die Erneuerung <strong>und</strong> der Genus der<br />
atmosphärischen Luft <strong>von</strong> unersezlicher Nothwendigkeit.<br />
Selbst die gröste Kä<strong>lte</strong> des Winters erlaubt Spaziergänge ins freie, die sich durch<br />
nachfolgende Munterkeit des Körpers belohnen.<br />
Ein nie über fünf oder siebensechzig fahrenheitliche Grad zu heizendes Zimmer,<br />
das früh <strong>und</strong> Abends eine halbe St<strong>und</strong>e völlig mit Zugluft durchflutet wird, sei in dieser<br />
Jahreszeit ihr gewöhnlicher Aufenthalt.<br />
Abend- <strong>und</strong> Morgenspaziergänge <strong>und</strong> die Aussicht des Zimmers in einen gegen<br />
Mitternacht gelegnen Garten ist der angemessenste Aufenthalt in der heisen Jahreszeit.<br />
Die Wohnzimmer müssen durchaus hoch seyn.<br />
Bewegung Bewegung. Bewegung<br />
Bewegung, Bewegung ist die Seele aller körperlichen Ges<strong>und</strong>heit, nur durch sie<br />
wird das Triebwerk der thierischen Maschine aufgezogen, meine Kranken müssen sich<br />
bewegen.<br />
Ich weis sehr wohl, wie leicht sich <strong>a<strong>lte</strong></strong> W<strong>und</strong>en durch Ruhe zu verbessern scheinen,<br />
aber bei algemeiner Schwäche des Körpers <strong>und</strong> Verderbnis der Säfte in <strong>a<strong>lte</strong></strong>n<br />
W<strong>und</strong>en darf man durchaus diese zweideutigen Vortheile nicht in Betracht ziehen. Narben,<br />
die blos langwierige Ruhe veranst<strong>a<strong>lte</strong></strong>t hat scheinen mir mit der troknen Erdrinde,<br />
welche der Sommer über unergründliche Moräste zieht, zu gleichen, Kleinigkeiten kann<br />
sie tragen, aber der Pflugstier versinkt.<br />
Solche Narben gehen bei der geringsten Veranlassung wieder auf <strong>und</strong> verschlimmern<br />
sich zusehends, weil der Körper <strong>und</strong> die Narbe gleich schwach war.<br />
Bei meiner sogenanten stärkenden Kur <strong>a<strong>lte</strong></strong>r Geschwüre, die ich mit Recht für algemein<br />
ausgebe, ist Bewegung ein Hauptingredienz.<br />
28
Nur bei <strong>a<strong>lte</strong></strong>n W<strong>und</strong>en, venerischen Ursprungs, oder wo der Körper noch hinlängliche<br />
Kräfte hat <strong>und</strong> bisher in voller Bewegung gewesen ist, <strong>und</strong> wo ich innere <strong>und</strong><br />
äusere Queksilberarzneien zur Erregung des Speichelflusses anwende, da erfordern die<br />
Umstände, daß der Köper während dieser heroischen Behandlung in voller Ruhe sei.<br />
Doch wende ich jederzeit in diesem Falle entweder vor oder nach dem Speichelflusse,<br />
auch wohl in beiden Zeiten. Meine stärkende Behandlung an, ohne die ich auch hierin<br />
nichts beträchtliches je geleistet habe.<br />
Spazierfahrten auf sanften <strong>und</strong> nach <strong>und</strong> nach unsanftern Wagen, <strong>und</strong> nächstdem<br />
Reiten dient für bemitte<strong>lte</strong>re, so wie Handarbeiten <strong>und</strong> Spazierengehn für geringere.<br />
Ueberall aber müssen hier Grade der Bewegungen in Acht genommen werden. Selbst<br />
<strong>Schäden</strong> an den Füsen bei schwächlichem Körper vertragen eher Spaziergänge als<br />
stärkere Handarbeiten. Die Bewegung darf nie zur Ermattung fortgehen, doch auch<br />
nicht so gelinde seyn, daß man dabei frieren kan. Bei warmem Wetter lasse ich anfangs<br />
nur die Frühst<strong>und</strong>en in angenehme Gegenden auswählen, nachgehends aber auch die<br />
Nachmittags- <strong>und</strong> Abendst<strong>und</strong>en ins freie trokne Feld dazu nehmen. Ueberhaupt steige<br />
ich mit Bewegung <strong>und</strong> nehme die Zunahme der Kräfte zum Masstabe. Da aber alle<br />
Bemühungen des Menschen ohne vergeselschaftetes Vergnügen blos ermattende Anstrengungen<br />
<strong>und</strong> keine erquikkende Beschäftigung sind, welches doch zu unserm Behufe<br />
die Bewegungen des Kranken seyn müssen, so lasse ich leztere nie ohne<br />
Erheiterung<br />
Erheiterung<br />
<strong>und</strong> guten Muth vornehmen, einsiedlerische gezwungene Arbeiten <strong>und</strong> Bewegungen<br />
gestatte ich nicht. Ich suche deshalb meine Kranken, wo möglich, in eine sorgenfreie<br />
kummerlose Gemüthsverfassung zu sezzen, wodurch allein, wie mich deucht, die zernagende<br />
Frikzion gehoben wird, die in unsrer Maschine Geist <strong>und</strong> Körper auf einander<br />
ausüben.<br />
Eine abwechselnde, angenehme Geselschaft zuweilen mit Musik verb<strong>und</strong>en ist<br />
wohl das zwekmäsigste Mittel, eine Menschensele zu erheitern, die nicht schon zum gefühllosen<br />
Klumpen zusammengesunken ist, <strong>und</strong> fänden sich selbst solche unter unsern<br />
Kranken, so müssen sie anfangs dazu genöthigt werden, wie ein Kind zum Heiltranke.<br />
Selbst mit Aufopferung andrer Vortheile gewöhne er sich dazu, bis er Geschmak daran<br />
erhält, besonders wenn Moralität, Mäsigkeit <strong>und</strong> Bewegung damit verb<strong>und</strong>en werden<br />
kan. Auf welche andre Art schwindet sonst Kummer, oder erhebt sich unser Geist zur<br />
Hofnung des Lebens, als unter dem frohen Gewühle weiser Gleichgestimten, die die<br />
Bürden des Lebens zuweilen abwerfen, um sich wechselweise mit Blumen zu bestreuen.<br />
Von der Bewegung, der freien Luft <strong>und</strong> der Aufheiterung kan die strengste Reinlichkeit<br />
im Anzuge <strong>und</strong> der übrigen Lebensart nicht getrent werden. Sie ist das Gewürz<br />
aller übrigen Lebensordnung <strong>und</strong> ohne sie befindet man sich auch bei Lekkerbissen <strong>und</strong><br />
in Seide mit Ekkel.<br />
Was aber eigentliche Kurart ist, da<strong>von</strong> will ich jetzt ein paar Worte sagen.<br />
Aeusere Aeusere stärkende stärkende Heilart.<br />
Heilart.<br />
Wenn man irgend eine algemein hülfreiche Arznei hätte, so würde es Wasser seyn.<br />
Meine Kranken mit <strong>a<strong>lte</strong></strong>n Geschwüren kan ich ohne k<strong>a<strong>lte</strong></strong>s Bad nicht heilen, nicht dau-<br />
29
erhaft heilen. Die Kä<strong>lte</strong> an sich scheint nicht nur als stärkendzusammenziehendes Mittel,<br />
sondern auch als ein fäulungswidriges hiebei zu wirken.<br />
Man kan die Heilkraft der Kä<strong>lte</strong> auf keine Art so lokal anwenden, als durch den<br />
Gebrauch k<strong>a<strong>lte</strong></strong>r Bäder, eine Anwendung, die der ganzen Grableiter des Wärmemessers<br />
fähig ist, ohne übrigen Nachtheil, <strong>und</strong> ohne Kosten.<br />
Anfangs lasse ich, der Schaden mag an irgend einem Theile des Körpers seyn,<br />
Wasser <strong>von</strong> funfzig Grad fahrenheitischer Wärme zum Fusbade blos über die Knöchel,<br />
alle Abende vor Schlafengehn sechs Minuten lang unter beständiger Bewegung des<br />
Wassers nehmen. Dies ist der geringste Grad des stärkenden Bades, welches selbst<br />
Kranken <strong>von</strong> äuserster Schwäche diensam <strong>und</strong> nicht beschwerlich ist, ich erhöhe es <strong>von</strong><br />
Zeit zu Zeit immer mehr <strong>und</strong> mehr, selbst wenn das Geschwüre am Fuse ist, <strong>und</strong> so<br />
steige ich, nach Beschaffenheit des anwachsenden Kräfte <strong>und</strong> der Güte der W<strong>und</strong>e, nach<br />
<strong>und</strong> nach bis zum ganzen Bade, auf funfzehn Minuten Dauer, bis zu dreien Malen des<br />
Tags, früh vor Einnahme des Frühstüks, zwei St<strong>und</strong>en nach dem Mittagessen <strong>und</strong> ein<br />
halbe St<strong>und</strong>e vor dem Schlafengehn, auf vierzig, dreisig <strong>und</strong> selbst zwanzig Grad fahrenheitischer<br />
Wärme des Wassers. Dies sind die höchsten Grade.<br />
Da diese Genauigkeit bei Bädern <strong>von</strong> fliesendem Wasser nie angebracht werden<br />
kan, so mus, einmal für allemal gesagt, durch stete Bewegung des Wassers die Kä<strong>lte</strong><br />
des Bades immer in Gleichförmigkeit erh<strong>a<strong>lte</strong></strong>n werden, <strong>und</strong> selbst die Menge des dazu<br />
benöthigten Wassers darf in dieser Absicht nicht geringe seyn, wenn das Stubenbad<br />
alle Vortheile eines Flusbades erreichen soll.<br />
Die Grade des k<strong>a<strong>lte</strong></strong>n Bades <strong>und</strong> die steigende Bewegung des Körpers müssen<br />
mit der Zunahme der Kräfte in gleichen Schritten fortgehn.<br />
Es lassen sich bei so angeste<strong>lte</strong>r Badekur so viel Grade der Erhöhung anbringen,<br />
daß auch der schwächste Körper ohne die mindeste Erschütterung seines Gefühls nach<br />
<strong>und</strong> nach bis zur höchsten Staffel steigen kan, wenn genaue Vorschriften des Arztes <strong>und</strong><br />
die pünktliche Folgsamkeit des Kranken verb<strong>und</strong>en werden.<br />
Ich habe noch nie aufhören können mich zu verw<strong>und</strong>ern, wie unsre grösten Aerzte<br />
bei Vorschreibungen der stärkenden Kur so nachlässig in Bestimmungen des k<strong>a<strong>lte</strong></strong>n<br />
Bades haben seyn können. Man brauche halbe oder ganze Bäder früh oder auch Abends,<br />
das ist der Inbegrif ihrer Vorschriften. Von den Graden der Kä<strong>lte</strong>, der genauen Dauer<br />
des Bades <strong>und</strong> den übrigen unentbehrlichen Bestimmungen kein Wort. Alle Verw<strong>und</strong>erung<br />
über den so häufigen durch k<strong>a<strong>lte</strong></strong> Bäder angerichteten Nachtheil auf die Ges<strong>und</strong>heit<br />
hört so gleich auf, wenn man bedenkt, wie viel zwekwidrige Anwendung des k<strong>a<strong>lte</strong></strong>n<br />
Wassers durch so verstümmelt hingeworfene, dreisilbige Vorschriften haben können<br />
hervorgebracht werden.<br />
Der entkräftete Siechling warf sich st<strong>und</strong>enlang in Schneewasser, um durch heroische<br />
Verfolgung unbestimter Vorschriften jenen grosen Männern Ehre zu machen,<br />
<strong>und</strong> man zog ihn ohnmächtig, durch Krampf erstart, vom Schlage gelähmt, oder bis zum<br />
Faulfieber verkä<strong>lte</strong>t wieder heraus, oft auch wohl tod. Kan mans dem wohlthätigen Eisen<br />
beimessen, daß sich das unmündige Kind die Adern öfnete, oder ist vielmehr die<br />
Nachläsigkeit seiner Aufseher <strong>und</strong> Gesezgeber anzuklagen. Man kan bei Aufzeichnungen<br />
der Gebrauchsregeln kräftiger Heilmittel nicht pünktlich <strong>und</strong> umständlich genug zu<br />
Werke gehen, an nachläsiger Verfolgung wirds demungeachtet nie fehlen.<br />
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Diese Unbestimtheit hat dem k<strong>a<strong>lte</strong></strong>n Wasser so viel Feinde zugezogen, daß man<br />
eine ungeheure Anzahl Menschen antrift, die k<strong>a<strong>lte</strong></strong> Bäder, als den äusersten Grad arzneilicher<br />
Karnifizin, ärger als den Tod scheuen. Aber die Hefe nachbetender Aerzte hatte<br />
auch durch sinnlose Anwendungen dieser unbestimten Vorschriften unter Hippokraten<br />
die Schmach des k<strong>a<strong>lte</strong></strong>n Bades aufs äuserste gebracht. Der Pazient muste oft mit<br />
Gewalt <strong>und</strong> auf einmal in ein k<strong>a<strong>lte</strong></strong>s Bad steigen <strong>und</strong> gewöhnlich eine St<strong>und</strong>e drin bleiben.<br />
Um die Pein der auf ihn eindringenden Kräfte zu mäsigen, fühlt er, ist ihm kein<br />
Mittel übrig, als unbeweglich still zu sizzen. Nach Verlauf <strong>von</strong> Viertelst<strong>und</strong>en, nachdem<br />
er viel Kräfte zur Ausdauer der Kä<strong>lte</strong> einer solchen Menge Wassers verschwendet hat,<br />
wird das Wasser um ihn sehr lau. Ruhig bleibt er sizzen, um sich wie ihm deucht, in<br />
der warmen Wasseratmosphäre wieder zu erholen <strong>und</strong> die Kräfte zu ersezzen, die er auf<br />
ihre Erwärmung verschwenden muste. Dies erwärmte Wasser wirkt nun als ein laues<br />
Bad, <strong>und</strong> nimt ihm einen Theil der Kräfte vollends weg, die ihm die Ausdauer der übermäsigen<br />
anfänglichen Kä<strong>lte</strong> des Wassers übrig gelassen hatte. Nun wikkelt man<br />
ihn in erwärmte Tücher <strong>und</strong> so nimt ihn ein erwärmtes Bett im Empfang. Behandlungen,<br />
die den Nachtheil dieses unsinnigen Bades vollenden. Er kömt nun in Schweis<br />
<strong>und</strong> verliert durch diese zwölfstündige Fo<strong>lte</strong>r wenigstens zwanzig <strong>von</strong> h<strong>und</strong>ert der Kräfte,<br />
die er vor dem Bade hatte, des drauf folgenden Krampfs, des Schnupfens, des Hustens,<br />
des Durchlaufs oder des Rheumatism nicht zu gedenken, die er Tags drauf, als<br />
unvermeidliche Unbequemlichkeiten seines hülfreichen Bades mit Geduld verschmerzt,<br />
nur Schade, daß er dies liebe stärkende Bad kaum drei bis viermal aush<strong>a<strong>lte</strong></strong>n kan, es<br />
würde ihn wohl sonst noch rechten Nuzzen gestiftet haben! Eine sehr artige, aber, welches<br />
ihr sehr zur Empfehlung dient, fast durchgängige Verordnung, mächtig genug, die<br />
Kirchhöfe der berühmtesten Bäder Europens so ansehnlich zu erweitern, <strong>von</strong> der ich<br />
jedoch zeitig zurükgekommen zu seyn, mich glüklich schäzze.<br />
Da meine Kranken nur almählig <strong>und</strong> nach Verhältnis ihrer zunehmenden Kräfte<br />
dazu angeführt werden, wie oben erwähnt worden, so findet sichs, daß die meisten nach<br />
vollendeter Kur kaum aufhören wollen, sich kalt zu baden. Ich bemerke nach meiner<br />
Verordnung keine Verkältung, vielmehr vermehrte oder doch unterbrochne Ausdünstung<br />
<strong>und</strong> die Kräfte nehmen <strong>von</strong> Tage zu Tage bei meinen Kranken zu, da ich durchs<br />
k<strong>a<strong>lte</strong></strong> Bad nicht mehr Wärme aus dem Körper ziehen lasse, als er sehr bald durch eigne<br />
Blutwärme wieder ersezzen kan. Der Schwung des durch den Körper kreisenden Blutes<br />
verstärkt sich durch die <strong>von</strong> der Kä<strong>lte</strong> gleichförmig veranst<strong>a<strong>lte</strong></strong>te Zusammenziehung<br />
der Muskelfasern <strong>und</strong> Gefäse, so wie die Kraft der Spiralfeder zunimt, je dichter sie<br />
zusammengezwungen wird, <strong>und</strong> alle Verrichtungen des Körpers bekomen ein neues Leben.<br />
Um diese Stärkung <strong>und</strong> Zusammenziehung der Fibern desto gleichförmiger zu<br />
bewirken, schärfe ich bei jedem Grade des Bades als unumgänglich ein, das Wasser in<br />
steter Bewegung um den Körper oder das eingetauchte Glied zu h<strong>a<strong>lte</strong></strong>n <strong>und</strong> ein so groses<br />
Gefäs, wie möglich, dazu zu nehmen, um die Vortheile hier zu ersezen, die das fliesende<br />
Wasserbad vor den Stubenbädern sonst voraus hat.<br />
Flusbäder wende ich auch nicht gerne eher an, als bis nach vollendeter Heilung,<br />
wo etwas mehr oder mindere Kä<strong>lte</strong> <strong>und</strong> vernachläsigte Aufsicht nicht leicht schaden kan,<br />
übrigens schränke ich alles auf Stubenbäder ein, wo eine gehörige Leitung gehandhabt,<br />
31
<strong>und</strong> jeder Vortheil der fliesenden Bäder, wie gesagt, erh<strong>a<strong>lte</strong></strong>n werden kan, ohne daß einer<br />
ihrer Nachtheile hinzukommen darf.<br />
Das Wasser kan entweder der Kranke selbst bewegen, wenn er ehrlich genug dazu<br />
ist, oder man veranst<strong>a<strong>lte</strong></strong>t es. Die Art wie das Wasser bei Destillazionen in den<br />
Kühlfässern erneuert wird, entspricht zu diesem Behufe aller Absicht. So viel nemlich<br />
k<strong>a<strong>lte</strong></strong>s Wasser durch eine angebrachte Röre nach dem Boden des Badegefäses sinkt, so<br />
viel läuft oben durch eine Rinne <strong>von</strong> selbst ab, durch die Wärme des Körpers erwärmt,<br />
da das k<strong>a<strong>lte</strong></strong> schwerer, das warme Wasser aber leichter ist <strong>und</strong> nach oben schwimt, <strong>und</strong><br />
<strong>von</strong> da überläuft.<br />
Ich erinnere aber, für unbemitte<strong>lte</strong>re, daß ein etwas groses Badegefäs <strong>und</strong> die<br />
Bewegung des Wassers darin schon hinlänglich seyn kan.<br />
Aermere, die den Grad der Wärme nicht genau zu bestimmen wissen, <strong>und</strong> sonst<br />
wenig Bequemlichkeiten haben, lasse ich eine einfache Vorschrift befolgen. Die Grade<br />
der Eintauchung nebst den Graden der Dauer bestimmen bei ihnen alleine die Leiter,<br />
wonach das Bad erhöht werden soll. Ins Wasser aus einem sehr tiefen Brunnen sich so<br />
<strong>und</strong> so tief, so <strong>und</strong> so oft <strong>und</strong> so <strong>und</strong> so lange einzutauchen, gleichviel ob im Sommer<br />
oder im Winter, ist die Vorschrift. Dies erhöhe ich bei ihnen <strong>von</strong> Zeit zu Zeit, nach Beschaffenheit<br />
ihrer Kräfte. Sie können nichts dabei versehn, da die Vorschrift so einfach<br />
ist, <strong>und</strong> haben fast gleich grosen Nuzzen da<strong>von</strong>, als Reichere, die genauere <strong>und</strong> kostbarere<br />
Verordnungen befolgen können.<br />
Das kä<strong>lte</strong>ste Wasser, was selbst bemitte<strong>lte</strong>re im Sommer haben können, ist doch<br />
nur das aus Brunnen, die auf dreisig <strong>und</strong> mehrere Fus tief <strong>und</strong> höchstens etwas unter<br />
zwei <strong>und</strong> funfzig Grad fahrenheitischer Wärme haben. Man müste denn den Aufwand<br />
machen können, die Kä<strong>lte</strong> des Bades mit Eis aus Eisgruben zu stimmen. Das kä<strong>lte</strong>ste<br />
Wasser der Brunnen ist jedoch für Jedermann hinlänglich, wenn die Kur im Sommer<br />
fält, da man die mindere Kä<strong>lte</strong>, durch öfteres oder länger dauerndes Eintauchen <strong>und</strong> den<br />
Grad der Eintauchung ersezzen kan.<br />
Wer das Vermögen dazu hat, kan die Kräfte seines k<strong>a<strong>lte</strong></strong>n Bades noch um vieles<br />
erhöhen, besonders zum Behufe der stärkenden Nachkur. Eisen ist das gewöhnliche<br />
Mittel, wodurch Natur <strong>und</strong> Kunst die stärkenden Kräfte des Wassers erheben. H<strong>und</strong>ert<br />
<strong>und</strong> mehrere Meilen werden oft nach eisenhaltigen Ges<strong>und</strong>brunnen gereist. Ist es<br />
blos, um die Kräfte des im Wasser aufgelösten Eisensalzes in Bädern zu geniesen, so<br />
ist es Verschwendung, da eine kleine Menge Eisenvitriol z. B. ein Pf<strong>und</strong> in dreih<strong>und</strong>ert<br />
Mas Wasser aufgelöst alle Kräfte des besten Sauerbrunnens zum äuserlichen<br />
Gebrauch besizt, <strong>und</strong> den ausnehmenden Vortheil noch bei sich führt, an jedem Orte <strong>und</strong><br />
zu jeder Zeit bei der Hand zu seyn. Ein Vortheil der unendlich beträchtlicher ist, als der<br />
jener berühmten Bäder, den Kern der ausgesuchtesten Schmausereien im engsten Zirkel<br />
oft ausgelassener Geselschaft anzutreffen. Den Vortheil, der durch die Abwechselung<br />
<strong>und</strong> die Bewegung beim Reisen erwächst, <strong>und</strong> durch die ländlichen Vergnügungen<br />
in den Bädern selbst, lasse ich in seinen Würden, er ist in der That beträchtlich, jedoch<br />
auch ausser diesen kostbaren Aufenth<strong>a<strong>lte</strong></strong>n nicht se<strong>lte</strong>n zu erreichen.<br />
Die einzigen künstlichen Eisenbäder, die man bis jetzt im Grosen <strong>und</strong> öffentlich in<br />
Ausübung gebracht hat, sind die seit kurzem so berühmt gewordnen Granulirbäder. Im<br />
Harze, wo auf hohen Oefen geschmolzenes Eisen zu verschiednen Absichten glühend<br />
abgelöscht wird, hat sich dies Löschwasser so berühmt gemacht, gleich als wenns so<br />
32
etwas neues <strong>und</strong> unerhörtes wäre, daß Eisen in Wasser abgelöscht ein stärkendes Bad<br />
abgiebt. Seit <strong>und</strong>enklichen Zeiten ist dergleichen Wasser zu dieser Absicht angewandt<br />
worden, <strong>und</strong> das Löschwasser der Schmiede ist ein gewöhnliches stärkendes Hausmittel<br />
bei vielen Nazionen. Ich will niemand widerrathen, sich eines ähnlichen Wassers zu<br />
unserm Behufe zu bedienen, nur daß mans kalt <strong>und</strong> in gehöriger Menge anwende, unter<br />
obigen Einschränkungen.<br />
Das reinlichste <strong>und</strong> dabei nicht das kostbarste unter den stärkenden Bädern, <strong>und</strong><br />
das ich fleisiger anzuwenden wünschte, als man bisher that, ist ein k<strong>a<strong>lte</strong></strong>s Alaunbad. Ein<br />
Pf<strong>und</strong> gemeiner Alaun in h<strong>und</strong>ert Mas k<strong>a<strong>lte</strong></strong>m Wasser, mehr oder weniger, aufgelöst,<br />
ist die ganze Vorschrift zu dem stärkendsten, reinlichen Bade. Wenn auch die W<strong>und</strong>e<br />
zuweilen da<strong>von</strong> benezt werden so<strong>lte</strong>, so ist dies, besonders wenn die W<strong>und</strong>e schwammicht,<br />
<strong>und</strong> nicht alzugros ist, eher vortheilhaft als nachtheilig. Ich sahe auf einigen Alaunwerken,<br />
wie sich die Arbeiter <strong>und</strong> ähnliche geringe Leute der Alaunsole bedienten,<br />
die hartnäkkigsten äuserlichen Geschwüre <strong>und</strong> Geschwülste zu heilen.<br />
Wie gesagt aber, zur stärkenden Nachkur sind Eisen <strong>und</strong> Alaunbäder vorzüglicher<br />
als selbst bei der Heilung der Geschwüre, dann erst wird man ihre vortreflichen<br />
Kräfte rechts geniesen können.<br />
Ich kehre zu den Verhaltungsregeln bei k<strong>a<strong>lte</strong></strong>n Bädern zurük.<br />
Die Schwäche des Kranken, zuweilen auch rauhe Witterung machen es fast zur<br />
durchgängigen Nothwendigkeit, sich vor dem Eintritte ins k<strong>a<strong>lte</strong></strong> Bad <strong>und</strong> nach dem<br />
Ausgange aus demselben, eine mäsige Bewegung zu machen, ein unvergleichliches<br />
Mittel, den Kreislauf hiebei in Ordnung zu erh<strong>a<strong>lte</strong></strong>n.<br />
Die erregte Wärme des Blutes kan dann der Kä<strong>lte</strong> des Bades desto leichter widerstehen,<br />
<strong>und</strong> die Muskelfibern nebst den Gefäsen gleichförmig zusammen ziehn. Eben<br />
hiedurch erhält man auch den Vortheil, daß das k<strong>a<strong>lte</strong></strong> Bad nie Erkältung verursacht, <strong>und</strong><br />
daß man geschwindere Schritte in Erhöhung des k<strong>a<strong>lte</strong></strong>n Bades thun kan, als wenn der<br />
in Ruhe gebliebne Kranke sich auf einmal <strong>und</strong> unvorbereitet der Kä<strong>lte</strong> des Wassers<br />
anvertrauen soll.<br />
Die Bewegung vor dem Bade aber mus so gemäsigt seyn, daß sie nie bis zum<br />
Schweise ausartet, es wäre sehr <strong>und</strong>ienlich, in solchem Zustande die Wanne zu besteigen.<br />
Die Bewegung nach dem Bade kan etwas kräftiger seyn, doch darf sie auch nieweder<br />
bis zum Schweise, noch zur Ermüdung führen.<br />
Unter diesen Einschränkungen kan man sich ungemeine <strong>und</strong> sonst durch nichts zu<br />
ersezzende Vortheile da<strong>von</strong> versprechen.<br />
Wenn das k<strong>a<strong>lte</strong></strong> Bad besonders bei der Nachkur vom halben Bade bis zum ganzen<br />
steigt <strong>und</strong> die Kä<strong>lte</strong> <strong>und</strong> die Dauer des Bades täglich erhöhet werden soll, da lasse ich<br />
meine Kranken ein oder zwey Gläser des ihnen beschiednen Weines im Wasser geniesen.<br />
Der Vortheil hie<strong>von</strong> hat sich mir oft sichtlich bewiesen <strong>und</strong> er wird jedem, der hierüber<br />
nachdenkt, leichtlich einleuchten.<br />
Ich sezze zu den Gebrauchsregeln des k<strong>a<strong>lte</strong></strong>n Bades noch einen wesentlichen Umstand,<br />
der sehr genau mit den gleichen vorher beschriebnen Handgriffen zusammenhängt,<br />
ein Umstand, der die Vortheile des zu bewegenden Wassers mit einbegreift. Ohne diese<br />
Handanlegung lasse ich nie ein k<strong>a<strong>lte</strong></strong>s Bad nehmen.<br />
33
Von der ersten geringen Eintauchung an bis zum kä<strong>lte</strong>sten ganzen Bade lasse ich<br />
den Kranken die Theile, die unter Wasser sind, so wie die nächsten, mit wollenen Tüchern,<br />
nur immer etwas stärker reiben, je nachdem der Pazient bald heraus treten will.<br />
Dies kan der Kranke selbst thun, es kan auch <strong>von</strong> jemand anderm geschehen. So bald<br />
er heraustrit, lasse ich ihn denselben Theil nur mit troknen, auch wohl mit Gewürzen<br />
<strong>und</strong> Harzen durchräucherten Tüchern noch eine <strong>und</strong> mehrere Minuten hindurch, gewöhnlich<br />
noch etwas stärker als im Bade selbst, reiben, ihn dann bedekken <strong>und</strong> so eine<br />
viertelstündige bis stündige Bewegung vornehmen, die seinen Kräften angemessen ist.<br />
Will man stärkere Fortschritte bei Erhöhung des k<strong>a<strong>lte</strong></strong>n Bades thun, so kan man<br />
das Frottiren auch vor dem Bade an den einzutauchenden Theilen vornehmen, man wird<br />
Vortheile hervorbringen, die durch andre Behandlungen nie erreicht werden.<br />
Was überhaupt Bewegung für die ganze Maschine des menschlichen Körpers ist,<br />
dies <strong>und</strong> noch mehr ist Reiben <strong>und</strong> besonders mit wollenen Tüchern für einzelne Theile.<br />
Die Lebenskraft wird erwekt, der Kreislauf der Säfte wird hiedurch ganz ungemein<br />
befördert <strong>und</strong> in Ordnung gebracht, die Muskeln dieser Theile werden gestärkt, <strong>und</strong> die<br />
Haut empfindlicher <strong>und</strong> für den Eindruk, den das k<strong>a<strong>lte</strong></strong> Wasser darauf ausüben soll,<br />
empfänglicher gemacht, so werden Häute während dem Gerben gerieben, geschlagen <strong>und</strong><br />
gewalkt, damit die zusammenziehenden Kräfte der Lohe desto stärker darauf wirken<br />
können.<br />
Man wird mir dies Gleichnis vergeben, da es übrigens so passend ist. Durchs<br />
Frottiren werden, mit einem Worte, Vortheile hervorgebracht, die man zu unsrer Absicht<br />
durch andre Mittel zu bewirken, sich vergeblich bemühen würde. Vermittelst des<br />
Frottirens kan die schwächste Person mit Vortheil das kä<strong>lte</strong>ste Bad nehmen.<br />
Es mus sich selbst auf die nächsten Theile um das Geschwür herum erstrekken.<br />
Dies ist vorzüglich die Gegend, die gestärkt werden soll <strong>und</strong> wo Verstopfungen der Gefäse<br />
aufzulösen sind. Nur versteht sich, daß dies mit Behutsamkeit <strong>und</strong> gehöriger<br />
Schonung der kaum vernarbten Gegenden, auch anfänglich sehr gelind geschehen müsse.<br />
Wenn das Wasser über die W<strong>und</strong>e herauf geht, so begreift man, daß sie unterdes<br />
leicht verb<strong>und</strong>en bleiben müsse, damit theils die Kä<strong>lte</strong> des Wassers nicht zu jähling sie<br />
anfalle, theils andre besonders die vom übrigen Körper abgeschlemten Unreinigkeiten<br />
abgeh<strong>a<strong>lte</strong></strong>n werden mögen, in die W<strong>und</strong>e zu dringen. Uebrigens versichre ich demungeachtet,<br />
daß es bei meinen Kranken eher Vortheil als Nachtheil gestiftet hat, wenn sie<br />
die ofne W<strong>und</strong>e dem Wasser blos ste<strong>lte</strong>n, doch durfte die W<strong>und</strong>e nie über drei bis vier<br />
Zoll im Durchschnitte haben, oder das Wasser muste nur wenig kalt seyn, wenn es<br />
nicht starke Empfindung erregen so<strong>lte</strong>. Schaden aber hat selbst ziemlich k<strong>a<strong>lte</strong></strong>s Wasser,<br />
auf die grösten W<strong>und</strong>en gebracht, unter meiner Aufsicht nie gethan.<br />
Wenn ich das k<strong>a<strong>lte</strong></strong> Bad nicht der gehörigen Diät zum Hauptstükke der stärkenden<br />
Kur <strong>a<strong>lte</strong></strong>r Geschwüre machte, so habe ich die ausgesuchtesten <strong>und</strong> zahlreichsten Erfahrungen<br />
vor mir, <strong>und</strong> verlange unumschränkten Glauben in diesem Stükke.<br />
Daß selbst der Aermste sich dieses herrlichen Hülfsmittels leicht <strong>und</strong> ohne weitläuftige<br />
Vorschriften ausser den oben angezeigten, bedienen kan, ist kein geringer Beweis<br />
seiner Vortreflichkeit. Er kan sich vor <strong>und</strong> nach dem Bade eben so gut bewegen,<br />
sich eben so reiben, eben sowohl das Wasser um den badenden Theil herum in Bewegung<br />
h<strong>a<strong>lte</strong></strong>n, als der Reichste. Er kan eben sowohl der freien Luft geniesen <strong>und</strong> ein<br />
kräftiges Bier wird ihm statt des Weines dienen. Sein Körper aber, der gewöhnlich<br />
34
durch Erziehung <strong>und</strong> Lebensart fester <strong>und</strong> benervter geworden ist, als des Vornehmen<br />
zärtlicherer Leibesbau, nimt zwekmäsige Mittel viel leichter zur Genesung an, die Hälfte<br />
der dem Verzärte<strong>lte</strong>n zu reichenden Heilmittel bewirken bei ihm schon alles nöthige,<br />
<strong>und</strong> Pumpernikkel dient ihm statt der Kraftsuppen. Also auch für ihn ist gesorgt.<br />
Stärkende Stärkende innere innere innere Heilart Heilart. Heilart<br />
Die Algemeinheit des k<strong>a<strong>lte</strong></strong>n Bades zur Stärkung des Körpers <strong>und</strong> Verbesserung<br />
der Säfte bei schwächlichen Personen, deren <strong>a<strong>lte</strong></strong> Geschwüre man heilen will, ist nicht<br />
gröser, als die des innern Gebrauchs der zusammenziehenden <strong>und</strong> bittern Gewächse <strong>und</strong><br />
des Eisens. Die Seifenwurzel, die Quassie, der Erdrauch, die Wermuth, das Tausendgüldenkraut,<br />
die Enzianwurzel; die Pomeranzenschale, die Chinarinde, die Kaskarille,<br />
die Bärentraube; die Granatrinde, die Galläpfel sind die bittern, zusammenziehenden<br />
Gewächse, zu denen ich noch die gewürzhaft zusammenziehende Muskatennus, die<br />
gewürzhaft bittere Myrrhe, <strong>und</strong> die stärkenden Gewürze, Zimt, Zimtkelche <strong>und</strong> Kalmus<br />
sezze, welche ich mit Auswahl zur Stärkung anwende. Die weniger kräftigen lasse ich<br />
als Thee oder als stärkeres Abkochsel kalt trinken, die kräftigern aber als Pulver nehmen<br />
<strong>und</strong> als Essenz. Der Gallblütige mit troknen Fibern verträgt die gewürzhaften<br />
unbittern Arzneimittel nur im geringern Mase, als der <strong>von</strong> schwammigem Fleische,<br />
schlaffen Fibern <strong>und</strong> schleimigen Säften. Jenem bekomt Vitriolsäure mit zusammenziehenden<br />
Gewächsen zur Stärkung am besten, oder Aufgüsse <strong>von</strong> Rhein- Moseler-<br />
<strong>und</strong> östereichischem Weine mit eben diesen Gewächsen.<br />
Die beiden zusammenziehend stärkenden Metalle Eisen <strong>und</strong> Zink, wende ich nicht<br />
zu gleicher Zeit, sondern in Zwischenzeiten, mit Beiseitsezung der bittern <strong>und</strong> zusammenziehenden<br />
Gewächse, jenes als metallisches Pulver, dies aber in Kalkgestalt an.<br />
Reines Eisen in mit gekochtem Wasser verdünten Vitriolöle aufgelöst, dann mit<br />
Potaschlauge niedergeschlagen <strong>und</strong> den Niederschlag jähling in einer mäsigen Hizze<br />
getroknet, ist die feinste <strong>und</strong> zugleich wohlfeilste Bereitung eines Eisenmohrs11, der an<br />
Reinigkeit <strong>und</strong> Güte allen übrigen vorgeht. Will man zum Behufe der Aermern nur<br />
eine gute Eisenfeile anwenden, so überlasse man dessen Verfertigung ja dem Schlösser<br />
<strong>und</strong> dem Kleinschmiede nicht, sie löthen mit Kupfer <strong>und</strong> der Gewinn läst ihnen nicht zu,<br />
ein reines Stük Eisen dazu zu nehmen, oder sie gehen doch nicht reinlich damit um.<br />
Man wähne auch nicht, durch den Magnet aus Schlösserspänen das reine Eisen herauszuziehn;<br />
die bei der Löthung abgefei<strong>lte</strong>n Späne, die aus Eisen <strong>und</strong> Kupfer zugleich<br />
bestehen, werden auch durch ihn in die Höhe gezogen, zugeschweigen daß viel feiner<br />
Kupferstaub im Gedränge der übrigen Eisenfeile, die sich an den Magnet hängt, mit<br />
hingerissen wird. Ekel <strong>und</strong> Erbrechen sind die gewöhnlichen Folgen der Nachläsigkeit<br />
bei Verfertigung der Eisenfeile, Folgen, die man nicht anders vermeiden kan, als wenn<br />
man sie selbst bereitet, oder unter eigner Aufsicht bereiten läst. Doch verfertigen auch<br />
Sägenschmiede <strong>und</strong> einige andre, die mit groben Eisenwaren zu thun haben, dergleichen<br />
rein <strong>und</strong> in Menge, nur etwas grob. Mein Eisenmohr fält gleichwol auch nicht<br />
theuer aus, <strong>und</strong> thut seiner Feinheit wegen, geschwindere <strong>und</strong> bessere Dienste, nimt<br />
11 … Eisen ist sehr zerstörbar. Luft mit Wasser vereint, verwandlet seine Oberfläche bald in Rost oder Eisenkalch, Eisensafran. Auch das bloße Wasser<br />
wirkt darauf, ohne ihm sein Phlogiston zu entziehen, <strong>und</strong> zertrennt es in sehr feine Theilchen. Auf diese Art wird der Eisenmohr (Aethiops martialis)<br />
bereitet, ein in den feinsten Staub zerthei<strong>lte</strong>s Eisen. Gehler, J. S. T., Physicalisches Wörterbuch<br />
35
sich auch angenehmer ein. Sonst gebe ich auch gröbere Eisenfeile meine Kranken in<br />
säuerlichem Weine aufgelöst, <strong>und</strong> richte mich hiebei theils nach den Umständen, auch<br />
wohl nach dem Geschmakke der Kranken.<br />
Mit dem Eisen laß ich, wie gesagt, nie die stärkenden Gewächse zu gleich nehmen,<br />
z. B. etwa einen Weinaufgus <strong>von</strong> Eisen <strong>und</strong> Chinarinde, wie andre zuweilen thun. Die<br />
Unannehmlichkeiten eines solchen Tranks sind nicht gering. Aber auch die Wirkung ist<br />
unvolkommen, das eine hindert das andre, <strong>und</strong> schlägt es nieder. Ich lasse also die Gewächse<br />
aussezzen, wenn ich Eisen brauchen will, <strong>und</strong> so lasse ich abwechseln.<br />
Alle Kräfte der Zinkblumen 12, die sehr gros sind <strong>und</strong> fast die des Eisens übertreffen,<br />
beruhen auf ihrer Auflöslichkeit in der Säure des Magens <strong>und</strong> dem daraus entstehenden<br />
höchst zusammenziehenden Salze. Ich lasse die Zinkblumen auch blos in<br />
Zwischenzeiten <strong>und</strong> nur bei sehr schwammigen <strong>und</strong> zu Nervenkrankheiten aufgelegten<br />
Personen anwenden.<br />
Ich habe den aufgelösten Alaun als ein sehr kräftiges stärkendes Hausmittel innerlich<br />
bef<strong>und</strong>en, Arme können nichts vorzüglichers erlangen, wenn sie den Geschmak<br />
vertragen können. An der Luft getroknete Alaunerde löst sich im Mägen zum stärkenden<br />
Salze auf, <strong>und</strong> läst sich sehr wohl einnehmen.<br />
Ueberhaupt ist die Auswahl leicht, dem Bemitte<strong>lte</strong>rn <strong>und</strong> dem Aermern diensame<br />
innere Hülfsmittel aus dem angeführten herauszufinden<br />
Wermuth, Enzianwurzel, Galläpfel, Kalmus, auf verschiedne Art gemischt <strong>und</strong><br />
mit Eisenfeile oder Alaune abgewechselt, nebst bitterm Biere sind für Aermere alles,<br />
was sie nur verlangen können, statt Quassia, China, Zimt, Schlangenwurzel, <strong>und</strong> statt<br />
des Burg<strong>und</strong>er oder Ungarischen Weines der Reichern. Ich sezze hinzu, daß alle innere<br />
stärkende Heilmittel, so wie die äusere Behandlung, nur stufenweise nach Verhältnis<br />
der anwachsenden Kräfte des Kranken erhöhet <strong>und</strong> verstärkt werden müssen, welches<br />
so gar <strong>von</strong> der täglich beschiednen Menge Wein gilt. Ueberhaupt kan ich besonders <strong>von</strong><br />
lezterm keine gewisse <strong>und</strong> festgesezte Verordnung geben. Ein des Weins gewohnter<br />
betagter Mann verträgt eine ansehnliche Menge Wein leicht, die einen unmündigen<br />
Knaben krank machen würde.<br />
Selbst geringen Leuten, die ohne Brantwein nicht leben konten, brach ich denselben<br />
nie ab, oft verminderte ich nur die Menge. Ich habe unersezliche Entkräftung bei<br />
Leuten erlebt, die des Brantweins <strong>und</strong> Weins alzusehr gewohnt waren, wenn ich ihnen<br />
diese Getränke untersagte. Ich habe auch gar oft neben diesen meinen gesezwidrigen<br />
Verfahren sehr viele gründlich geheilt.<br />
Aber wenn beide starken Getränke, in höchstem Uebermas genossen, der einzige<br />
Gr<strong>und</strong> verderbter Säfte geworden waren, wenn diese Uebermase den gänzlichen Umsturz<br />
ihrer Ges<strong>und</strong>heit drohete, oder schon bewerkstelligt hatte, dann schlug ich einen<br />
andern Weg ein, den ich für zuverlässig angebe, wenn noch irgend einer übrig ist.<br />
Ich weigerte mich anfänglich hartnäkkig ihre <strong>a<strong>lte</strong></strong>n Geschwüre zu heilen. Wenn sie<br />
aber durch meine Verweigerung nur desto begieriger <strong>und</strong> fest entschlossen wurden, alles<br />
zu thun <strong>und</strong> unternehmen zu lassen, was ich für gut finden würde, dann eröfnete ich<br />
ihnen die Gefahr, in der sie wären, unheilbar zu bleiben oder wohl gar bald elendiglich zu<br />
sterben, wenn sie nicht der härtesten Lebensänderung sich unterzögen. Ich eröfnete ih-<br />
12 Zinkoxyd, ZnO<br />
36
nen den einzuschlagenden Weg als den einzigen, <strong>und</strong> zeigten sie völlige Standhaftigkeit<br />
<strong>und</strong> Entschlossenheit, so behande<strong>lte</strong> ich sie folgendermasen.<br />
Die Aermsten, blos an Brantweinsaufen gewöhnten, lies ich einige Wochen hindurch<br />
ihre gewöhnliche Mase dieses entsezlichen Getränks trinken, doch mit der Bedingung,<br />
auf jedes Spizglas Brantwein ein Bierglas Wasser zu trinken. Dies dauerte<br />
einige Tage, dann verminderte ich nach <strong>und</strong> nach die Porzion Brantwein, die Menge<br />
des zu trinkenden k<strong>a<strong>lte</strong></strong>n Wassers aber vermehrte ich ebenfals sehr almählig, bis ich<br />
nach <strong>und</strong> nach dahinkam, daß sie viele Male Wasser <strong>und</strong> nur wenig Brantwein genossen.<br />
Waren sie dann noch immer voll festen Vertrauens auf die Hülfe <strong>und</strong> nach aller<br />
Strenge folgsam, so lies ich sie bei lezterer Gewohnheit noch einige Zeit, daß wenigstens<br />
ein halbes Jahr mit dieser algemeinen <strong>und</strong> durchgängigen Buse verstrich. Wart<br />
ihr Körper wirklich noch einiger Besserung fähig, so ward ers durch diese Behandlung,<br />
nahrhafte Kost <strong>und</strong> Bewegung trugen das ihrige dazu bei, <strong>und</strong> endlich vollendete die<br />
stärkende Kur <strong>und</strong> gute Behandlung der W<strong>und</strong>e die Heilung grosentheils. Da jeder<br />
neben mir diese Kranken für die unheilbaren h<strong>a<strong>lte</strong></strong>n wird, so wird man mirs auch glauben,<br />
wenn ich versichre, daß sehr viele ungeheilt blieben. Tyrannei der Gewohnheit,<br />
Armut <strong>und</strong> Vorurtheil, nächst der oft unersezlichen Austroknung der Fibern <strong>und</strong><br />
Schwächung der Nerven waren oft mächtig genug, ihr Recht des Todes zu behaupten.<br />
Einige sehr verschlimmerte Kranken dieser Art genasen doch noch durch Speichelflus<br />
<strong>und</strong> Wasserdiät.<br />
Weinsäufern half ebenfals nichts besser als Wasserkur, almähliges Abziehn <strong>von</strong><br />
ihrer vorigen Lebensart, Bewegung, zerstreuende Beschäftigungen <strong>und</strong> kräftige Nahrungsmittel.<br />
Endlich stärkende innere <strong>und</strong> äusere Behandlung nebst der gehörigen Besorgung<br />
der W<strong>und</strong>e.<br />
Die stärkende Heilart, die ich oben beschrieben habe, <strong>und</strong> die ich mit Recht für algemein<br />
ausgebe, der gewöhnlichen Entkräftung halber, deren Personen mit <strong>a<strong>lte</strong></strong>n Geschwüren<br />
algemein unterworfen sind, leidet jedoch seine nähere Bestimmung <strong>und</strong> Einschränkung.<br />
Ein kleines Geschwür bei einer jungen nicht abgezehrten Person, das nur kurze<br />
Zeit her schlim geworden ist, bedarf bei weiten der ausgesuchten <strong>und</strong> kräftigen Behandlung<br />
nicht, die eine über zwanzig <strong>und</strong> mehrere Jahre altgewordene grose <strong>und</strong> <strong>faule</strong><br />
W<strong>und</strong>e mit algemeiner Verschlechterung der Säfte des Kranken erheischt. Doch wird<br />
etwas zu viel stärkende Behandlung bei mindern Geschwüren viel eher anzurathen seyn,<br />
als zu wenig bei einem sehr bösartigen. Bestimte Regeln lassen sich hierüber nicht geben,<br />
der sachw<strong>a<strong>lte</strong></strong>nde Arzt mit Kopfe wird leicht die pasliche Heilart wählen können,<br />
aus jenen Vorschriften, die die nach meinen Beobachtungen höchststärkende Kurart in<br />
sich fassen, welche ich bisher beschrieben habe.<br />
Andre Kurarten ausser der stärkenden.<br />
Se<strong>lte</strong>n daß ich entweder allein oder mit der stärkenden Kur zugleich die bekanten<br />
obenerwähnten Blutreinigungen nöthig gehabt hätte, anzuwenden.<br />
Quajakholz <strong>und</strong> Pferdesaat waren dann die einzigen Mittel, die ich zu diesem behufe<br />
zur Hand nahm.<br />
Nicht anders, als nach Anfüllung der ersten Wege gab ich Abführungen, <strong>und</strong> die<br />
höchste Vollblütigkeit müste zugegen gewesen seyn, wenn ich Aderlässe verordnete. Bei<br />
37
unterbliebnen natürlichen Blutflüsen aber, der güldnen Ader <strong>und</strong> des Monatlichen,<br />
wendete ich sie nicht se<strong>lte</strong>n an.<br />
Speichelkur Speichelkur.<br />
Speichelkur Speichelkur<br />
Wenn aber algemeine Bösartigkeit der Säfte, ohne den grösten Mangel an Kräften<br />
zugegen war, wie sich oft bei einem hohen Grade venerischer Seuche ereignet, wenn<br />
bei einem alzuvolsaftigen, mit Schleim angefü<strong>lte</strong>n Körper, wo ich wenig Entschliesung<br />
zur heroischen Stärkungskur bemerkte, dagegen desto mehr unsinnige Vorurtheile, die<br />
Kräfte nicht alzugering waren, die W<strong>und</strong>e aber desto gröser; wenn, wie oben gemeldet,<br />
Uebermas in geistigen Getränken die Säfte durchgängig verschlechtert hatte, doch daß<br />
nicht alzuviel Trokkenheit oder Gallblütigkeit zum Gr<strong>und</strong>e lag, noch der Körper alzuabgezehrt<br />
<strong>und</strong> entkräftet war; wenn endlich die Bösartigkeit der Säfte <strong>und</strong> die Verderbnis<br />
des Geschwürs selbst durch die stärkendste Behandlung nicht zum völligen Zweke der<br />
Genesung gediehen ist; dann, nur dann, nehme ich mit der grösten Wahrscheinlichkeit<br />
eine Speichelkur zur Hand, die genau nach den Umständen abgeformt <strong>und</strong> bestimmet<br />
wird.<br />
Zum Spase lasse ich selbst Swietens aufgelösten Sublimat nicht nehmen, wie<br />
doch nicht se<strong>lte</strong>n unter den Modeärzten geschehen ist. Gleichwohl versichere ich nach<br />
eigner Beobachtung, daß viele Kranke sich lieber den zweiten Speichelflus geben lassen,<br />
als die schon versuchte Sublimatauflösung einige Zeit hindurch brauchen zu wollen.<br />
Nächst dem unerträglichen Geschmakke, ist er sehr oft unkräftig, zuweilen mit Zufällen<br />
des Speichelflusses begleitet, die höchst beschwerlich sind, da sie keinen die Schmerzen<br />
aufwiegenden Nuzzen schaffen. W<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Gestank des innern M<strong>und</strong>es sind nicht<br />
se<strong>lte</strong>n, <strong>und</strong> Verlust der Zähne fast stets die Begleiterinnen eines fortgesezten<br />
Gebrauchs des Sublimats.<br />
Ich bediene mich deshalb in angezeigten Fällen nach dem Zeugnisse meines Gewissens<br />
mit mehrerm Rechte geradezu eines Speichelflusses.<br />
Wenn also der Körper bei einer grosen Bösartigkeit der Säfte noch ziemliche<br />
Kräfte entweder an sich übrig hat oder doch durch stärkende Behandlung bekommen hat,<br />
besonders bei einer venerischen Gr<strong>und</strong>lage, <strong>und</strong> die oben angeführten Umstände erheischen<br />
es übrigens, dann ist ein wohleingerichteter almählig zunehmender Speichelflus<br />
mit der drauf folgenden stärkenden Nachkur, gewis das zuverläsigste <strong>und</strong> beste, was<br />
man zu thun hat.<br />
Zwei Gran wohlausgesüstes, süses Queksilber mit halb so viel Mohnsaft in Pulver,<br />
<strong>und</strong> täglich in verdoppe<strong>lte</strong>r Dose gegeben, wirkte mir immer den besten Speichelflus,<br />
den ich noch überdies durch erweichende Halsumschläge <strong>und</strong> schleimige Gurgelwässer<br />
zu befördern <strong>und</strong> mit Erfolge gutartig zu machen suchte.<br />
So bald geschwollenes Zahnfleisch, Halsgeschwulst <strong>und</strong> übelriechender Odem den<br />
Eintritt des Speichelflusses anzeigten, dann lies ich mit Eingeben des temperirten<br />
Queksilberpulvers nach, <strong>und</strong> sezte es nicht eher wieder fort, einfach oder verdoppelt, bis<br />
ich den schon anwesenden Speichelflus erhöhen wo<strong>lte</strong>. Wohlausgesüstes süses Queksilber<br />
ist mir der gepülverte Merkurius dulzis, den ich nochmals mit dreimal so viel<br />
38
Salmiak <strong>und</strong> hinlänglichem Wasser eine St<strong>und</strong>e lang auszukochen pflege, um den anhängenden<br />
Sublimat hinweg zu nehmen.<br />
Verdünnende Getränke mit Pflanzenschleimen, wo das Senegalgummi alle Absichten<br />
erfült, sind die einzige Nahrung, die ich meinen Kranken währender Kur mit<br />
dem besten Erfolge zu reichen pflege, zuweilen mit etwas Zitronensaft oder Weinessig<br />
angesäuert. Wohlbedekt müssen sie hiebei die ges<strong>und</strong>e Luft der Atmosphäre reichlich<br />
geniesen <strong>und</strong> gelinde Ausleerungsmittel ihren Leib offen erh<strong>a<strong>lte</strong></strong>n, so habe ich nie einen<br />
verloren, keine üble Nachwirkung gesehn <strong>und</strong> immer die besten Erfolge bewirkt.<br />
Man mus durch die Gabe des Queksilbers die nöthige Stärke des Speichelflusses<br />
veranst<strong>a<strong>lte</strong></strong>n, <strong>und</strong> sich nicht etwa auf die Kräfte des Kampfers verlassen, die Ausleerung<br />
zu mäsigen, er hat sich mir auf der entgegengesezten Seite gezeigt, er beförderte<br />
mir ihn gewöhnlich, nie hat er ihn verhindert.<br />
Im zweiten Hefte der medizinischen Beobachtungen, die durch die Bemühung <strong>und</strong><br />
Geschiklichkeit Herrn Doktor Krebs in Osterwik meines lieben Fre<strong>und</strong>es herauskommen,<br />
habe ich ein zuverlässiges aber blos beim Eintritte des Speichelflusses<br />
brauchbares Mittel angezeigt, ihn zu hemmen. Abkühlung, Ueberflus an reiner Luft,<br />
reizende Klystiere, Essigumschläge über den ganzen Leib <strong>und</strong> Senfumschläge auf den<br />
Rükken sind die hülfreichen Dinge, die ich äuserst se<strong>lte</strong>n in Ausübung bringe, um den<br />
in ausgebreitete Entzündung ausartenden Speichelflus in Schranken zu h<strong>a<strong>lte</strong></strong>n.<br />
So bald der Speichel zu fliesen anfängt, ändert sich die Jauche des Geschwürs in<br />
gutartiges, aber anfänglich noch wässeriges Eiter. Der Speichel fliest stärker <strong>und</strong> die<br />
Ränder der W<strong>und</strong>e werden weich, fleischartig <strong>und</strong> sinken, der Boden erhebt sich, kleine<br />
Fleischwärzchen keimen auf, vereinigen sich algemach mit den Rändern, verhärten zum<br />
Theil zur Narbe, <strong>und</strong> achtstündiger Verband <strong>und</strong> Auflegung stärkender Mittel schliesen<br />
gewöhnlich die W<strong>und</strong>e, deren Narbe aber freilich nur erst durch eine stärkende<br />
Nachkur fest <strong>und</strong> dauerhaft wird.<br />
Nur in erwähnten Fällen allein ist die Speichelkur nothwendig, man wird sie unter<br />
h<strong>und</strong>erten nur einmal nöthig haben <strong>und</strong> die Kranken nicht unnöthigerweise einer so<br />
heftigen <strong>und</strong> viel Behutsamkeit erfordernden Kur unterwerfen, die mir jedoch immer<br />
zum Vergnügen ausgeschlagen ist, so oft ich sie auch schon auszuüben in die Nothwendigkeit<br />
gesezt worden bin.<br />
Die stärkende äusere <strong>und</strong> innere Heilart, nebst dem Nothhelfer der Speichelkur<br />
habe ich bishieher vorgetragen, die Behandlung der W<strong>und</strong>e erfordert nun unsre Aufmerksamkeit.<br />
Ihre anfängliche Reinigung <strong>und</strong> nachmahlige Stärkung <strong>und</strong> die dabei zu<br />
beobachtenden Punkte.<br />
Behandlung Behandlung der der W<strong>und</strong>e W<strong>und</strong>e. W<strong>und</strong>e<br />
Ich suche, während der innern <strong>und</strong> äusern stärkenden Kur der mit bösartigen Geschwüren<br />
behafteten Personen, vor allen Dingen die <strong>a<strong>lte</strong></strong> W<strong>und</strong>e mit ihrer Jauche in<br />
eine frische mit gutem Eiter zu verwandeln, dies ist meine erste chirurgische Beschäftigung.<br />
Mit den herlichsten Nuzzen sahe ich zu diesem Behufe einen <strong>a<strong>lte</strong></strong>n berühmten<br />
Schäfer geglühtes, abgelöschtes <strong>und</strong> feingepülvertes weises Glas einstreuen. Die feinen<br />
39
Spieschen reizten die W<strong>und</strong>e mehrere Feuchtigkeit herbeizuziehn, um das <strong>a<strong>lte</strong></strong> verdorbne<br />
Fleisch loszustosen. Die W<strong>und</strong>e ward hiedurch gar bald höchst empfindlich <strong>und</strong> rein, bei<br />
mäsig fortgeseztem Gebrauche aber mit gutartigem Eiter angefült.<br />
Keine chemische Schärfe war in diesem empirischen Mittel, die etwas widriges<br />
hätte zuwege bringen können, es wirkte einfach mechanisch <strong>und</strong> erreichte seinen Endzweck.<br />
Nur daß er nicht dadurch verhindern konnte, daß nicht etwas <strong>von</strong> diesem beizenden<br />
Mittel auf reine Stellen kam <strong>und</strong> da unnöthigerweise Schmerzen verursachte, welcher<br />
Nachtheil aber durch eine äzzende Flüssigkeit hätte vermieden werden können.<br />
Quecksilbersublimatauflösung<br />
Quecksilbersublimatauflösung.<br />
Quecksilbersublimatauflösung<br />
Zu diesem Behufe hat mir die Auflösung des äzzenden Sublimats so unbeschreibliche<br />
Dienste bei Reinigung <strong>a<strong>lte</strong></strong>r <strong>faule</strong>r Geschwüre geleistet. Doch mus nächst seiner<br />
reizenden <strong>und</strong> beizenden Kraft, auch seine fäulnisdämpfende <strong>und</strong> troknende mit in Anschlag<br />
gebracht werden, wenn man seine Wirkung gehörig beurtheilen will.<br />
Wenn irgend eine Eigenschaft dieser Auflösung mir bei der Besserung <strong>a<strong>lte</strong></strong>r<br />
W<strong>und</strong>en im Wege gestanden hat, so war es leztere, die troknende, der ich aber dadurch<br />
fast stets vorbeugte, daß ich sie anfänglich sehr schwach machen <strong>und</strong> die W<strong>und</strong>e unaufhörlich<br />
damit befeuchten lies. Zwanzig Gran in einem Pf<strong>und</strong>e Wasser aufgelöst war mir<br />
im Anfange immer hinlänglich, nur nach <strong>und</strong> nach verstärkte ich sie, doch so, daß sie<br />
dem Kranken nur wenig Empfindung in der W<strong>und</strong>e verursachte.<br />
War alzuviel schwammiges <strong>und</strong> wildes Fleisch in einigen Stellen der W<strong>und</strong>e, so<br />
wartete ich nicht auf die langsamere, obgleich gewisse, Wirkung des Sublimatwassers,<br />
sondern bedupfte diese Stelle fleisig mit Höllenstein, doch mit steter Hinwegtroknung<br />
der aus dem gebeizten Fleische aussiepernden Feuchtigkeit, damit sie nicht aufgelöste<br />
Höllensteintheilchen auf reine Stellen führen mögte. Ehe ich seinen Gebrauch wiederho<strong>lte</strong>,<br />
wartete ich allemal auf die Absonderung des Schurfes.<br />
Eben um dieser Schonung der reinern Stellen willen, verstärkte ich auch das<br />
Sublimatwasser nie, blos um das wilde Fleisch hinwegzunehmen, es greift sonst die<br />
bessern Gegenden der W<strong>und</strong>e zugleich mit an, indem es umher fliest.<br />
Fernelswasser, Fernelswasser, Queksilbersalpeter<br />
Queksilbersalpeter.<br />
Queksilbersalpeter<br />
Fast noch kräftiger, wenigstens fäulnisdämpfender habe ich die Auflösung des<br />
Queksilbers in Salpetersäure bef<strong>und</strong>en. Man kan ihre Stärke eben so, wie das Sublimatwasser,<br />
stimmen, durch verschiedne Gaben des aufzulösenden Salzes, das man<br />
Queksilbersalpeter nennen kan <strong>und</strong> welches nicht viel theurer, als der Sublimat zu stehen<br />
kömt.<br />
Queksilberpräzipitat<br />
Queksilberpräzipitat.<br />
Queksilberpräzipitat<br />
Der Queksilberniederschläge kan man zur Reinigung der W<strong>und</strong>en füglich entbehren,<br />
da sich ihre Aezbarkeit nicht wie eine Auflösung mildern läst, da sie kostbarer sind,<br />
weil man nach Verhältnis vielmehr zur Reinigung der W<strong>und</strong>en nöthig hat, <strong>und</strong> da sie,<br />
eingestreut, an einigen Stellen mehr beizen, als sie solle, an andern weniger, als nöthig.<br />
40
Arsenikwasser<br />
Arsenikwasser.<br />
Arsenikwasser<br />
Nur bei alzugrosen <strong>faule</strong>n W<strong>und</strong>en, wo einige Stellen schnell brandicht werden<br />
<strong>und</strong> mit Fäulnis um sich greifen, konnte ich des Arsenikwassers nicht entbehren, welches<br />
ich kek für untrüglich in solchen Fällen vorschlage, da gehäufte Erfarungen für<br />
mich reden. Wasser mit weisem krystallinischem Arsenik gesättigt, oder ein Pf<strong>und</strong><br />
Wasser mit einer Unze gepülvertem Arsenik gekocht <strong>und</strong> verkühlen lassen <strong>und</strong> die<br />
brandigen Stellen fleisig damit bepinselt, brachte in etlichen St<strong>und</strong>en einen Stillestand<br />
<strong>und</strong> nach acht <strong>und</strong> vierzig St<strong>und</strong>en eine Absonderung des brandichten Stüks zuwege,<br />
welches man dann wie eine lederartige Haut abziehen konte. Das dadurch entblöste<br />
Fleisch war völlig rein <strong>und</strong> höchst empfindlich. Vielleicht bin ich nicht der einzige der so<br />
vortrefliche Wirkung, so erstaunende Fäulnis dämpfende Kräfte in diesen Fällen am<br />
Arsenik wahrgenommen hat, doch ist mir <strong>von</strong> andrer Beobachtung in diesem Falle<br />
nichts zu Gesichte gekommen. Welchen Nuzzen könnte er in Feldlazarethen stiften, wo<br />
man nicht dran denken kan, die unzähligen W<strong>und</strong>en mit Chinaabsud vor Brande zu<br />
verwahren, mit welchem man dies bei weitem nicht ausrichtet, was durch dies wohlfeile<br />
<strong>und</strong> kräftige Mittel sehr bald bewirkt wird -<br />
Bey seinem Gebrauche nimt man sich blos in Acht, die reinen Stellen der W<strong>und</strong>en<br />
nicht alzusehr zu benezzen, wo es starke Empfindungen zuwege bringt <strong>und</strong> nichts frommet.<br />
Ausser dem Sublimate, dem Höllenstein <strong>und</strong> dem Arsenik bediene ich mich keines<br />
anderen Mittels, die <strong>a<strong>lte</strong></strong>n Geschwüre zu reinigen.<br />
K<strong>a<strong>lte</strong></strong>s K<strong>a<strong>lte</strong></strong>s Wasser Wasser gegen gegen die die die entzündete entzündete Geschwulst<br />
Geschwulst<br />
um die W<strong>und</strong>e herum, ist das einzige was ich anwende. Der Entzündung <strong>und</strong> Geschwulst<br />
beuget durchaus, ohne Zuthun eines andern Mittels, das k<strong>a<strong>lte</strong></strong> Bad vor, das<br />
auch übrigens die Feuchtigkeiten der W<strong>und</strong>e, wenn sie gereinigt ist, in gutem Stande<br />
erhält.<br />
Digestive Digestive. Digestive<br />
Um die W<strong>und</strong>e nach der Reinigung zu nöthigen, gutes Eiter <strong>von</strong> sich zu geben, ist<br />
es wesentlich, sie einige Zeit hindurch gelind zu reizen <strong>und</strong> zugleich zu stärken. Wahre<br />
Digestive ohne Fettigkeit sind hiezu das schiklichste. Peruanischer Balsam mit zwei<br />
bis drei Theilen Eierdotter abgerieben oder Kobaicabalsam mit zwei bis dreimal soviel<br />
Eierdotter zusammengeschlagen, oder eine Vermischung <strong>von</strong> lezterm Balsam, <strong>von</strong> venetischem<br />
Terbenthin <strong>und</strong> Dottern oder auch blos venetischer oder gemeiner Terbenthin<br />
mit Eierdottern gerieben, jenachdem der Kranke bemitte<strong>lte</strong>r oder ärmer, die W<strong>und</strong>e<br />
gröser oder kleiner, oder <strong>von</strong> mehr oder weniger schwammiger Beschafenheit ist, erfült<br />
die Absicht. Marseillische weise Seife oder venetische Seife <strong>und</strong> Wasser vertritt sehr<br />
schiklich die Stelle der Dotter. Kein Oel, keine Fettigkeit <strong>von</strong> irgend einer Art so<strong>lte</strong><br />
man dazu thun, sie verhindert die Kräfte des Digestivs <strong>und</strong> vermindert aus mehr, als<br />
einem Gr<strong>und</strong>e das Gute, was das reine Digestiv zuwege bringt.<br />
Auch alle andre Zusäzze sind wenigstens unnöthig, oft nachtheilig.<br />
41
Wenn also die W<strong>und</strong>e gereinigt ist, <strong>und</strong> das wird sie durch obige Behandlung, so<br />
bestreicht man gezupfte Leinwandfasern lokker zum Bausche gelegt, unterwärts mit<br />
einer Art obiger Digestive, bringt den Bausch in die W<strong>und</strong>e <strong>und</strong> bindet eine leichte<br />
Binde darum, gewöhnlich aller zwölf St<strong>und</strong>en.<br />
Ofters Ofters wiederho<strong>lte</strong> wiederho<strong>lte</strong> Reinigung Reinigung der der W<strong>und</strong>e. W<strong>und</strong>e.<br />
W<strong>und</strong>e.<br />
So lange die Säfte des Körpers nicht durch fortgesezte stärkende Heilung verbessert<br />
worden sind, <strong>und</strong> dazu gehören oft ein, zwei, drei <strong>und</strong> mehrere Monate, so lange<br />
kan man auch nicht verlangen, daß die gereinigte W<strong>und</strong>e immer rein bleiben soll, <strong>und</strong><br />
daß der Boden der W<strong>und</strong>e nicht zuweilen wieder mit schwammigem, <strong>faule</strong>m Fleische<br />
<strong>und</strong> mit stinkendem Wasser statt des guten Eiters angefült werde.<br />
Deshalb mus man <strong>von</strong> Zeit zu Zeit, wenn sich dies ereignet, das Sublimatwasser<br />
zu Hülfe nehmen, <strong>und</strong> entweder die ganze W<strong>und</strong>e, oder nur den wieder verdorbenen<br />
Theil mit dahinein getauchten Bäuschchen <strong>von</strong> Leinwandfasern des Tags verschiedne<br />
Male benezzen; es wird nicht fehlen, die erwünschte Wirkung zu thun. Die andern bessern<br />
Stellen können mit Digestiv verb<strong>und</strong>en werden.<br />
Ist der <strong>a<strong>lte</strong></strong> Schaden am Fuse, so wird dem ungeacht täglich ein, zwei, bis dreimal<br />
auch dieser Theil unter k<strong>a<strong>lte</strong></strong>s Wasser getaucht, zu der Zeit, wo man ohnehin den Verband<br />
erneuern will. Man läst eine leichte Binde darüber, <strong>und</strong> schont den leidenden Theil<br />
ja nicht mit dem k<strong>a<strong>lte</strong></strong>n Bade, seiner grösten Hülfe.<br />
Und so wird der Verband der W<strong>und</strong>e gleich mit der äusern <strong>und</strong> innern stärkenden<br />
Behandlung des Körpers fortgesezt, bis sich die Ränder der W<strong>und</strong>e mit den gutartigen,<br />
lichtrothen Fleischwärzchen vollends zur Narbe vereinigen.<br />
Trokne Trokne Leinw Leinwandfasern<br />
Leinw Leinwandfasern<br />
andfasern. andfasern<br />
So<strong>lte</strong> der Eiter zwar gutartig seyn, aber alzuhäufig <strong>und</strong> dünne werden, so ist der<br />
öftere, aller acht St<strong>und</strong>en anzustellende, Verband mit troknen Leinwandfasern hinlänglich<br />
dieser Hindernis der Heilung gröstentheils abzuhelfen, ausser der stets fortzusezzenden,<br />
immer zu erhöhenden, stärkenden Behandlung des übrigen Körpers.<br />
Rükfälle Rükfälle. Rükfälle<br />
Es geschiehet aber öfters, daß wenn die Narbe mit grosen Schritten zu ihrer fast<br />
völligen Vereinigung angewachsen ist, <strong>und</strong> alles gut vor sich zu gehen geschienen hat,<br />
dennoch gar bald <strong>und</strong> auf einmal das ganze Heilungsgeschäfte nachläst, die Gröse der<br />
W<strong>und</strong>e entweder dieselbe bleibt, oder sich auch wohl vermehrt, das Fleisch des Bodens<br />
sich verfärbt, die Ränder wieder verhärten <strong>und</strong> in die Höhe treten <strong>und</strong> daß die Beschaffenheit<br />
des Eiters an ihrer Güte abnimt.<br />
Das Sublimatwasser thut dann zwar auch hier, wie bei der anfänglichen Reinigung,<br />
wiederum gute Dienste, aber es kan die W<strong>und</strong>e doch oft nicht dazu bringen, sich<br />
durch Digestive, oder wenn die Menge des Eiters zu gros oder zu wässerig ist, durch<br />
trokne Leinwandfasern zu vernarben, oft nimt die W<strong>und</strong>e weder ab noch zu <strong>und</strong> verspottet<br />
die besten Heilmittel.<br />
42
Und wenn sich auch das gute Ansehn der W<strong>und</strong>e nicht verschimmern so<strong>lte</strong>, so läst<br />
doch zuweilen in dieser Epoche, die Natur das Heilungsgeschäfte liegen, die W<strong>und</strong>e<br />
bleibt hartnäkkig bei ihrer Beschaffenheit <strong>und</strong> Gröse.<br />
Gewöhnlich ist in allen diesen Fällen die stärkende Behandlung des Körpers<br />
entweder vernachläsigt, oder doch nicht gehörigermasen verstärkt worden.<br />
Man bediene sich demnach <strong>von</strong> der Zeit an des k<strong>a<strong>lte</strong></strong>n Bades statt einmal des Tages<br />
zweimal, statt zweimal dreimal, man erhöhe die Kä<strong>lte</strong> des Wassers um etliche Grad,<br />
man lasse den Kranken einige Minuten länger darin, als vorher, man tauche ihn tiefer<br />
ein, besonders verstärke man das Frottiren bis über den ganzen Leib, lasse ihn wollene<br />
Hemden tragen, <strong>und</strong> wenn man das Reiben bisher nach dem Bade vorgenommen hat, so<br />
thue man es auch vor dem Bade <strong>und</strong> im Wasser selbst. Man verstärke die Leibesbewegungen<br />
um etwas, mache die Speisen etwas nahrhafter, besonders durch Fleisch <strong>und</strong><br />
etwas Gewürze besonders Zimt, Zimtblumen <strong>und</strong> Muskatennus. Man lasse ihn die bittern<br />
zusammenziehenden Kräuter in etwas gröserer Gabe <strong>und</strong> nur die kräftigern zu sich<br />
nehmen, <strong>und</strong> fleisig mit Eisenmohr oder Zinkblumen abwechseln, man sezze noch ein<br />
Glas oder zwei mehr Wein zu seinem Deputate. Wo möglich noch kräftigerer Güte, erheitre<br />
sein Gemüth <strong>und</strong> lasse ihn fleisiger der ges<strong>und</strong>en Luft geniesen, kurz, man steige<br />
in etwas stärkern Graden als bisher mit der stärkenden Behandlung des Köpers, <strong>und</strong><br />
man wird seines Endzweks nicht verfehlen, wenn man besonders den unten zu erwähnenden<br />
Heilbalsam zu Hülfe nimt, <strong>und</strong> der Kranke folgsam ist.<br />
Fruchtet alles dies nicht, so ist ein kleiner Speichelflus zu dieser Zeit das<br />
hülfreichste, da der Körper nicht unkräftig ist.<br />
Andre Andre Hülfsmittel Hülfsmittel. Hülfsmittel<br />
Die so sehr präkonisirte Thedensche Einwikkelungsbinde, die ich in vielen Fällen<br />
bef<strong>und</strong>en habe, ihrer stärkenden Kräfte wegen, kan doch se<strong>lte</strong>n zur Stärkung der mit<br />
<strong>a<strong>lte</strong></strong>n Geschwüren behafteten Füse angewandt werden, besonders da oft Entzündungen<br />
bei der W<strong>und</strong>e vorfallen. Wie umständlich macht sie den Verband, wenn er auch des<br />
Tags nur zweimal wiederholt wird. Aber daß der Kranke, wenn er wohl eingewikkelt<br />
ist, keine Bewegung damit vornehmen <strong>und</strong> nicht drauf treten kan, das ist das beschwerlichste<br />
<strong>und</strong> verbietet in diesen Fällen die sonst gute Bandage fast gröstentheils, besonders<br />
bei geringern Personen, die zu ihrer Bewegung die Füse nöthig haben <strong>und</strong> nicht<br />
wie Reichere sich in den Wagen heben lassen können. Und Stärkung des Körpers ohne<br />
Bewegung läst sich nicht denken.<br />
Ich glaube dem ehrlichen Bajon alle seine Versichrungen, daß er beim Stillstande<br />
der Heilung <strong>a<strong>lte</strong></strong>r W<strong>und</strong>en <strong>und</strong> ihrer Vernarbung so herlichen Nuzzen vom Torfbade<br />
bemerkt habe, <strong>und</strong> es in diesen Fällen se<strong>lte</strong>n habe entbehren können. Aber wenn das<br />
Klima, unter welchem er hei<strong>lte</strong> alle Heilung der W<strong>und</strong>en verzögerte, <strong>und</strong> der Körper<br />
nebst dem herankeimenden Fleische derselben sehr oft unter der besten Behandlung<br />
schwammig, faul <strong>und</strong> brandig machte, so können wir doch unserm Himmelsstriche eine<br />
solche Bösartigkeit nicht beimessen <strong>und</strong> haben nächst angezeigten Heilmitteln bei der<br />
Behandlung <strong>a<strong>lte</strong></strong>r W<strong>und</strong>en keine andern nöthig, die wahrhaftig sehr einfach sind.<br />
Es müste denn der heilende <strong>und</strong> stärkende Balsam seyn, den ich seit vielen Jahren<br />
auf die Ränder der gereinigten <strong>a<strong>lte</strong></strong>n W<strong>und</strong>en lege, wenn der Boden mit Digestiv<br />
43
elegt wurde <strong>und</strong> <strong>von</strong> welchem ich in den hartnäkkigsten Fällen die ersprieslichsten<br />
Wirkungen da<strong>von</strong> vielfältig beobachtet habe. Er verwehrt die Entzündung, stärkt die zur<br />
Vereinigung mit den Rändern sich anschikkenden Fleischwärzchen <strong>und</strong> befestigt sie zu<br />
ges<strong>und</strong>em <strong>und</strong> festem Fleisch. Ich habe nie die mindesten zweideutigen Wirkungen in<br />
diesen Fällen <strong>von</strong> ihm gespürt, vielmehr die deutlichsten Beweise, daß dieser Balsam<br />
unter allen bekanten Mitteln, die heilendsten <strong>und</strong> fleischvereinigendsten Kräfte besizze.<br />
Ungeachtet er meine Erfindung ist, so werde ich doch wie bisher nie unterlassen, ihn so<br />
ächt, wie ich ihn zu meinem Gebrauche bereite, an andre zu überlassen.<br />
Nun so<strong>lte</strong> ich wohl noch <strong>von</strong> dem unübersehlichen Heere der W<strong>und</strong>kräuter handeln,<br />
die bald eines dem andern vorgezogen, getadelt, überhaupt aber doch gröstentheils<br />
<strong>von</strong> den Unwissenden ausnehmende Kräfte bei W<strong>und</strong>en zu besizzen vorgegeben werden.<br />
Fragt man sie, wie die W<strong>und</strong>en beschaffen seyn müssen, in denen diese Kräuter<br />
Dienst thun, welche Kräuter unter dem Haufen derselben, die sie gewöhnlich auf einmal<br />
verordnen, eigentlich die besten Dienste thun, welches der Unterschied ihrer Tugend<br />
<strong>und</strong> welche in diesem oder jenem Falle vorgezogen werden müssen, so bekommen wir<br />
fast keine Antwort, als, die vorgeschlagne Menge Kräuterchen, heilsamer Kräuterchen<br />
gekocht <strong>und</strong> warm übergeschlagen helfe gewis, dem <strong>und</strong> dem hätten sie auch geholfen -<br />
die eigentlichen Umstände der angeführten Kuren erfährt man aber nicht.<br />
So ists auch mit der Menge hochgepriesner M<strong>und</strong>wasser <strong>und</strong> Arquebusaden, die<br />
in allen Fällen helfen sollen. Die schönen Namen derselben ist das beste an ihnen.<br />
Für Krankheiten, deren Natur unbekant <strong>und</strong> verwikkelt ist, sucht man eine Menge<br />
Mittel, deren Tugend oft eben so zweideutig als der Verstand ihrer Erfinder ist, da man<br />
mit verwirten Ideen <strong>von</strong> der Krankheit angefült, keine richtigen Folgerungen zu Aufsuchungen<br />
dienlicher Mittel ziehn kan. Wenn Richter Deutschland lüstern nach Hausapothekchen<br />
<strong>von</strong> seiner Erfindung machen wo<strong>lte</strong>, deren Verdienst die Unkräftigkeit war,<br />
so durfte er nur die Begriffe des Publikums über die Natur der Krankheiten durch ein<br />
eignes Traktätchen verwirren, <strong>und</strong> seine Mittel wurden gesucht, wurden ausgebetet. S.<br />
Richters Erkentnis des menschlichen Körpers.<br />
Nachkur Nachkur. Nachkur<br />
Wenn ich noch ein paar Worte <strong>von</strong> der Nachkur sage, ohne die eine gründliche<br />
Heilung nie zu Stande gebracht werden kan, so geschieht es nicht, um hier neue Dinge<br />
dazu vorzuschlagen, sondern blos die Nöthigkeit der stärkenden Nachkur einzuschärfen<br />
<strong>und</strong> ihre Anwendung zu bestimmen.<br />
Wenn eine Krankheit vorüber ist, so hält man sich gewöhnlich da<strong>von</strong> auf immer<br />
befreit <strong>und</strong> sieht nicht auf die Rükfälle, die bei einem geschwächten Körper <strong>und</strong> desto<br />
leichter wieder eintreten können, je mehr oder weniger Anlage <strong>und</strong> Samen da<strong>von</strong> in<br />
demselben zurükgeblieben sind. Und so bald sich das <strong>a<strong>lte</strong></strong> Geschwür geschlossen hat, so<br />
hält man sich für geheilt, man glaubt, das vereinigte Fleisch sei durch die Vernarbung<br />
wie durch ein W<strong>und</strong>er so stark <strong>und</strong> fest geworden, wie das übrige unverlezte Fleisch,<br />
<strong>und</strong> fürchtet einen so leicht möglichen Rükfall, ein Wiederaufbrechen derselben, oder die<br />
Entstehung eines neuen ähnlichen Geschwürs in einer andern Gegend durchaus nicht.<br />
Man weis endlich nicht, was Nachwehen bei zugehei<strong>lte</strong>n <strong>a<strong>lte</strong></strong>n W<strong>und</strong>en, oder der sogenanten<br />
Kalender <strong>und</strong> Wetteranzeiger sagen wollen.<br />
44
Alle Narben, besonders <strong>von</strong> W<strong>und</strong>en, wo Fleisch verloren gegangen ist, vorzüglich<br />
die <strong>von</strong> <strong>a<strong>lte</strong></strong>n W<strong>und</strong>en, sind die Merkmale, wo die Natur die W<strong>und</strong>e mit einem Afterfleische<br />
ausgefült hat, das zwar ebenfals seine zur Nahrung nöthigen Gefäse <strong>und</strong><br />
Nerven erhielt, wahrscheinlich aber ganz <strong>und</strong> gar in der harmonischen Ordnung <strong>und</strong><br />
dem Verhältnisse nicht, worin der übrige Körperbau zusammen hängt. Gewöhnlich hat<br />
die Narbe eine andre Farbe, eine andre Empfindung <strong>und</strong> einige Ungleichheit, Eigenschaften,<br />
die deutlich zu erkennen geben, daß eine wesentliche innere Verschiedenheit<br />
zwischen diesem <strong>und</strong> dem ges<strong>und</strong>en Fleische abw<strong>a<strong>lte</strong></strong>, daß man folglich nicht die Festigkeit,<br />
die Dauer <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit <strong>von</strong> diesem Fleische verlangen könne, die man an dem<br />
noch nie verlezten Fleische wahrnimt.<br />
Je gröser die Narbe, je öfterer sie in ihrem Abwachse gestört wurde, wie bei <strong>a<strong>lte</strong></strong>n<br />
W<strong>und</strong>en der Fall ist, desto unordentlicher, verwirrter <strong>und</strong> vom ges<strong>und</strong>en Zustande abweichender<br />
ist die Gestalt des Zellgewebes, der Gefäse <strong>und</strong> Nerven. Desto weniger kan<br />
man einen regelmäsigen Lauf der Säfte in diesen <strong>und</strong> eine dauerhafte Festigkeit in jenem<br />
vermuthen. Mit einem Worte das Fleisch der Narbe bleibt ewig kränklich <strong>und</strong><br />
verkrüpelt.<br />
Was will man <strong>von</strong> diesem Afterfleische für Dauer <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit erwarten, geschweige<br />
denn gleich nach Schliesung der Narbe? Ihre Schwäche ist desto gröser, je<br />
jünger <strong>und</strong> zärter sie ist, sie braucht noch viele Wartung, viele Schonung, <strong>und</strong> viele<br />
Jahre, um dem ges<strong>und</strong>en Fleische nur ähnlich zu werden.<br />
Vernachläsigte Diät, sizzende oder sonst üble Lebensart, Stubenluft, schwächende<br />
Leidenschaften, Verlezzungen nebst andern Vorfällen, wie leicht können sie <strong>von</strong> neuem<br />
dies schwammichte Gewächse entzünden <strong>und</strong> zum Wiederaufbruch bringen, da ohnedies<br />
die Natur noch lange nach der Vernarbung ihren Hang nicht ganz verliert, ueberflüssige<br />
oder verdorbne Säfte nach dieser kränklichen Stelle hinzuführen.<br />
Eben diese Schwäche <strong>und</strong> Zärtlichkeit des Zellgewebes, eben diese unordentliche,<br />
verkrüpe<strong>lte</strong> Lage der Gefäse <strong>und</strong> Nerven in dem Narbenfleische, eben diese nie völlig<br />
zu ersezzende, kränkliche Abweichung der innern Beschaffenheit dieses Afterfleisches<br />
<strong>von</strong> dem ges<strong>und</strong>en, noch unverlezten, ist die Ursache, daß Kä<strong>lte</strong> <strong>und</strong> Wärme, vermehrte<br />
oder verminderte Drukkraft der Luft <strong>und</strong> Leidenschaften aller Art so unangenehme<br />
Eindrükke auf die Narbe machen, während daß die festern Nerven des übrigen Körpers<br />
noch wenig oder keine beschwerlichen Empfindungen da<strong>von</strong> spüren. Einfallender<br />
Sturm <strong>und</strong> Regenwetter, Schrek, Aergernis, Zorn, Kummer, übertriebne Liebespflege,<br />
Nachtwachen, Verkältung, Uebermüdung, hizzige Getränke <strong>und</strong> schwächende Lebensart<br />
fühlt die Narbe nur alzusehr, das jückende Reisen darin, die unangenehme Empfindung<br />
derselben deutet den durch diese Dinge auf den Körper gemachten Eindruk viel<br />
früher, viel empfindlicher an, als ihn der übrige Körper spürt. Dies nent man Kalenderschmerzen<br />
des vormals verw<strong>und</strong>eten Theils.<br />
Wenn die in der innern Textur <strong>und</strong> Beschaffenheit des vernarbten Fleisches liegende<br />
<strong>von</strong> mir jetzt angegebne Ursache richtig ist, wie ich sie denn besonders durch<br />
Einsprizzungen beweisen kan, so folgt, daß Schwäche noch ein Hauptingredienz der<br />
Kränklichkeit dieses Afterfleisches ist.<br />
Da man nun einmal die unordentliche Lage, die Verengerung <strong>und</strong> Verkrüpelung<br />
der Gefäse <strong>und</strong> Nerven zum natürlichen Stande nie wieder bringen kan, so mus man<br />
doch wenigsten die Schwäche dieses Theils so gut, wie möglich hinwegzunehmen <strong>und</strong><br />
45
die Nerven desselben zu stärken suchen, als worin ein Hauptgr<strong>und</strong> der Zärtlichkeit <strong>und</strong><br />
übriggebliebenen kränklichen Empfindung diese Theils zu liegen scheint, ehe man den<br />
Kranken für geheilt ausgiebt.<br />
Um also beide so sehr gefürchtete Unfälle der geschlosnen Narbe, das Wiederaufbrechen,<br />
worunter auch das Entstehen eines ähnlichen Geschwürs in der Gegend der<br />
Narbe begriffen ist, <strong>und</strong> die Kalenderschmerzen zugleich theils hinwegzunehmen, theils<br />
zu lindern, ist die äusere <strong>und</strong> innere stärkende Nachkur das einzige <strong>und</strong> kräftigste Mittel,<br />
da Schwäche des Körpers der gewöhnliche Gr<strong>und</strong> des Wiederaufbrechens der Narbe<br />
ist.<br />
So wie ich überhaupt die Heilung aller andern Krankheiten meinen Pazienten so<br />
wenig sauer, wie möglich, zu machen suche, da Krankheiten vor sich schon Plagen genug<br />
sind, <strong>und</strong> nächst der Gründlichkeit <strong>und</strong> Einfachheit besonders hierin ein Verdienst<br />
suche, so empfinden auch meine Kranken mit <strong>a<strong>lte</strong></strong>n W<strong>und</strong>en, wie leicht die Last ist, die<br />
ich ihnen bei der Heilung derselben auflege. Die Leichtigkeit der Kurart suche ich besonders<br />
durch die Einfachheit der vorgeschriebenen Regeln <strong>und</strong> Mittel zu erreichen, verlange<br />
aber dann durchaus die pünktlichste Folgsamkeit. Vorzüglich weil diese Tugend<br />
allemal in dem Vermögen eines jeden steht, <strong>von</strong> dem ich sie verlange <strong>und</strong> da ohne sie<br />
eben so wenig auszurichten ist, als bei Verfertigung einer Uhr durch die richtigste gearbeiteten<br />
Räder, ohne zwekmäsige Zusammensezzung.<br />
So wie ich nun bei diesen Kranken an die Stelle des unendlichen Wirwars <strong>und</strong><br />
Mischmasches <strong>von</strong> wiedersprechenden Verordnungen <strong>und</strong> einer Last <strong>von</strong> entkräftenden,<br />
zwekwidrigen Kurmethoden, die sich einander drängen, um entweder den Ruin oder die<br />
Entkräftung <strong>und</strong> den Ekkel des Kranken zu befördern, eine einfache, überall anwendbare<br />
kräftige <strong>und</strong> leicht zu h<strong>a<strong>lte</strong></strong>nde Heilungsmethode sezze, so verlange ich <strong>von</strong> ihnen, zu<br />
ihrem eignen Wohl, daß sie selbst, nach Schliesung ihrer W<strong>und</strong>en die ges<strong>und</strong>e Lebensart<br />
auf immer, die stärkende innere <strong>und</strong> äusere Kur aber noch einige Zeit fortsezzen,<br />
eine Zeit die nach der Gröse des gehei<strong>lte</strong>n Uebels kürzer oder länger <strong>von</strong> mir bestimt<br />
wird.<br />
Ich fange es so damit an. Die Dauer, den Grad der Kä<strong>lte</strong> <strong>und</strong> die Menge der k<strong>a<strong>lte</strong></strong>n<br />
Bäder lasse ich einige Zeit z. B. vierzehn Tage auch wohl vier bis sechs Wochen<br />
unverrükt fortsezzen, nachgehends aber noch eine ziemliche Zeit, einen bis mehrere Monate<br />
almählig damit herabsteigen. Zum Beispiele, ich lasse statt des dreimaligen Badens,<br />
einige Zeit hindurch nur zweimal <strong>und</strong> endlich nur einmal des Tags Baden, statt<br />
fünf <strong>und</strong> dreisig, vierzig, fünf <strong>und</strong> vierzig, funfzig bis fünf <strong>und</strong> funfzig Grad Wärme<br />
nach fahrenheitischem Wärmewasser anwenden, ich lasse vom ganzen Bade, zum halben<br />
<strong>und</strong> endlich bis zum Fusbade herabsteigen, vom starken Reiben vor, in <strong>und</strong> nach dem<br />
Bade über den ganzen Leid, zum sanfteren Frottiren nach <strong>und</strong> nach nur in <strong>und</strong> nach<br />
dem Bade, <strong>und</strong> endlich nur in demselben, über den halben Leib <strong>und</strong> endlich nur um die<br />
vernarbten Theile herum, <strong>und</strong> <strong>von</strong> jedesmahliger Dauer des Bades <strong>von</strong> zwanzig Minuten<br />
nach <strong>und</strong> nach bis zu zehn <strong>und</strong> sechs Minuten heruntergehen.<br />
Die almähligen Veränderungen sind dem vormahligen Kranken sehr leicht, der<br />
Körper entwöhnt sich nur nach <strong>und</strong> nach diesem hohen Grade der stärkenden Heilart,<br />
<strong>und</strong> behält gleichwohl die Festigkeit seiner Fibern.<br />
So auch mit dem innern. Die stärkenden Mittel lasse ich den Genesenden einige<br />
Zeit unverrükt fortnehmen, dann aber zum Beispiele statt einer halben Unze China des<br />
46
Tags nach <strong>und</strong> nach zu einer halben Drachme, statt einem Absude <strong>von</strong> ein paar Unzen<br />
Enzian oder Wermuth mit einer halben Unze Galläpfel oder einer Drachme Muskatennus<br />
<strong>und</strong> einem Skrupel Zimt, Zimtblumen oder zwei Drachmen Kalmuswurzel des<br />
Tags, zu einem leichten, verhältnismäsigen Dekokt dieser oder ähnlicher Kräuter herabsteigen,<br />
<strong>und</strong> <strong>von</strong> 20 Gran meines Eisenmohrs oder zehn Garn Zinkblumen des<br />
Tags, zu fünf Granen vom erstern <strong>und</strong> zwei Granen des leztern, auch <strong>von</strong> sechs bis acht<br />
Gläsern kräftigem, geistreichen Weine zu einem bis zwei Gläsern geringerm nach <strong>und</strong><br />
nach herabgehen.<br />
Nur bei Aermern sezt man im Nothfalle statt des Weins kräftiges, bitteres Bier,<br />
nach dessen stärkerm oder mindern Gebrauche, man auch den Gebrauch der bittern<br />
Pflanzen verringern mus.<br />
Obige Verhältnisse sind nur Beispiele, die nach Beschaffenheit des A<strong>lte</strong>rs <strong>und</strong><br />
der Umstände des Kranken stets abweichen <strong>und</strong> festgesezt werden müssen.<br />
Die ges<strong>und</strong>e, kummerlose Lebensart, nebst der Bewegung <strong>und</strong> dem Genusse der<br />
freien Luft bleibt immer, denn ohne diese läst sich ohnehin keine zuverlässige Ges<strong>und</strong>heit<br />
bei jedem Menschenkinde denken.<br />
So<strong>lte</strong>n demungeachtet noch nach der Hand Schmerzen in dem vormals gehei<strong>lte</strong>n<br />
Theile sich spüren lassen, so werden verschiedne elektrische aus der Narbe gezogne<br />
Funken <strong>und</strong> ein sehr k<strong>a<strong>lte</strong></strong>s, an dem leidenden Theile angebrachtes, fortgeseztes<br />
Alaunwasserbad, nebst zwekmäsigem Frottiren vor, in <strong>und</strong> nach demselben diesem<br />
Uebel steuern <strong>und</strong> wo möglich es nach <strong>und</strong> nach völlig heben.<br />
Eine vergnügte, bequeme, fortgesezte Reise in den kühlern Jahreszeiten ist kein<br />
verwerfliches Stük der Nachkur für die, welche sich ihrer zu bedienen, Gelegenheit haben.<br />
Anhang. Anhang.<br />
Anhang.<br />
Fistel Fistel. Fistel<br />
Eine Fistel ist eine bösartige W<strong>und</strong>e, die in einer Höhlung fortgeht. Ist die Höhle<br />
nicht tief, sondern weit, so kan es bei obiger Behandlung sein Bewenden haben. Ist<br />
sie aber tief <strong>und</strong> <strong>von</strong> enger Eingangsöfnung, so mus die Fistel aufgeschlizt <strong>und</strong> mit dem<br />
Messer geöfnet werden <strong>und</strong> dann fängt dieselbe Behandlung an. Ohne eine solche Oefnung<br />
ist in diesem Falle nichts gründliches auszurichten, der Pazient verlangt fast eine<br />
Unmöglichkeit, der ohne diese Oefnung geheilt seyn will.<br />
Fall Fall. Fall<br />
Ich kan mich zwar selbst eines Beispiels erinnern, wo eine Dame in Hermanstadt<br />
<strong>von</strong> gichtischen Beschwerden eine Beule in der Gegend des Trochanters bekam, die sich<br />
nicht zertheilen lies, sondern Eiter faste <strong>und</strong> aufgieng. Wie die W<strong>und</strong>e gereinigt war, so<br />
sahe man deutlich, daß noch viel wässerige schlechtbeschaffene Jauche aus zwei kleinen<br />
eines Nadelkopfs grosen Oefnung herausdrang <strong>und</strong> lange Zeit hindurch anhielt. Nach<br />
etwa sechs Wochen, <strong>von</strong> dem Aufgehn angerechnet, werde ich gerufen <strong>und</strong> finde nach<br />
angeste<strong>lte</strong>r Untersuchung, daß die innere Höhlung dieser kleinen Oefnung unter der<br />
47
Befestigung verschiedener Muskeln besonders des dreiköpfigen hinlief. Ich füh<strong>lte</strong><br />
zugleich, daß die inneren Wände dieser Höhlung noch nicht alzusehr verhärtet waren.<br />
Nächst einer schiklichen Lage zum Ausflusse des jauchichten Eiters lies ich durch<br />
eine dieser kleinen, fast unsehbaren Oefnungen verschiedne Male des Tages eine sehr<br />
verdünte Auflösung des Sublimats mit Behutsamkeit einsprizzen, so daß die Ränder<br />
der Oefnung innerlich durch den Druk der Sprizzenröhre nicht verlezt <strong>und</strong> verhärtet<br />
werden mögten. Nur nach <strong>und</strong> nach verstärkte ich die Sublimatauflösung, da ich dann<br />
in etlichen Wochen dahin kam, mich zu überzeugen, daß die innere Höhle <strong>von</strong> Verhärtungen<br />
so gut als völlig frei sei, da das beste Eiter herausdrang, dessen Diklichkeit<br />
blos durch öfteres Einsprizzen zum Ausbringen geschikt gemacht werden konte, indem<br />
die Kranke die mindeste Anwendung des Messers bis zum Sterben haste,<br />
Nunmehr fing ich an, meinen stärkenden Balsam des Tags dreimal einzusprizzen,<br />
um die W<strong>und</strong>e herum aber legte ich ein Fliegenpflaster, das sich über die ganze Gegend<br />
hin erstrekte, worunter die Höhlung zwischen den Muskeln hinlief. Die entstandene<br />
äusere W<strong>und</strong>e hielt ich mit Kantharidenessig offen. Diese Mittel hatte ich kaum acht<br />
Tage angewandt, als sich schon die Menge des Eiters ansehnlich <strong>und</strong> immer mehr <strong>und</strong><br />
mehr verminderte, bis nach zwanzig Tagen kaum etliche Tropfen des Tags herausdrangen<br />
<strong>und</strong> blos während dem Einsprizzen. Die Einsprizzungen des heilenden Balsams<br />
verrichtete ich selbst, theils um alles Anstosen mit der krummen Sprizzenröhre zu vermeiden,<br />
theils um die Flüssigkeit mit gehöriger Gelindigkeit hineinzubringen, <strong>und</strong> um<br />
genau <strong>von</strong> dem Vorgange der Heilung unterrichtet zu seyn.<br />
Den fünf <strong>und</strong> zwanzigsten Tag erreichte ich meinen kaum gehoften Endzwek. Doch<br />
lies ich noch vierzehn Tage die Blasenpflasterw<strong>und</strong>e offen, um allem Rükfalle vorzubeugen.<br />
Nun stärkte sie vollends ein monatliches k<strong>a<strong>lte</strong></strong>s Bad zweimal des Tags, zehn Minuten<br />
lang angewandt <strong>und</strong> zwölf Unzen nach <strong>und</strong> nach verbrauchte Chinarinde.<br />
Sie lebt noch jetzt in der Hauptstadt <strong>von</strong> Siebenbürgen, ohne die mindeste Empfindung<br />
an diesem Theile weiter zu spüren, <strong>und</strong> ihre fünfzehnjährigen gichtischen Beschwerden<br />
sind dadurch verschw<strong>und</strong>en.<br />
Ich erinnere noch, daß die Kranke anfänglich noch <strong>von</strong> guten Kräften war, <strong>und</strong> ich<br />
sie deshalb zur Verbesserung des Eiters einen starken Quajakabsud trinken lies.<br />
Dies ist nun freilich ein Fall einer gehei<strong>lte</strong>n Fistel ohne Schnitt.<br />
Aber theils kan ich diese Behandlung nicht jedermans Händen überlassen, weil sie<br />
Vorsicht <strong>und</strong> viel Behutsamkeit erfordert, theils waren die Kräfte der Kranken noch gut<br />
<strong>und</strong> ihre Säfte ziemlich unverdorben, theils aber auch <strong>und</strong> vornehmlich war die Härte der<br />
Wände der innern Höhlung so eingewurzelt noch nicht, daß sie wohl auf diese Art bezwungen<br />
werden konte.<br />
Ich will aber auch durch Anführung dieses einzelnen Falls, der mir schäzbar bleibt,<br />
weiter nichts als die Möglichkeit der Heilung einiger Fisteln ohne Schnitt dargethan<br />
haben.<br />
Die Heilbarkeit einer kurzen Fistel mit weiter Oefnung ohne Schnitt ist freilich<br />
eher zu bewerkstelligen. Aber auch dann ist die Fistel nicht schwer zu heilen, wenn sie<br />
noch eine entgegengesezte Oefnung entweder <strong>von</strong> selbst hat, oder durch den Schnitt bekömt,<br />
es kan sich kein Eiter verh<strong>a<strong>lte</strong></strong>n <strong>und</strong> der Verband kan auch mit zwekmäsigem<br />
Drukke geschehen <strong>und</strong> die innere W<strong>und</strong>e deshalb leichter zusammenheilen.<br />
48
Knochenfäule Knochenfäule <strong>und</strong> <strong>und</strong> Winddorn 13 13 (Spina (Spina ventosa ventosa.) ventosa .)<br />
Wenn die Knochen bei <strong>a<strong>lte</strong></strong>n W<strong>und</strong>en mit ins Spiel kommen <strong>und</strong> in fäulichte Verderbnis<br />
übergehn, so erfordert dieser Umstand wenig andre Vorschriften.<br />
Besonders gehört die Behandlung des Winddorns in dies Kapitel, bei dessen<br />
Heilung so wenig Aerzte <strong>und</strong> W<strong>und</strong>ärzte glüklich gewesen sind. Ich werde etwas aus<br />
Erfahrung darüber sagen, wo<strong>von</strong> das chirurgische auch auf den Knochenfras bei andern<br />
<strong>a<strong>lte</strong></strong>n W<strong>und</strong>en sich erstrekt.<br />
Das blose almählige, schmerzhafte Geschwellen einiger besonders der kleinen<br />
Knochen der Handwurzel <strong>und</strong> der Vorderhand <strong>und</strong> des Fuses bei Kindern, als den Anfang<br />
des Winddorns habe ich nicht besser behandeln können, als durch die Vorschrift<br />
einer guten Diät, der stärkenden Heilart <strong>und</strong> durch ein besonderes hernach zu<br />
entwöhnendes Mittel.<br />
Die Diät bestand vorzüglich darin, die Kinder nicht zu überfüttern, sie vor vielen<br />
theils schon sauren, theils leicht in Gährung übergehenden Speisen zu hüten, vor Milch,<br />
vor Süsen, <strong>und</strong> alzuvielen Obste, <strong>und</strong> sie vielmehr thierische Speisen mit Gemüse gehörig<br />
zubereitet, mit Mäsigkeit geniesen zu lassen. Sie nach obenerwähnter Vorschrift<br />
kalt zu Baden, mit dem leidenden Theile den Anfang zu machen <strong>und</strong> so, bis über den<br />
ganzen Leib, fortzugehen. Das angegriffene Glied kan noch öfterer, als die übrigen, besonders<br />
mit k<strong>a<strong>lte</strong></strong>m Alaunwasser gebadet <strong>und</strong> zum innern Gebrauche besonders Eisen<br />
zu Hülfe genommen werden, da es die bei schwächlichen Kindern so gewöhnliche Säure<br />
der ersten Wege zugleich wegnimt <strong>und</strong> stärkt.<br />
Nächstdem ist eine <strong>von</strong> Hirschhornspänen mit Wasser oder Fleischbrühe gekochte<br />
dünne Gallerte zum gewöhnlichen Getränk oder als Suppe angewandt eins der hülfreichsten<br />
arzneilichen Mittel in dieser Krankheit. Oft kan auch das philosophisch bereitete<br />
Hirschhorn als Pulver genommen hinlänglich die Stelle vertreten.<br />
Da Winddorn nichts als eine chemische Zersezzung der Knochenmaterie ist, Knochen<br />
aber aus Kalkerde <strong>und</strong> Phosphorsäure, fast zum Mittelsalze verb<strong>und</strong>en, besteht, so<br />
habe ich auf diese Weise die verderbte Knochenmaterie oft glüklich ersezt.<br />
Wenn aber der Winddorn schon zur W<strong>und</strong>e aufgebrochen ist, so darf man die Absonderung<br />
des <strong>faule</strong>n oder verdorbnen Knochenstüks ja nicht versäumen, sondern mus<br />
nach gehöriger Erweiterung der W<strong>und</strong>e, so bald wie möglich, den unnüzzen Theil des<br />
Knochens, oder wenn er schon zu weit angegriffen ist den Knochen selbst herauslösen.<br />
Das übrige Stük des Knochens, wenn man ihn nicht ganz herauszunehmen nöthig hat,<br />
wird so rein wie möglich abgeschabt <strong>und</strong> mit dem stärksten Alkohol verb<strong>und</strong>en. Den<br />
stärksten Weingeist finde ich am dienlichsten den Knochenfras zu hemmen, vor vielen<br />
andern Mitteln, die dazu vorgeschlagen worden sind, <strong>und</strong> die oft ihrer Beschaffenheit<br />
nach, die Substanz des Knochens selbst zerstören, ohne jedoch so fäulnisdämpfend, als<br />
jener, zu seyn.<br />
Ist nur einmal die völlige Absonderung des fäulichten Knochens zu Stande, so<br />
behandelt man sogleich die übrige W<strong>und</strong>e nach obiger Vorschrift der Reinigung <strong>und</strong><br />
Heilung, stärkt den Körper äuserlich <strong>und</strong> innerlich <strong>und</strong> bedient sich besonders des gallerttigen<br />
Tranks oder des philosophisch bereiteten Hirschhorns in Pulver, ein sehr sel-<br />
13 Auftreibung <strong>und</strong> Strukturumbau eines kleinen Röhrenknochens (Finger, Zehe) durch tuberkulöse, se<strong>lte</strong>ner syphilitische Osteomyelitis oder Sarkoido-<br />
se; Pschyrembel, 259. Auflage<br />
49
tene Verordnung in meiner Praxis, auser in diesen <strong>und</strong> ähnlichen Fällen, wo die Nahrung<br />
des Knochens fehlerhaft geworden ist.<br />
Mit vielen blutreinigenden Mitten gewöhnlicher Art richtet man nie etwas beim<br />
Winddorne aus, die Schwäche nimt durch die auslerenden Mittel zu, <strong>und</strong> die Säfte<br />
verschlimmern sich eher, als daß sie sich verbessern sol<strong>lte</strong>n. Doch ist zuweilen der<br />
innere Gebrauch des Quajakharzes <strong>und</strong> wenn venerisches Gift die gewisse Gr<strong>und</strong>lage<br />
des Uebels ist, des Queksilbers, auch wohl des rohen Spiesglanzes <strong>von</strong> Nuzzen.<br />
Ueberhaupt habe ich vermittelst einer ziemlichen Erfahrung in der Arzneik<strong>und</strong>e<br />
selbst vielen meiner Amtsbrüder mit der grösten Gewisheit einsehn lernen, daß die<br />
Menge der nöthigen Arzneimittel äuserst klein ist, <strong>und</strong> daß man mit höchstens anderthalb<br />
h<strong>und</strong>ert Droquen alles in der Arzneik<strong>und</strong>e bis jetzt mögliche bewerkstelligen könne,<br />
wenn man sie genau kent, <strong>und</strong> sie zwekmäsig <strong>und</strong> so einfach, wie möglich, anwendet,<br />
um ihrer Tugenden sich immer mehr <strong>und</strong> mehr zu versichern; so wie man einer unendlichen<br />
Menge schneidender Werkzeuge in der Chirurgie entbehren kan, wenn man sich<br />
der wenigen nöthigen Messer geschikt zu bedienen weis. Diese Wahl der Mittel <strong>und</strong><br />
Art der Anwendung ist es, die den wahren Arzt auszeichnet, der keinem Systeme geschworen<br />
hat, oder aufs Wort für baar annimt, <strong>und</strong> der das Herz hat, selbst zu denken<br />
<strong>und</strong> eigenhändig zu handeln.<br />
Krebs Krebs. Krebs<br />
Der Entstehung begegne, ist eine <strong>a<strong>lte</strong></strong> Klugheitsregel, die sich aber vorzüglich<br />
beim Krebse wirksam äusert, jenem widerlich stinkenden Geschwüre mit zurükgebognen<br />
Rändern an den nervenreichen <strong>und</strong> drüsenartigen Theilen des menschlichen<br />
Körpers.<br />
Ich finde den über sehr gelinden Feuer (im Wasserbade) bereiteten Schierlingsextrakt<br />
(Ext. Conii maculati) bei verhärteten Drüsen äuserlich aufgelegt, fast als ein<br />
Spezifikum, das ich nicht entbehren kan <strong>und</strong> wo<strong>von</strong> ich tausend herliche Proben aufweisen<br />
kan. So sehr ich ihn hier rühmen mus, so wenig kan ich Gutes <strong>von</strong> seinem innern<br />
<strong>und</strong> äusern Gebrauche beim offenen Krebse sagen. Ich habe wenig erspriesliches da<strong>von</strong>,<br />
so wenig wie <strong>von</strong> den übrigen Mitteln in diesem Falle gesehn.<br />
Aeuserlich habe ich den <strong>von</strong> einer Quaksalberin eingestreuten weisen <strong>und</strong> rothen<br />
Präzipitat zwar sehr schmerzhaft, dabei aber so hülfreich bef<strong>und</strong>en, daß die Stellen, wo<br />
er lag, Tags darauf stets mit gutem Eiter angefült waren, so schrekliche Verwüstungen<br />
auch das Uebel schon angerichtet hatte, so verdorben auch die Säfte, <strong>und</strong> so unerträglich<br />
stinkend auch sonst die Jauche war, die außerdem häufig wegflos, denn die Kranke<br />
starb in vier Wochen darauf, als ich die Wirkung dieses Mittels mit angesehn hatte.<br />
Aus diesem folgt wenigstens so viel, wie ich auch selbst wahrgenommen habe, daß<br />
die gehörige Anwendung der Sublimatauflösung, des Queksilbersalpeters <strong>und</strong> des Arsenikwassers,<br />
so wie in allen übrigen bösartigen W<strong>und</strong>en, so auch zur Reinigung eines<br />
nicht alzuweit gerathenen offenen Krebses die vortreflichsten Mittel sind, deren man<br />
sich je gegen dieses fürchterliche Uebel bedient hat.<br />
Sezt man nun noch die nach der Reinigung der W<strong>und</strong>e nöthigen Digestive <strong>von</strong> der<br />
besten Art <strong>und</strong> den stärkenden Balsam, nebst einem Kerne <strong>von</strong> stärkender innerer <strong>und</strong><br />
äuserlicher Heilung hinzu, ohne die kräftigste Nachkur zu vergessen, so hat man die<br />
50
estmöglichste Heilung jenes furchtbaren Uebels, das man durch eine Unendlichkeit<br />
theils giftiger, theils kindischer, schwächender <strong>und</strong> widersinniger Mittel zu bestreiten,<br />
vergeblich bisher gesucht hat. Das Arsenikwasser habe ich innerlich dabei noch nicht<br />
versucht, scheue mich auch, es zu thun, da mir kräftigere <strong>und</strong> sichere Wege offen stehen.<br />
Ist der Krebs noch nicht zu weit gediehen, so kan man mit dem herlichsten Nuzzen<br />
äuserlich um die W<strong>und</strong>e herum, wo das drüsenartige Fleisch hart, aber noch nicht angegangen<br />
ist, nach meinen besten Erfahrungen Schierlingsextrakt auflegen, nur nichts<br />
da<strong>von</strong> in die W<strong>und</strong>e selbst. So wie überhaupt die Drüsenverhärtungen vor dem Aufbruche<br />
des Krebses selbst durch nichts glüklicher als durch eben dies Extrakt zerstreut<br />
<strong>und</strong> völlig vertheilt werden können.<br />
Ich kan aber diese meine Heilungsart blos in dem Falle für hülfreich ausgeben,<br />
wenn die Verderbnis nicht schon bis zum Tode gewüthet, alles nahe Fleisch bis auf den<br />
Knochen weggefressen, die Säfte des Körpers zur völligen Fäulnis gebracht <strong>und</strong> den<br />
Körper bis aufs äuserste entkräftet haben.<br />
Gliedschwam<br />
Gliedschwam. Gliedschwam 14<br />
Eben so wenig, wie der zu weit gerathne Krebs keine Heilung annimt, so wenig<br />
nimt auch weder der überhandgenommene offene Gliedschwam, noch die alzuweit gediehene<br />
Lungenvereiterung Hülfe an.<br />
Da bei ersterm eine so grose Menge limphatischer Gefäse eitern, daß unabläsig<br />
scharfe Jauche ausgeworfen wird, nicht zu tilgendes schwammiges Fleisch, wie Pilz,<br />
emporschiest, die Knochen der Gelenke, besonders des Knies angefressen sind, <strong>und</strong> die<br />
Kräfte des Körpers wie Wachs wegschmelzen, ohne daß alle Arten <strong>von</strong> sogenanten blutreinigenden<br />
Mitteln oder die beste gewöhnliche Behandlung der W<strong>und</strong>e den geringsten<br />
Damm diesem reisenden Strome entgegen sezzen können, so kan man leicht auf die<br />
Unheilbarkeit dieses Uebels schliesen.<br />
Wenn durch meine oben angegebne Behandlung <strong>a<strong>lte</strong></strong>r W<strong>und</strong>en in diesem Falle<br />
nichts ausgerichtet wird, so wird nichts ausgerichtet.<br />
Der Anfang des Gliedschwams vor dem Ausbruche läst sich besser behandeln.<br />
Die stärkendsten k<strong>a<strong>lte</strong></strong>n Bäder, <strong>und</strong> innere nach der Beschaffenheit des Körpers entweder<br />
blutreinigende Mittel oder stärkende, nebst der behutsamen Einreibung einer<br />
14 Die chronisch beginnende fungöse G. (weiße Gelenkgeschwulst, Gliedschwamm, Tumor albus). Auch<br />
diese Form nimmt ihren Ausgang <strong>von</strong> der weichen Synovialhaut; diese erfährt eine langsame Verdickung<br />
durch Bildung eines schwammigen Granulationsgewebes ohne reichlichere Eiterabsonderung,<br />
ohne Fieber <strong>und</strong> entzündliche Rötung, aber mit weißer, teigiger Schwellung der ganzen Umgebung. Der<br />
Tumor albus ist eine Krankheit jüngerer skrofulöser Personen <strong>und</strong> wird jetzt allgemein als echt tuberkulöse<br />
G. betrachtet. Anatomisch wird das Bild bald recht verwickelt, da sich nach einigem Bestehen der wulstigen<br />
Verdickung der Gelenkmembran der knorpelige Überzug der Gelenkenden beteiligt; er geht zu<br />
Gr<strong>und</strong>e, aus dem bloßgelegten Knochen schießen neue Fleischwärzchen auf, welche mit den Ausfüllungsmassen<br />
der Gelenkhöhle verwachsen <strong>und</strong> Steifigkeit bedingen können oder zur tiefer greifenden<br />
Knocheneiterung (Karies) mit Knochenauftreibung, Nekrose <strong>und</strong> Fistelbildung (Arthrocace) führen. Der<br />
Kräftezustand leidet unter dem Übel beträchtlich, <strong>und</strong> nicht se<strong>lte</strong>n gehen die Kranken an Abzehrung,<br />
Lungenschwindsucht, allgemeiner Tuberkulose oder Speckentartung der Unterleibsdrüsen zu Gr<strong>und</strong>e.<br />
Demnach ist bei der Behandlung das Augenmerk vorwiegend auf die Erhaltung <strong>und</strong> Besserung des<br />
Ernährungszustandes zu richten, Solbäder <strong>und</strong> Waldluft sind bei Kindern besonders <strong>von</strong> Nutzen. Das Gelenk<br />
selbst ist frühzeitig durch Operation <strong>von</strong> den tuberkulös erkrankten Weichteilen zu befreien, bei beginnendem<br />
Knochenfraß (Karies) ist die Resektion vorzunehmen. Gegen die tuberkulösen Fistelbildungen<br />
ist auf dem Chirurgenkongreß 1881 eindringlich die W<strong>und</strong>behandlung mit Jodoform empfohlen<br />
worden. Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig <strong>und</strong> Wien, Vierte Auflage, 1885-1892<br />
51
Queksilbersalbe in das aufgeschwollene Gelenk, oder behutsame Räucherung desselben<br />
mit Zinober oder kochendem Queksilber, so daß nichts da<strong>von</strong> durch den M<strong>und</strong> eingeschlukt,<br />
überhaupt aber so viel wie möglich der Speichelflus vermieden wird, sind die<br />
Dinge, die mir am meisten geglükt sind.<br />
Nur, wenn durch langen Gebrauch dieser Mittel nichts gebessert (welches se<strong>lte</strong>n<br />
der Fall ist), der Körper aber durch die dabei angewandte Behandlung gestärkt <strong>und</strong><br />
kräftiger worden ist, lasse ich einen gelinden, nach Befinden der Umstände verstärkten<br />
Speichelflus angehen, während daß das leidende Glied durch stetes Frottiren zur<br />
Vertheilung der stokkenden Feuchtigkeiten geleitet wird.<br />
Ist der Körper kräftig genug, so kan man auch durch bloses Einreiben der<br />
Queksilbersalbe in das leidende Glied, oder durch bloses fortgeseztes Räuchern dieses<br />
Theils mit Zinober, ohne daß das mindeste durch den M<strong>und</strong> in den Körper kömt, einen<br />
Speichelflus erwekken, ihn aber dann doch nur durch innere Mittel schwächen oder<br />
verstärken, nach Verhältnis des zu erreichenden Endzweks. Ein k<strong>a<strong>lte</strong></strong>s Tropfbad <strong>von</strong><br />
ansehnlicher Höhe, ist die beste Nachkur für das gehei<strong>lte</strong> Glied.<br />
Lungeneiterung, Lungeneiterung, Lungensucht<br />
Lungensucht.<br />
Lungensucht<br />
Eine zu weit gediehene Lungensucht ist eben so wenig zu heilen, wie eine W<strong>und</strong>e<br />
des grosen Pulsaderstammes.<br />
Wer will die zerstörende Lunge ersezzen oder der algemeinen Eiterung in einer<br />
Höhle Einhalt thun, wo, nächst der stetigen fast stets verstärkten Bewegungen der<br />
Brust, <strong>und</strong> der Gewalt der sich durch halb vereiterte, halb vernarbte Gefäse durcharbeitenden<br />
Blutmasse des ganzen Körpers, auch niemand durch unmittelbare Auflegung<br />
einiger Heilmittel einige Hülfe aufbringen kan. Blutstürze, Eiterungen <strong>und</strong> unabläsiges<br />
Fieber schmelzen den Rest der Kräfte vollends weg, den der Husten <strong>und</strong> die<br />
Nachtschweise noch übrig liesen.<br />
Aufenthalt an einem mit Luftsäure 15 angefü<strong>lte</strong>n Orte, einem Keller, wo Wein<br />
<strong>und</strong> Bier in Gährung ist, bis zur Besserung, Einathmung des feinsten Staubes oder<br />
Dampfes der Myrrhe <strong>und</strong> des Weihrauchs oder vielmehr meines heilenden Balsams,<br />
China nebst dem übrigen Heer stärkender Mittel, kräftige Nahrungsmittel <strong>und</strong> Aufheiterung,<br />
wenn diese nichts anrichten, so ists vorbei.<br />
Nur mus die Anwendung der fixen Luft aus gährenden Substanzen so eingeschränkt<br />
werden, daß sie vermindert wird, je nachdem sie dem Kranken unleidlicher fält,<br />
welches oft eine Anzeige der Besserung ist.<br />
Die Einathmung des Staubes oder des Rauchs jener Harze mus so gemildert<br />
werden, daß kein heftiger Husten dadurch entstehet.<br />
Eine starke Abkochung <strong>von</strong> an der Luft getrokneten Weizen- oder Gerstenmalze<br />
mit bittren Pflanzenextrakten versezt, oder auch zuweilen, besonders für ärmere, Buttermilch<br />
als gewöhnliches Getränk, nebst den kräftigen Zugemüsen an Breien, Nudeln<br />
15 Aer sixus, Acidum aereum; eine Gasart, welche häufig in den Kalkerden z.B. der Kreide <strong>und</strong> den milden Laugensalzen angetroffen wird <strong>und</strong> sich<br />
daraus beim Zusatz einer Säure, unter Aufbrausen der Mischung, entwickelt, sonst aber <strong>von</strong> selbst am häufigsten aus weingährungsfähigen Substanzen,<br />
dem Obst- <strong>und</strong> Weinmoste, dem geheften Malzaufgusse usw. Dieses Gas ist schwerer als die andern Luftarten, schmeckt sehr sauer, löscht die Flamme<br />
aus, erstickt eingeathmet alle, am geschwindesten die warmblüthigen Thiere, löst sich in weniger als einem gleichen Umfange k<strong>a<strong>lte</strong></strong>m Wasser langsam<br />
auf, <strong>und</strong> scheidet sich daraus durch Sieden oder gefrieren des Wassers; S. Hahnemann, Apothekerlexikon; Mit der Luftsäure ist Kohlenstoffdioxid,<br />
gelöst im Wasser, gemeint. www.doi.wiley.com/10.1002/ckon.200510019<br />
52
<strong>und</strong> Suppen blos mit wenig gesalzener Butter oder mit Tauben- Hüner- Kalbs- oder<br />
Rindfleischbrühe zubereitet, ohne sonstige Gewürze, ausser Zimt <strong>und</strong> Zimtblumen, sind<br />
die Nahrungsmittel, die ihnen am besten dienen, <strong>und</strong> dann angemesne k<strong>a<strong>lte</strong></strong> Bäder.<br />
Ist die Eiterung anfänglich, so thun diese Dinge alles was man nur <strong>von</strong> ihnen<br />
verlangen kan. Ist nun noch überdies die vereiterte Stelle der Lunge nach auswärts zu,<br />
nahe an den Brustmuskeln, so dient ein auf der ausgef<strong>und</strong>enen Stelle angebrachtes<br />
Harseilmesser eine ziemlich grose, bis zur innern Heilung offen zu lassende W<strong>und</strong>e,<br />
mehr aber noch als alles dies, wenn die Eiterung genau an einer gewissen Stelle unter<br />
den Brustmuskeln merkbar ist, die Eröfnung dieser Stelle durch den Schnitt, mit gehöriger<br />
Schonung der Ribbenpulsadern, <strong>und</strong> die Behandlung dieser W<strong>und</strong>e wie eines<br />
<strong>a<strong>lte</strong></strong>n <strong>faule</strong>n Geschwürs, zu aller Absicht, wobei aber vorzüglich die Stärkung des Körpers<br />
nicht zu versäumen ist.<br />
Mit andern sonst so gewöhnlichen Mitteln befasse man sich in diesem Falle<br />
durchaus nicht, wenn man den Kranken nicht früher, als natürlich ins Grab liefern will.<br />
Von der Art sind der Gebrauch der gehäuften Aderlässe <strong>und</strong> Abführungen, der Rokkensprossen,<br />
der Hopfenkeimchen, der ausgepresten Kräutersäfte <strong>und</strong> selbst der Ziegenmolken<br />
oder Ges<strong>und</strong>brunnen. Die Säfte werden hiedurch aufgelöst, die guten mit<br />
den bösen ausgeführt, das Uebel vermehrt sich, <strong>und</strong> die Kräfte schwinden unwiederbringlich.<br />
Wenn das Geschwür der Lungen einzeln klein oder wohl gar nach aussen zu schon<br />
geöfnet ist, auch die Kräfte des Kranken noch nicht dahin sind, so säume man nicht,<br />
ohne Bedenken <strong>und</strong> mit gewisser Zuversicht eines glüklichen Erfolgs, einen Speichelflus<br />
zu veranst<strong>a<strong>lte</strong></strong>n, zugleich eine äusere W<strong>und</strong>e in der Gegend des innern Eiterbeutels<br />
offen zu erh<strong>a<strong>lte</strong></strong>n, jenen balsamischen Rauch einathmen zu lassen, mit Luftsäure<br />
das Krankenzimmer anzufüllen, <strong>und</strong> nach der Heilung vorzüglich die kräftigst stärkende<br />
Nachkur nicht zu verabsäumen, um das Uebel aus der Wurzel <strong>und</strong> auf immer zu heben.<br />
Wie gut wäre es, wenn die senegalische Kreuzblume in der Lungeneiterung wirklich<br />
die Dienste leistete, die Collin in Wien an ihr gef<strong>und</strong>en zu haben in seinen Annalen<br />
höchlich versichert, dann würden wir sogar ähnliche Kräfte in unsrer Kreuzblume suchen<br />
dürfen. Ich bedaure nur, daß dieser Herr bei seinen Beobachtungen so wenig Zeit<br />
hatte <strong>und</strong> nur zweimal die Woche zwei bis dritthalb St<strong>und</strong>en abmüsigen konte, sein abgelegenes,<br />
angefü<strong>lte</strong>s Krankenhaus durchzugehen, zwischen welcher zeit ich oft einige<br />
<strong>von</strong> dem Ruhme seiner Arzneien verschiedne Wirkungen bemerkte. Wenn nur wenigstens<br />
die Wurzel aus Senegal so kräftig sich erweisen so<strong>lte</strong>, wir wol<strong>lte</strong>n uns um das<br />
andre wohl trösten.<br />
Auf ähnliche Art kan man andere innerliche Geschwüre, die oft so unglüklich behandelt<br />
werden, heilen, nur mit den bei der Lungen Eiterung angeführten, treulich angewandten<br />
Kautelen.<br />
Der innere Gebrauch des peruanischen Balsams erfordert Vorsicht <strong>und</strong> ist se<strong>lte</strong>n<br />
anwendbar, mit mehrerm, Rechte bediene ich mich meines heilenden Balsams, wenn<br />
noch irgend etwas auszurichten ist.<br />
53
Schlus Schlus. Schlus<br />
Man wird mir nicht verargen, daß ich auf eine so algemein anwendbare Heilung<br />
der <strong>a<strong>lte</strong></strong>n bösartigen Geschwüre dringe, <strong>und</strong> sie allen übrigen, doch mit Einschränkung,<br />
vorziehe, die ausgesuchtesten, gehäuftesten Erfarungen sind auf meiner Seite. Wer so<br />
viel Beobachtungen in diesem Falle anzustellen Gelegenheit gehabt hat, als ich, wer sich<br />
so <strong>von</strong> dem Wohlseyn seiner Nebenmenschen dahinziehn <strong>und</strong> bestimmen läst, wie ich<br />
<strong>von</strong> mir fühle, wer so sehr die Vorurtheile <strong>und</strong> die Vorliebe für das A<strong>lte</strong> oder neuere,<br />
oder überhaupt für das Ansehn irgend eines grosen Namens hasset <strong>und</strong> sich so eifrig<br />
bestrebt, selbst zu denken <strong>und</strong> zu handeln, wie ich dies Zeugnis bei mir fühle, der kan<br />
wie mich deucht nicht leicht auf eine andere oder bessere Behandlung <strong>a<strong>lte</strong></strong>r Geschwüre<br />
kommen, kan folglich mit mir auch vorzügliche Erfolge seines Fleises sehn, die gröste<br />
unter den Belohnungen, die ein rechtschafner Arzt erwarten darf, Erfolge, die mir fast<br />
nie trügen, da sie vor Andern hingegen bei andrer Behandlung fast stets verschwanden.<br />
Ich suche durch diese Abhandlung nicht den Ruhm irgend einer Erfindung, meine<br />
angeführten Mittel sind schon erprobte Dinge, <strong>und</strong> selbst mein heilender Balsam hat<br />
blos in seiner Zusammensezzung <strong>und</strong> in der Wahl seiner Ingredienzen etwas besonders.<br />
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