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Fortschritte der Homöopathie - Kathrin-von-basse.de

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<strong>Fortschritte</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Homöopathie</strong><br />

in Lehre und Praxis<br />

Frem<strong>de</strong> und eigene Beiträge<br />

<strong>von</strong><br />

E. Schlegel<br />

Arzt in Tübingen<br />

Nebst Anhang:<br />

Mo<strong><strong>de</strong>r</strong>ne Bewegungen in <strong><strong>de</strong>r</strong> Ophthalmologie<br />

1928


Inhalt<br />

Inhalt .......................................................................................................................................................... 2<br />

Vorwort ...................................................................................................................................................... 3<br />

Vorwort <strong>de</strong>s Kopisten............................................................................................................................... 3<br />

Autohämie nach D r . R o g e r s in Chicago ........................................................................................ 4<br />

Abhandlung <strong>von</strong> D r . W h e e l e r über eine neue Theorie <strong><strong>de</strong>r</strong> chronischen Krankheiten........ 10<br />

Die autogenen Vakzine und ihre Beziehung zu chronischer Krankheit......................................... 22<br />

„Welche Unterlagen gibt es, um zu beweisen, daß Arzneimittel die natürlichen<br />

Heilungsvorgänge unterstützen?“....................................................................................................... 32<br />

Anhang - Mo<strong><strong>de</strong>r</strong>ne Bewegungen in <strong><strong>de</strong>r</strong> Augenheilkun<strong>de</strong>............................................................. 41<br />

2


Vorwort<br />

Der Titel dieses kleinen Buches ist versprechend: F o r t s c h r i t t e d e r<br />

H o m ö o p a t h i e . Viele wer<strong>de</strong>n da zuerst an die Ausbreitung <strong><strong>de</strong>r</strong> Hahnemannschen Lehre<br />

und Praxis <strong>de</strong>nken, daß wir in <strong><strong>de</strong>r</strong> ganzen Welt und in Deutschland weitere Berufsgenossen<br />

gefun<strong>de</strong>n haben, die sich mit <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Homöopathie</strong> befreun<strong>de</strong>ten und sie ausüben, ferner, daß<br />

Professor A. Bier sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Sache zugewandt habe und daß sie dadurch be<strong>de</strong>utend<br />

gewonnen habe. Doch, diese Umstän<strong>de</strong> schweben <strong>de</strong>m Verfasser nicht vor. Es ist wahr, daß<br />

allmählich mehr Aerzte für Hahnemann gewonnen wur<strong>de</strong>n, auch haben sich in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Oeffentlichkeit verbreiteter Blätter Kontroversen vollzogen, bei welchen hervorragen<strong>de</strong><br />

Physiker, Chemiker und Aerzte sich auf das Eis <strong><strong>de</strong>r</strong> Grenzgebiete gewagt haben und<br />

insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e A u g u s t B i e r hat das Verdienst, nicht allein die homöopathischen Grundsätze<br />

für <strong><strong>de</strong>r</strong>en Wirkungsbereich anerkannt zu haben son<strong><strong>de</strong>r</strong>n er tat mehr. Er trat selbst bereichernd<br />

für die <strong>Homöopathie</strong> ein und fand im A e t h e r , <strong>de</strong>n er vor <strong><strong>de</strong>r</strong> Narkose vorbeugend gegen<br />

Bronchitis anwandte, ein wertvolles Mittel auf Grund <strong><strong>de</strong>r</strong> homöopathischen Gedankengänge.<br />

Jedoch dies alles hätte <strong>de</strong>n Herausgeber nicht veranlaßt, in großzügiger Ankündigung <strong>von</strong><br />

<strong>Fortschritte</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Homöopathie</strong> zu re<strong>de</strong>n. Es waren vielmehr die Anregungen <strong>de</strong>s Londoner<br />

Weltkongresses, Juli 1927, die ihn bestimmten, gegenwärtige Veröffentlichungen zu wagen,<br />

weil er bemerkte, daß aus <strong>de</strong>m Schoße <strong><strong>de</strong>r</strong> Hahnemannschen Lehren selbst soviel Neues und<br />

Entwicklungsfähiges erwachsen war, daß es sich lohnte, darauf hinzuweisen. Er geht hier nicht<br />

darauf ein, daß gemäß <strong>de</strong>n alten Grundsätzen mit Mut und Tatkraft an schwere<br />

Krankheitszustän<strong>de</strong>, wie Krebs 1 , herangetreten wird. Er durfte dort in London eine kräftige<br />

Unterstützung seiner eigenen Bestrebungen durch die selbständige Tätigkeit englischer<br />

Kollegen erfahren. - Nein, dies ist es immer noch nicht, was bestimmend war für <strong>de</strong>n<br />

Ueberblick, <strong>de</strong>n ich hier geben will; es ist vielmehr das Schmie<strong>de</strong>n neuer Waffen, neuer<br />

Heilmittel, daß ihm verheißungsvoll entgegentrat und welches seitens <strong><strong>de</strong>r</strong> homöopathischen<br />

Kollegen <strong>von</strong> ausgezeichneter wissenschaftlicher Einsicht getragen wird. Demnach ist es Zeit,<br />

hierauf aufmerksam zu machen; dazu kommt, daß ich selbst einige theoretische Arbeiten<br />

anzubieten habe, welche im zum Teil in <strong>de</strong>n Text verflechte und dann noch am Schlusse<br />

anbringe. -<br />

Man könnte <strong>von</strong> einem allmählichen Heraufarbeiten <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Homöopathie</strong> in <strong>de</strong>n letzten<br />

50 Jahren re<strong>de</strong>n und es gäbe dies ein fruchtbares Thema für <strong>de</strong>n Geschichtsschreiber einer<br />

etwas späteren Zeit. Ich bin glücklich, daß das Geburtsland Hahnemanns, daß unser<br />

Deutschland sich daran in erfolgreicher Weise beteiligt hat, als für jetzt allgemein eingesehen<br />

wer<strong>de</strong>n kann. Das wird sich später noch mehr herausstellen, als wir es jetzt wahrnehmen.<br />

Doch für heut beabsichtige ich die Aufmerksamkeit auf zwei Werke englischer bzw.<br />

amerikanischer Herkunft zu lenken, die <strong>de</strong>m praktischen und theoretischen Fortschritt gerecht<br />

wer<strong>de</strong>n und berufen erscheinen, Kranke erfolgreich zu för<strong><strong>de</strong>r</strong>n und <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Homöopathie</strong><br />

Freun<strong>de</strong> zuzuführen.<br />

Vorwort <strong>de</strong>s Kopisten<br />

In <strong><strong>de</strong>r</strong> Hoffnung, daß dieses Buch <strong>de</strong>n heutigen Homöopathen Einblicke in die Arbeit<br />

Schlegels und vor allem Bachs verschafft, habe ich mich an die Aufgabe gemacht, das Werk<br />

zu kopieren.<br />

Alle Schreibweisen <strong>de</strong>s Originals <strong>von</strong> 1928 sind übernommen wor<strong>de</strong>n außer einem<br />

Absatzfehler.<br />

Die I<strong>de</strong>e Schlegels, in einem Buch homöopathische und an<strong><strong>de</strong>r</strong>e ungewöhnliche<br />

Heilmetho<strong>de</strong>n zusammenzufassen, hat mich fasziniert und zeigt, daß auch <strong><strong>de</strong>r</strong> gestan<strong>de</strong>ne<br />

Homöopath neue Wege zur Heilung beschreiten kann, wenn sie <strong>de</strong>m homöopathischen<br />

Gedanken nicht wi<strong><strong>de</strong>r</strong>sprechen.<br />

1 S. m. Buch „Die Krebskrankheit“, Stuttgart, Hippokratesverlag, 1927.<br />

Zu <strong>de</strong>m zweiten Hauptabschnitt über die patholog. und therapeut. Be<strong>de</strong>utung <strong><strong>de</strong>r</strong> Darmflora erlaube ich mir hier<br />

vorn die Bemerkung, daß ich die <strong>von</strong> einem an<strong><strong>de</strong>r</strong>n Gesichtspunkt ausgehen<strong>de</strong>n Arbeiten <strong>de</strong>s physiol. Chemikers Dr.<br />

Kusserow (Gärungsinstitut Sachsenhausen, Mark) ebenfalls für wichtig halte.<br />

3


Autohämie nach D r . R o g e r s in Chicago<br />

In einem amerikanischen Buche „Auto-Hemic-Therapy Science. L. D. Rogers, M. D.“ 3.<br />

Auflage. Auto-h.-Th. Foundation press. Chicago, 1922 fin<strong>de</strong>n wir wissenschaftliche<br />

Grundlagen und Erfolge genug, um es als eine Art Markstein im Gebiete <strong><strong>de</strong>r</strong> Therapie zu<br />

betrachten. Zwar kann <strong><strong>de</strong>r</strong> Autor nur <strong>von</strong> sich sagen, daß er die wissenschaftlichen Arbeiten<br />

an<strong><strong>de</strong>r</strong>er zusammengestellt und wie Blumen zu einem Kranze gewun<strong>de</strong>n habe; er hat dies<br />

aber mit weitem sachverständigem Blick auf <strong>de</strong>m Wege langer Studien getan, so daß seine<br />

Arbeit wirklich etwas Umfassen<strong>de</strong>s ist und be<strong>de</strong>utet.<br />

Die Auto-Hemic-Therapy besteht darin, daß <strong>de</strong>n Patienten einige Tropfen Blut<br />

entnommen wer<strong>de</strong>n, die einer Bebrütung und Verdünnung unterworfen wer<strong>de</strong>n, um dann<br />

nach einem Tag <strong>de</strong>mselben Individuum wie<strong><strong>de</strong>r</strong> eingespritzt zu wer<strong>de</strong>n. Die Erfolge sollen bei<br />

chronisch Kranken leiblicher und geistiger Art ganz hervorragend sein. Lei<strong><strong>de</strong>r</strong> ist im Buch<br />

nirgends die genaue technische Prozedur angegeben; vielleicht macht <strong><strong>de</strong>r</strong> Verfasser diese<br />

Mitteilung <strong>von</strong> einem beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en Honorar abhängig, wie in Amerika üblich.<br />

Das Problem dieser Therapie ist theoretisch so ergiebig, daß wir uns weithin darüber<br />

verbreiten könnten, und es wür<strong>de</strong> sich lohnen <strong>von</strong> <strong>de</strong>m Gesichtspunkt aus, daß die<br />

Autohämiebehandlung schon ziemlich bekannt ist und auch bei uns geübt wird, wohl nicht<br />

immer zusammenhängend mit <strong><strong>de</strong>r</strong> speziellen Rogers Metho<strong>de</strong>; es versteht sich ja, daß die<br />

Erfolge <strong><strong>de</strong>r</strong> Reizkörpertherapie und die Beobachtungen einer ganz urwüchsigen<br />

Autohämiebehandlung, wie sie gelegentlich Wahrnehmungen nach subkutanen o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

an<strong><strong>de</strong>r</strong>n Verletzungen entstammen kann, diesen therapeutischen Kunstgriff nahe legen. Wir<br />

wollen uns bei <strong>de</strong>n sich aufdrängen<strong>de</strong>n isopathischen und homöopathischen<br />

Gedankengängen nicht aufhalten, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n kurz auf die Darlegung <strong>von</strong> Rogers eingehen,<br />

weil gera<strong>de</strong> sie nicht nur <strong>von</strong> allgemein wissenschaftlichem Geiste getragen sind, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />

auch Verständnis für die <strong>Homöopathie</strong> haben. Der Autor war auf unserem Londoner Kongreß<br />

1927 persönlich anwesend. Er versichert zunächst, daß je<strong><strong>de</strong>r</strong>mann seine eigene Apotheke mit<br />

sich herumtrage - i n s e i n e m B l u t e . Mit dieser Apotheke läßt sich viel ausrichten; sogar<br />

angeborene Defekte, geistig und körperlich, lassen sich um volle 50% vermin<strong><strong>de</strong>r</strong>n durch<br />

Vorbehandlung <strong><strong>de</strong>r</strong> Mutter und <strong>de</strong>m Kin<strong>de</strong> können in vielen Fällen 25% mehr Resistenz- und<br />

Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>standsfähigkeit mitgegeben wer<strong>de</strong>n. Wenn auch diese Abschätzungen amerikanisch<br />

anmuten, wo wollen wir doch <strong>de</strong>m Autor, <strong><strong>de</strong>r</strong> zweifellos viele Erfolge gesehen hat, das Recht<br />

nicht bestreiten, sie <strong><strong>de</strong>r</strong>art zu bestimmen.<br />

Die wissenschaftliche Auseinan<strong><strong>de</strong>r</strong>setzung ist sehr eingehend und beschäftig sich<br />

beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s mit <strong>de</strong>n Eigenschaften <strong>de</strong>s Proteins, o<strong><strong>de</strong>r</strong> Eiweißes, <strong>de</strong>m kolloidalen Stoff, <strong>de</strong>ssen<br />

individuelle Eigenart im menschlichen Organismus eine so entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> pathologische Rolle<br />

spielen kann, bekanntlich hochkomplizierte Stoffe, <strong><strong>de</strong>r</strong>en Abbau (in <strong>de</strong>n Nahrungsmitteln)<br />

und <strong><strong>de</strong>r</strong>en erneuter Aufbau in <strong>de</strong>n verdauen<strong>de</strong>n Organismen eine Hauptbetätigung <strong>de</strong>s<br />

Lebens darstellt.<br />

Wie bekannt, wird das sehr große Eiweißmolekül bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Verdauung aufgespalten,<br />

zuerst in Peptone und sodann in weitere Stufen, zuletzt in Aminosäuren, die alle Karboxyl<br />

enthalten, sonst aber stark verschie<strong>de</strong>n zusammengesetzt sind. Sie sind Krystalloi<strong>de</strong> und<br />

können unter <strong>de</strong>m Mikroskop i<strong>de</strong>ntifiziert wer<strong>de</strong>n. Sie haben sehr verschie<strong>de</strong>ne Funktionen in<br />

Ernährungs- und Wachstumsfähigkeit. Hier fin<strong>de</strong>n sie ihren Platz als Bausteine; gelangen aber<br />

ihre Vorstufen, nämlich Peptone o<strong><strong>de</strong>r</strong> Polypepti<strong>de</strong>, in die Zirkulation, so wird <strong><strong>de</strong>r</strong> ganze Betrieb<br />

gestört und kann unter Umstän<strong>de</strong>n in schwerster akutester Weise erkranken. Aber auch<br />

chronische Zustän<strong>de</strong> können durch das Eintreten unvollständig verdauten Proteins in die<br />

Zirkulation verursacht wer<strong>de</strong>n: man kennt diese Krankheiten als Ekzeme, Psoriasis, Asthma,<br />

Heufieber. Unter <strong>de</strong>n akuten Krankheiten sind die gewöhnliche Indigestion, Kopfschmerzen,<br />

Ptomainvergiftungen, Autointoxikationen. Nur die Aminosäuren sind zulässig; ihr Ueberfluß<br />

wird vorerst in Leber und Muskeln aufgespeichert. Aus <strong>de</strong>n Aminosäuren baut sich wie<strong><strong>de</strong>r</strong> das<br />

Protein auf; aus 18 Einheiten jener Säuren können Billionen verschie<strong>de</strong>ner und individuell<br />

verschie<strong>de</strong>ner Eiweißarten hervorgehen. Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s haben die Arten <strong><strong>de</strong>r</strong> Lebewesen<br />

beträchtlich viele verschie<strong>de</strong>ne Proteine, so daß dieselben fremdartige bleiben, wenn sie<br />

andren Arten einverleibt wer<strong>de</strong>n, ohne auf <strong>de</strong>m Dauungswege vorher abgebaut wor<strong>de</strong>n zu<br />

sein. Es ist nun ein wichtiges Lebensgesetz, daß in <strong>de</strong>n Kreislauf gekommenes (injiziertes)<br />

frem<strong>de</strong>s Protein zu Bildung eines Ferments anreizt, welches genau jene Art frem<strong>de</strong>s Protein<br />

verdaut, d. h. abbaut. Je<strong>de</strong> andre Art wird da<strong>von</strong> nicht bewältigt. Hühnerblut wird also im<br />

4


Kaninchen ein Ferment herausfor<strong><strong>de</strong>r</strong>n, welches nur wie<strong><strong>de</strong>r</strong> Hühnerblut abbaut. Weitere<br />

Beobachtungen, die sich hier anschließen, zeigen unvermutete Folgen dieser Spezifität. Wird<br />

ein Bruchteil <strong>von</strong> einem Tropfen Pfer<strong>de</strong>blut einem Meerschweinchen eingespritzt, so erzeugt<br />

er Fermente, die Pfer<strong>de</strong>blut abbauen, eine Eigenschaft, die in 10 - 12 Tagen ihren Höhepunkt<br />

erreicht hat. Wird nun - wie<strong><strong>de</strong>r</strong> einige Tage später - eine zweite kleine Dosis Pfer<strong>de</strong>blut<br />

eingespritzt, so geht das Meerschweinchen meist in einer halben Stun<strong>de</strong> mit Tod ab. Man<br />

nimmt an, daß durch das vorhan<strong>de</strong>ne Ferment zu massenhaft Gifte befreit wur<strong>de</strong>n, welche<br />

im fremdartigen Eiweiß gebun<strong>de</strong>n sind. Sobald diese durch <strong>de</strong>n Abbauvorgang aus <strong>de</strong>m<br />

früheren Verband heraustreten, wird es gewissermaßen zum Wildtier, da sich vom Käfig frei<br />

fühlt. Auch die eigenen (nicht bloß die artfrem<strong>de</strong>n) Spaltstücke <strong>de</strong>s Protein können zu Giften<br />

wer<strong>de</strong>n, sobald unser Eiweiß durch Hitze, chemische o<strong><strong>de</strong>r</strong> bakterielle Einwirkung abnorm<br />

gewor<strong>de</strong>n ist. Es verhält sich dann als frem<strong>de</strong>s Protein und kann ebenfalls Fermente<br />

hervorrufen, welche bestimmt sind, die Substanzen wie<strong><strong>de</strong>r</strong> zu bewältigen, die es hervorriefen,<br />

und k e i n e a n d e r e n .<br />

Dieser Gedanke <strong><strong>de</strong>r</strong> Spezifität muß festgehalten wer<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>nn an ihn appelliert das<br />

Verständnis, wenn wir diese Vorgänge im Licht <strong><strong>de</strong>r</strong> Isopathie und <strong>Homöopathie</strong> ausnützen<br />

wollen. Alles schlechte und kranke Eiweiß ist eigentlich frem<strong>de</strong>s Eiweiß und wir sehen nun<br />

schon, wie die Natur arbeitet, um ihm beizukommen: sie ist so eingerichtet, daß die bloße<br />

Anwesenheit Abbaufermente herausfor<strong><strong>de</strong>r</strong>t. Demnach ist unser innerer Organismus stets an<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeit, in beson<strong><strong>de</strong>r</strong>er Weise seine Störungen, welche sich schließlich im<br />

Proteinstoffwechsel materialisieren müssen, wie<strong><strong>de</strong>r</strong> zu beseitigen. Die “innere Apotheke“, wie<br />

das <strong>von</strong> P a r a c e l s u s vorwegnehmend schon genannt wur<strong>de</strong>, ist eine Einrichtung, welche<br />

einen ganzen Organismus und beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s auch <strong>de</strong>ssen innere Sekretion in Dienst stellt, um,<br />

je<strong><strong>de</strong>r</strong>zeit in spezifischer Weise abzuhelfen und das Leben wie<strong><strong>de</strong>r</strong> gesundheitlich freizustellen.<br />

Es gibt nun sehr verschie<strong>de</strong>ne Metho<strong>de</strong>n, dieses chemische Spiel im Interesse <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Gesundwerdung zu erhöhen; so liegt es nahe, die Reizkörpertherapie hier anzuführen, welche<br />

entwe<strong><strong>de</strong>r</strong> frem<strong>de</strong>s Eiweiß, Z. B. Kasein, o<strong><strong>de</strong>r</strong> auch chemische Elemente, die an allen<br />

Eiweißmolekülen anklopfen, wie Schwefel, o<strong><strong>de</strong>r</strong> Kieseler<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n Kreislauf zu bringen. Dieses<br />

Verfahren erregt Tumult, Fieber und verstärkte Abwehr <strong>de</strong>s Organismus; die Aufgabe wäre<br />

aber, unter Schonung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kräfte nur das beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>liche, das Spezifische zu tun und<br />

nicht eine allgemeine Revolution zu machen. Da fügt sich nun gleich die<br />

H a h n e m a n n s c h e <strong>Homöopathie</strong> ein: sie benützt das Naturbild <strong>de</strong>s gesamten<br />

Krankheitszustan<strong>de</strong>s, um eine Energie ausfindig zu machen, welche die Abwehr genau und<br />

sparsam nach <strong>de</strong>m Bedürfnis <strong><strong>de</strong>r</strong> energetischen Lage gestaltet. Mit an<strong><strong>de</strong>r</strong>n Worten: sie erregt<br />

<strong>de</strong>n Kranken noch einmal genau mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Affinität <strong><strong>de</strong>r</strong> gera<strong>de</strong> wirksamen Störungsursache und<br />

trifft damit diejenige Einrichtung, welche das abbauen<strong>de</strong> Ferment schafft, das hier<br />

notwendig ist. So paßt sich das Verständnis <strong><strong>de</strong>r</strong> Ähnlichkeitsbeziehung auch dieser<br />

naturwissenschaftlichen Betrachtung an, wie sie <strong>de</strong>nn überall zu Hause ist, wo<br />

zusammenhängen<strong>de</strong> Beobachtungen über Gesundheit und Krankheit gemacht wer<strong>de</strong>n.<br />

Nun ist es auch klar, wie die Autohämie unter diesem Gesichtspunkt wirkt: Die<br />

Erhöhung und Verdünnung <strong>de</strong>s Stoffes (<strong>de</strong>s Eigenblutes) wird <strong>von</strong> Rogers dazu benutzt, die<br />

Wirksamkeit zu steigern. Er macht sich dadurch die Ent<strong>de</strong>ckung Hahnemanns pflichtig. Er führt<br />

unter dieser höheren Ausbildung <strong>de</strong>s Verfahrens die Fermente <strong>de</strong>s Blutes wie<strong><strong>de</strong>r</strong> in <strong>de</strong>n<br />

gleichen Organismus ein und nicht nur die gera<strong>de</strong> angemessenen Fermente, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch<br />

die Proteinarten falscher Geltung, welche die Fermente spezifisch herausfor<strong><strong>de</strong>r</strong>n, so daß eine<br />

Gewähr besteht <strong>de</strong>s Zusammenhangs dieser Therapie mit <strong>de</strong>n erwiesenen Gesetzen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Physiologie und Pathologie auf <strong>de</strong>n genannten Gebieten. Rogers leistet aber auf <strong><strong>de</strong>r</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />

Seite auch <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Homöopathie</strong> Hahnemanns einen großen Dienst: er <strong>de</strong>monstriert eine nahe<br />

liegen<strong>de</strong> therapeutische Ableitung <strong><strong>de</strong>r</strong> Aehnlichkeitsbeziehung durch Erfolge und durch<br />

Ausbildung einer brauchbaren Heilmetho<strong>de</strong>.<br />

O<strong><strong>de</strong>r</strong> sollten wir die letztere ohne Umstän<strong>de</strong> als isopathisch bezeichnen? In Wahrheit<br />

hat keine an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Abart <strong><strong>de</strong>r</strong> Therapie mehr Anspruch auf diese Feststellung. Hier wird - um es<br />

ohne beirren<strong>de</strong> Abstraktionen zu sagen - genau d a s s e l b e Leben wie<strong><strong>de</strong>r</strong> eingesetzt, um ein<br />

abgeirrtes Leben zurechtzubringen. Die Kombination beabsichtigt keine Aen<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s<br />

entnommenen Blutes, nur eine erhöhte Agilität und so wird es wie<strong><strong>de</strong>r</strong> transplantiert und<br />

vermag edlere Frucht zu bringen, als zuvor. Wir wollen uns nicht auf Spitzfindigkeiten einlassen,<br />

sonst könnte man feststellen, daß <strong><strong>de</strong>r</strong>selbe Mann nicht zweimal in <strong>de</strong>n gleichen Strom steigen<br />

kann: das Blut <strong>von</strong> gestern wäre also nicht mehr dasselbe, wie das heutige, wo es erneut<br />

5


injiziert wird; die Metho<strong>de</strong> sei also keine Isopathie, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n sie arbeite nur mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Aehnlichkeit,<br />

sie sei homöopathisch. Nun gut, wir treiben keinen Dogmatismus; bei<strong>de</strong> Auffassungen sollen<br />

recht haben; je<strong>de</strong>nfalls ist sie aber individuell und spezifisch; sie erfüllt die strengsten<br />

Anfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen, wenn wir nur zugeben, daß Aehnlichkeitstherapie sich auch in an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Weise<br />

auswirke, als ursprünglich <strong>von</strong> Hahnemann geplant und erfaßt wur<strong>de</strong>. Wir dürfen nicht<br />

zweifeln, daß das Blut auch wirklich die ihm in <strong><strong>de</strong>r</strong> Metho<strong>de</strong> gewor<strong>de</strong>ne Aufgabe erfüllen<br />

könne. Je<strong>de</strong>s Blutkörperchen, in Wahrheit je<strong>de</strong> leben<strong>de</strong> Zelle <strong>de</strong>s tierischen Organismus hat<br />

ein Ferment, o<strong><strong>de</strong>r</strong> Enzym, welches nur auf die Gelegenheit wartet, das Protein <strong><strong>de</strong>r</strong> Zelle zu<br />

verdauen. In allen Fällen <strong>von</strong> schwerer Zellschädigung haben jene Stoffe die Aufgabe, mit<br />

<strong>de</strong>n Trümmern aufzuräumen und sie sind es z. B., welche die Lungen nach einer Pneumonie<br />

wie<strong><strong>de</strong>r</strong> klären.<br />

Haben wir schon bei <strong><strong>de</strong>r</strong> einfacheren Metho<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Autohämie, wie sie auch in<br />

Deutschland vielfach geübt wird, z. B. <strong>von</strong> Geh.-Rat N o u r n e y und an<strong><strong>de</strong>r</strong>en, die sie bei fast<br />

allen Krankheiten, zumal auch <strong>de</strong>n venerischen, anwen<strong>de</strong>n, ganz zweifellose Heilerfolge, so<br />

dürften sich diese bei Rogers wesentlich erhöhen.<br />

Gera<strong>de</strong> während dieser Aufsatz geschrieben wird, fin<strong>de</strong> ich in Nr. 46 <strong><strong>de</strong>r</strong> Med. Welt<br />

1927 eine Mitteilung über Autohämotherapie bei S c h i z o p h r e n i e , wobei in 71 Fällen eine<br />

gröbliche Metho<strong>de</strong> mit öfteren massenhaften Einspritzungen versucht wur<strong>de</strong>; die Injektionen<br />

wur<strong>de</strong>n je<strong>de</strong>n dritten Tag ausgeführt. Da Rogers nur kleine Teile eines Tropfens zurück gibt und<br />

erst nach Monaten w i e d e r h o l t , so erblicke ich in diesen Gegensätzen die Auffor<strong><strong>de</strong>r</strong>ung,<br />

diese Therapie sorgfältig auf ihre Feinheit auszubil<strong>de</strong>n und beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s auch die Anregungen<br />

<strong>de</strong>s Organismus nicht unnötig zu wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holen, was nur eine Störung <strong><strong>de</strong>r</strong> biologischen<br />

Gesetzmäßigkeiten zur Folge haben könnte. Ich hoffe, daß diese kurze Darstellung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

praktischen und theoretischen Linien jener Therapie manchen Kollegen zum Versuche<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong>selben auffor<strong><strong>de</strong>r</strong>n wer<strong>de</strong>n.<br />

Wir könnten nun dieses Thema unserer Betrachtungen verlassen: das Buch <strong>von</strong> Rogers<br />

bietet aber noch viel Interessantes, daß ich nicht ermangeln möchte, noch mehreres <strong>von</strong> rein<br />

wissenschaftlichem Interesse anzuführen.<br />

Protein ist <strong><strong>de</strong>r</strong> einzige N-haltige Bestandteil unserer Nahrung. Das Molekulargewicht<br />

<strong>de</strong>s Eiweißes bewegt sich etwa zwischen 10.000 und 17.000. Die einfachste Formel, die aus<br />

Analysen berechnet wur<strong>de</strong>, gilt für Oxyhämoglobin und lautet auf C658H1181N207S2Fe210. Von<br />

Amerikanern hat Prof. L o e b in Chicago an solchen Forschungen aktiven Anteil genommen;<br />

im übrigen beruhen sie auf <strong>de</strong>n Arbeiten <strong>von</strong> E m i l F i s c h e r in Berlin. - Die wichtigste Klasse<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Dekompositionsprodukte <strong>de</strong>s Eiweißes sind die Aminosäuren. Ihre Eigenschaften hängen<br />

ab <strong>von</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Anwesenheit <strong><strong>de</strong>r</strong> COOH- und <strong><strong>de</strong>r</strong> NH2-Gruppe. Trotz größter Verschie<strong>de</strong>nheit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Proteinarten sind die primären Abbauprodukte stets die gleichen. Diese Bausteine wer<strong>de</strong>n<br />

wie<strong><strong>de</strong>r</strong> zusammengesetzt in <strong>de</strong>n Zellen <strong>de</strong>s aufbauen<strong>de</strong>n Organismus, um hier das<br />

angemessene neue Protein zu bil<strong>de</strong>n; sie sind <strong>de</strong>mnach <strong>von</strong> erster Wichtigkeit im tierischen<br />

Haushalt. Chemisch verhalten sie sich zum Eiweißmolekül wie die Dextrine zur Stärke. Letztere<br />

spaltet sich ähnlich auf und erzeugt in <strong><strong>de</strong>r</strong> Hydrolyse verschie<strong>de</strong>ne Zuckerarten (bekanntlich<br />

alles stickstofffreie Stoffe im Gegensatz zum Protein). Aus <strong>de</strong>n Aminosäuren wer<strong>de</strong>n beim<br />

Ernährungsvorgang die Pepti<strong>de</strong> aufgebaut, die schon <strong>de</strong>m komplexen Eiweiß näher stehen.<br />

Während die Aminosäuren noch kristallinische Körper sind, die leicht durch Membrane<br />

gehen, wer<strong>de</strong>n die höheren Stufen schwerer diffusibel und ausgesprochen kolloid. Künstliche<br />

Zusammensetzungen bis 18 Aminosäuren wur<strong>de</strong>n <strong>von</strong> E. Fischer erhalten und das Produkt<br />

zeigte schon stark Annäherung an das natürliche Eiweiß. Der A b b a u <strong><strong>de</strong>r</strong> Aminosäuren im<br />

Organismus geht über das Ammoniakstadium, wo durch Kohlensäure ein neutrales Salz<br />

gebil<strong>de</strong>t wird, das in Harnstoff übergeht; <strong><strong>de</strong>r</strong> geringere Anteil <strong>von</strong> Chlorammonium wird<br />

ebenfalls mit <strong>de</strong>m Urin ausgeschie<strong>de</strong>n. Im Eiweißmolekül sind Aminosäuren mit einem Nukleus<br />

enthalten, <strong><strong>de</strong>r</strong> zur aromatischen Gruppe gehört: Tyrosin, Phenylamin und Tryptophan.<br />

Die im Darmkanal gefun<strong>de</strong>nen Stoffe Phenol, Parakresol, ferner Derivate <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Essigsäure und Propionsäure stammen vom Tyrosin ab. Indol und Skatol kommen vom<br />

Tryptophan her, <strong>von</strong> welchen wie<strong><strong>de</strong>r</strong> das Indikan abstammt. Indolausscheidung, leicht im Urin<br />

nachzuweisen, gibt <strong>de</strong>n Maßstab für intestinale Fäulnisvorgänge. Indol zeigt leichte<br />

Vergiftungserscheinungen mit <strong>de</strong>m Bil<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Neurasthenie; seine fortgesetzte Einverleibung<br />

reizt stark die Nebennieren, als Beweis dafür, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Organismus Mühe hat, durch endokrine<br />

Stoffe das Gleichgewicht wie<strong><strong>de</strong>r</strong> herzustellen. Auch zum Hyperthyreoidismus hat Indol<br />

Beziehungen. Tyrosin seinerseits ist wahrscheinlich eine stoffliche Vorstufe <strong>de</strong>s Adrenalin und<br />

6


wenn es im Ileum durch bakterielle Tätigkeit zerstört wird, so folgt eine Verkürzung am Material<br />

für das so wichtige Epinephrin. -<br />

Wir bemerken bei diesen An<strong>de</strong>utungen Zusammenhänge mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Pathologie <strong>de</strong>s<br />

Eiweißes und wer<strong>de</strong>n die ungeheure Mannigfaltigkeit an Kombinationen begreifen, die sich<br />

einerseits stofflich ausprägen, andrerseits in Krankheitsbil<strong><strong>de</strong>r</strong>n. Dies wird niemals so weit zu<br />

klären sein, daß die Theorie für <strong>de</strong>n gelten<strong>de</strong>n Einzelfall zureicht; aber wir haben durch<br />

Kunstgriffe in <strong><strong>de</strong>r</strong> Praxis Zugang zu allen Verborgenheiten. Nehmen wir das<br />

Aehnlichkeitsgesetz, so han<strong>de</strong>ln wir mit Naturbil<strong><strong>de</strong>r</strong>n für ärztliche Zwecke, als wären sie erklärt,<br />

in<strong>de</strong>m wir <strong>de</strong>n Vorgängen einen homologen Anreiz unterschieben, <strong><strong>de</strong>r</strong> ihren Ablauf zur<br />

Gesundheit biologisch beschleunigt; nehmen wir die Automämie-Therapie, so bringen wir<br />

gera<strong>de</strong> die <strong>de</strong>m individuellen Prozeß zugehörigen Anregungsmittel als neuen Reiz ins Blut und<br />

beschleunigen o<strong><strong>de</strong>r</strong> erhöhen ebenfalls die Genesungsmöglichkeiten ganz adäquat <strong>de</strong>n<br />

Naturvorgängen. Gehen wir zu <strong><strong>de</strong>r</strong> gröblichen Metho<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Reiztherapie mo<strong><strong>de</strong>r</strong>ner Art über,<br />

so entfesseln wir selbst auf diese plumpe Weise einen Strom, welcher unter Umstän<strong>de</strong>n<br />

ebenfalls mitreißt, was sich an stofflichen Lebenshemmungen angesammelt hat.<br />

In <strong>de</strong>m hochkomplizierten Proteinmolekül sind stets Gifte enthalten; sie sind aber<br />

gebun<strong>de</strong>n durch nicht giftige Atomgruppen. Wer<strong>de</strong>n sie plötzlich frei, wie bei parenteraler<br />

Einverleibung, so kann dies mit explosiver Schnelligkeit geschehen, wie im anaphylaktischen<br />

Schock und dann sofort tödlich wer<strong>de</strong>n; bei geringerer Menge folgt Fieber, o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Temperaturabfall mit Krankheitserscheinungen. Sogar die Extrakte <strong>von</strong> gesun<strong>de</strong>n Organen<br />

einem gesun<strong>de</strong>n Tier <strong><strong>de</strong>r</strong>selben Art eingespritzt, können tödlich wirken. Es ist anzunehmen,<br />

daß wir <strong><strong>de</strong>r</strong> ganzen Pathologie auf diesem experimentellen Gebiete wie<strong><strong>de</strong>r</strong> begegnen<br />

können: zu allen akuten und chronische Krankheiten wer<strong>de</strong>n sich hier Analogien fin<strong>de</strong>n, alles<br />

vermittelt durch Giftwirkungen aus <strong>de</strong>m Eiweißmolekül heraus und wie<strong><strong>de</strong>r</strong> in das immer<br />

bewegliche Leben <strong>de</strong>s Proteins hinein! Auf diesem Treffen spielen sich die pathologischen<br />

Vorgänge ab. Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s sind es auch die P t o m a i n e , lösliche, basische, stickstoffhaltige<br />

Substanzen, Protein<strong><strong>de</strong>r</strong>ivate, durch Mikroorganismen hervorgerufen. Ihre unberechenbare<br />

Vielfältigkeit schafft Selbstvergiftungen individuellster Art, sobald einmal die<br />

Verdauungsvorgänge nicht mehr biologisch völlig beherrscht sind, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n Raum lassen für<br />

Zersetzungen, die nicht sein sollen. Siehe auch das Kapitel in meinem Krebsbuch über<br />

Untersuchungen <strong>von</strong> F r e u n d und K a m i n e r , Darmsäuren und Vorbereitungsstadien <strong>de</strong>s<br />

Krebses betreffend, S. 50 (Die Krebskrankheit. Hippokratesverlag in Stuttgart). Hier greift die<br />

persönliche Ueberwachung <strong>de</strong>s Individuums entschei<strong>de</strong>nd in die Morbiditätsmöglichkeiten<br />

ein; die ganze Diätetik kann sich hier aufrollen, doch sind diese Fragen hier nicht zu erörtern.<br />

Sie nehmen einen angemessenen Raum in <strong>de</strong>m genannten Buch ein. -<br />

Es liegt Dr. Rogers viel daran, das ungewöhnlich Kleine in <strong><strong>de</strong>r</strong> ärztlichen Auffassung zu<br />

Ehren zu bringen. In seinem Kapitel „Testing the infinitesimal“ bringt er eine Reihe <strong>von</strong><br />

Feststellungen, aus <strong><strong>de</strong>r</strong> ich einiges mitteilen will. In <strong><strong>de</strong>r</strong> Harvard Medicine School ist festgestellt<br />

wor<strong>de</strong>n, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Bazillus botulinus ein für Mäuse tödliches Gift abson<strong><strong>de</strong>r</strong>t, welches in 3<br />

Millionstel Gramm noch das Leben einer Maus vernichtet. Durch Beigabe <strong>von</strong><br />

Wasserstoffionen in <strong><strong>de</strong>r</strong> Konzentration wie bei aktiver Magenverdauung läßt sich die Potenz<br />

<strong>de</strong>s Giftes <strong><strong>de</strong>r</strong>art steigern, da die minimale letale Dosis auf 3x10 - 21 c.c. vermin<strong><strong>de</strong>r</strong>t wird, also<br />

innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> 20. Dezimalpotenz liegt, beiläufig gesagt, an <strong><strong>de</strong>r</strong> Grenze materieller<br />

Atomvorstellung. Auf Menschen angewandt, wür<strong>de</strong> 1 Teelöffel genügen, eine Nation<br />

auszurotten. - Durch die M e i s t a g m i n r e a k t i o n (<strong>von</strong> Asoli und Izas) ist es möglich, frem<strong>de</strong><br />

giftige Eiweißarten, die in Alkohol löslich sind, allein durch genaue Tropfenzählung, welche die<br />

Zahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Tropfen in Zeiteinheit feststellt, bis in die 9, o<strong><strong>de</strong>r</strong> 10. homöopathische Dezimalpotenz<br />

zu erkennen. Rogers bemerkt: Wir sehen, wie eine infentisimale Gabe, beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s durch<br />

Injektion, be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong> Aen<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen (bei <strong><strong>de</strong>r</strong> betreffen<strong>de</strong>n Reaktion in physikalischem Sinne)<br />

hervorrufen kann. - Schon langher ist auch die Kleinheit <strong><strong>de</strong>r</strong> katalytischen Agentien<br />

aufgefallen. Weniger als die Hälfte eines Milligrammes <strong>von</strong> kolloidalem Platin genügt, um 10<br />

Liter Wasserstoff- und Sauerstoffgas zur Vereinigung zu bringen, ohne Verlust seiner weiteren<br />

Wirksamkeit. Die Beschleunigung einer Reaktion mit schwefelsaurem Natron ist in weniger als<br />

einer Minute bemerkbar, wenn man 1 Billiontel (etwas <strong>von</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> 12. Dezimalpotenz!) <strong>von</strong> Kupfer<br />

zusetzt.<br />

Zu <strong>de</strong>n Funktionen <strong>de</strong>s Blutes, welche Rogers bespricht, gehört auch die, Erzeugnisse<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> innern Sekretion herumzutragen und <strong>de</strong>n Organen darzubieten. Durch eben diese<br />

Eigenschaft wird beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s verständlich, wie bela<strong>de</strong>n jene Flüssigkeit mit Heilkräften sein wird.<br />

7


Ihre Verdünnung wird dann eine beleben<strong>de</strong> Anregung aller Organe be<strong>de</strong>uten, mit <strong>de</strong>nen sie<br />

wie<strong><strong>de</strong>r</strong> in Verkehr tritt. Es versteht sich dann auch, daß Zersetzungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Organbestandteile,<br />

z. B. die <strong>de</strong>s Lezithin in Cholin und Neurin (unter krankhaften Verhältnissen) Gifte überall<br />

herumbeför<strong><strong>de</strong>r</strong>n und daß diese letzteren durch Verdünnung <strong>de</strong>s Blutes und Rückgabe ins<br />

Gefäßsystem zu homöopathischen Heilmitteln wer<strong>de</strong>n können. Wir wollen hier auf Einzelheiten<br />

nicht eingehen, nur noch einige wichtige Kapitel <strong><strong>de</strong>r</strong> Auto-Hämie-Therapie kurz streifen:<br />

Fermente sind Katalysatoren; Enzyme sind im animalen Betrieb entstan<strong>de</strong>ne Fermente;<br />

we<strong><strong>de</strong>r</strong> Wachstum noch Zerfall gibt es ohne diese Beschleuniger. Proteolytische Fermente<br />

lösen Eiweiß; dahin gehören Pepsin, Trypsin und Erepsin. Autolytische Fermente sind solche,<br />

die für gewöhnlich inaktiv sind und erst durch Zellschädigung mobil wer<strong>de</strong>n. Sie sind in allen<br />

histologischen Elementen, einschließlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Blutkörperchen, enthalten. Selbst die<br />

Blutplättchen enthalten sie. Hydrolytische und oxydieren<strong>de</strong> Fermente haben ihre beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />

Aufgaben; protektive, o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>fensive, wie A b d e r h a l d e n sie nennt, zuweilen auch als<br />

Antikörper bezeichnet, wer<strong>de</strong>n gebil<strong>de</strong>t unter Einfluß frem<strong><strong>de</strong>r</strong> Proteine, die ins Blut gelangt<br />

sind und welche sie zu zerlegen und schadlos zu machen haben. Die Ambozeptoren,<br />

Agglutinine, Antienzyme, Antitoxine, Bakteriolysine, Opsonine und Präcipitine gehören als<br />

Bestandteile zu <strong><strong>de</strong>r</strong> Organisation <strong><strong>de</strong>r</strong> Schutzstoffe. Im tierischen Organismus entstan<strong>de</strong>ne<br />

Stoffe dieser Art behalten ihre Wirkungsfähigkeit unglaublich lange: Schlangengifte und<br />

Spinnengifte wur<strong>de</strong>n noch nach 150 Jahren durch ihre Wirkung nachgewiesen; selbst in <strong>de</strong>n<br />

Muskeln <strong>von</strong> Mumien fand sich aktives glykolytisches Ferment. Es ist verständlich, daß alle<br />

diese Körper eine optimale Wirkungstemperatur haben, die <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>s tierischen Organismus<br />

nahe steht; sie erlischt rasch oberhalb 40ºC. Die Spezifität <strong><strong>de</strong>r</strong> Enzyme ist sehr bestimmt; es<br />

gibt ihrer so viele, wie Sand am Meer und man kann sagen: sie verdauen nur diejenigen<br />

Substanzen, welche sie zu bewältigen beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s herausgefor<strong><strong>de</strong>r</strong>t o<strong><strong>de</strong>r</strong> geschaffen wur<strong>de</strong>n.<br />

Hun<strong>de</strong>blut baut z. B. keine Rohrzucker ab und seine Lösung bleibt unverän<strong><strong>de</strong>r</strong>t in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Probierröhre. Spritzt man aber einem Hund Rohrzuckerlösung ins Blut, so richtet sich das Leben<br />

sofort nach <strong>de</strong>ssen Abbau ein und nach wenigen Tagen hat das Blut die Fähigkeit<br />

gewonnen, das Zuckermolekül zu zersetzen.<br />

Selbst die Tränen besitzen ein Ferment, <strong>de</strong>ssen Eigenschaften für das Leben eines<br />

Organismus stark protektiv sind: Mirkoben sind augenblicklich da<strong>von</strong> aufgelöst wor<strong>de</strong>n.<br />

Mächtige Stoffe in feinster Verteilung, spezifische Abwehrwirkungen; sollte dies für die<br />

Heilkun<strong>de</strong> nicht hochwichtig sein und sollte es nicht für uns Homöopathen eine theoretische<br />

För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung be<strong>de</strong>uten?! Durch die Wirkung <strong><strong>de</strong>r</strong> Enzyme sind wir auch in <strong>de</strong>n Stand gesetzt, zu<br />

erkennen, aus welcher Tierart Fleisch und Blut zweifelhafter Herkunft entstammen. Nach sehr<br />

fein ausgebil<strong>de</strong>ten Metho<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n Verdauungsversuche in Proberöhren angestellt. Diese<br />

Versuche sind viel entschei<strong>de</strong>n<strong><strong>de</strong>r</strong>, als mikroskopische und chemische Kennzeichnung. Wenn<br />

zu einer Lösung, die Proteine enthält, ein Serum zugesetzt wird, welches einem gegen die<br />

fragliche Herkunft immunisiertem Tier angehört, so bil<strong>de</strong>t sich sofort ein Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>schlag und das<br />

Verhältnis <strong><strong>de</strong>r</strong> Präzipitine und Präzipitate ist hier wie<strong><strong>de</strong>r</strong> im wesentlichen spezifisch. Die<br />

Spezifität wächst mit höheren Verdünnungen, wo sie sich z. B. noch bei Menschenblut zeigen<br />

kann, während sie für Affenblut verloren ist. Die Einwirkung frem<strong><strong>de</strong>r</strong> Eiweißarten auf <strong>de</strong>n<br />

Organismus läßt sich so zusammenfassen: Ein Antigen ist irgen<strong>de</strong>ine Substanz, welche nach<br />

Einspritzung in einen leben<strong>de</strong>n Organismus eine physiologisch-chemische Reaktion<br />

herausfor<strong><strong>de</strong>r</strong>t, stofflich ausgedrückt durch eine neutralisieren<strong>de</strong>, nie<strong><strong>de</strong>r</strong>schlagen<strong>de</strong>,<br />

verkleben<strong>de</strong>, lösen<strong>de</strong> o<strong><strong>de</strong>r</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>weitig antagonisieren<strong>de</strong> Substanz, einen sog. Antikörper. Sie<br />

sind kolloid, können harmlos o<strong><strong>de</strong>r</strong> gefährlich sein, aktiv o<strong><strong>de</strong>r</strong> inert, lebend o<strong><strong>de</strong>r</strong> tot, organisiert<br />

o<strong><strong>de</strong>r</strong> unorganisiert. Sie haben spezifische Affinität für dasjenige Antigen allein, welches ihre<br />

Bildung verursacht hat. - Während sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Organismus auf solche Weise gegen das frem<strong>de</strong><br />

Protein schützt, haben viele an<strong><strong>de</strong>r</strong>sartige (nicht in tierischen Organismen entstan<strong>de</strong>ne) Gifte<br />

nicht diese Ansprache an <strong>de</strong>n Betrieb, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n sie bewirken nur in mäßigem Gra<strong>de</strong> eine<br />

Angewohnheit, wie z. B. die Genußmittelgifte, aber auch Arsen, Hg usw.; <strong><strong>de</strong>r</strong> Umgang mit<br />

ihnen liegt <strong><strong>de</strong>r</strong> menschlichen Natur nicht so nahe, wie <strong><strong>de</strong>r</strong> mit artfrem<strong>de</strong>m Eiweiß; je<strong>de</strong>nfalls<br />

besteht eine sehr bemerkenswerte Verschie<strong>de</strong>nheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Einstellung; aber sicher wehrt sich die<br />

Natur in ihrer Weise auch gegen sämtliche Gifte an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Herkunft, sofern sie nicht <strong><strong>de</strong>r</strong>art <strong>von</strong><br />

ihnen überwältigt wird, daß - wie durch Cyanwasserstoffsäure - kleine lebenswichtige<br />

Komplexe sofort außer Betrieb gesetzt wer<strong>de</strong>n. Gegenüber unsern homöopathischen<br />

Heilmitteln bestehen keine grundsätzlichen Verschie<strong>de</strong>nheiten zwischen <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n großen<br />

Klassen <strong>von</strong> Antikörpern: Ohne im einzelnen die Wege <strong><strong>de</strong>r</strong> Natur zu kennen, vertrauen wir ihr<br />

8


die fragliche Affinität als Heilsubstanz in überlegener Verdünnung an, ganz die energetische<br />

Lage <strong>de</strong>s Falles ausnutzend, wie uns das Symptombild lehrt. Die Gegenwirkungen müssen<br />

biologisch und <strong>de</strong>shalb bestmöglich erfolgen. - Auch wenn sich im Blute solche Antigene<br />

befin<strong>de</strong>n sollten, Tabaksgifte, Quecksilber, Opium<strong><strong>de</strong>r</strong>ivate, so versteht es sich, daß eben dies<br />

Blut selbst - für Zwecke <strong><strong>de</strong>r</strong> Autohämie-Therapie verdünnt - im isopathischen Sinne einwirkt<br />

und die angemessenen Gegenaktionen hervorruft. Das Blut ist dann Träger eines eigentlichen<br />

Giftes, nicht eines Proteins, o<strong><strong>de</strong>r</strong> vielmehr n e b e n allen Proteinen; das Blut ist für diesen Fall als<br />

Verdünnung o<strong><strong>de</strong>r</strong> flüssige Verreibung <strong><strong>de</strong>r</strong> fraglichen Substanz anzusehen. Auch in diesem<br />

Verhältnis liegt eine willkommene theoretische Klärung therapeutischer Fragen.<br />

In Bezug auf eingedrungene Organismen bietet uns das Beispiel <strong><strong>de</strong>r</strong> Typhusbazillen ein<br />

weitgehen<strong>de</strong>s Verständnis.<br />

Wenn das giftige Eiweiß ihrer Vakzine <strong>de</strong>n Selbstschutz <strong>de</strong>s Organismus hervorruft, so<br />

verdaut dasselbe ohne weiteres ihr Protein und sie können keinen Scha<strong>de</strong>n mehr anrichten.<br />

Die Ab<strong><strong>de</strong>r</strong>hal<strong>de</strong>nsche Schwangerschaftsdiagnose beruht auf ganz ähnlichen<br />

Verhältnissen. Wenn eine Frau schwanger ist, so verdaut ihr Blutserum Nachgeburtsgewebe.<br />

Wird dieses nicht angegriffen, so liegt jener Zustand nicht vor. Rogers macht die Bemerkung:<br />

Ab<strong><strong>de</strong>r</strong>hal<strong>de</strong>ns Reaktion ist öfter fehlbar gefun<strong>de</strong>n wor<strong>de</strong>n, gera<strong>de</strong> wie die Wassermanns.<br />

„Aber das Prinzip ist in bei<strong>de</strong>n korrekt. Es gibt nichts Menschliches, das absolut<br />

wissenschaftlich wäre.“ Dies ist wahr; aber man muß dann auch die Schlußfolgerung<br />

machen, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Wissenschaft nie ganz zu trauen ist. Und diese Erkenntnis weist uns wie<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

an die E r f a h r u n g , die das Menschliche stets einschließt und mit welcher sich das Wissen<br />

verträglich beschei<strong>de</strong>n muß.<br />

Die Theorie <strong><strong>de</strong>r</strong> Autohämie läßt sich schließlich in wenigen Sätzen zusammenfassen.<br />

Der menschliche Organismus verarbeitet bei seinen Eiweißzerlegungen in je<strong><strong>de</strong>r</strong> Minute Gifte<br />

und schei<strong>de</strong>t auch wie<strong><strong>de</strong>r</strong> Gifte aus. Wenn täglich nur ein kleiner Ueberschuß <strong>von</strong> Gift<br />

zurückbleibt, das nicht eliminiert wur<strong>de</strong>, muß Krankheit entstehen, sobald <strong><strong>de</strong>r</strong> Abbruch <strong>von</strong><br />

Eiweißmolekülen in Aminosäuren und die Zerlegung <strong><strong>de</strong>r</strong> letzteren in Ammoniak, Harnstoff,<br />

Kohlendioxyd und Wasser ungenügend ist. Durch irgendwelche Vorgänge können die<br />

Ausscheidungsvorgänge überfor<strong><strong>de</strong>r</strong>t wer<strong>de</strong>n: Die nötigen Ausscheidungskräfte sind nicht da<br />

und es entsteht Krankheit. Dann erhalten wir mit <strong>de</strong>m Blute <strong>de</strong>s betreffen<strong>de</strong>n<br />

Organismus eine Probe <strong>de</strong>s frem<strong>de</strong>n (unharmonischen) Protein, das als<br />

Toxin bezeichnet wer<strong>de</strong>n muß. Wenn dies Toxin durch Erregung,<br />

Hämolyse, Bebrütung und geeignete Verdünnung vorbereitet wird, so<br />

wird die injizierte Substanz, das Resultat dieser Vorbereitung, die Zellen<br />

<strong>de</strong>s Organismus nun anreizen und stärken, die erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lichen Fermente<br />

zu bil<strong>de</strong>n, welche die speziell beleidigen<strong>de</strong>n Toxine verdauen.<br />

Die hier gegebenen Worte sind <strong><strong>de</strong>r</strong> einzig <strong>de</strong>utliche Hinweis auf die Technik <strong>de</strong>s<br />

Verfahrens, welche ich mir so vorstelle, daß R. einige Tropfen Venenblutes entnimmt, sie mit<br />

physiologischer Kochsalzlösung o<strong><strong>de</strong>r</strong> vielleicht Plasma Quinton verdünnt im Verhältnis <strong>von</strong><br />

1:100 bis 1:1000, sie dabei tüchtig schüttelt und bei ca. 38º C in <strong>de</strong>n Brutschrank bringt, um<br />

nächsten Tages ein Kubikzentimeter da<strong>von</strong> subkutan zu injizieren, vielleicht auch in eine<br />

Vene. Häufig erfolgt auf eine solche Behandlung starke Diurese, was Rogers auf die<br />

vermehrte Ureaproduktion beim Abbau <strong><strong>de</strong>r</strong> Proteine zurückführt.<br />

Die theoretische und praktische Fülle <strong>de</strong>s Rogerschen Buches ist damit nicht erschöpft;<br />

wir wollen <strong>von</strong> seinem weiteren Inhalt aber nur noch einen Punkt ins Auge fassen, wo er <strong>von</strong><br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> a l i m e n t ä r e n T o x ä m i e spricht. C o o m b e s und an<strong><strong>de</strong>r</strong>e haben gezeigt, daß die<br />

Einführung großer Mengen Fleisch in <strong>de</strong>n Verdauungskanal exzessive Fermentation in <strong>de</strong>n<br />

Eingewei<strong>de</strong>n hervorruft. Diese Beobachter entziehen dann das Fleisch für mehrere Wochen<br />

und geben Mehlspeisen. - Gewisse Formen <strong>von</strong> intestinaler Fäulnis wer<strong>de</strong>n aber auch durch<br />

Kohlehydrate, speziell Zucker, hervorgerufen und es ist wahrscheinlich, daß eine<br />

Vermin<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong><strong>de</strong>r</strong> ganzen Nahrungsaufnahme am meisten <strong>von</strong> Wert ist, wenn es sich darum<br />

han<strong>de</strong>lt, die alimentäre Toxämie zu bekämpfen. Die meisten Menschen essen ja viel zu viel.<br />

Die Metho<strong>de</strong>n, welche geübt wur<strong>de</strong>n, die Bakteriengehalte <strong><strong>de</strong>r</strong> Eingewei<strong>de</strong> zu verän<strong><strong>de</strong>r</strong>n,<br />

bestan<strong>de</strong>n auch darin, Vakzinen, die aus Fäzes gewonnen waren, zur Einwirkung zu bringen<br />

und es kann nicht genug verurteilt wer<strong>de</strong>n, solche <strong>von</strong> Bacillus coli, o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>von</strong> Streptokokken<br />

anzuwen<strong>de</strong>n.<br />

Wenn jedoch abnorme Mikroorganismen im Darme gefun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n und zweifellose<br />

Zeichen intestinaler Vergiftung da sind, so können durch Vakzinen <strong><strong>de</strong>r</strong> abnormen Mikroben<br />

9


gute Erfolge erzielt wer<strong>de</strong>n. - Man sieht hier <strong>de</strong>n Ansatz zu einer kausalen Therapie sowohl in<br />

diätetischer als auch gewissermaßen therapeutischer Ordnung neben <strong>de</strong>m<br />

Autohämieverfahren und wir wollen bei dieser Gelegenheit das Buch <strong>de</strong>s Kollegen Rogers<br />

verlassen, um bei einer neuen Sache am gleichen Punkt anzuknüpfen, einer Sache, für<br />

welche die Anregung gleichfalls vom Londoner Internationalen Kongreß kam.<br />

Zwar sind die gesamten amtlichen Veröffentlichungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Tagung noch nicht<br />

erschienen, aber die Doktoren W h e e l e r , B a c h und D i s h i n g t o n haben gera<strong>de</strong> die<br />

Angelegenheit, um die es sich han<strong>de</strong>lt, in einem Son<strong><strong>de</strong>r</strong>druck erscheinen lassen, so daß ich<br />

mit guter Grundlage darüber berichten kann. Hier kommt sowohl die Theorie als die Praxis auf<br />

ihre Rechnung, wie wir bald sehen wer<strong>de</strong>n.<br />

Wenn ich darauf verzichte und verzichten muß, eigene Heilerfolge mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Rogers-<br />

Metho<strong>de</strong> zu berichten, so bin ich mir bewußt, daß die Fülle <strong><strong>de</strong>r</strong> Theorie und ihre<br />

überzeugen<strong>de</strong> Kraft wichtiger ist, als etwaige Darbietung eigener Krankengeschichten, die ja<br />

stets angreifbar bleiben. Der Weg zu einer Therapie muß im Verstan<strong>de</strong> und in <strong>de</strong>n<br />

Erwartungen geahnt wer<strong>de</strong>n, so daß es für je<strong>de</strong>n Arzt einla<strong>de</strong>nd ist, praktische Schritte zu tun<br />

und ich glaube jene Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>nisse hier dargeboten zu haben; die persönliche Erfahrung ist<br />

etwas Kostbares und Unersetzliches; dies zu erwerben wird je<strong><strong>de</strong>r</strong> Kollege für seine Kranken<br />

und für seine wissenschaftlichen Interessen lebendig genug sein, so daß ich mich<br />

beschränken darf auf die Darstellung <strong><strong>de</strong>r</strong> wissenschaftlichen und <strong><strong>de</strong>r</strong> speziell<br />

homöopathischen Zusammenhänge. Ich stelle diesen für die Praxis eine recht gute Prognose.<br />

-<br />

Abhandlung <strong>von</strong> D r . W h e e l e r über eine neue Theorie <strong><strong>de</strong>r</strong> chronischen Krankheiten<br />

In<strong>de</strong>m ich mich nun zur zweiten be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>n Schrift wen<strong>de</strong>, welche ich in ihrem<br />

Werte für die <strong>Homöopathie</strong> hier darzubieten beabsichtige, kann ich in Bezug auf die das<br />

Ganze krönen<strong>de</strong>n praktischen Erfolge sogleich in ähnlicher Weise aussprechen: es ist nicht<br />

erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich, daß ich selbst Krankengeschichten darbiete, obwohl ich dies vielleicht bald mit<br />

Erfolg wer<strong>de</strong> tun können; es genügt, darauf hinzuweisen, daß die drei Autoren <strong><strong>de</strong>r</strong> zweiten<br />

Schrift keine Punkte ihrer Theorie o<strong><strong>de</strong>r</strong> Praxis verhüllen und daß <strong><strong>de</strong>r</strong> dritte Teil <strong><strong>de</strong>r</strong> Schrift ganz<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Praxis gewidmet ist unter Darbietung genauer und sehr beweisen<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Krankengeschichten, welche <strong>de</strong>n Geist <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Homöopathie</strong> in voller Treue erkennen lassen.<br />

Diese Krankengeschichten wer<strong>de</strong> ich in Uebersetzung <strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Kollegen unterbreiten.<br />

Der Titel <strong><strong>de</strong>r</strong> 36 Seiten starken Schrift lautet: The problem of chronic disease, Das Problem <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

chronischen Krankheiten, gelesen auf <strong>de</strong>m Internationalen homöopathischen Kongresse 1927<br />

<strong>von</strong> <strong>de</strong>n Doktoren C. E. Wheeler, Edward Bach und T. M. Dishington. London,<br />

John Bale, Sons & Danielsson Lim. W. 1.<br />

Dr. Wheeler sagt (frei und gekürzt): Hahnemann verdankte weniger als die meisten<br />

Ent<strong>de</strong>cker <strong>de</strong>n Vorgängern in seiner Kunst <strong>de</strong>s Heilens. Er lebte seiner Zeit voran und sein Werk<br />

kann als ein beson<strong><strong>de</strong>r</strong>er Grundstein für <strong>Fortschritte</strong> genommen wer<strong>de</strong>n. Wir haben genug zu<br />

tun, ihm würdig zu folgen. Als er seine Theorie <strong><strong>de</strong>r</strong> chronischen Krankheiten gab, war sein<br />

Werk gegenüber vielfacher Leugnung hingestellt. Doppelt ungünstig war, daß er die Lehre<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> P s o r a mit einem so dunkeln und zwei<strong>de</strong>utigen Namen verband. Ob er ihn mit Scabies<br />

i<strong>de</strong>ntifizierte, ist mir zweifelhaft; ich glaube, daß er <strong><strong>de</strong>r</strong> Scabies kaum mehr Be<strong>de</strong>utung<br />

beigelegt hat, als wir es tun. Selbst unter seinen Nachfolgern waren viele, die sorglos über<br />

diesen Punkt weglasen und für sie waren die „Chronischen Krankheiten“ ein Buch, das sie<br />

nicht mehr verteidigen wollten o<strong><strong>de</strong>r</strong> konnten, wie sie dachten, <strong>de</strong>ssen Heilmittel aber doch<br />

manche <strong>von</strong> ihnen in Gebrauch zogen. Jene aber, die sowohl <strong><strong>de</strong>r</strong> Theorie glaubten, als auch<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Praxis folgten, waren unter <strong>de</strong>n stets Vertrauensvollen, <strong>de</strong>nen das Wort <strong>de</strong>s Meisters<br />

immer genügt. Sie waren glücklich im ärztlichen Werk; aber sie hatten nicht <strong>de</strong>n offenen Sinn<br />

dafür, Hahnemanns geistige Auffassung ihren Nachfolgern verständlicher zu machen. A l l e n<br />

und K e n t , um nur zwei zu nennen, haben die Praxis verbessert, aber sie unternahmen wenig,<br />

die T h e o r i e zu erneuern. Es ist Zeit, daß dies geschehe. Je<strong>de</strong> kommen<strong>de</strong> Generation sollte<br />

auf eine leichte weitere Annäherung zur Wahrheit hoffen dürfen. Hätte doch Hahnemann<br />

selbst, <strong><strong>de</strong>r</strong> durch sein Vorherwissen <strong>de</strong>s Choleramikroben <strong>de</strong>n Geist freier Forschung<br />

bewährte, heute nicht mehr in unbestimmten Ausdrücken <strong>von</strong> M i a s m e n gesprochen,<br />

10


son<strong><strong>de</strong>r</strong>n er wür<strong>de</strong> die bakteriologische Forschung aufgenommen und seine Theorien<br />

entsprechend gestaltet haben.<br />

In welcher Weise auch die Zukunft die Abhängigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Krankheiten <strong>von</strong><br />

O r g a n i s m e n enthüllen möge; wir wissen für alle Fälle, daß die letzteren mit Krankheiten<br />

zusammen vorkommen, daß sie bezeichnen<strong>de</strong> Eigenschaften haben und Krankheiten<br />

b e g l e i t e n können. Diese Feststellung wird nur <strong>von</strong> wenigen angefochten, die vielleicht<br />

keine nähere Kenntnis <strong>von</strong> <strong>de</strong>n Tatsachen haben. Ich darf <strong>de</strong>shalb annehmen, daß<br />

sogenannte Keime in geschlossener Beziehung zu Krankheiten stehen, was ja auch aus <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Wirksamkeit <strong>von</strong> Medorrhin, Syphilin, Psorin hervorgeht, wie auch aus <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>von</strong> Homöopathen<br />

anerkannten Wirksamkeit <strong>de</strong>s Tuberkulin.<br />

Es ist kaum nötig, daran zu erinnern, daß Hahnemann durch seine Theorie im<br />

wesentlichen drei möglich Gifte annahm, die einzeln o<strong><strong>de</strong>r</strong> in Verbindung hinter <strong>de</strong>n<br />

chronischen Krankheiten stehen: Psora, Syphilis, Sykosis. Nur durch Bewältigung <strong>de</strong>s tiefen<br />

Giftes kann die Krankheit geheilt wer<strong>de</strong>n; sonst ist nur Erleichterung wie<strong><strong>de</strong>r</strong>kehren<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Symptome zu erwarten. Die Kur geht immer auf die Elimination <strong>de</strong>s tiefen Giftes aus, als auf<br />

die wahre Krankheitsursache. Zu diesem Zweck bedürfen wir einer Klasse tief wirken<strong><strong>de</strong>r</strong> Mittel<br />

und dieselben müssen mit <strong><strong>de</strong>r</strong> mehr permanent konstitutionellen Symptomengruppe <strong>de</strong>s<br />

Patienten zusammengehen. Wenn wir nun Gonorrhöe statt Sykosis sagen (und dabei einen<br />

Tribut mehr <strong>de</strong>m Scharfsinn Hahnemanns zollen, <strong><strong>de</strong>r</strong> lang vor seinen mo<strong><strong>de</strong>r</strong>nen<br />

Berufsgenossen die tiefe konstitutionelle Wirksamkeit <strong>de</strong>s Gonokokkus erkannte), so haben wir<br />

heute keine Mühe mit <strong>de</strong>s Meisters Lehre <strong>von</strong> <strong>de</strong>n chronischen Krankheiten in Bezug hierauf<br />

und auf die Syphilis. Aber während wir diese bei<strong>de</strong>n Klassen bakteriologisch charakterisieren<br />

können, was ists mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Psora? Man nahm an, sie sei mit Tuberkulose i<strong>de</strong>ntisch. Sicherlich wird<br />

Tuberkulose unter jener Herrschaft kommen; aber niemand kann Hahnemanns Beschreibung<br />

lesen, ohne wahrzunehmen, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Tuberkel nur einen Teil <strong>de</strong>s Fel<strong>de</strong>s beherrscht. Die<br />

Analogie for<strong><strong>de</strong>r</strong>t, daß auch für die Psora ein bakteriologischer Ausdruck gefun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong> und<br />

zwar für <strong>de</strong>n vom Tuberkel übergelassenen Teil. Die Symptome eines Falles mögen<br />

proteusartig sein, vom Kopfweh zur Neuralgie, Paralyse, Katarrh, Gicht; aber so sollte eine<br />

konstante Beziehung zum Auftreten <strong>von</strong> Hauteruptionen da sein. Ist es wohl möglich, eine<br />

Formel zu fin<strong>de</strong>n, die anscheinend so verschie<strong>de</strong>nem Auftreten <strong>von</strong> Fällen entspricht?<br />

Nun, vergessen Sie für einen Augenblick Hahnemann und lassen Sie mich hinweisen<br />

auf eine neue Psoratheorie, für welche schon eine Fülle <strong>von</strong> Berichten vorliegt. Ihr Urheber<br />

wird sofort nach mir sprechen; ich will jedoch hervorheben, was zu sagen er zu beschei<strong>de</strong>n<br />

ist. Der Umstand, daß ich seit Jahren mit ihm zusammengearbeitet habe, erlaubt mir, mit<br />

Kenntnis und mit Vertrauen zu re<strong>de</strong>n; ich erkläre, daß meine eignen Zutaten <strong>von</strong> sekundärer<br />

Be<strong>de</strong>utung waren in unserer gemeinsamen Tätigkeit. Bemerken Sie zuerst, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Autor ein<br />

Bakteriologe ist und durch Immunisierungsprobleme auf seine Theorie geführt wur<strong>de</strong>.<br />

Bemerken Sie ferner, daß er nichts <strong>von</strong> <strong>Homöopathie</strong> wußte, als er sie ausdachte. Erst später<br />

nahm er da<strong>von</strong> Kenntnis und wur<strong>de</strong> <strong>von</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Homöopathie</strong> überzeugt und hat nicht gezögert,<br />

die I<strong>de</strong>enverbindung herzustellen, die er Ihnen heute vortragen wird. Mit diesem kurzen Blick<br />

auf seine Geschichte komme ich zu seiner Theorie. Sie ist diese:<br />

Die allgemeine Diät, an welche die zivilisierte Menschheit sich gewöhnt hat,<br />

verursacht, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Nahrungskanal, beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s das Kolon sich zur Brutstätte <strong>von</strong> Bazillen<br />

hergeben muß, die im allgemeinen zu <strong>de</strong>n nicht Laktose fermentieren<strong>de</strong>n Organismen aus<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Gruppe <strong>von</strong> Gaertner, Morgan, Proteus usw. gehören. Obwohl sie nicht als pathogen<br />

angesehen wer<strong>de</strong>n, weil sie nämlich bei <strong>de</strong>n Experimenten mit Tieren keine Symptome<br />

machen und auch bei Menschen ohne akute Krankheitserregung fortbestehen, sind sie doch<br />

durch ihre konstante Anwesenheit verdächtigt, mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeit eine leichte Virulenz durch ihre<br />

Toxine geltend zu machen, so daß Krankheit entsteht, die in ausgesprochener Weise<br />

chronisch ist.<br />

Es scheint die Natur <strong><strong>de</strong>r</strong> Toxine zu sein, daß sie zunächst das System <strong><strong>de</strong>r</strong> innern<br />

Sekretion und das Nervensystem angreifen. Die an solchen Toxämien Lei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n<br />

dann leicht <strong>von</strong> allerlei sekundären Affektionen ergriffen, welche sie weiterhin schwächen<br />

und die Diagnose ihrer Störungen komplizieren. Unter Annahme <strong><strong>de</strong>r</strong> Toxämien wer<strong>de</strong>n sich<br />

natürlich die Symptome gemäß <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Konstitutionen gestalten, <strong>de</strong>nn<br />

verschie<strong>de</strong>ne Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>standskräfte wer<strong>de</strong>n die Reihenfolge <strong><strong>de</strong>r</strong> erkranken<strong>de</strong>n Gewebe<br />

bestimmen. Ueberdies wer<strong>de</strong>n die Toxine <strong>von</strong> verschie<strong>de</strong>ner Abstammung eine<br />

Wahlverwandtschaft verschie<strong>de</strong>ner Art besitzen, so daß bei <strong>de</strong>m einen Lei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />

11


chronische Arthritis, bei einem an<strong><strong>de</strong>r</strong>en chronische Dyspepsie, ferner Migräne o<strong><strong>de</strong>r</strong> Asthma<br />

erzeugt wer<strong>de</strong>n wird; aber hinter <strong>de</strong>m allem liegt die intestinale Toxämie, verschul<strong>de</strong>t durch<br />

irgen<strong>de</strong>ine Art dieser Laktose nicht vergären<strong>de</strong>n Organismen. Der menschliche Körper wehrt<br />

diese Einflüsse natürlich ab; durch sorgfältige Diät und einige Arten <strong>von</strong> Behandlung lassen<br />

sich auch ihre Angriffe mil<strong><strong>de</strong>r</strong>n. Auch die eliminieren<strong>de</strong>n Organe tun, was sie können, um die<br />

Gifte abzustoßen; so kann es zu Nieren- o<strong><strong>de</strong>r</strong> Hautlei<strong>de</strong>n kommen.<br />

Dies ist eine kurze Darstellung <strong>von</strong> Dr. Bachs Theorie <strong><strong>de</strong>r</strong> chronischen Krankheiten; sie<br />

schreibt Symptome <strong>von</strong> ganz verschie<strong>de</strong>nem Charakter jener übereinstimmen<strong>de</strong>n Gruppe<br />

<strong>von</strong> Wirksamkeiten zu. E n t s p r e c h e n d i s t die Behandlung <strong>von</strong> Erkrankungen, in<br />

welchen jene Organismen gefun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n - und sie wer<strong>de</strong>n nahezu<br />

immer gefun<strong>de</strong>n - durch Vakzinen erstrebt, welche aus <strong>de</strong>n Organismen<br />

hergestellt sind und welche tatsächlich zu echten Kuren selbst sehr<br />

h a r t n ä c k i g e r K r a n k h e i t e n f ü h r e n . Freilich ist Geduld nötig und man kann nicht in<br />

Stun<strong>de</strong>n o<strong><strong>de</strong>r</strong> Tagen eine wirksame Resistenz aufbauen.<br />

Auch kann man nicht frühere gewebliche Zerstörungen wie<strong><strong>de</strong>r</strong>herstellen. Ferner:<br />

Obwohl Behandlung nach diesen Gesichtspunkten öfter sekundäre Infektionen klärt, wie z. B.<br />

Nasenkatarrh o<strong><strong>de</strong>r</strong> Pyorrhöe, so, müssen doch diese oft noch beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s behan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n.<br />

Näheres hierüber wird aus seiner Praxis Dr. Dishington mitteilen; haben Sie nun diese Theorie<br />

aufgefaßt, so wer<strong>de</strong>n Sie <strong><strong>de</strong>r</strong> auf sie gegrün<strong>de</strong>ten Behandlung folgen.<br />

Nun kommt Dr. Wheeler darauf zu sprechen, daß natürlich eine wissenschaftliche<br />

Evi<strong>de</strong>nz über diese Zusammenhänge wünschenswert sei. Dr. Bach verfüge über<br />

experimentelle Nachweise; jedoch sei vorerst <strong><strong>de</strong>r</strong> wichtigste Beweis <strong><strong>de</strong>r</strong> klinische und dieser<br />

sei zwingend, weil die Behandlungen nach dieser Theorie so schlagend erfolgreich sind, wird<br />

es unmöglich zu glauben, daß hier <strong><strong>de</strong>r</strong> Zufall regiere. Von 6 0 0 n i c h t a u s g e w ä h l t e n<br />

F ä l l e n wur<strong>de</strong>n schlagen<strong>de</strong> Resultate erzielt in 80% und alle dieser Fälle waren chronische<br />

Krankheiten und erwiesene Typen schwer heilbarer Zustän<strong>de</strong>. Seit <strong><strong>de</strong>r</strong> ersten Veröffentlichung<br />

haben sich die Resultate nur erhöht. - Wie bisher zu ersehen, besteht zwischen <strong>de</strong>n Theorien<br />

<strong>von</strong> Hahnemann und <strong>von</strong> Bach eine große Aehnlichkeit. Letzterer erkennt natürlich die<br />

beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en Organismen und ihre Toxine in Syphilis und Gonorrhöe an; seine chronischen<br />

Infektionen durch Darmorganismen bil<strong>de</strong>n nun eine exakte Parallele zur Psora. Was könnte<br />

das letztere auch sein, wenn nicht Toxämie im Sinne Bachs? Es ist unverständlich, daß es<br />

z w e i Gifte geben sollte, die chronische Krankheiten <strong>von</strong> solcher Mannigfaltigkeit und Dauer<br />

hervorbringen. Man lese Hahnemanns Beschreibung <strong><strong>de</strong>r</strong> Psora und ihrer Folgen; man wird<br />

fin<strong>de</strong>n, daß man sie ganz wohl <strong>de</strong>n intestinalen Toxämien zuschreiben kann.<br />

Dr. Wheeler äußert sich nun über das Verhältnis <strong><strong>de</strong>r</strong> B a c h s c h e n T h e r a p i e zur<br />

T u b e r k u l o s e und erklärt, daß äußerste Vorsicht nötig, wenn letztere in einem Krankheitsfall<br />

voranging und beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s, wenn <strong><strong>de</strong>r</strong> tuberkulöse Herd aktiv ist, zumal bei Lungentuberkulose.<br />

Die Wirkung <strong><strong>de</strong>r</strong> Vakzine ist ganz analog <strong>de</strong>n hohen Potenzen <strong>von</strong> Sulfur und Silicea. Es ist<br />

andauern<strong>de</strong> Verschlimmerung beim Patienten beobachtet wor<strong>de</strong>n. Auf <strong><strong>de</strong>r</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>n Seite<br />

aber gilt, daß, wenn die organische Verteidigung gegen Tuberkulose erfolgreich war, diese<br />

Vakzinen <strong>de</strong>m Kranken zu einem höheren Zustand <strong>von</strong> Kraft und Leben zu helfen vermögen.<br />

Im allgemeinen kann gesagt wer<strong>de</strong>n: Die Dosis ist nur ein Viertel <strong>de</strong>ssen für Nichttuberkulöse<br />

und nicht höher potenziert, als bis zur 12. für die erste Gabe. Bach und seine Mitarbeiter<br />

glauben, daß intestinale Toxämie einer <strong><strong>de</strong>r</strong> Faktoren sei, <strong><strong>de</strong>r</strong> latente Tuberkulose aktiviert. Der<br />

<strong>von</strong> Tuberkulose befallene Organismus hat sehr wenig Kräfte zu an<strong><strong>de</strong>r</strong>weitiger Verteidigung<br />

übrig und kann somit auch die Heildosis <strong><strong>de</strong>r</strong> intestinalen Vakzine nicht ausnutzen, läuft<br />

vielmehr durch sie Gefahr. Nach allem ist anzunehmen, daß Hahnemanns Psora<br />

hauptsächlich o<strong><strong>de</strong>r</strong> gänzlich intestinale Toxämie ist. Wheeler weist darauf hin, daß unsere<br />

hauptsächlichen antipsorischen Mittel solche sind, die Eingewei<strong>de</strong> und Leber hervorragend<br />

beeinflussen. -<br />

Die bisherige homöopathische Behandlung chronischer Krankheiten durch Simillima<br />

erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>t eine Wahl, die oft willkürlich und bei Vernachlässigung lokaler Symptome gewonnen<br />

schien. Kent scheint <strong>de</strong>m Autor zu weit gegangen in <strong><strong>de</strong>r</strong> Betonung <strong>de</strong>s Allgemeinen.<br />

Gleichwohl war jener Weg bisher <strong><strong>de</strong>r</strong> hoffnungsvollste für chronische Krankheiten. Bach ist<br />

Pathologe und seine Behandlung ruht auf solchem Grun<strong>de</strong>. Er betrachtet - wie auch Wheeler<br />

- die Pockenvakzine nicht als allopathisch, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n als homöopathisch wirksam, noch mehr<br />

die potenzierte Vakzine, die nun unsere Waffe ist und die wir für die meisten Fälle auslesen<br />

können. Er wählt sein Mittel durch <strong>de</strong>n pathologischen Befund und macht in je<strong>de</strong>m Fall eine<br />

12


Autonoso<strong>de</strong>. Es ist möglich, eine p o l y v a l e n t e zu benützen und ihre Anwendung hatte<br />

bisher großen Erfolg; die Abgrenzung aber läßt sich mit <strong>de</strong>n heutigen Erfahrungen noch nicht<br />

genügend feststellen. Die Wahl <strong>de</strong>s Anfangsmittels ist bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Bachmetho<strong>de</strong> einfach: F i n d e<br />

<strong>de</strong>n schädigen<strong>de</strong>n Organismus und mache eine Autonoso<strong>de</strong>. Beobachte<br />

dann mit äußerster Genauigkeit die Hahnemannschen Regeln in Bezug auf die Repetition <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Gabe, halte dich auf sehr lange Wirkungen gefaßt! Die genannte Einfachheit ist eine große<br />

Gabe an die Welt, welche aber manchmal mit <strong><strong>de</strong>r</strong> früheren Kompliziertheit in <strong>de</strong>n<br />

Verordnungen Erfahrener in Konflikt gerät. Man kann sagen, daß die Mittel <strong>von</strong> Bach in<br />

direkter Linie <strong>von</strong> <strong>de</strong>n uns vertrauten Noso<strong>de</strong>n hergeleitet wer<strong>de</strong>n und wir wissen, wie<br />

erfolgreich die letzteren schon in die homöopathische Therapie eingegriffen haben und wie<br />

sie die strengste Sekte <strong><strong>de</strong>r</strong> Hahnemannianer befriedigt haben. -<br />

Niemand soll glauben, daß die neue I<strong>de</strong>ntifikation <strong>von</strong> Psora und Bachbehandlung<br />

<strong>von</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Materia medica und ihrem Studium abführe. Jene neuen Mitteil sind mächtig und<br />

weitreichend, aber sie sind bestimmt <strong>von</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Klasse Sulfur, Psorin, Silicea, Lycopodium und<br />

ähnlichen. Es ist zu sagen, daß sie die Fälle tief beeinflussen und sie auf <strong>de</strong>n Weg <strong><strong>de</strong>r</strong> Heilung<br />

bringen. Aber sehr häufig kann die Reise enorm abgekürzt wer<strong>de</strong>n durch die Wahl eines<br />

supplementären Aehnlichkeitsmittels, für welches die Symptome maßgebend sind.<br />

Der Hauptgrund für <strong>de</strong>n Gebrauch <strong><strong>de</strong>r</strong> Noso<strong>de</strong>n wird darin liegen, daß auch die<br />

Erfahrensten <strong><strong>de</strong>r</strong> Erfahrenen häufig kein klares Bild <strong>de</strong>s Aehnlichkeitsmittels erlangen können,<br />

son<strong><strong>de</strong>r</strong>n nur eine unsichere Wahl <strong>von</strong> zweien o<strong><strong>de</strong>r</strong> dreien vor sich sehen, wo dann oft Sulfur<br />

gewählt wird. Nach unserer Erfahrung sind die Noso<strong>de</strong>n besser, <strong>de</strong>n Fall aufzuklären. Sollte<br />

dies im Sinn eines Simillimum geschehen, so verlangen we<strong><strong>de</strong>r</strong> Bach noch Wheeler etwas<br />

Besseres. -<br />

Es sind ungefähr 5-6% <strong>von</strong> Fällen, wo die Noso<strong>de</strong> gänzlich versagt und 10-12 %, wo ihre<br />

Wirkung unvollständig bleibt. Natürlich ist dann die Kenntnis <strong><strong>de</strong>r</strong> Materia medica <strong>von</strong> größter<br />

Wichtigkeit. Dann ist es immer noch möglich, daß später o<strong><strong>de</strong>r</strong> dazwischen die Dienste <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

neuen Mittel <strong>de</strong>nnoch <strong>von</strong> großem Werte sind. Es ist auch möglich, daß die gute Wirkung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Vakzine für Wochen und Monate verspätet eintritt. Wir haben Erfahrungen gemacht, welche<br />

uns diese Möglichkeit ernstlich nahelegen. (Der <strong>de</strong>utsche Leser erinnert sich vielleicht an die<br />

wichtigen Veröffentlichungen <strong>von</strong> A. Bier über „Reizverzug“, eigentlich<br />

Reaktionsverschiebung!) gegen alle möglichen Einwän<strong>de</strong> hält Wheeler die Ueberzeugung<br />

fest, daß es eine solche Gruppe <strong>von</strong> verzögerter Heilreaktion auf die Noso<strong>de</strong>n wirklich gibt.<br />

Wir sind zu <strong><strong>de</strong>r</strong> Ansicht gekommen, daß intestinale Infektionen die<br />

gewöhnliche Quelle für das Auftreten bösartiger Neubildungen ist. Für alle<br />

Fälle hat die Behandlung mit Vakzinen sehr schlagen<strong>de</strong> Resultate gegen Krebs aufzuweisen<br />

und wir setzen sie <strong>de</strong>mgemäß an erste Stelle unter unseren Krebsmitteln. Nun sind aber in<br />

vorgeschrittenen Krebsfällen die Organismen oft schwer zu fin<strong>de</strong>n, weshalb wir die<br />

polyvalente Vakzine hier bevorzugen. Unsere schließliche Behauptung ist, daß diese Noso<strong>de</strong>n<br />

eine wertvolle Hinzufügung seien zur Materia medica und daß sie nach bakteriologischen<br />

Grün<strong>de</strong>n gewählt wer<strong>de</strong>n können. Geschichtlich genommen ist Hahnemanns Theorie <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

chronischen Krankheiten nicht gerechtfertigt wor<strong>de</strong>n; sie hat <strong>de</strong>ssen aber nie bedurft für<br />

diejenigen, welche sie anwandten; aber in mo<strong><strong>de</strong>r</strong>ner Terminologie erklärt wird sie vielleicht<br />

annehmbarer für die Voreiligen im Urteil. Zuletzt: Seit Bach seine I<strong>de</strong>en als mo<strong><strong>de</strong>r</strong>ner<br />

Bakteriologe aufgestellt hat, wur<strong>de</strong> er nicht zurückgewiesen <strong>von</strong> <strong>de</strong>n Nichthomöopathen und<br />

seine Mittel haben sich sogar sehr verbreitet unter ihnen. In<strong>de</strong>m wir nun sehen können, daß<br />

Hahnemann die Konzeption vorausgenommen hat und daß Vakzinen in Potenz wirksam sind,<br />

bauen wir eine Brücke zwischen <strong>de</strong>n streiten<strong>de</strong>n Sekten und bringen <strong>de</strong>n Tag ein wenig<br />

näher, <strong><strong>de</strong>r</strong> Hahnemann vollauf ehren wird und <strong><strong>de</strong>r</strong> die <strong>Homöopathie</strong> einfügt in das Erbe <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

allgemeinen Medizin.<br />

Soweit die ausgezeichnet vermittelte Darstellung Dr. Wheelers. Ich möchte hier und<br />

die Bemerkung machen, daß sich auch die Krätzlehre (Scabies) organisch mit diesen<br />

intestinalen Toxämien verbin<strong>de</strong>n läßt. In jenem Falle ist die Cutis <strong>de</strong>n kleinen Schädlingen<br />

ausgesetzt, im Falle <strong><strong>de</strong>r</strong> Bachschen Forschung ist es die Schleimhaut. Hier wie dort han<strong>de</strong>lt es<br />

sich offenbar um falsche Proteine, wahrscheinlich sehr fein verteilte Fäulnisprodukte; <strong>de</strong>nn<br />

auch bei <strong>de</strong>n abgetöteten Krätzmilben sind Ptomaine aus Leichen und aus Kot in <strong>de</strong>n<br />

Milbengängen für die schlechten Allgemeinwirkungen verantwortlich gemacht wor<strong>de</strong>n,<br />

möglicherweise muß man dabei auch an die an<strong><strong>de</strong>r</strong>n bekannten Hautparasiten und speziell<br />

13


<strong>de</strong>n allgemein verbreiteten <strong>de</strong>mo<strong>de</strong>x folliculorum <strong>de</strong>nken. Hahnemann hat offenbar <strong>de</strong>n Teil<br />

fürs Ganze genommen; es ist möglich, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> intestinale Teil viel wichtiger ist, als <strong><strong>de</strong>r</strong> kutane.<br />

Aber in biologischer Hinsicht wer<strong>de</strong>n sie gleich stehen, <strong>de</strong>nn wir beobachten auf bei<strong>de</strong>n<br />

Seiten die Ten<strong>de</strong>nz durch Ausschläge zu erleichtern, womit die „Unterdrückung“ dieser<br />

Naturerscheinungen zusammenhängt. Die Hauptsache war bei Hahnemann die Konzeption<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> zurückliegen<strong>de</strong>n Grundursache, als einer allgemeinen toxischen Invasion, <strong><strong>de</strong>r</strong> gegenüber<br />

seine Zeitgenossen nur S y m p t o m e und g r ö b l i c h e S t o f f e wahrnehmen. Dem<br />

wi<strong><strong>de</strong>r</strong>sprach sein Genius und heute ist es <strong><strong>de</strong>r</strong> vorgeschrittenen mo<strong><strong>de</strong>r</strong>nen Wissenschaft<br />

erlaubt, ihm die Hand entgegenzustrecken. Es erfüllt uns mit großer Genugtuung, daß auch<br />

Dr. Bach die Hahnemann ehren<strong>de</strong> geschichtliche Größe vertritt.<br />

Wir hören also jetzt <strong>de</strong>n Urheber <strong><strong>de</strong>r</strong> Theorie, D r . E d w a r d B a c h , über seine (etwas<br />

gekürzt): Schon in <strong>de</strong>n frühesten Tagen <strong><strong>de</strong>r</strong> Medizin fin<strong>de</strong>n wir Beweise, daß das, was wir<br />

heute intestinale Toxämie nennen, bewußt o<strong><strong>de</strong>r</strong> unbewußt vorausgesetzt wur<strong>de</strong>, <strong>de</strong>nn schon<br />

<strong>von</strong> <strong>de</strong>n ältesten Aerzten wur<strong>de</strong>n Laxier- und Lebensmittel angewandt, um die Eingewei<strong>de</strong> zu<br />

reinigen. Die Metho<strong>de</strong> wechselte im Laufe <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeiten, doch blieben die Bemühungen ähnlich<br />

gerichtet und auch heute wird durch Diät, Drogen, selbst chirurgische Eingriffe ähnlichen<br />

Erwägungen Folge gegeben.<br />

Notwendig muß auch <strong><strong>de</strong>r</strong> Nahrungskanal <strong>von</strong> äußerster Wichtigkeit sein. Seine<br />

Oberfläche ist größer als die <strong><strong>de</strong>r</strong> Haut und er hat die Fähigkeit vom Medium, in <strong>de</strong>m er<br />

gewissermaßen ba<strong>de</strong>t, Stoffe zu absorbieren, was bei <strong><strong>de</strong>r</strong> äußeren Körperoberfläche in<br />

annährend ähnlichem Grad nicht vorhan<strong>de</strong>n ist. Man kann ohne krankmachen<strong>de</strong> Wirkung in<br />

einem Bad <strong>von</strong> Zyankali sitzen; ein sehr kleiner Teil da<strong>von</strong> in <strong>de</strong>n Magen gebracht, wäre sofort<br />

fatal. Sie können sich in Wasser waschen, das mit Typhoid-, Diphtherie- und an<strong><strong>de</strong>r</strong>n Bazillen<br />

verunreinigt ist, was ohne Scha<strong>de</strong>n bleibt, sofern nicht eine Spur da<strong>von</strong> in <strong>de</strong>n Mund kommt.<br />

Dann erst beginnt die Möglichkeit <strong>de</strong>s Scha<strong>de</strong>ns.<br />

Der Inhalt <strong>de</strong>s Darmkanals ist die Flüssigkeit, in welcher wir leben, ähnlich wie die<br />

unizellulare Amöbe in ihrem Wasser. Es ist wesentlich, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Darm rein sei und die<br />

Notwendigkeit <strong>de</strong>s Lebens darin enthalte und ferner frei <strong>von</strong> irgendwelchen Substanzen, die<br />

bei ihrer Absorption schädlich wer<strong>de</strong>n können. Es ist sicher eines <strong><strong>de</strong>r</strong> Wun<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Natur, daß<br />

sie es vermochte mit einer solchen Verschie<strong>de</strong>nheit <strong><strong>de</strong>r</strong> intestinalen Füllungen, wie sie durch<br />

die Anpassung verschie<strong>de</strong>ner Rassen bewiesen wur<strong>de</strong>, überhaupt auszukommen. Wenn man<br />

die Verschie<strong>de</strong>nartigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Lebensweise in <strong>de</strong>n Län<strong><strong>de</strong>r</strong>n und Völkern be<strong>de</strong>nkt, so muß man<br />

sich wun<strong><strong>de</strong>r</strong>n, daß die Rassen - im allgemeinen gesprochen - doch noch überleben. In<strong>de</strong>ssen<br />

besteht die Strafe nicht im To<strong>de</strong>, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n vorläufig in <strong><strong>de</strong>r</strong> Erkrankung, nicht in <strong><strong>de</strong>r</strong> Ausrottung,<br />

son<strong><strong>de</strong>r</strong>n in einer Entartung. Nach aller Wahrscheinlichkeit waren die Menschen ursprünglich<br />

auf Rohkost angewiesen, die Nahrung <strong><strong>de</strong>r</strong> Tropen und <strong><strong>de</strong>r</strong> Verdauungskanal waren dazu<br />

entwickelt. Aber es fand Abwan<strong><strong>de</strong>r</strong>ung nach kühlen Klimaten statt und jetzt leben viele<br />

Nationen gänzlich <strong>von</strong> gekochter Nahrung, welche <strong>de</strong>n Darminhalt völlig verän<strong><strong>de</strong>r</strong>t und<br />

<strong>de</strong>nnoch lebt die Rasse; aber die Menschheit entwischt nicht gänzlich, sie lebt, aber sie<br />

lei<strong>de</strong>t, sie wird in ihrer Kraft und Gesundheit heruntergesetzt und lei<strong>de</strong>t an zahllosen<br />

Krankheiten. Selbst wenn nun - gegen alle Wahrscheinlichkeit - die Menschen ihre Schritte zur<br />

Ursprünglichkeit zurücklenken wür<strong>de</strong>n, so wird uns das heute doch nicht in unserm Vorhaben<br />

stören, <strong>de</strong>nn uns interessieren die ungezählten Millionen dieses Zeitalters und unserer nahen<br />

Zukunft, welche leben wollen und heute laut um Erleichterung und Heilung rufen. Wir haben<br />

sofortige Notwendigkeiten zu berücksichtigen und können nicht auf i<strong>de</strong>alere zukünftige<br />

Zeiten warten. - Wenn eine Rasse <strong>von</strong> unnatürlicher Nahrung lebt, so än<strong><strong>de</strong>r</strong>t sich <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Darminhalt chemisch, physikalisch und bakteriologisch. Alle diese Dinge gehören hierher,<br />

zumeist jedoch die bakteriologische Aen<strong><strong>de</strong>r</strong>ung. Die chemische und physikalische Artung<br />

kann annähernd ans Normale gebracht wer<strong>de</strong>n durch eine Diät, nicht allzufern unserer<br />

bürgerlichen, durch Zutaten <strong>von</strong> Früchten und Salaten, so daß die mo<strong><strong>de</strong>r</strong>nen Möglichkeiten<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Haushaltung und <strong><strong>de</strong>r</strong> öffentlichen Gaststätten genügen. Doch dies genügt vielfach nicht,<br />

s c h o n v o r h a n d e n e Krankheiten zu bemeistern. Wenn nämlich eine Infektion <strong>von</strong><br />

längerer Dauer o<strong><strong>de</strong>r</strong> tiefem Sitz schon bestand, so wi<strong><strong>de</strong>r</strong>steht das bakterielle Element lange<br />

Zeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Besserung im Darminhalt und es müssen an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Metho<strong>de</strong>n in Anspruch genommen<br />

wer<strong>de</strong>n, jenes zu verdrängen. Ist es Ihnen bekannt, welche Verschie<strong>de</strong>nheit besteht zwischen<br />

<strong>de</strong>m Darminhalt eines <strong>von</strong> rauher Kost und eines <strong>von</strong> gekochter Nahrung verhaltenen<br />

Individuums? Im letzteren Fall, wie es bei zivilisierten Menschen zumeist zutrifft, ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Inhalt<br />

faulig im Geruch, dunkel gefärbt und alkalisch in <strong><strong>de</strong>r</strong> Reaktion, Fäulnisprodukte, wie Indol,<br />

14


enthalten; <strong><strong>de</strong>r</strong> bakterielle Inhalt besteht aus Bacillus coli, Streptokokkus und sporentragen<strong>de</strong>n<br />

Organismen. Mit <strong>de</strong>m gesun<strong>de</strong>n Individuum, welches <strong>von</strong> Rohkost lebt, kontrastiert dieser<br />

Befund sehr. Der Inhalt ist ohne Geruch, hell in Farbe, sauer in Reaktion, frei <strong>von</strong><br />

Fäulnisprodukten und <strong><strong>de</strong>r</strong> bakterielle Inhalt besteht aus Milchsäurebazillen mit einigen<br />

Colibazillen. Wer mit diesem Befund vertraut ist, sollte dadurch auf ernstes Nach<strong>de</strong>nken<br />

geführt wer<strong>de</strong>n.<br />

In vielen Fällen kann nun hier eine Kur gemacht wer<strong>de</strong>n und selbst ohne ernstere<br />

Aen<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong><strong>de</strong>r</strong> Diät, obwohl ich zugebe, daß Hinzufügung <strong><strong>de</strong>r</strong> Diät länger dauern<strong>de</strong> und<br />

bessere Erfolge zeitigen kann. Der wesentliche Punkt einer geeigneten Diät ist, daß sie die<br />

Bedürfnisse <strong>de</strong>s Körpers befriedigt und dabei die Reaktion <strong>de</strong>s Dickdarms leicht sauer erhält,<br />

statt alkalisch, wie es in <strong><strong>de</strong>r</strong> westlichen Zivilisation gefun<strong>de</strong>n wird. Die Säure hängt ab vom<br />

Ge<strong>de</strong>ihen <strong>de</strong>s Milchsäurebazillus und dieser Organismus wie<strong><strong>de</strong>r</strong> bedarf <strong><strong>de</strong>r</strong> S t ä r k e , um seine<br />

Vermehrung zu sichern. Gewöhnliche Stärkezufuhr ist längst in Zucker verwan<strong>de</strong>lt, bis <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Dickdarm erreicht wird; aber rohes Hafermehl o<strong><strong>de</strong>r</strong> - noch besser - gequetschte Nüsse, liefern<br />

eine Stärke, die großenteils noch unverwan<strong>de</strong>lt <strong>de</strong>n obern Teil <strong>de</strong>s Darmtraktus passiert.<br />

Ich kann nicht ohne weiteres behaupten, daß die Klasse <strong>von</strong> Bakterien, welche<br />

Gegenstand dieser Abhandlung ist, die direkte Krankheitsursache sei; ich bin <strong>de</strong>ssen nicht<br />

sicher. Sie mögen sogar das Resultat <strong><strong>de</strong>r</strong> Krankheit sein; aber ich muß festhalten, daß diese<br />

Gruppe <strong>von</strong> Organismen in <strong>de</strong>n Patienten Beständigkeit ausweist, daß sie also mit<br />

chronischen Krankheiten verbun<strong>de</strong>n sind und daß wir im Gebrauch ihrer Zubereitungen<br />

machtvolle Waffen besitzen, um chronische Krankheiten aller Art zu bekämpfen. Bei <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

großen Mehrzahl unserer Mitbürger können diese Organismen gefun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n und wo<br />

irgend sie da sind, da muß man auch mit Krankheitsanlagen o<strong><strong>de</strong>r</strong> schon entwickelten<br />

Krankheiten rechnen. Ihre sofortige Virulenz ist ja nicht groß und Menschen, die mit<br />

hinreichend Gesundheit ins Leben treten, können diese Toxine eine Reihe <strong>von</strong> Jahren ohne<br />

entschie<strong>de</strong>ne Folgen aushalten. Aber im Laufe <strong><strong>de</strong>r</strong> Lebenszeit mit all ihren Schädigungen<br />

kommt doch <strong><strong>de</strong>r</strong> Punkt, wo die Selbstverteidigung nicht mehr ausreicht und Krankheit<br />

hervortritt. Während ein Zusammenbruch oft bis zum mittleren Alter verschoben wird, ist doch<br />

schon die nächste Generation <strong>von</strong> vermin<strong><strong>de</strong>r</strong>ter Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>standsfähigkeit und es bleibt wahr,<br />

daß die Natur, so sorgfältig sie das Typische zu behaupten sucht, doch oft sorglos mit <strong>de</strong>m<br />

Einzelleben umzugehen scheint. So veranlaßte auch die lange latente Perio<strong>de</strong> in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Tuberkulose die irrige Meinung, diese Krankheit sei nicht infektiös.<br />

Die Keime, <strong>von</strong> welchen ich spreche, sind Bazillen, Gram negativ, zu <strong><strong>de</strong>r</strong> großen Coli<br />

typhoid-Gruppe gehörig; <strong><strong>de</strong>r</strong> wichtige Punkt ist, daß sie Milchsäuregärung nicht bewirken,<br />

was sie vom Colibazillus selbst unterschei<strong>de</strong>t. Im gewöhnlichen Sinn zeigen sie keine Giftigkeit,<br />

wie Dysenterie, Typhoid, Paratyphoidbazillen und sie sind <strong>de</strong>shalb als unschuldig angesehen<br />

wor<strong>de</strong>n. Sie gehören aber zu jener Klasse.<br />

Ihre Zahl ist wahrscheinlich enorm, vielleicht unendlich. Man kann hun<strong><strong>de</strong>r</strong>t Fälle<br />

untersuchen, ohne zwei gleiche Abstriche zu erhalten. Wir können sie in Gruppen<br />

unterschei<strong>de</strong>n; aber je<strong>de</strong> Gruppe schließt eine Menge <strong>von</strong> Varietäten ein, die unter sich in<br />

einigen kleinen Dingen differieren. Für unsere Zwecke stellen wir 6 Gruppen auf:<br />

Dysenterie<br />

Gaertner<br />

Faecalis alkaligenes<br />

Morgan<br />

Proteus<br />

Coli mutabile.<br />

Sie fermentieren gewisse Zuckerarten und wie sie sich darin verhalten, bestimmt ihre<br />

Einordnung.<br />

Wird eine autogene Vakzine gebraucht, so ist ihre exakte Definition ohne Wichtigkeit;<br />

die polyvalente Vakzine wie<strong><strong>de</strong>r</strong>um hat sehr zahlreiche Beiträge <strong>von</strong> vielen Fällen je<strong><strong>de</strong>r</strong> Klasse.<br />

Diese Präparate also sind die harmlos betrachteten Bazillen, welche aber wirkliche<br />

Indikationen darbieten und bei richtiger Anwendung chronische Krankheiten heilen. Die<br />

klinische Evi<strong>de</strong>nz ist schon mehr als hinreichend gesichert; aber die Laboratoriumsarbeit -<br />

zunächst nicht klinischer Art - häuft ebenfalls höhere Tatsachen und <strong>de</strong>monstriert die<br />

Verbindung zwischen diesen Organismen und <strong>de</strong>n Krankheiten.<br />

15


Durch tägliche Prüfung <strong>de</strong>s Fäzes eines Patienten ist es möglich, <strong>de</strong>n Prozentsatz <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Organismen und seine Schwankungen in Bezug auf <strong>de</strong>n Stand <strong><strong>de</strong>r</strong> inneren Krankheit zu<br />

vergleichen.<br />

Im allgemeinen nimmt man an, daß nur Coli allein normalerweise anwesend sei; aber<br />

man kann unsere Organismen in Verhältniszahlen <strong>von</strong> 1 bis 100 Prozent antreffen. Ihrem Typ<br />

bleiben die gefun<strong>de</strong>nen Organismen meist treu in je<strong>de</strong>m Krankheitsfall; Gaertner wechselt<br />

also nicht z. B. mit Morgan o<strong><strong>de</strong>r</strong> Proteus. Wenn eines Patienten Fäzes täglich untersucht<br />

wer<strong>de</strong>n, so stellt sich heraus, daß die Organismen nicht gleichförmig vorhan<strong>de</strong>n sind, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />

in Zyklen erscheinen. Vielleicht sind die Fäzes eine Zeitlang frei und dann erscheinen die<br />

Organismen, steigen rasch an in <strong><strong>de</strong>r</strong> Zahl, bleiben einige Tage auf <strong>de</strong>m Höhepunkt und<br />

vermin<strong><strong>de</strong>r</strong>n sich, bis sie verschwin<strong>de</strong>n. Diese Zyklen stimmen in einem gewissen Maß mit <strong>de</strong>n<br />

Krankheitserscheinungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Patienten überein. Beobachtet man diese Verhältnisse während<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Behandlung mit <strong>de</strong>n Präparaten, so fin<strong>de</strong>t man, daß die schönsten Resultate erzielt<br />

wer<strong>de</strong>n, wenn auf eine kurze negative Phase eine höhere und verlängerte positive folgt,<br />

<strong>de</strong>utlicher ausgeprägt, als sonst gewohnheitsmäßig bei <strong>de</strong>m Patienten. Zeigt sich wenig<br />

Aen<strong><strong>de</strong>r</strong>ung gegen <strong>de</strong>n gewöhnlichen Typ <strong>de</strong>s Falles, so ist die Heilwirkung nicht so gut.<br />

Es ist auffallend, wie schnell <strong><strong>de</strong>r</strong> Wechsel im Gehalt <strong><strong>de</strong>r</strong> Organismen sich oft vollzieht.<br />

Vielleicht nach Wochen negativer Untersuchung kann binnen 36 Stun<strong>de</strong>n die Zahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Bazillen<br />

auf 100 Prozent steigen. Wie dies zustan<strong>de</strong> kommen kann, wissen wir nicht; die angestrebte<br />

Erklärung muß auf verschie<strong>de</strong>ne Möglichkeiten Rücksicht nehmen; je<strong>de</strong>nfalls aber ist bereits<br />

bewiesen, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Prozentsatz <strong><strong>de</strong>r</strong> Bazillen in einem Verhältnis steht zu <strong>de</strong>n<br />

Krankheitserscheinungen.<br />

Ein andrer seltsamer Zug in dieser Naturgeschichte ist die Beständigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Organismen <strong>de</strong>s beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en Typs in einem gegebenen Subjekt. Während mehrerer Jahre -<br />

wie auch <strong><strong>de</strong>r</strong> Zustand <strong>de</strong>s Patienten geartet sei und wie häufig Untersuchungen gemacht<br />

wer<strong>de</strong>n - bleibt <strong><strong>de</strong>r</strong> Typ sich gleich; in wenigen Fällen fin<strong>de</strong>t man mehr als einen Typ; meist nur<br />

stets <strong>de</strong>nselben. Gewisse Symptome erscheinen häufiger und mit einem bestimmten Typ, als<br />

mit einem an<strong><strong>de</strong>r</strong>n und wahrscheinlich wird sich hierüber noch Näheres durch kommen<strong>de</strong><br />

Beobachtungen feststellen lassen. Gleichviel, ob die Organismen nun Ursache o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Ergebnisse krankhafter Vorgänge im Organismus sein mögen; dies ist in <strong>de</strong>n letzten 12 Jahren<br />

sicher festgestellt wor<strong>de</strong>n: ihre Vakzinen vermögen eine enorme Wohltat auf Kranke<br />

auszuüben. Hun<strong><strong>de</strong>r</strong>te und Tausen<strong>de</strong> <strong>von</strong> Patienten sind nach solchen Gesichtspunkten<br />

behan<strong>de</strong>lt wor<strong>de</strong>n durch sehr viele Aerzte sowohl hypo<strong><strong>de</strong>r</strong>matisch, als mit potenzierten<br />

Präparaten.<br />

Achtzig Prozent <strong><strong>de</strong>r</strong> Kranken wiesen Besserung auf, einige nur in beschei<strong>de</strong>nem<br />

Betrag, die Majorität sehr entschie<strong>de</strong>n und eine ganze Anzahl zeigte brillante Resultate, etwa<br />

10 Prozent tatsächliche Wun<strong><strong>de</strong>r</strong>. Nicht ohne Jahre <strong>von</strong> Versuchen und Erfahrungen, nicht<br />

ohne Beobachtung Tausen<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>von</strong> Fällen bringe ich diese Vorschläge zu Gehör, nicht ohne<br />

die Mitarbeit <strong>von</strong> Praktikern überall auf <strong>de</strong>n britischen Inseln. Für eine beträchtliche Zahl <strong>von</strong><br />

Jahren sind Patienten durch hydro<strong><strong>de</strong>r</strong>matische Injektionen behan<strong>de</strong>lt wor<strong>de</strong>n; Details<br />

hierüber sind in unserm Buch „Chronische Krankheiten“ zu fin<strong>de</strong>n. Aber <strong><strong>de</strong>r</strong> Punkt, <strong>de</strong>n ich zu<br />

betonen wünsche, ist <strong><strong>de</strong>r</strong>, daß ebenso gute - nach meiner und an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Annahme noch<br />

bessere - Resultate durch die potenzierten Arzneien aus <strong>de</strong>n getöteten Organismen zu<br />

erhalten sind.<br />

Diese sind nun sieben Jahre in Gebrauch gewesen und in sehr verbreitetem<br />

Gebrauch seit zwei Jahren, gleich sehr bei Homöopathen und Allopathen und <strong>von</strong> letzteren<br />

haben welche die subkutane Verwendung zugunsten <strong><strong>de</strong>r</strong> Potenzen aufgegeben. - Diese<br />

Zubereitungen sind <strong>von</strong> 2 Varietäten angefertigt, autogen und polyvalent. Die erstere<br />

Präparation geht nur <strong>de</strong>n Patienten an, aus <strong>de</strong>ssen Darmflora sie gewonnen wur<strong>de</strong>. Ein<br />

Polyvalent schließt die Organismen <strong>von</strong> Hun<strong><strong>de</strong>r</strong>ten <strong>von</strong> Patienten ein; nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Mischung<br />

wer<strong>de</strong>n sie potenziert. Letzteres Präparat soll also möglichst viele passen<strong>de</strong> Fälle versorgen.<br />

Ueber die Vorzüge bei<strong><strong>de</strong>r</strong> reicht die Erfahrung noch nicht aus, <strong>de</strong>finitive Schlüsse zu ziehen;<br />

für alle Fälle ist aber das polyvalente Präparat so wertvoll, daß es sich <strong><strong>de</strong>r</strong> homöopathischen<br />

Materia medica als eine erfolgreiche Noso<strong>de</strong> einfügen kann. Ich kann sagen, daß die<br />

erreichten Resultate das Vertrauen rechtfertigen, daß alle, die es versuchen, auch das<br />

autogene Präparat probieren wer<strong>de</strong>n, wenn je die Resultate <strong>de</strong>s polyvalenten nicht ganz<br />

befriedigen. Dann wird man erst erfolgreich vergleichen und schließen können. Je<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

16


zuständige Bakteriologe kann diese Zubereitung machen und ich will Ihnen noch in Kürze die<br />

exakten Details dafür geben.<br />

Die Fäzes wer<strong>de</strong>n mit Agar („Mac Conkeys ripibel agar“) 16 Stun<strong>de</strong>n<br />

zusammengegeben. Hierbei wachsen die Kolonien als rote o<strong><strong>de</strong>r</strong> weiße. Erstere, wenn sie<br />

Laktose fermentieren; die für uns brauchbaren wachsen weiß, da sie keine Säure bil<strong>de</strong>n, die<br />

zur roten Reaktion führt. Den weißen Organismen kommt hier die einzige Be<strong>de</strong>utung zu. Von<br />

ihnen wer<strong>de</strong>n durch 15 Stun<strong>de</strong>n Kulturen gemacht und dann wer<strong>de</strong>n sie behufs Einordnung<br />

in ihre Gruppen auf Zuckerreaktionen geprüft. Eine Kultur wird mit 2ccm <strong>de</strong>stilliertem Wasser<br />

verschlossen und bei 60º C während 30 Minuten getötet. Dann wird das Ganze mit<br />

Milchzucker verrieben, entwe<strong><strong>de</strong>r</strong> mit 9 o<strong><strong>de</strong>r</strong> mit 99 Gramm. Damit kommt die erste <strong>de</strong>zimale<br />

o<strong><strong>de</strong>r</strong> centesimale Potenz zustan<strong>de</strong>. Weitere Potenzen wer<strong>de</strong>n bis zu 6c o<strong><strong>de</strong>r</strong> 12d durch<br />

Verreibung hergestellt, die noch folgen<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>n gewöhnlichen flüssigen Hilfsmitteln.<br />

Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>e Sorgfalt ist nötig, durch Sterilisierung aller Apparate die früheren Potenzen<br />

vollständig zu entfernen. Trockene Hitze <strong>von</strong> min<strong>de</strong>stens 140ºC für 15 Minuten ist<br />

wahrscheinlich wirksamer als Dampf o<strong><strong>de</strong>r</strong> feuchte Wärme.<br />

Soweit ich sehe, ist nichts in diesen Noso<strong>de</strong>n, was <strong>de</strong>n Hahnemannschen Gesetzen<br />

wi<strong><strong>de</strong>r</strong>spräche und als die Einzelmittel ist es inhaltsreicher als je<strong>de</strong> sonst bekannte Arznei. Es ist<br />

ein Verbindungsstück zwischen <strong><strong>de</strong>r</strong> allopathischen und homöopathischen Schule; ent<strong>de</strong>ckt<br />

<strong>von</strong> einem Mitglied <strong><strong>de</strong>r</strong> allopathischen Avantgar<strong>de</strong>, wird es doch in Uebereinstimmung mit<br />

<strong>de</strong>n homöopathischen Grundsätzen gefun<strong>de</strong>n.<br />

Ich biete Ihnen diese Noso<strong>de</strong> an, als würdig in Ihrer Pharmakopöe aufgenommen zu<br />

wer<strong>de</strong>n, nützlich beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s in solchen Fällen, die auf gewöhnliche Drogen nicht antworten<br />

o<strong><strong>de</strong>r</strong> wenn kein Mittel speziell indiziert ist; aber <strong><strong>de</strong>r</strong> Gebrauch dieses Grundmittels bleibt nicht<br />

auf solche Fälle beschränkt.<br />

Die Noso<strong>de</strong> soll in Amerika und Deutschland geprüft wer<strong>de</strong>n; in diesem Lan<strong>de</strong> wird sie<br />

schon <strong>von</strong> einer beträchtlich größeren Anzahl <strong>von</strong> Allopathen als Homöopathen angewandt.<br />

Ich glaube, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> eigentliche Gebrauch <strong><strong>de</strong>r</strong> Noso<strong>de</strong> in ihrem Charakter als Grundmittel<br />

gegeben ist und ich zweifle nicht, daß die glänzendsten Resultate dann herhalten wer<strong>de</strong>n,<br />

wenn homöopathische Behandlung <strong>de</strong>m Mittel nachfolgt, die Symptome mit <strong>de</strong>n<br />

angemessenen Heilmitteln zusammenstimmen. Die Noso<strong>de</strong> ist fähig, einen größeren o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

kleineren Teil tiefer Grundstörungen zu beseitigen. Es reinigt sozusagen die Patienten mit <strong>de</strong>m<br />

Effekt, sie für das eigentliche Symptommittel empfänglich zu machen. So brillant auch die<br />

Erfolge sind, welche Allopathen erzielen, i n I h r e n H ä n d e n s o l l t e n s i e n o c h b e s s e r<br />

sein!<br />

Ich for<strong><strong>de</strong>r</strong>e Sie auf, <strong><strong>de</strong>r</strong> Noso<strong>de</strong> ein Versuchsfeld zu bieten, für Fälle, die unter an<strong><strong>de</strong>r</strong>er<br />

Behandlung nicht gebessert wur<strong>de</strong>n, o<strong><strong>de</strong>r</strong> für solche, wo ein Heilmittel nicht klar angezeigt ist.<br />

- Ich lege nicht z u v i e l Wert auf die autogene Noso<strong>de</strong>, weil ich weiß, daß die polyvalente<br />

Sie noch besser ansprechen wird.<br />

Will man die Vakzine e i n s p r i t z e n , so ist es besser, die autogene zu haben, welche<br />

dann (mit 95%) die besten Resultate gibt; nur 5% reagieren hier besser auf die polyvalente;<br />

aber in bezug auf die p o t e n z i e r t e Vakzine ist es zu früh, eine solche Feststellung zu<br />

machen und <strong><strong>de</strong>r</strong>art ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Erfolg <strong><strong>de</strong>r</strong> polyvalenten, daß ich <strong>de</strong>nken muß, in einigen Fällen sei<br />

sie besser und in ihrer großen Mehrheit ebenso gut, wie die autogene, obwohl immer einige<br />

Fälle übrig bleiben wer<strong>de</strong>n, die nur auf die persönliche Noso<strong>de</strong> aus eigenen Organismen<br />

antworten. -<br />

Zeitlich geht die Noso<strong>de</strong> im allgemeinen, das aus Krankheitsmaterial gewonnene<br />

Heilmittel, <strong><strong>de</strong>r</strong> Bakteriologie und <strong><strong>de</strong>r</strong> Vakzine vorher; aber die Beziehung <strong>de</strong>s Späteren zum<br />

vorher Dagewesenen ist klar. Ihrer Schule nun, <strong>de</strong>n Pionieren in solchem Zusammenhang und<br />

Gebrauch, biete ich ein Mittel an, welches wirksam ist gegen die tiefste aller Krankheiten,<br />

welche <strong><strong>de</strong>r</strong> Genius <strong>von</strong> Hahnemann ahnte und benannte. Wenn ich annehme, daß ich<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong>en Natur heute klarer machen kann, als es ihm möglich gewesen, nehme ich ihm kein<br />

Tüpfelchen <strong>von</strong> seinem Ruhm; eher glaube ich, daß ich sein Werk bestätige und erweitere,<br />

ihm die einzige Huldigung darbietend, die er selbst wünschen wür<strong>de</strong>.<br />

Der Herausgeber dieser Schrift und Uebersetzer <strong><strong>de</strong>r</strong> bei<strong>de</strong>n vorangegangenen<br />

Vorträge glaubt als homöopathischer Arzt hier Dr. Bach und seinen Mitarbeitern seinen<br />

aufrichtigen Dank aussprechen zu sollen. Er hat in diesen Beiträgen das Fortschrittlichste<br />

gefun<strong>de</strong>n, was für die <strong>Homöopathie</strong> theoretisch und praktisch seit Hahnemann und seit <strong>de</strong>n<br />

17


großen erfolgreichen Arzneiprüfungen <strong><strong>de</strong>r</strong> späteren Zeit getan wur<strong>de</strong>. Die hier vorliegen<strong>de</strong>n<br />

Arbeiten zeichnen sich zugleich durch einen wissenschaftlichen Gehalt aus, welcher an<br />

gesicherte Ergebnisse mo<strong><strong>de</strong>r</strong>ner Forschung anknüpft. Sie enthalten auch wissenschaftliche<br />

Probleme, welche die Forscher wohl bemerkt und formuliert haben.<br />

Ueber die Psorafrage habe ich mich schon geäußert; ein an<strong><strong>de</strong>r</strong>es hochinteressantes<br />

Problem ist das <strong>de</strong>s zyklischen Erscheinens und Verschwin<strong>de</strong>ns <strong><strong>de</strong>r</strong> Organismen im Darmkanal<br />

bei <strong>de</strong>m sie beherbergen<strong>de</strong>n chronisch erkrankten Menschen. Hierüber möchte ich einige<br />

Worte sagen, weil - die Richtigkeit dieser Beobachtungen vorausgesetzt - dieses Verhalten<br />

mir ein Licht zu werfen scheint auf die genetische Stellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Organismen im pathologischen<br />

Prozeß.<br />

Die zyklische Ab- und Zunahme <strong><strong>de</strong>r</strong> Organismen scheint mir ein Beweis dafür zu sein,<br />

daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Organismus <strong>de</strong>s Menschen selbst für <strong><strong>de</strong>r</strong>en Existenz, Vermehrung und Vermin<strong><strong>de</strong>r</strong>ung<br />

herangezogen wer<strong>de</strong>n muß. In <strong>de</strong>n so kurzlebigen Individuen <strong><strong>de</strong>r</strong> Darmflora ist kein Grund für<br />

solche Schwankungen. Wäre die Bedingung für ihre Vermehrung immer gleich, so müßten sie<br />

in einer steten annähern<strong>de</strong>n Mittelzahl vorhan<strong>de</strong>n sein, o<strong><strong>de</strong>r</strong> sich so lange vermehren, bis sie<br />

in ihren eigenen Toxinen wie<strong><strong>de</strong>r</strong> zugrun<strong>de</strong> gingen. Bei <strong>de</strong>m Auf und Ab ihrer Zahl, zumal,<br />

wenn solche in größeren Perio<strong>de</strong>n schwankt, muß eine Aen<strong><strong>de</strong>r</strong>ung im Wirtscharakter <strong>de</strong>s<br />

Darmkanals angenommen wer<strong>de</strong>n. Die intestinale Inhaltsmasse muß sich in Perio<strong>de</strong>n än<strong><strong>de</strong>r</strong>n;<br />

vielleicht han<strong>de</strong>lt es sich um eine zeitweilige Passivität <strong>de</strong>s Darms und ihr gegenüber um<br />

zeitweise starke Abwehr gegen Mikroorganismen. Bei<strong>de</strong>s ist ganz wohl <strong>de</strong>nkbar: wir vergessen<br />

doch nicht das im einzelnen und im ganzen biologische Verhalten <strong>de</strong>s Organismus. Es fragt<br />

sich jetzt: Sollen wir die hinter <strong>de</strong>n Bazillen wirksamen periodischen Vorgänge selbst wie<strong><strong>de</strong>r</strong> als<br />

eine chronische Krankheitsanlage betrachten, o<strong><strong>de</strong>r</strong> sollen wir eine an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Erklärung suchen.<br />

Im ersteren Fall kommen wir wie<strong><strong>de</strong>r</strong> auf Schwierigkeiten, müssen - nach <strong>de</strong>n vorliegen<strong>de</strong>n<br />

Beobachtungen - noch einmal eine Psora hinter <strong><strong>de</strong>r</strong> Psora annehmen, eine Toxämie hinter<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> offenbaren Toxämie, welche aus unbekannten Grün<strong>de</strong>n zeitweise zurücktritt und<br />

hervortritt.<br />

P a r a c e l s u s hat einen an<strong><strong>de</strong>r</strong>n Ausweg gezeigt. Er sagt, daß das menschliche System<br />

analog gebaut sei einem Planetensystem. Alle Funktionen haben materielle Träger, welche<br />

<strong>de</strong>n Hauptplaneten und <strong><strong>de</strong>r</strong> Sonne, sowie unserm Mon<strong>de</strong> entsprechen. Das System ist immer<br />

im Fortschreiten, im Umschwung begriffen, wobei alle Tätigkeiten bald begünstigt, bald<br />

behin<strong><strong>de</strong>r</strong>t wer<strong>de</strong>n, wie die Sonnennähe und Sonnenferne wirken, o<strong><strong>de</strong>r</strong> Finsternisse,<br />

Be<strong>de</strong>ckungen, Konjunktionen, Oppositionen. Man kann sich, glaube ich, kein schöneres Bild<br />

vom Geschehen im menschlichen Organismus machen und auch kein zutreffen<strong><strong>de</strong>r</strong>es, <strong>de</strong>nn<br />

je<strong><strong>de</strong>r</strong>, <strong><strong>de</strong>r</strong> sich beobachtet, weiß, daß zeitweise seine Verdauung leicht gestört ist, dann<br />

wie<strong><strong>de</strong>r</strong> kraftvoll arbeitet, daß er zeitweise schlecht schläft, ohne erkennbaren Grund, dann<br />

wie<strong><strong>de</strong>r</strong> ausgezeichnet; daß er manchmal wenig Urin läßt, dann Zeiten unverständlich<br />

reichlichen Abgangs hat. Ebenso geht es mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Wärme <strong><strong>de</strong>r</strong> Extremitäten, mit allgemeiner<br />

Müdigkeit, mit auffallen<strong><strong>de</strong>r</strong> Feinheit o<strong><strong>de</strong>r</strong> etwas Stumpfheit dieses und jenes Sinns. Unsere<br />

Funktionen schießen auf und verwelken „wie die Blüten <strong>de</strong>s Krokus“. Das sind eben die<br />

Begünstigungen und die Verdunkelungen in unserem inneren Planeten 2 . Man hat in unserer<br />

Zeit selbst <strong>de</strong>m Atom ein solches Sinnbild geschaffen und man mußte neuestens alle<br />

materiellen Vorstellungen in Bezug auf das Atommo<strong>de</strong>ll dahin berichtigen, daß es sich um ein<br />

System oszillieren<strong><strong>de</strong>r</strong> Ladungen handle. So ist nun vom Anfang <strong><strong>de</strong>r</strong> Wege <strong><strong>de</strong>r</strong> „Materie“ bis<br />

hinauf zum Sternenhimmel eine Analogie geschaffen und die Aus<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s genialen<br />

Paracelsus schließt auch das Leben <strong>de</strong>s menschlichen Organismus in <strong>de</strong>n Kreis ein. Nun<br />

be<strong>de</strong>nke man, daß das Leben ein Konflikt ist mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Außenwelt, ein Konflikt nach allen Seiten<br />

und nur die starke Ueberlegenheit <strong>de</strong>s Systembaues verbürgt für einige Zeit die Erhaltung und<br />

Ordnung. Aber es ist nicht zu verhin<strong><strong>de</strong>r</strong>n, daß ungünstige Konstellationen im System die eine<br />

o<strong><strong>de</strong>r</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Funktion in Gefahr bringen, <strong>de</strong>n Makrokosmus nicht hinreichend abwehren<br />

können, so daß das ganze System in Not kommt, Krankheiten verursacht wer<strong>de</strong>n o<strong><strong>de</strong>r</strong> gar <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

2<br />

Als Beispiel erwäge man etwa das Verhalten <strong>von</strong> Haut und Nieren. Ihre Funktionen sind gewissermaßen<br />

befreun<strong>de</strong>te Planeten. Stehen sie in Konjunktion, d. h. funktionell bei<strong>de</strong> optimal, so verstärken sie eine<br />

entgiften<strong>de</strong> und wasserregulieren<strong>de</strong> Gesamthaltung. Stehen sie in Opposition, so ist ihr Einfluß stark<br />

vermin<strong><strong>de</strong>r</strong>t; die Krankheitsneigung geht nach jener Richtung, die Abwehr und Ordnung auf <strong>de</strong>m<br />

betreffen<strong>de</strong>n Gebiet stockt. Genau diese beobachtet man zyklisch bei Gesun<strong>de</strong>n und Kranken.<br />

Deshalb ist die Paracelsus-I<strong>de</strong>e wahr und lebensvoll.<br />

18


Untergang <strong>de</strong>s Ganzen, d. h. <strong><strong>de</strong>r</strong> individuelle Tod, erfolgt. - So kann man sich ohne<br />

Ueberpsora die Bedrohung <strong>de</strong>s organischen Lebens vorstellen, allein durch <strong>de</strong>n Aufbau, <strong>de</strong>n<br />

es nun einmal notwenig haben muß. Demnach ist es auch hier leicht, sich zu sagen, daß <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Verdauungskanal im ganzen System seine Zeit haben wer<strong>de</strong>, wo er wenig, und an<strong><strong>de</strong>r</strong>e<br />

Zeiten, wo er viel Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>stand aufbringen kann, das Ganze zu beeinflussen im Sinne einer<br />

optimalen Nützlichkeit. Die Psora bleibt, was sie nach Hahnemann und nach unsern<br />

englischen Freun<strong>de</strong>n ist; daß sie ihre Verstärkung erfährt, daß sie eine ab- und zunehmen<strong>de</strong><br />

Toxämie setzt, das ist die Folge <strong><strong>de</strong>r</strong> Funktionszusammenhänge nach Maßgabe <strong>de</strong>s<br />

Systembaues im menschlichen Leben. Die Frage also, welche die Englän<strong><strong>de</strong>r</strong> aufgeworfen<br />

haben, ob nämlich die Organismen Produkte o<strong><strong>de</strong>r</strong> Ursachen <strong><strong>de</strong>r</strong> Krankheiten seien, gelingt es<br />

durch die Konzeption <strong>de</strong>s Paracelsus zu lösen: sie sind Folgen <strong>de</strong>s Systembaues <strong>de</strong>s<br />

menschlichen Organismus, welcher ihnen zeitweise mehr Spielraum gewähren muß, ohne<br />

noch selbst krank zu sein; an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits sind sie die Urheber <strong>von</strong> Krankheiten, welche wir unter<br />

<strong>de</strong>m Begriff <strong><strong>de</strong>r</strong> Psora zusammenfassen; das ergibt sich aus ihrer vermehrten Anwesenheit<br />

und aus geschwächtem Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>stand <strong>de</strong>s chronisch befallenen Organismus <strong>de</strong>s Menschen. Sie<br />

sind also Wirkungen und Ursachen zugleich, wie es einer lebensvollen Einfügung entspricht.<br />

Wollte man nun fragen, ob diese Theorie, welche ich schon im Jahre 1907<br />

veröffentlicht habe (Paracelsus, Tübingen, J. J. Heckenhauer), wissenschaftlich<br />

ernstzunehmen sei, so muß ich mit Ja! antworten. Die Mathematik schimmert durch sie<br />

hindurch, <strong>von</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong>en Gehalt das natürlich Wissenschaftliche abhängig gemacht wur<strong>de</strong>: „Was<br />

im Makrokosmos beschlossen ist in Gestirnen, das kann auch in einer Faust beschlossen<br />

wer<strong>de</strong>n, im Mikrokosmus.“ Dies Wort 3 zeigt die oben <strong>von</strong> mir hervorgehobene Einheitlichkeit<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Betrachtung, ein wissenschaftlich wertvolles Merkmal, zeigt auch im Ausblick auf die<br />

Zukunft weitere exakte Möglichkeiten. Man darf aber nicht vergessen, daß eine streng<br />

mathematische Metho<strong>de</strong> vor b i o l o g i s c h e n Problemen bald ihre Grenze fin<strong>de</strong>t. Wie auch<br />

die Einwirkungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Außenwelt zu erkennen und zu bemessen sind, so bricht doch aus <strong>de</strong>m<br />

Inneren eines lebendigen Organismus die Gegenwirkung nicht hervor nach <strong>de</strong>m Gesetz actio<br />

est par reactioni, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n nach unberechenbaren Möglichkeiten, welche allein <strong>von</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

teleologischen Bedürftigkeit bestimmt wer<strong>de</strong>n, freilich auch <strong>von</strong> <strong>de</strong>m verfügbaren Kräftemaß.<br />

Daß man dies einsieht, ist eine wissenschaftliche For<strong><strong>de</strong>r</strong>ung und somit weist Wissenschaft<br />

selbst auf das vorerst Unwissenschaftliche hin, welches <strong>de</strong>n Inbegriff <strong>de</strong>s Lebens noch in<br />

Dunkel hüllt. Die Erscheinungen aber sind uns zugänglich und können <strong>von</strong> unserm Denken<br />

begleitet wer<strong>de</strong>n, was völlig genügt für eine Heilkunst, welche nicht auf <strong>de</strong>n Wegen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Spekulation wan<strong>de</strong>lt. -<br />

Von <strong><strong>de</strong>r</strong> Theorie aber kann man vorerst nicht mehr verlangen, als daß sie in<br />

anschaulichen Bil<strong><strong>de</strong>r</strong>n, stets an <strong><strong>de</strong>r</strong> Hand <strong><strong>de</strong>r</strong> Erfahrung, diese Erfahrung geleite und da kann<br />

kein treffen<strong><strong>de</strong>r</strong>es Bild gefun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, als das <strong>von</strong> Paracelsus so großzügig<br />

angenommene 4 . In meinem Buche über Paracelsus fin<strong>de</strong>n sich noch mehr entsprechen<strong>de</strong><br />

Parallelen aus seinem Schatze und es ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Mühe wert, diese Gedanken kennenzulernen,<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong>en noch viele zur heutigen Problematik in <strong><strong>de</strong>r</strong> Medizin herangezogen wer<strong>de</strong>n könnten.<br />

Diese Arbeit war schon zum Druck gegeben, als in <strong><strong>de</strong>r</strong> Allg. Hom. Ztg. Februar 1928<br />

eine Abhandlung <strong>von</strong> D r . J . A e b l y erschien: Z u r G e s c h i c h t e d e s<br />

Aehnlichkeitsgesetzes. Das Aehnlichkeitsgesetz in <strong><strong>de</strong>r</strong> astrologischen<br />

M e d i z i n . In dieser sehr willkommenen Auseinan<strong><strong>de</strong>r</strong>setzung wird das Verständnis etwas<br />

angebahnt für solche I<strong>de</strong>en, wie sie hier - vom großen Paracelsus erarbeitet - vertreten<br />

wor<strong>de</strong>n sind. Ich will <strong>de</strong>shalb auf die obige Veröffentlichung <strong>de</strong>s Kollegen Aebly etwas<br />

3<br />

Der Paracelsus-Ausspruch lautet genauer: „Der eine solche Viele (Vielfachheit) zwischen <strong>de</strong>n Himmeln<br />

beschließt (einschließt), kann auch einschließen in eine Faust, d. h. in ein Mikrokosmum.“ Weil für die<br />

Gottesi<strong>de</strong>e meist keine Aufnahme in <strong><strong>de</strong>r</strong> heutigen Wissenschaft besteht, habe ich <strong>de</strong>n Satz etwas<br />

an<strong><strong>de</strong>r</strong>s gegeben, so daß aber sein sachlicher Gehalt doch völlig ausgedrückt ist. Die Ansicht, daß das<br />

Leben analog gebaut sei <strong>de</strong>m Sternenhimmel, fin<strong>de</strong>t sich vielfach bei Paracelsus. Er kommt dann immer<br />

darauf zu sprechen, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Mikrokosmus seine Geheimnisse nicht durchschauen lasse, während wir sie<br />

aber in <strong><strong>de</strong>r</strong> äußeren Welt (Makrokosmus) in Analogien wahrnehmen, die uns Licht geben fürs Innere.<br />

4 Ich bin überzeugt, daß diese Aufstellung <strong>von</strong> Unverständigen angestaunt und verlacht wer<strong>de</strong>n wird. Es<br />

gehört Ernst und Studium dazu, sie richtig aufzunehmen und es wird vielleicht noch einige Zeit dauern,<br />

bis ihre wissenschaftliche Größe und Be<strong>de</strong>utung erkannt, die Theorie selbst aber in interessanten und<br />

nützlichen Einzelheiten ausgeführt wird. Paracelsus erhebt uns, wie immer, zur großartigsten<br />

Anschauung, verbun<strong>de</strong>n mit praktischer Anwendbarkeit.<br />

19


eingehen und ihr womöglich <strong>de</strong>n richtigen Anschluß in <strong><strong>de</strong>r</strong> medizinischen Gedankenwelt zu<br />

verschaffen suchen.<br />

1. Geht Aebly <strong>von</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> wohlbegrün<strong>de</strong>ten Ansicht aus, daß das Aehnlichkeitsgesetz tief<br />

im menschlichen Geiste verankert sein müsse, da diese Heilbeziehung sich zu <strong>de</strong>n<br />

verschie<strong>de</strong>nsten Zeiten bei <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nsten Aerzten geäußert habe und auch in ganz<br />

verschie<strong>de</strong>ner Form sich darstellte. Ueber diesen Punkt habe ich mich wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holt und<br />

eingehend in meinen Schriften geäußert, zuletzt in <strong><strong>de</strong>r</strong> Schlußabhandlung dieses Heftes, wo<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Aehnlichkeitsbeziehung ihr Platz angewiesen ist und wo ihr apriorischer Wert, <strong><strong>de</strong>r</strong> freilich<br />

nicht ohne das Erfahrungsgebiet in Erscheinung treten kann, besprochen wird.<br />

2. Aebly meint, daß es sich in <strong><strong>de</strong>r</strong> Astrologie darum handle, es sei <strong><strong>de</strong>r</strong> Mensch mit<br />

<strong>de</strong>m Kosmos im allerinnigsten Zusammenhang und sie stelle sich dar als <strong><strong>de</strong>r</strong> Versuch einer<br />

umfassen<strong>de</strong>n Synthese <strong>von</strong> Physischem und Psychischem, <strong>von</strong> Individuum und Kosmos, was<br />

er mit Recht eine grandiose Konzeption nennt. Wir fin<strong>de</strong>n aber diese Konzeption bei<br />

Paracelsus und es ist sehr merkwürdig, daß sie hier nicht eigentlich astrologisch, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n direkt<br />

astronomisch ist. Wenn wir nämlich bei<strong>de</strong> „Wissenschaften“ <strong>von</strong>einan<strong><strong>de</strong>r</strong> abzugrenzen, zu<br />

<strong>de</strong>finieren versuchen, so sind die Einflußfaktoren <strong><strong>de</strong>r</strong> Astronomie nur Schwerkraft und Licht<br />

(um letzteres mo<strong><strong>de</strong>r</strong>n auszudrücken: Schwingungsenergie elektromagnetischer Art). Bei <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Astrologie jedoch wer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>n Planeten (inkl. Sonne und Mond) spezifische Wesenheiten<br />

zugeschrieben, mit <strong>de</strong>nen sie die terrestrischen Bildungen beeinflussen. Nun hat Paracelsus<br />

meines Wissens und Erinnerns meist nur die <strong>von</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Astronomie gebotenen Elemente<br />

herangezogen, seltener das Spezifische <strong><strong>de</strong>r</strong> Astrologie, wie auch aus <strong>de</strong>n mitgeteilten<br />

Aussprüchen hervorgeht. Diese beziehen sich auf die allgemeine Pathologie und bieten die<br />

Grundzüge <strong><strong>de</strong>r</strong> Betrachtung. In <strong><strong>de</strong>r</strong> speziellen Pathologie wird er dann auch astrologisch, so z.<br />

B. Caput IV <strong>de</strong>s 5. Buches <strong>von</strong> <strong>de</strong>n Frantzosen: Anthera ist ein Arkanum, zu überwin<strong>de</strong>n die<br />

skorpionischen Impressionen; die Basilikon überwin<strong>de</strong>t die Impression <strong><strong>de</strong>r</strong> Jungfrau. - Können<br />

wir uns dies nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Aehnlichkeit, o<strong><strong>de</strong>r</strong> nach <strong>de</strong>m Gegensatz geschehend <strong>de</strong>nken? Ich<br />

glaube: nur nach <strong>de</strong>m Gegensatz aus folgen<strong>de</strong>n Erwägungen: Wenn sich auch <strong><strong>de</strong>r</strong> Aufbau<br />

<strong>de</strong>s Makrokosmus an Kompliziertheit mit <strong>de</strong>m lebendigen System messen könnte, so bestän<strong>de</strong><br />

doch ein fundamentaler Unterschied, nämlich <strong><strong>de</strong>r</strong>, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Makrokosmus nichts außer sich<br />

hat. Er ist eins und alles. Die Ernährungsvorgänge und die Ausscheidungen, welche bei<strong>de</strong><br />

eine so große Rolle in <strong>de</strong>n Krankheiten spielen, haben in ihm keine Analogie für<br />

astronomisches Verständnis. Es kann in ihn nichts aufgenommen wer<strong>de</strong>n und kann <strong>von</strong> ihm<br />

nichts entfernt wer<strong>de</strong>n. Auch eine Regeneration ist nicht <strong>de</strong>nkbar. Astrologisch, allerdings<br />

beseelt gedacht, kann zwar im ganzen auch nichts hinzukommen und nichts weggehen; es<br />

läßt sich aber <strong>de</strong>nken, daß einzelne Glie<strong><strong>de</strong>r</strong> im kosmischen Aufbau lei<strong>de</strong>n, z. B. unter<br />

Lichtmangel in vorübergehen<strong>de</strong>n Phasen; auch läßt sich annehmen, daß Ernährungen und<br />

Abscheidungen stattfin<strong>de</strong>n, welche Be<strong>de</strong>utung fürs Ganze haben, z. B.<br />

Sonnenfleckenperio<strong>de</strong>n, Gasausbrüche, die astronomisch nur mechanische Be<strong>de</strong>utung<br />

hätten, könnten Lebensbe<strong>de</strong>utung für die Glie<strong><strong>de</strong>r</strong> im astrologischen Sinn haben. Will man dies<br />

zulassen, so ist eben das ganze beseelt und dann ergeben sich weitergehen<strong>de</strong> Analogien mit<br />

<strong>de</strong>n Krankheiten <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschen, Tiere und Gewächse. In <strong><strong>de</strong>r</strong> Symbolik herrscht dann<br />

Aehnlichkeit; aber so viel wir mitempfin<strong>de</strong>n können, sind die Aehnlichkeitsbeziehungen nicht<br />

dahin ausgreifend, daß Heilung durch eine Gegenwirkung auf <strong>de</strong>m Weg <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Selbstverteidigung erfolgt, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n eine einfache Korrektur im Phasengange, welche wie<strong><strong>de</strong>r</strong>,<br />

die günstigeren Belichtungsverhältnisse bringt. Das ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Weg <strong>de</strong>s konträren Ausgleiches im<br />

astrologisch gedachten Kosmos; hier besteht keine Aehnlichkeitsbeziehung für eine Therapie;<br />

es läßt sich nur <strong>von</strong> einer solchen re<strong>de</strong>n in <strong><strong>de</strong>r</strong> Aetiologie und zwar nur <strong>von</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> symbolischen,<br />

welche nach <strong>de</strong>m Gegensatze die Lichthungerschä<strong>de</strong>n wie<strong><strong>de</strong>r</strong> durch ausgleichen<strong>de</strong> Zufuhr<br />

im günstigen Weiterverlauf gut macht.<br />

3. Dr. Aebly bringt einige Beispiele zur Ver<strong>de</strong>utlichung <strong><strong>de</strong>r</strong> Symbolik: „Die Sonne<br />

bewirkt u. a. Plethora, übermäßige Ernährung, Hämorrhagien, Fieber (wenn sie zu<br />

übermäßigem einseitigen Einfluß gekommen ist, was ich in <strong>de</strong>n alten Schriften als Exaltation<br />

fin<strong>de</strong>).<br />

Der Mond hat außer seinem allgemein regulieren<strong>de</strong>n Einfluß auf <strong>de</strong>n Gang <strong><strong>de</strong>r</strong> akuten<br />

Krankheiten, wie sie in <strong><strong>de</strong>r</strong> Lehre <strong>von</strong> <strong>de</strong>n kritischen Tagen hervortritt, vor allem einen Einfluß<br />

auf die Verteilung sowohl wie auf die Beschaffenheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Körperflüssigkeiten, bewirkt z. B.<br />

Oe<strong>de</strong>me, Transsudate usw.<br />

20


Merkur verursacht alle möglichen Arten <strong>von</strong> nervösen Beschwer<strong>de</strong>n, sowie auch<br />

verschie<strong>de</strong>ne Lungenlei<strong>de</strong>n, wie z. B. Asthma.<br />

Venus, als Signifikator <strong>de</strong>s Sexualtriebes und seiner psychischen Ausstrahlung<br />

verursacht die mit diesen zusammenhängen<strong>de</strong>n Krankheiten, als beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s auch die<br />

venerischen.<br />

Mars bewirkt übermäßige Tätigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> verschie<strong>de</strong>nen Organe, beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s auch hohe<br />

Temperaturen und die durch solche ausgezeichneten akuten Infektionen.<br />

Jupiter kommt als pathogener Planet weniger in Betracht.<br />

Saturn, <strong><strong>de</strong>r</strong> letzte <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>n Alten bekannten Planeten, ist vor allem be<strong>de</strong>utsam für alle<br />

langsam sich entwickeln<strong>de</strong>n Krankheiten, die Verlangsamung <strong>de</strong>s Metabolismus, Gicht,<br />

Rheumatismus usw.“<br />

Ich schließe dieses Zwischenspiel ab mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Bemerkung:<br />

Der Hintergrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Psora ist in physikalischen Verhältnissen gegeben und dadurch<br />

wissenschaftlich faßbar, daß Analogien jene Krankheitsmöglichkeiten mit <strong>de</strong>m Aufbau <strong>de</strong>s<br />

gestirnten Himmels verbin<strong>de</strong>n, <strong><strong>de</strong>r</strong> in astronomischer und astrologischer Weise zum<br />

Verständnis <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundlagen herangezogen wer<strong>de</strong>n kann und <strong><strong>de</strong>r</strong> ein tertium comparationis<br />

für die Erscheinungen darbietet und in seinen Gestirnstellungen, Verstärkungen,<br />

Abschwächungen, Be<strong>de</strong>ckungen, Phasen, Verfinsterungen, sowie etwa auch in <strong>de</strong>n<br />

wechseln<strong>de</strong>n spezifischen Einwirkungen, wie sie astrologisch gedacht sind. Solche<br />

Anordnungen können wir heute selbst in <strong>de</strong>n uns bekannten kleinsten Kraftsystemen, <strong>de</strong>n<br />

Atomen, voraussetzen. Elektromagnetische Ladungen und <strong><strong>de</strong>r</strong>en Dynamik sind es, welche<br />

hier wissenschaftlich verfolgbar sind und möglicherweise auch für die Lebenssysteme und<br />

<strong>de</strong>n Makrokosmus gelten, ohne die Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>heit je<strong>de</strong>n Gebietes aufzuheben 5 .<br />

Nach so reichlichen theoretischen Darbietungen gelangen wir nun zur dritten<br />

Abteilung <strong><strong>de</strong>r</strong> englischen Schrift und geben nur Dr. Dishington das Wort.<br />

Ich führe hier seine Krankengeschichten mit <strong>de</strong>m Vertrauen ein, als wären sie meiner<br />

Erfahrung entnommen; ich muß aber gestehen, daß sie so eingehend beobachtet und<br />

geschil<strong><strong>de</strong>r</strong>t sind, daß es mir schwer fallen wür<strong>de</strong>, sie zu erreichen. Seine Schil<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Eigenart jener verschie<strong>de</strong>nen Vakzinen sind grundlegend. Ich muß nun aber vorerst noch<br />

etwas einschalten, was möglicherweise ebenfalls zu <strong>de</strong>n neueren <strong>Fortschritte</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

<strong>Homöopathie</strong> gehört, nämlich über die sog. Plus-Metho<strong>de</strong>, die in Dishingtons Darlegungen<br />

einen gewissen Raum einnimmt.<br />

In <strong><strong>de</strong>r</strong> neuesten (6.) Auflage <strong>von</strong> Hahnemanns Organon, herausgegeben <strong>von</strong> Dr. Rich.<br />

Haehl (Leipzig 1921) macht Hahnemann Mitteilungen über seine Erfahrungen seit Herausgabe<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> 5. Auflage <strong>de</strong>s Organon. Haehl sagt darüber im Vorwort zu diesem grundlegen<strong>de</strong>n Werk:<br />

„Von größter Be<strong>de</strong>utung sind die §§426 - 248, auf die schon § 161 in seiner Neufassung<br />

hinweist. Hahnemann verläßt die früher mit so großer Entschie<strong>de</strong>nheit vertretene Vorschrift, in<br />

chronischen Krankheiten womöglich nur e i n e Gabe <strong>de</strong>s gut gewählten Arzneimittels zu<br />

5<br />

Es besteht Anlaß, hier nochmals eine Einschaltung zu machen, welche sich auf das wissenschaftliche<br />

Verständnis <strong><strong>de</strong>r</strong> Astrologie bezieht. Seit mehreren Jahren wer<strong>de</strong>n äußerst kurzwellige Strahlungen<br />

verfolgt, die angeblich vom Fixsternhimmel kommen und eine viel höhere Durchschlagskraft haben, als<br />

Röntgenstrahlen. Demnach sind qualitativ verschie<strong>de</strong>n wirken<strong>de</strong> Strahlungen als Grundlage für je<strong>de</strong><br />

Theorie zulässig.<br />

Ferner hat L . K o l i s k o unter <strong>de</strong>m Titel S t e r n e n w i r k e n i n E r d e n s t o f f e n (Experimentelle<br />

Studien aus <strong>de</strong>m Biologischen Institut am Goetheanum im März 1927) sehr interessante Versuche<br />

gemacht, nach welchen sich ergab, daß laut beigegebenen Bil<strong><strong>de</strong>r</strong>n eine Einwirkung <strong>de</strong>s Sonnen- und<br />

Mondstan<strong>de</strong>s auf das kapillare Auskristallisieren <strong>von</strong> Eisensulfat, Silbernitrat und Bleinitrat in<br />

gesetzmäßiger Weise stattfand, <strong><strong>de</strong>r</strong>art, daß wahrscheinlich ist, es wirke im Silber <strong><strong>de</strong>r</strong> Mond, im Eisen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Mars, im Blei <strong><strong>de</strong>r</strong> Saturn, ganz gemäß <strong>de</strong>n alten astrologischen Zuordnungen. - Wir Menschen stehen<br />

noch stark unter <strong>de</strong>m Einfluß materialistischer (kausalmechanischer) Vorstellungen, welche diese<br />

kosmischen Eingriffe in die Er<strong>de</strong>nwelt abzulehnen bereit sind; aber es ist doch eine zunehmen<strong>de</strong><br />

Strömung <strong>von</strong> tieferer Naturerfassung bemerkbar, wie sie sich in beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s unerschrockener Weise bei<br />

<strong>de</strong>m Münchner Astrologen E . D a c q u é zeigt. Aber das Hin und Her <strong><strong>de</strong>r</strong> Meinungen kann uns nicht<br />

helfen: wir verlangen nach Tatsachen und tatsächlichen Begründungen. Alles liegt daran, ob solche<br />

Versuche, wie Koliskos, sich mit positivem Erfolg bestätigen lassen. Hier erwarten uns die theoretischen<br />

und die praktischen Werte <strong><strong>de</strong>r</strong> Astrologie, welche das Wun<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>s Kosmos mit noch ergreifen<strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />

Wun<strong><strong>de</strong>r</strong>n füllen wür<strong>de</strong> und uns das Rätsel <strong><strong>de</strong>r</strong> Materie - sagen wir besser <strong><strong>de</strong>r</strong> gesamten Natur - in einem<br />

herrlichen Lichte zeigen wür<strong>de</strong>.<br />

21


verabreichen, um sie dann wochen- und sogar monatelang nachwirken zu lassen. Seine<br />

Erfahrungen seit <strong><strong>de</strong>r</strong> Herausgabe <strong><strong>de</strong>r</strong> 5. Auflage <strong>de</strong>s Organon lehrten ihn, daß die gut<br />

gewählte Arznei auch in chronischen Krankheiten täglich, und zwar monatelang,<br />

fortgebraucht wer<strong>de</strong>n kann, wenn man bei Anwendung <strong>de</strong>sselben Mittels <strong>von</strong> nie<strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />

Potenzgra<strong>de</strong>n zu höheren übergeht. Ja, es hat sich erwiesen, daß chronische Krankheiten<br />

unter <strong>de</strong>m Einfluß verschie<strong>de</strong>ner Potenzstufen rascher weichen, als wenn das Mittel im selben<br />

Verdünnungsgrad wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holt wird. In § 248 gibt Hahnemann sodann Anweisungen, w i e die<br />

einzelnen Arzneigaben zum täglichen Gebrauch bei langwierigen Krankheiten, mit Wasser<br />

verdünnt, anzuwen<strong>de</strong>n sind.“<br />

Dies genügt für unsern Zweck um die „Plus-Metho<strong>de</strong>“ zu charakterisieren. Man muß<br />

be<strong>de</strong>nken, daß diese Veröffentlichungen erst aus <strong>de</strong>m Jahre 1921 stammen und daher bisher<br />

wenig über die Anwendung <strong><strong>de</strong>r</strong> Metho<strong>de</strong> verlautete. Wer überhaupt die <strong>Homöopathie</strong><br />

beruflich ernst nimmt, <strong><strong>de</strong>r</strong> muß die Angelegenheit im Organon selbst verfolgen; in bezug auf<br />

die Ausübung <strong><strong>de</strong>r</strong> Metho<strong>de</strong> hat man etwas freie Hand, so wie <strong><strong>de</strong>r</strong> individuelle Fall nahelegt.<br />

Ueber die unterschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Wirkung gegenüber Einzelgaben ist vorläufig schwer zu erteilen,<br />

bis einmal allgemeinere Verbreitung dieses Verfahrens stattgefun<strong>de</strong>n haben wird.<br />

Es war übrigens <strong>von</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Puls-Metho<strong>de</strong> auch schon weiterhin die Re<strong>de</strong> und zwar im<br />

Abschluß an eine Abhandlung, die D r . B l unt am 4. Juni 1925 <strong><strong>de</strong>r</strong> Britischen<br />

Homöopathischen Gesellschaft vorlegte. Er berichtete da <strong>von</strong> sehr erfreulichen Erfolgen und<br />

es stellte sich heraus, daß auch an<strong><strong>de</strong>r</strong>e homöopathische Aerzte Englands sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Metho<strong>de</strong><br />

bedient hatten; es beteiligten sich an <strong><strong>de</strong>r</strong> Debatte die Doktoren Granville Hey,<br />

W h e e l e r , R i d p a t h , F e r g i e W o o d s und T y l e r . Wenn es übrigens in <strong><strong>de</strong>r</strong> Abhandlung<br />

heißt, das Hahnemanns hinterlassene Apotheke beweise, er habe meist die 30. Potenz<br />

gegebnen, so steht damit im Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>spruch die Ausgabe <strong>von</strong> H a e h l , <strong><strong>de</strong>r</strong> die große Pariser<br />

Hausapotheke selbst besitzt, daß je<strong>de</strong>s einzelne Mittel in 10 verschie<strong>de</strong>nen Potenzstufen<br />

vorhan<strong>de</strong>n ist. Alle die genannten Aerzte haben die Metho<strong>de</strong> versucht, Dr. Woods hat nichts<br />

Sensationelles zu berichten aus seinen Erfahrungen, auch Dr. Tyler gibt keine auffallen<strong>de</strong>n<br />

Wirkungen gegenüber Einzelgaben. D r . R o r k e fand bei Selbstversuchen nichts Nachteiliges,<br />

Dr. Dishington nannte die Erfolge tief und dauerhaft. Wheeler war damals im Begriff, die<br />

ersten Versuche zu machen. Blunt selbst stellte folgen<strong>de</strong> Vorteile fest: Die Kuren sind sicherer,<br />

es gibt wenig o<strong><strong>de</strong>r</strong> keine Verschlimmerungen, die Heilungen sind vollständiger. Zur Technik<br />

wird gesagt, daß man einige Tropfen <strong><strong>de</strong>r</strong> Arznei (Wasserlösung) im Glase zurückläßt und dann<br />

wie<strong><strong>de</strong>r</strong> mit Wasser (und etwas Weingeistzusatz) nachfüllt, einigemal schüttelt, dann die neue<br />

gehobene Potenz zum Gebrauche fertig hat. Blunt erklärt, daß er seine chronischen Fälle<br />

zuletzt alle nach dieser Metho<strong>de</strong> behan<strong>de</strong>lt habe.<br />

Ich entnehme diese Mitteilung über die Plus-Metho<strong>de</strong> einer Uebersetzung <strong>von</strong> D r .<br />

S c h m i t z in Antwerpen für die Revue francaise d´<strong>Homöopathie</strong>, veröffentlicht in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Novembernummer 1927.<br />

Wir haben nun freie Bahn für die Beiträge <strong>von</strong> Dr. Dishington, welche folgen.<br />

Die autogenen Vakzine und ihre Beziehung zu chronischer Krankheit<br />

III. Von T. M. Dishington, M. B., Ch. B.<br />

Hahnemann hat gesagt, „wenn <strong><strong>de</strong>r</strong> vorgebliche Wahrheitssucher nicht gewillt ist, die<br />

Wahrheit da zu suchen, wo sie gefun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n kann, nämlich in <strong><strong>de</strong>r</strong> Erfahrung, dann mag<br />

er sie unent<strong>de</strong>ckt lassen.“<br />

Meine Erfahrungen mit <strong>de</strong>n Vakzinen <strong>von</strong> Gärtner, Morgan, Proteus, mit <strong>de</strong>m Mutabile<br />

und Alkaligenes, zwingen mich, je<strong>de</strong> Einzelheit <strong>von</strong> Dr. Wheelers Philosophie zu unterschreiben<br />

und überzeugen mich, daß uns Dr. Bach nicht nur eine wissenschaftliche Auslegung <strong>von</strong><br />

Hahnemanns Psora gegeben hat, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch in unsere Hand Heilmittel <strong>von</strong> höchstem Wert<br />

gelegt hat für die Behandlung <strong><strong>de</strong>r</strong> vielerlei Manifestationen <strong><strong>de</strong>r</strong> Psora.<br />

Meiner Ansicht nach gibt es keinen Weg, einen Fall anzufassen, <strong><strong>de</strong>r</strong> mit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

individualisieren<strong>de</strong>n Metho<strong>de</strong> Hahnemanns in Wettbewerb treten könnte. Er führt zur<br />

genauen Diagnose und als Bestes zur Heilung, die im Gebrauche <strong>de</strong>s Simillimums liegt, aber<br />

wie oft ist das Simillimum schwer zu fin<strong>de</strong>n und, mag man hinzufügen, unmöglich zu erlangen.<br />

Was will man machen? Das Heilmittel erraten o<strong><strong>de</strong>r</strong> eine Noso<strong>de</strong> verwen<strong>de</strong>n, die Reaktion<br />

22


macht? Ich ziehe die letztere Metho<strong>de</strong> vor, sie hat <strong>de</strong>n Vorzug, homöopathisch zu sein. Ein<br />

Patient kommt. Er war vor 20 o<strong><strong>de</strong>r</strong> 30 Jahren krank und die vorherrschen<strong>de</strong> Schwierigkeit war<br />

und ist noch eine Darmstauung und die tückische Autointoxikation, die allerlei <strong>de</strong>generative<br />

Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen in seinem Organismus erzeugt hat. Der Organismus ist erschöpft und kein<br />

Wun<strong><strong>de</strong>r</strong>, da die frühere Behandlung seine Reaktionen in einen Zustand <strong>de</strong>s Nichtstuns<br />

gebracht haben. Es wur<strong>de</strong> ihm zugeflüstert, die <strong>Homöopathie</strong> könnte ihm helfen und da es<br />

ihm in einer halbapologetischen Art zugewispert wur<strong>de</strong>, so steigt sein Glaube an mich im<br />

Wert zu <strong>de</strong>m Strohhalm, nach <strong>de</strong>m <strong><strong>de</strong>r</strong> Mann im Wirbel greift. Ist das, was er als Strohhalm<br />

sieht, das Simillimum, so bringt es ihn auf trockenes Land und sein Glaube an mich und die<br />

<strong>Homöopathie</strong> wird ein festes, wachsen<strong>de</strong>s Maß annehmen; doch was will ich machen, wenn<br />

ich das Simillimum nicht erwische und infolge ungenügen<strong><strong>de</strong>r</strong> Arzneien nicht weiß, wie ich es<br />

fin<strong>de</strong>n soll? Soll ich einfach einen Versuch machen und ihm beweisen, daß ich ein Strohmann<br />

bin? Die autogene Vakzine wird eine bessere Entleerung seiner Gedärme herbeiführen und<br />

die toxische Bür<strong>de</strong>, die er trägt, erleichtern. Sein vitaler In<strong>de</strong>x wird sich heben und das ist <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Anfang meiner Möglichkeit, ihm zu einer Heilung zu verhelfen. Ich bin überzeugt, daß die<br />

autogene Vakzine <strong>de</strong>s nicht Laktose fermentieren<strong>de</strong>n Bazillus seines Stuhles in <strong><strong>de</strong>r</strong> 30. Potenz<br />

vom Mun<strong>de</strong> aus in einzelner o<strong><strong>de</strong>r</strong> in wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holter Dosis gegeben, die beste Art ist, die nötige<br />

vitale Reaktion zu erzeugen.<br />

Ich höre jeman<strong>de</strong>n sagen: „Aber du verschreibst ja nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Pathologie und treibst<br />

keine richtige <strong>Homöopathie</strong>.“ Ich glaube doch, aber wie willst du die Praxis <strong><strong>de</strong>r</strong> richtigen<br />

<strong>Homöopathie</strong> <strong>de</strong>finieren? Der Kent-Hahnemannianer sagt: „Du praktizierst keine reine<br />

<strong>Homöopathie</strong>, bis du das Simillimum bekommst und gibst.“ Das ist wahr, es ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Gipfel <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Wahrheit, die wir alle lieben und wir wissen, wenn wir dieses I<strong>de</strong>al erreichen, sind unsere<br />

Erfolge ohne Parallele, aber die <strong>Homöopathie</strong> ist ein breitausla<strong>de</strong>n<strong><strong>de</strong>r</strong> Hügel wie eine<br />

Pyrami<strong>de</strong> mit breiter Basis unter <strong><strong>de</strong>r</strong> Spitze. Wir müssen auf breiter Basis anfangen mit solchem<br />

Fall und gegen die i<strong>de</strong>ale Spitze heraufarbeiten. Verfolgt da <strong><strong>de</strong>r</strong> Kent-Hahnemannianer nicht<br />

<strong>de</strong>n Weg, die Entwicklung <strong><strong>de</strong>r</strong> Reaktion zu belauschen und zu erraten unter Nux o<strong><strong>de</strong>r</strong> Sulfur<br />

o<strong><strong>de</strong>r</strong> Carbo veg., o<strong><strong>de</strong>r</strong> solchen fundamentalen Antipsoricis und kommt es nicht oft genug<br />

vor, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Patient viel rascher ermü<strong>de</strong>t, als <strong><strong>de</strong>r</strong> Arzt und irgendwo an<strong><strong>de</strong>r</strong>s hingeht, vielleicht<br />

zu einem Allopathen, <strong><strong>de</strong>r</strong> die autogene Vakzine benutzt und damit die <strong>Homöopathie</strong><br />

anwen<strong>de</strong>t, die <strong><strong>de</strong>r</strong> Kranke vom professionellen Homöopathen nicht erhielt? Ich weiß, daß ich<br />

<strong>Homöopathie</strong> treibe, wenn ich ein ähnliches Mittel benütze, sei es Droge o<strong><strong>de</strong>r</strong> Vakzine, als<br />

eine grundlegen<strong>de</strong> Reaktion auf <strong>de</strong>n Circulus vitiosus <strong><strong>de</strong>r</strong> Autointoxikation erzeugt, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

täglich vor sich geht und das Leben <strong>de</strong>s Patienten unterhöhlt. Das autogene Vakzin mag sich<br />

nicht als das Simillimum erweisen, welches heilt. Ich sage, es mag nicht, da ich bisweilen<br />

gesehen habe, daß es die einzige Kur ist, die man braucht…, aber ich fand nicht, daß es je<br />

verfehlte, eine gute vitale Antwort zu erzeugen und in diesem Bo<strong>de</strong>n wurzelt die zur Erholung<br />

führen<strong>de</strong> Reaktion <strong><strong>de</strong>r</strong> Kranken bis zu <strong>de</strong>m Punkte, an <strong>de</strong>m die Symptome wie<strong><strong>de</strong>r</strong> auftreten<br />

und Einzelheiten, die entschei<strong>de</strong>nd sind für die Wahl <strong>de</strong>s Simillimums. All das ist für mich<br />

hahnemannisch im wesentlichen. Ich habe die autogene und polyvalente Vakzine nie<br />

benützt, noch wer<strong>de</strong> ich sie benützen, als bequeme Bahn heraus aus meinen<br />

Schwierigkeiten, das Simillimum zu fin<strong>de</strong>n. Dr. Bachs Werk und Dr. Wheelers Vorstellung <strong>von</strong><br />

<strong>de</strong>ssen Platz in <strong><strong>de</strong>r</strong> Therapie stellt sich keineswegs in Wettbewerb mit <strong>de</strong>m Simillimum, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />

ist ein Hilfsmittel, das Simillimum zu fin<strong>de</strong>n. Das Studium <strong><strong>de</strong>r</strong> autogenen Darmvakzine und <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

dynamische Effekt, <strong>de</strong>n sie auf <strong>de</strong>n Kranken ausüben, beweisen, daß sie auf <strong><strong>de</strong>r</strong>selben Ebene<br />

in Wirksamkeit treten, wie die chronischen antipsorischen Mittel. Eine Einzeldosis in Potenz<br />

erzeugt eine vitale Antwort, die bis zu 3 Monate o<strong><strong>de</strong>r</strong> noch länger vorhält und <strong><strong>de</strong>r</strong> Effekt ist in<br />

allen Punkten ähnlich <strong>de</strong>n chronischen Mitteln.<br />

Prüfungen zu veranstalten <strong>von</strong> <strong>de</strong>n individuellen Vakzinen, die aus einer großen Zahl<br />

<strong>von</strong> Kulturen <strong>von</strong> Gärtner, Morgan, Proteus, Mutabile o<strong><strong>de</strong>r</strong> Alkaligenes gemischt sind, am<br />

gesun<strong>de</strong>n aber empfindlichen Subjekt, verstärkt durch klinische Beobachtungen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Symptomenkomplexe, die sie zu beseitigen imstan<strong>de</strong> sind, das be<strong>de</strong>utet, <strong>de</strong>n Eckstein in Dr.<br />

Bachs Werk zu setzen und einen wertvollen Satz Werkzeuge <strong>de</strong>m Handwerkszeug <strong>de</strong>s<br />

homöopathischen Arztes hinzuzufügen. Wir Homöopathen müssen uns auf diese Tat<br />

konzentrieren. Das komplette Krankheitsbild je<strong><strong>de</strong>r</strong> Noso<strong>de</strong> muß gezeichnet wer<strong>de</strong>n und<br />

Heilkräfte dabei festgelegt und unserer Mat. medica einverleibt. Wir haben dieses I<strong>de</strong>al noch<br />

nicht erreicht, aber Erfahrungen, oft wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holt gera<strong>de</strong> bei solchen Fällen, in <strong>de</strong>nen das<br />

Simillimum nicht gefun<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong>, erwiesen ihre Nützlichkeit als Wegbereiter für das Simile.<br />

23


Wenn Aufzeichnungen <strong>von</strong> Fällen sorgfältig gesammelt wer<strong>de</strong>n und die beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />

Symptome, allgemeine wie örtliche, die <strong>von</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Vakzine beseitigt wer<strong>de</strong>n, sorgfältig notiert<br />

wer<strong>de</strong>n und verglichen wer<strong>de</strong>n mit an<strong><strong>de</strong>r</strong>en unabhängigen Beobachtern, so könnte man<br />

eine klinische Prüfung zusammenbringen, die mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeit durch eine direkte Prüfung bestätigt<br />

wer<strong>de</strong>n könnte. Erfahrungen mit <strong>de</strong>n autogenen Vakzinen und <strong>de</strong>n damit erhaltenen<br />

Resultaten haben mich instand gesetzt, in bestimmten ähnlichen Fällen das Lebewesen zu<br />

diagnostizieren und in vielen Fällen die zusammengesetzte Stammvakzine <strong>von</strong> Gärtner o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Morgan usw. zu verschreiben, mit ausgezeichneten Resultaten. Erfahrungen dieser Art helfen<br />

in <strong><strong>de</strong>r</strong> Richtung einer klinischen Prüfung, die ausreichen muß, bis direkte Prüfungen gemacht<br />

wer<strong>de</strong>n können. Ich zweifle nicht, daß solche Prüfungen Dr. Bachs I<strong>de</strong>e begrün<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n<br />

und eine volle Erklärung dafür ergeben, für das, was Hahnemann Psora nannte.<br />

Als ich vor Jahren einer Mitteilung Dr. Bachs zugehört hatte, da kam ich zu <strong>de</strong>m<br />

Schluß, daß sein Werk <strong>von</strong> größter Be<strong>de</strong>utung für die <strong>Homöopathie</strong> sein wer<strong>de</strong> und als er<br />

dann speziell betonte, wie Gärtner eine enge Beziehung zu Erscheinungen chronischer<br />

Krankheiten ausweise und, glaube ich, beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s Krebs, da erhielt ich <strong>von</strong> A. Nelson einige<br />

Potenzen <strong>von</strong> Gärtner. Ich beschloß, Gärtner als Noso<strong>de</strong> in solch ernsten Fällen zu<br />

verwen<strong>de</strong>n, in <strong>de</strong>nen die Reaktion schwach war und ungenügen<strong>de</strong> Resultate erzielt wur<strong>de</strong>n<br />

<strong>von</strong> <strong>de</strong>m, was das Simillimum zu sein schien.<br />

Mein erster Fall ist insofern interessant, als die Kranke seit Juni 1912 homöopathische<br />

Behandlung gehabt hatte.<br />

Miß M., eine ledige Dame <strong>von</strong> ungefähr 50 Jahren, litt ihr ganzes Leben an<br />

Verstopfung; keine Kraft, <strong>de</strong>n Stuhl auszutreiben und ein starkes Völlegefühl im Rektum, dazu<br />

hatte sie vor einiger Zeit Kreuzweh mit bluten<strong>de</strong>n Knoten gehabt. Die Untersuchung ergab<br />

eine Induration in <strong><strong>de</strong>r</strong> Sigmoidregion, aber das wur<strong>de</strong> zur Zeit auf Rechnung eingekeilter Fäzes<br />

gesetzt. Sie sagte, daß sie seit ihren Zwanzigerjahren nie an<strong><strong>de</strong>r</strong>s gewesen sei, als mü<strong>de</strong>, und<br />

sie sah so aus. Ihr Gesicht war ausdruckslos und weich mit fahlem Teint. Sie war ein Weib ohne<br />

Initiative, unfähig infolge geistiger Erschöpfung, Interesse zu nehmen an irgend etwas, was<br />

irgendwelche Anspannung erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>te. Trägheit war das richtige Wort, ihre Konstitution zu<br />

kennzeichnen. Sie hatte Schwin<strong>de</strong>l beim Herabsehen aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Höhe, als lebenslängliches<br />

Symptom. Sorgfältige Behandlung erleichterte ihre Erscheinungen und Mittel, wie Sulfur,<br />

Calcarea, Sepia und Silicea in Einzeldosen bis zu <strong>de</strong>n höchsten Potenzen brachten sie in<br />

Gang, aber mit keinem wirklich anhalten<strong>de</strong>n grundlegen<strong>de</strong>n Umschwung. Zuletzt Attacken<br />

<strong>von</strong> Cystitis <strong>von</strong> März 1919 bis September 1924, kompliziert und unterbrochen vom Fortschritt.<br />

Untersuchungen ergaben jetzt, daß ihre Induration im Sigmoid noch vorhan<strong>de</strong>n war und die<br />

Blase in Mitlei<strong>de</strong>nschaft zog. Ueber all diese Jahre einer sorgfältigen Verarztung war kein<br />

richtiger Fortschritt gemacht wor<strong>de</strong>n. Ich kam zum Schluß, daß diese Induration bösartig war.<br />

Damals beschloß ich, eine Einzeldosis Gärtner zu gebrauchen und gab ihr Gärtner 30 am 2.<br />

Oktober 1924 und <strong>von</strong> da an bis zum Juni 1925, in <strong>de</strong>m sie eine leichte Erkältung hatte,<br />

bekam sie keine Medizin. Ihre Besserung war so hervorragend in allen Punkten, geistig wie<br />

leiblich, daß es ihren Freun<strong>de</strong>n auffiel. Ich kann es nicht an<strong><strong>de</strong>r</strong>s beschreiben, in<strong>de</strong>m ich sage,<br />

sie blühte auf. Die Fahlheit ihres Teints klärte sich vollkommen auf. Sie wur<strong>de</strong> viel rüstiger und<br />

war imstan<strong>de</strong>, sich für etwas zu interessieren, ohne sich ermü<strong>de</strong>t zu fühlen. Sie sagte selbst:<br />

„Ich habe mich nie so wohl gefühlt seit meiner Mädchenzeit.“ Ihre Verdauung war<br />

regelmäßig, ihr Appetit viel besser, Schlaf war gut und es gab keine Blasenstörung mehr. Die<br />

Untersuchung ergab keine Induration. Für jene leichte Erkältung im Juni erhielt sie Pulsat. Mit<br />

gutem Erfolg. Es kam kein Rückfall <strong><strong>de</strong>r</strong> geringsten Erschöpfung mehr bis Juli 1926, da sie sich<br />

nicht so munter fühlte und nun erhielt sie ein zweite Dosis Gärtner 30. Seither ging es mit ihr<br />

stracks voran ohne Unterbrechung. Diese Frau, die immer sehr litt <strong>von</strong> je<strong><strong>de</strong>r</strong> kleinen<br />

beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en Anstrengung, war imstan<strong>de</strong>, im Juli einen Besuch in Kanada mit Begeisterung ins<br />

Auge zu fassen und <strong><strong>de</strong>r</strong> Umtrieb <strong><strong>de</strong>r</strong> Abreise schien sie nicht zu ermü<strong>de</strong>n, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n eher<br />

anzufeuern. Sie hat ihre Besserung festgehalten und alle Berichte lauteten: „Es ging ihr nie<br />

besser.“<br />

Miß T., eine an<strong><strong>de</strong>r</strong>e ledige Dame über 50 Jahre, war seit September 1919 in<br />

sorgfältiger homöopathischer Behandlung. Seit langen Jahre hatte sie an Magenstörungen<br />

gelitten mit Schmerzperio<strong>de</strong>n, die 2-3 Stun<strong>de</strong>n nach <strong>de</strong>m Essen kamen, und zeitweisem<br />

Bluterbrechen. Es bestand große Schwäche und alle ihre Symptome verlangten Phosphor. Sie<br />

hatte beträchtliche Erleichterung <strong>von</strong> Phosphor und hielt sich so bis Dezember 1920. Während<br />

<strong>de</strong>s Mai 1920 war sie im Krankenhaus; als Vermerk <strong><strong>de</strong>r</strong> ärztlichen Untersuchung <strong>de</strong>s Leibes ist<br />

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verzeichnet: „Druckempfindlichkeit nach rechts und in <strong><strong>de</strong>r</strong> Mittellinie in <strong><strong>de</strong>r</strong> Nabelregion, wo<br />

bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Palpation ein Härtegefühl besteht.“ Im Juni wur<strong>de</strong>n Röntgenplatten gemacht und <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Bericht war: „Die Platten zeigen Bandobstruktion o<strong><strong>de</strong>r</strong> Tumor auf <strong><strong>de</strong>r</strong> rechten Seite an <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Außenseite <strong>de</strong>s Darmes nahe <strong><strong>de</strong>r</strong> Flexur <strong>de</strong>s Kolons.“ Verschie<strong>de</strong>ne Attacken <strong>von</strong> Bronchitis<br />

hatten die Störung kompliziert. Im Juli 1921 hatte sie eine sehr schwere linksseitige Pleuritis. In<br />

ihren akuten Erkrankungen, sowohl Pleuritis, wie Bronchitis antwortete sie gut auf die<br />

verabreichten Mittel, aber <strong><strong>de</strong>r</strong> Magenstatus wur<strong>de</strong> nicht gebessert. Alle Mittel, die<br />

verschrieben wur<strong>de</strong>n, haben gut gewirkt und halfen in einzelnen Fällen für recht lange Zeit,<br />

aber kein Mittel hatte einen irgendwie dauern<strong>de</strong>n Effekt. Silicea bekam ihr sehr, hielt aber<br />

nicht vor. Es folgte eine Zeit <strong>von</strong> 6 Monaten, in <strong><strong>de</strong>r</strong> sie sich nicht sehen ließ, aber als sie sich im<br />

September 1924 wie<strong><strong>de</strong>r</strong> zeigte, war ihr Zustand be<strong>de</strong>utend verschlechtert. Sie hatte eine<br />

recht aufreiben<strong>de</strong> Zeit gehabt mit einer invali<strong>de</strong>n Mutter und ihr Allgemeinzustand war<br />

äußerst elend. Ihr Magen war sehr schlecht; es bestand viel Schmerz und Anschwellung im<br />

Epigastrium; starke Appetitlosigkeit und Erbrechen nach <strong>de</strong>m Essen; die Schwäche war<br />

hochgradig. Viel Würgen und Erbrechen <strong>von</strong> Galle mit Blut. Anhalten<strong>de</strong>s heftiges<br />

Hinterkopfweh mit Schmerz über <strong>de</strong>m rechten Auge. Entsprechend ihrer extremen Schwäche<br />

und Abmagerung wur<strong>de</strong> sie ins Bett gesteckt und blieb darin während 9 Monaten.<br />

Untersuchung <strong>de</strong>s Leibes ergab einen sehr großen unregelmäßigen nodulären Tumor im<br />

Epigastrium gegen die rechte Seite. Ihre extreme Abmagerung machte die Untersuchung<br />

leicht und <strong>de</strong>n Tumor sichtbar. Ich hegte keinen Zweifel an <strong><strong>de</strong>r</strong> Bösartigkeit; die Prognose war<br />

schlecht. Sorgfältige Beobachtungen wur<strong>de</strong>n angestellt, aber kein Mittel erleichterte mehr.<br />

Von November bis Februar bekam sie seltene Dosen <strong>von</strong> Phosphor nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Plus-Metho<strong>de</strong>,<br />

aufwärts bis zur Tausendsten mit großer Lin<strong><strong>de</strong>r</strong>ung, aber keiner tiefen Reaktion. Zwischen<br />

Februar und Juni war ihre Schwäche so groß, daß ich bisweilen das Gefühl hatte, eine<br />

Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>herstellung sei unmöglich. Am 7. Juni 1925 wur<strong>de</strong> Gärtner in <strong><strong>de</strong>r</strong> 30. Potenz gegeben,<br />

eine tägliche Dosis mit Plussung je<strong>de</strong>smal für 7 Tage. Vor <strong>de</strong>m Monatsen<strong>de</strong> war sie viel besser<br />

im Ganzen, viel kräftiger und zum erstenmal war sie imstan<strong>de</strong>, aufzustehen. Sie hatte kein<br />

Kopfweh mehr und die Gedärme entleerten sich täglich; <strong><strong>de</strong>r</strong> Magen war viel besser, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Appetit war wie<strong><strong>de</strong>r</strong>gekommen. Im Juli war sie auf und ging umher und konnte täglich<br />

fortgehen. Sie war viel kräftiger; <strong><strong>de</strong>r</strong> Stuhl ging weiter gut und <strong><strong>de</strong>r</strong> Magen war gut und alle<br />

Beschwer<strong>de</strong>n waren gering. Im September war die Besserung anhaltend ausgesprochen; sie<br />

hatte alle Tage Stuhl und es bestan<strong>de</strong>n nur ganz geringe Beschwer<strong>de</strong>n, etwas Schwin<strong>de</strong>l<br />

kehrte wie<strong><strong>de</strong>r</strong> und ihre alten nervösen Symptome. Eine Dosis Gärtner 30 wur<strong>de</strong> wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holt in<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Plusmetho<strong>de</strong>, eine tägliche Gabe für 7 Tage. Am 8. Oktober 1925 ist verzeichnet, daß sie<br />

viel kräftiger wur<strong>de</strong>; die Darmfunktion arbeitete sehr gut; sie war geistig viel kräftiger und<br />

fähig, einer richtigen Unterhaltung zu folgen; imstan<strong>de</strong>, auszugehen, doch nicht weit.<br />

Bisweilen war <strong><strong>de</strong>r</strong> Magen empfindlich mit Hitze und Brennen; keine Arznei wur<strong>de</strong> gegeben.<br />

Am 6. November 1925 fühlte sie sich kräftiger und hatte geistig mehr Zug, die Därme waren<br />

anhaltend gut, die Masse im Epigastrium war berührungsempfindlich, machte aber keine<br />

Beschwer<strong>de</strong>n. Sie war weniger unregelmäßig und hart. Gärtner 30 plus, eine tägliche Gabe 3<br />

Tage lang wur<strong>de</strong> gegeben. Am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Monats waren ihre Symptome Phosphor und Phos.<br />

wur<strong>de</strong> in <strong><strong>de</strong>r</strong> 30. Potenz gegeben plus eine tägliche Gabe für 7 Tage. Phosphor wur<strong>de</strong> in<br />

seltenen Gaben gegeben nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Pulsmetho<strong>de</strong> bis 18. März 1926, aber dann wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Fall<br />

frisch aufgenommen, da die Symptome sich geän<strong><strong>de</strong>r</strong>t hatten. Magn. Mur. trug sie bis 15. Mai,<br />

wo dann Ntr. cb. mit Besserung gegeben wur<strong>de</strong> bis November. Im November hielt sich <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Magen gut und die Verdauung war regelmäßig, aber sie ging in ihrer Lebenskraft zurück. Ich<br />

beschloß daher, zu Gärtner zurückzukehren und gab ihr die 30. plus eine tägliche Dosis 7 Tage<br />

lang. Die Besserung kam sofort und fortschreitend, wur<strong>de</strong> aber im Dezember unterbrochen<br />

durch eine heftige Attacke <strong>von</strong> Tonsillitis für die Arnika mit ganz promptem Effekt gegeben<br />

wur<strong>de</strong>. Im Januar 1927 wur<strong>de</strong> ihr Fall frisch aufgenommen. Denn seit Juni 1925, als sie Gärtner<br />

erhalten hatte, waren alle ihre Symptome beträchtlich modifiziert. Ihre Ernährung war gut, sie<br />

hatte be<strong>de</strong>utend an Gewicht gewonnen, war viel stärker gewor<strong>de</strong>n, aber Symptome<br />

blieben weiter bestehen und einige alte Symptome, die sie in früheren Tagen gehabt hatte,<br />

waren wie<strong><strong>de</strong>r</strong>gekommen und sie <strong>de</strong>uteten alle ohne Frage auf Kali. cb. Sie erhielt Kali. cb. 30<br />

plus täglich eine Dosis 7 Tage lang. Das wur<strong>de</strong> wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holt am 25. Februar 1927 bei Rückkehr<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Empfindlichkeit und Unbehagen am Magen. Sie hatte unmittelbare Erleichterung <strong>von</strong><br />

Kali. cb. Am 29. März wur<strong>de</strong> sie ganz untersucht. Der Tumor war tatsächlich verschwun<strong>de</strong>n;<br />

die Masse war klein und <strong>von</strong> breiartiger Weiche; die knotige unregelmäßige Härte war völlig<br />

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weg. Alle Funktionen waren gut und alle Symptome, die sie hatte, waren tatsächlich<br />

rheumatischer Natur. Sie war sehr gut genährt. En<strong>de</strong> April berichtete sie, daß es ihr gut gehe<br />

und sie sagte: „Nie seit<strong>de</strong>m Sie mich kennen, habe ich mich so gebessert; wenn ich<br />

irgen<strong>de</strong>ine kleine Beschwer<strong>de</strong> habe, so stört sie mich wohl, aber sie meistert mich nicht mehr,<br />

wie sie es zu tun pflegte.“ Ich bin mehr als überzeugt, daß sie ohne Gärtner sich nicht erholt<br />

hätte. Seit April bis heute hielt ihr Fortschritt an allen Punkten an. Jetzt fühlt sie sich nicht mehr<br />

krank, wenn ermü<strong>de</strong>t. Am 20. Juni 1927 ergab die Untersuchung keinen Tumor mehr, doch<br />

etwas Empfindlichkeit auf Druck in <strong><strong>de</strong>r</strong> Pylorusregion.<br />

In diesem Falle hab ich die Plusmetho<strong>de</strong> angewandt bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Verabreichung <strong>de</strong>s<br />

Mittels; keine Potenz wur<strong>de</strong> je unverän<strong><strong>de</strong>r</strong>t wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holt. Je<strong>de</strong> Dosis bekam ein Plus addiert zu<br />

ihrer Potenz durch Verdünnung und Verschüttelung - ganz in Uebereinstimmung mit meiner<br />

Interpretation <strong>von</strong> Hahnemanns Vorschrift in <strong><strong>de</strong>r</strong> 6. Ausgabe <strong>de</strong>s „Organon“.<br />

Miß L., 62 Jahre alt, Litt an einer wohlumgrenzten Geschwulst rechts <strong>von</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Nabelregion: Operation war angeraten wor<strong>de</strong>n, aber <strong>von</strong> ihr abgelehnt.<br />

Geschichte: hatte Gallenkoliken ihr ganzes Leben, einmal im Monat, zuletzt nicht<br />

regelmäßig und oft in <strong>de</strong>n Zwischenzeiten konnte sie Schmerzanfälle haben. Sie war verstopft<br />

<strong>von</strong> jeher, seit sie sich erinnern konnte. Einige Zeit zuvor hatte sie gelegentlich Schmerzen in<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Lebergegend, die durch <strong>de</strong>n Rücken gingen, mit Uebelkeit und Erbrechen <strong>von</strong> galliger,<br />

schaumiger Masse. Zwei Monate, ehe ich sie sah, hatte sie einen Anfall <strong>von</strong> Gelbsucht, die 6<br />

Wochen anhielt. Darnach war sie beim Chirurgen und wur<strong>de</strong> geröntgt, wobei ein Klumpen in<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Gallenblasenregion gefun<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong>; Steine konnte man nicht sehen in <strong><strong>de</strong>r</strong> Gallenblase.<br />

Sie war eine große, starkknochige Frau, jetzt sehr mager und hatte immer mehr an Gewicht<br />

verloren seit längerer Zeit. Sie hatte keine bestimmten Symptommerkmale für ein Mittel, aber<br />

ihre Modalität ließ an Lyc. <strong>de</strong>nken. Sie erhielt eine Dosis Lycopodium 12C am 7. Mai 1926,<br />

aber ohne Erfolg. Am 15. Mai hatte sie vielmehr einen schlimmen Anfall <strong>von</strong> Schmerzen, für<br />

<strong>de</strong>n Chel. 30 mit Nutzen gegeben wur<strong>de</strong>. Stuhlkulturen wur<strong>de</strong>n gemacht und <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Gärtnerbazillus gefun<strong>de</strong>n, und da keine Potenz <strong><strong>de</strong>r</strong> Vakzine gesandt wur<strong>de</strong>, injizierte ich 2<br />

Million in <strong>de</strong>n Arm am 8. Juli. Die Reaktion war außer Zweifel auf diese Injektion. Der Stuhl war<br />

besser und sie im ganzen kräftiger. Besserung kam allmählich, aber entschie<strong>de</strong>n. Am 30.<br />

September hatte sie an Gewicht aufgenommen und war weit weniger mü<strong>de</strong> und <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Klumpen war nicht so umschrieben und weniger hart. Für Schmerzanfälle hatte sie<br />

Chelidonium mit gutem Effekt, doch schien das Chel. Sich mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Vakzine nicht zu vertragen,<br />

insofern <strong><strong>de</strong>r</strong> Stuhl litt. Am 17. November erhielt sie eine weitere Injektion <strong>von</strong> 4 Million. Die<br />

Besserung darnach war ausgesprochen und sie machte weiter beträchtliche <strong>Fortschritte</strong>. Der<br />

Stuhl wur<strong>de</strong> viel lebhafter und <strong><strong>de</strong>r</strong> Appetit war besser. Im März erhielt sie, da noch immer<br />

gelegentlich quer übers Epigastrium Schmerz bestand und <strong><strong>de</strong>r</strong> Stuhl, obwohl im Gang, noch<br />

immer zeitweise schwierig war und die Verdickung unter <strong><strong>de</strong>r</strong> Leber noch fühlbar, eine Gabe<br />

<strong>von</strong> zusammengesetztem Gärtner oral. Am 14. April 1927 war ihr Bericht, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Stuhlgang<br />

be<strong>de</strong>utend besser gehe. Sie hatte nur leichte Schmerzen nach einer langen Reise, <strong>von</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> sie<br />

ermü<strong>de</strong>t war. Sie hatte einen sehr guten Monat gehabt; <strong><strong>de</strong>r</strong> Appetit besser und im ganzen<br />

viel lebhafter. Es wur<strong>de</strong> keine Arznei gegeben. Beim Untersuchen fühlte man nur noch eine<br />

Verdickung an <strong><strong>de</strong>r</strong> Stelle, wo <strong><strong>de</strong>r</strong> Klumpen gesessen hatte. Bis heute lautet <strong><strong>de</strong>r</strong> Bericht:<br />

„Anhalten<strong><strong>de</strong>r</strong> Fortschritt.“<br />

Meine Erfahrung ist, daß die orale Vakzine eine viel tiefere Reaktion auslöst, als die<br />

hydro<strong><strong>de</strong>r</strong>male und länger vorhält.<br />

Frau F., 46 Jahre alt, kam am 6. Januar 1926 mit Skirrhus-Ca. bei<strong><strong>de</strong>r</strong> Brüste in<br />

Behandlung. In <strong>de</strong>n letzten 4 Jahren bestand ein knotiger Tumor in <strong><strong>de</strong>r</strong> linken Brust mit starker<br />

Einziehung <strong><strong>de</strong>r</strong> Haut. Neuerdings war in <strong><strong>de</strong>r</strong> rechten Brust ein großer Knoten aufgetreten im<br />

oberen Segment, mit <strong>de</strong>m Muskel verwachsen, mit Achseldrüsen und geringer Verlötung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Haut. Er war hart und knotig. Pat. war mager und hatte in <strong>de</strong>n letzten Jahren viel an Gewicht<br />

verloren. Sie hatte keine Symptome, aber alle, die sie in <strong><strong>de</strong>r</strong> Vergangenheit gehabt hatte,<br />

schienen Arsen zu indizieren. Ich gab ihr eine Einzeldose <strong><strong>de</strong>r</strong> 10 M <strong>von</strong> Arsen. Nach 6 Wochen<br />

ohne Reaktion drang ich sorgfältig in ihre Geschichte ein und beschloß, Graphit zu geben.<br />

Eine tägliche Dosis für 7 Tage <strong><strong>de</strong>r</strong> 30. <strong>von</strong> Graphit nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Plusmetho<strong>de</strong> wur<strong>de</strong> gegeben. Es<br />

schien eine gute Allgemeinreaktion darauf zu folgen - besser in ihr selbst und sie hatte eine<br />

Gewichtszunahme. Die Verdauung war lebhafter. Die Wirkung auf die Tumoren war gering,<br />

26


aber wenn überhaupt, so schienen sie weicher. Graphit wur<strong>de</strong> neuerdings verordnet nach<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Plusmetho<strong>de</strong> am 14. April und eine weitere Dosis am 2. Mai, da sie wie<strong><strong>de</strong>r</strong> nachließ und<br />

die Verdauung stockte. Graphit 200 in Einzeldose wur<strong>de</strong> am 26. Mai gegeben und nochmals<br />

am 14. Juli. Unter Graphit hatte sie insgesamt ein Pfund und 7 Unzen an Gewicht und besseres<br />

Aussehen gewonnen. Ihre Stühle wur<strong>de</strong>n untersucht und Gärtner gefun<strong>de</strong>n. Sie erhielt die<br />

Vakzine 12c plus eine tägliche Dosis für 3 Tage am 23. Juli. Am 18. August waren die Dinge<br />

durchaus beim Alten. Es schien keinerlei Reaktion auf diese Gabe zu folgen. Die Verdauung<br />

war etwas zurückgegangen und sie hatte zwei heftige Kopfwehanfälle gehabt. Die Vakzine<br />

30 plus, eine tägliche Gabe für 3 Tage wur<strong>de</strong> gegeben mit einem ausgesprochenen und<br />

unmittelbaren Erfolg. Bis 8. September hatte sie 5,75 Pfund (á 450 Gramm; <strong><strong>de</strong>r</strong> Uebers.)<br />

Gewicht gewonnen, war allgemein sehr wohl, die Verdauung weit regelmäßiger und hatte<br />

kein Kopfweh gehabt. Ein sehr tragischer Verlust im Oktober warf sie zurück für einige Zeit,<br />

doch verlor sie in 6 Wochen nur ein halbes Pfund ihres Gewichtszuwachses. Die Vakzine plus<br />

eine tägliche Gabe für 7 Tage wur<strong>de</strong> am 26. Oktober gegeben. Am 3. November 1926 war<br />

sie sehr wohl. Der rechte Tumor war entschie<strong>de</strong>n weicher und die Achseldrüsen waren<br />

verschwun<strong>de</strong>n. Auch die linke war weicher; alle Funktionen waren gut. Dieser Fall stand unter<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Beobachtung <strong>de</strong>s Chirurgen seit Beginn <strong><strong>de</strong>r</strong> Behandlung und seine Bemerkungen waren:<br />

„Der rechte Tumor ist ohne Zweifel kleiner und weicher und die Achseldrüsen sind<br />

verschwun<strong>de</strong>n. Der linke Tumor ist im ganzen unverän<strong><strong>de</strong>r</strong>t, ist aber weicher. Sie ist ohne<br />

Zweifel besser im allgemeinen Gesundheitszustand und sollte es schließlich doch zur<br />

Operation kommen, wird sie ihr ohne Zweifel besser gewachsen sein, als sie es im Anfang<br />

gewesen wäre.“ Auf die Frage, ob er sicher sei, daß bei<strong>de</strong> Tumoren krebsig wären, erwi<strong><strong>de</strong>r</strong>te<br />

er „ohne allen Zweifel.“<br />

Bis 1. Dezember 1926 hatte sie weitere an<strong><strong>de</strong>r</strong>thalb Pfund gewonnen und war<br />

allgemein viel besser. Stuhl war unregelmäßig gewesen und wie<strong><strong>de</strong>r</strong> besser gewor<strong>de</strong>n. Im<br />

Dezember hatte sie ein weiteres Pfund Gewicht gewonnen. Die rechte Brust war weniger hart<br />

und nicht so scharf begrenzt an <strong>de</strong>n Kanten. Am 26. Januar 1927 kamen Graphitsymptome<br />

zutage und dies wur<strong>de</strong> in einer Einzeldose 1M gegeben. Seit dieser Zeit ging die Besserung<br />

weiter, mit stetiger Gewichtszunahme und ihre Lebenskraft hebt sich. Bei<strong>de</strong> Geschwülste sind<br />

weicher und stark verkleinert. Im Juni war das Aufblühen <strong><strong>de</strong>r</strong> Gesundheit ersichtlich an einer<br />

viel reineren Haut und an einem wohlgenährten Körper. Der rechte Tumor war<br />

zurückgegangen auf gera<strong>de</strong> die Hälfte <strong><strong>de</strong>r</strong> ursprünglichen Größe und viel weicher.<br />

Miß M. L., 51 Jahre alt, sah und behan<strong>de</strong>lte ich homöopathisch zuerst 1918. Von da bis<br />

Dezember 1926 stand sie unter dauern<strong><strong>de</strong>r</strong> homöopathischer Behandlung gegen chronische<br />

Magengeschwüre mit heftigen Schmerzattacken und Bluterbrechen. Der Schmerz zeigte<br />

einen nagen<strong>de</strong>n Charakter, kam vor <strong>de</strong>m Essen, mit Erleichterung <strong>von</strong> Essen, und <strong><strong>de</strong>r</strong> Stuhl<br />

war sehr verstopft. Sie war mager und schwach und es bestand eine bestimmte<br />

Empfindlichkeit in <strong><strong>de</strong>r</strong> linken Seite <strong>de</strong>s Epigastriums mit Induration. Kein Mittel brachte ihr mehr<br />

als vorübergehen<strong>de</strong> Erleichterung. Am 7. Dezember 1926 wur<strong>de</strong> sie sorgfältig untersucht und<br />

es fand sich eine Induration im linken Hypochondrium, die sich <strong>von</strong> unter <strong>de</strong>n Rippen rechts<br />

abwärts zum Nabel erstreckte, sehr ausgesprochen druckempfindlich und unregelmäßig in<br />

<strong>de</strong>n Umrissen. Am 24. Dezember 1926 erhielt sie Gärtner 30 plus 3 Tage lang täglich eine<br />

Gabe. Am 21. Januar 1927 hatte sie noch Schmerz im Magen, erleichtert <strong>von</strong> Essen und Ruhe;<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Stuhl neigte noch zu Verstopfung. Ihre Stühle wur<strong>de</strong>n untersucht und Gärtner gefun<strong>de</strong>n.<br />

Da ihre Kondition am 23. März 1927 I. S. Q war, wur<strong>de</strong> die Autovakzine <strong>von</strong> Gärtner in <strong><strong>de</strong>r</strong> 12c<br />

verordnet, plus, eine tägliche Dosis für 7 Tage. Am 25. März 1927 fühlte sie sich viel besser und<br />

sah auch darnach aus und <strong><strong>de</strong>r</strong> Stuhl war frei und normal. Ihre Lebenskraft war ersichtlich und<br />

be<strong>de</strong>utend gehoben und sie sagte selbst: „Das ist <strong><strong>de</strong>r</strong> beste Monat, <strong>de</strong>n ich seit Beginn <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Behandlung hatte. Ich bin frei <strong>von</strong> Schmerz und sehr erstaunt über die regelmäßige Funktion<br />

meiner Verdauung.“ Bis heute hält die Besserung vor, die Ernährung ist weit besser, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Magen wohl und die Verdauung anhaltend geregelt.<br />

Ich hatte eine große Zahl <strong>von</strong> Gärtnerfällen und in je<strong>de</strong>m gab es eine <strong>de</strong>utliche vitale<br />

Reaktion. In einigen war kein Mittel (sonst) nötig und in an<strong><strong>de</strong>r</strong>en kamen scharfgeprägte<br />

Symptome heraus, die auf das Simillimum führten. Gärtner ist nicht gleichbe<strong>de</strong>utend mit<br />

Krebs, aber <strong><strong>de</strong>r</strong> Gärtnerbazillus ist verknüpft mit <strong>de</strong>m spezifischen Brutnest, das Bösartigkeit<br />

27


heckt. Proteus fin<strong>de</strong>t sich ebenfalls in bestimmten Krebsfällen. Die konstitutionellen Faktoren<br />

sind alle wichtig für <strong>de</strong>n Homöopathen.<br />

Morgan<br />

Herr C., 22 Jahre alt, kam am 30. Juli 1926. Seit <strong>de</strong>m 5. Lebensmonat litt er an einem<br />

Ekzem über <strong>de</strong>n ganzen Körper. Derzeit große Flecken an Körper und Rücken, an bei<strong>de</strong>n<br />

Armen und Beinen. Tiefe, sehr schmerzhafte Risse durchsetzen die verdickte und blutüberfüllte<br />

Haut. Wärme verursachte Reiz und Jucken. Außer Verstopfung und übelriechen<strong>de</strong>n<br />

Blähungen waren keine Symptome sonst vorhan<strong>de</strong>n. Er war schon in vielen Behandlungen<br />

und es wur<strong>de</strong> <strong>von</strong> Hautspezialisten alles versucht, aber, zum Glück für ihn, ohne Erfolg. Ich war<br />

in Verlegenheit, gab Sulfur, aber es wirkte nicht. Sofort beschloß ich, Stuhlkulturen zu machen<br />

und ent<strong>de</strong>ckte einen Morgan. Er bekam seine Autovakzine am 28. Juli, die 12. Potenz, plus,<br />

eine tägliche Gabe über 3 Tage. - Diese Potenz, in seltenen Gaben, führte ihn bis 1.<br />

Dezember. Sofort setzte Besserung ein, alle Funktionen wur<strong>de</strong>n aktiv. Die Haut klärte sich auf<br />

und am genannten Tage waren nur noch einige wenige Flecken übrig. Wegen langsamer<br />

Tätigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Eingewei<strong>de</strong> wur<strong>de</strong> dann die 30. Potenz in <strong><strong>de</strong>r</strong> Plusmetho<strong>de</strong> für 3 Tage gegeben<br />

und nicht wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holt bis 3. Februar 1927. Während <strong>de</strong>s letzten Monats heilte er weiter ab und<br />

wur<strong>de</strong> ein kräftiger, tätiger junger Mann. Am 6. April wur<strong>de</strong> die Vakzine noch einmal in <strong><strong>de</strong>r</strong> 30.<br />

Potenz wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holt, Plusmetho<strong>de</strong> für 7 Tage, weil leichte Hautreizung und<br />

Verstopfungsneigung sich bemerkbar machte. Gegenwärtig ist er völlig wohl.<br />

Miß R., 58 Jahre, ein Fall <strong>von</strong> rheumatoi<strong><strong>de</strong>r</strong> Arthritis. Seit 8 Jahren Vergrößerung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Knie, die sich wie Säcke mit Nüssen anfühlten, mit beträchtlichem Schmerz und Steifheit,<br />

Unfähigkeit zur Streckung. Die konstanten Schmerzen schienen sich durch trockene kalte<br />

Win<strong>de</strong> zu verschlimmern. Alle Gelenke waren ergriffen, die Hän<strong>de</strong> <strong>de</strong>formiert.<br />

Unverdaulichkeit ging <strong><strong>de</strong>r</strong> rheumatoi<strong>de</strong>n Erkrankung direkt voran. Stets war sie verstopft und<br />

hatte im Beginn <strong><strong>de</strong>r</strong> Erkrankung nervösen Zusammenbruch mit Sepiasymptomen. Sie bekam<br />

Sepia 12 eine Woche, Plusmetho<strong>de</strong>, und sie reagierte gut, verblieb auch bei Sepia bis in <strong>de</strong>n<br />

Dezember, in seltenen Gaben verabfolgt. Jetzt wur<strong>de</strong>n die Schmerzen viel schlimmer.<br />

Abermalige Symptomenforschungen brachten an <strong>de</strong>n Tag, daß sie eine langwierige Eiterung<br />

an <strong>de</strong>n Nagelwurzeln gehabt hatte, ebenso Verhärtungen an bei<strong>de</strong>n Füßen, die eiterten. Sie<br />

erhielt jetzt Hepar mit lange guter Wirkung, doch brachen die rheumatischen Beschwer<strong>de</strong>n<br />

im Mai 1921 viel schlimmer aus und sie bekam Guajakum 30, Plusmetho<strong>de</strong>, einmal täglich für<br />

7 Tage. Im allgemeinen wohler, hatte sie jetzt noch mehr unter <strong>de</strong>n Schmerzen zu lei<strong>de</strong>n. Die<br />

Stuhlgänge wiesen <strong>de</strong>n Morgantyp auf; die Vakzine wur<strong>de</strong> aber nicht gegeben, weil die<br />

Sepiasymptome wie<strong><strong>de</strong>r</strong> hervortraten. Obwohl eine Gabe Sepia 200 in <strong>de</strong>n Geisteszustän<strong>de</strong>n<br />

half, so wur<strong>de</strong>n doch ihre Schmerzen schlimmer und brachten Schlaflosigkeit, worauf ich<br />

beschloß, ihr die Morgan-Autovakzine zu geben in <strong><strong>de</strong>r</strong> 12 C plus, eine Dosis täglich für 3 Tage.<br />

Vom ersten Beginn an wur<strong>de</strong>n die Eingewei<strong>de</strong> tätiger und sie fühlte sich sehr viel besser. Sie<br />

fühlte eine Last <strong>von</strong> sich genommen, Erleichterung <strong><strong>de</strong>r</strong> Schmerzen und schlief wohl bei Nacht.<br />

Eine Woche später kehrten die Schmerzen zurück und sie nahm eine Gabe <strong><strong>de</strong>r</strong> Vakzine mit<br />

Erleichterung. Nach 10 Tagen war Anlaß, dies zu wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holen, weil die Schmerzen sich wie<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

zeigten; Erleichterung folgte sofort. Die nächsten 6 Wochen waren sehr gut und die früheren<br />

wohltätigen Sepiawirkungen wur<strong>de</strong>n nicht aufgehoben, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n verstärkt durch die<br />

Autovakzine, die Besserung schritt bei seltenen Gaben <strong><strong>de</strong>r</strong> Vakzine fort, mit zunehmen<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Freiheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Gelenke, die schmerzlos wur<strong>de</strong>n. Die Steifheit verschwand, sie konnte bei<strong>de</strong> Knie<br />

strecken und sehr gut gehen. Die Füße waren sehr viel leichter, obwohl noch geschwollen.<br />

Am 3. Februar 1927 zeigte sich Rückkehr <strong><strong>de</strong>r</strong> geistigen Symptome, welche <strong><strong>de</strong>r</strong> rheumatoi<strong>de</strong>n<br />

Erkrankung vorausgegangen waren, mit leichter Verstopfung. Sepia 200 für 7 Tage,<br />

Plusmetho<strong>de</strong>, machte guten Schluß und es war keine Medizin mehr nötig. Alle Funktionen gut,<br />

Lebenskraft zunehmend. Sie kann viel mit <strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n arbeiten trotz noch etwas<br />

geschwollener Knöchel.<br />

Mutabile<br />

Herr J. L., 56 Jahre: Schlank, mager, gebückt <strong>von</strong> Asthma und chronischer Bronchitis.<br />

Asthma begann vor 21 Jahren und war sehr ernst. Vor 6 Jahren Nasenoperation mit einer<br />

Erleichterung. Viele Jahre Attacken <strong>von</strong> Bronchitis, allmählich schlimmer wer<strong>de</strong>nd; gera<strong>de</strong><br />

war ein solcher Anfall vorhan<strong>de</strong>n. Die Symptome wiesen auf Sanguinaria, das mit Nutzen<br />

28


gegeben wur<strong>de</strong>, aber Schwere <strong><strong>de</strong>r</strong> Brust und Asthma blieben zurück. Er war langher verstopft<br />

und ein Stuhlgang ergab Mutabile. Am 13. Juli 1926 bekam er die eigene Vakzine, eine<br />

tägliche Dosis plus für 3 Tage. Bericht vom 27. Juli zeigte kein Asthma; Husten viel weniger,<br />

Stühle noch nicht ganz in Ordnung. Abermals 3 Dosen 12C wur<strong>de</strong>n achtstündlich gegeben.<br />

Am 8. September wur<strong>de</strong> klar, daß eine tiefe Reaktion in diesem Leben begonnen hatte: die<br />

Brust geklärt, subjektiv viel besser, aber die Stühle waren wie<strong><strong>de</strong>r</strong> unregelmäßig und es war<br />

nicht die Wirkung <strong><strong>de</strong>r</strong> ersten Dosen auf die Engewei<strong>de</strong> beobachtet wor<strong>de</strong>n. Jetzt erhielt er<br />

die Vakzine 30, tägliche Gaben für 3 Tage. Am 6. Oktober durchaus besser und lebendiger,<br />

alle Funktionen gut, Brust rein mit sehr wenig Husten und Schleim. Seit<strong>de</strong>m bekam er seltene<br />

Gaben <strong><strong>de</strong>r</strong> Vakzine 30, Plusmetho<strong>de</strong>, d. h. nie zweimal dasselbe, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n je<strong>de</strong> folgen<strong>de</strong><br />

Gabe durch Verdünnung und Schütteln verän<strong><strong>de</strong>r</strong>t. Nun nahm er beträchtlich an Gewicht zu,<br />

er ist viel kräftiger gewor<strong>de</strong>n, alle Funktionen gut, die Brust klar. Die graue Blässe seines<br />

Gesichtes ist gewichen; er sagt, daß er sich wie ein Junger fühle. Bemerkenswert ist, daß sein<br />

Sohn, 20 Jahre alt, auch an Asthma litt. Als er ein Jahr alt war, hatte er Gesichts- und<br />

Kopfekzem. Dies ging weg und Asthma behauptete das Feld vom 7. bis 11. Jahre. Das Ekzem<br />

kam dann zurück und wechselte bis heute mit <strong>de</strong>m Asthma ab. Bei<strong>de</strong> Arme und Beine waren<br />

mit Hautverdickungen und Ekzem behaftet. Er litt an Kopfweh und Magenschwäche,<br />

zeitweise an Ohnmachten. Der Sohn erhielt nun <strong>de</strong>s Vaters Vakzine, 12 C plus, tägliche Dosen<br />

für 7 Tage. Sofort bekam er leichtes Asthma, Hautjucken und für eine Woche mehr Ausschlag<br />

mit Hitze. Dann ging das Asthma weg, die Haut beruhigte sich und es kam einmal Kopfweh;<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> ganze Zustand besserte sich. Weitere Dosen wur<strong>de</strong>n nicht gegeben, weil mit <strong>de</strong>n ganzen<br />

Aen<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen jetzt Symptome <strong>von</strong> Lycopodium auftraten. Von diesem bekam er nun selten<br />

die 30. und die 200. Potenz. Seine Besserung war <strong><strong>de</strong>r</strong>art, daß das Gewicht zunahm, die Brust<br />

sich <strong>de</strong>hnte, <strong><strong>de</strong>r</strong> ganze Mensch sich aufrichtete, was bisher anhielt und noch weiter zunahm.<br />

A. R., ein Mädchen <strong>von</strong> 13 Jahren, litt seit <strong>de</strong>m 3. Lebensjahre an Ekzem und Asthma.<br />

Letztere Ausfälle kommen häufig; <strong><strong>de</strong>r</strong> Fall wies auf Sulfur, was in seltenen Einzelgaben<br />

verordnet wur<strong>de</strong> <strong>von</strong> 200 bis 1M. Obwohl es sehr gut wirkte, reinigte es nicht völlig. Symptome<br />

<strong>von</strong> Kali carb. führten zu diesem Mittel, was aber auch nicht durchgriff. Am 16. September<br />

1926 gab ich ihr 3 Dosen <strong>de</strong>s Vakzin Mutabile 12C. Nach diesen erfolgte kurze<br />

Verschlimmerung, sodann be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong> Besserung, sowohl <strong>de</strong>s Asthmas, als <strong><strong>de</strong>r</strong> Haut. Am 23.<br />

Dezember bekam sie wie<strong><strong>de</strong>r</strong> 3 Dosen <strong>de</strong>s gleichen Mittels und seit<strong>de</strong>m keine Medizin mehr,<br />

die sie auch nicht benötigte. Sie ist völlig wohl. Ich wünsche nicht Mutabile als Asthmamittel<br />

zu bezeichnen; jedoch <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s Symptome waren so ähnlich <strong>de</strong>nen <strong>von</strong> Mr. L.s Sohn,<br />

sowohl im allgemeinen, als beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en, daß ich fühlte, es wür<strong>de</strong> eine gute vitale Reaktion<br />

hervorrufen.<br />

Proteus<br />

Ich habe eine große Menge <strong>von</strong> Proteusfällen und will sie nicht einzeln ausführen,<br />

son<strong><strong>de</strong>r</strong>n nur <strong>de</strong>n Typ im allgemeinen darstellen, <strong><strong>de</strong>r</strong> für das Mittel zu passen scheint. Es fehlt<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> geistige Gleichmut, es bestehen große Reizbarkeit und heftige Ausbrüche, körperliche<br />

und geistige Ueberempfindlichkeit mit Symptomen <strong>de</strong>s Plexus solaris. Aengstlichkeit und<br />

Erregungen wer<strong>de</strong>n im Magen gefühlt, die Symptome vertreten sich und wechseln stark. Ich<br />

will die Geistessymptome eines Falles <strong>von</strong> schwerer Epilepsie anführen, bei <strong><strong>de</strong>r</strong> ein sehr<br />

bemerkenswerter Erfolg mit Proteus erzielt wur<strong>de</strong>.<br />

Eine 32jährge Frau lei<strong>de</strong>t seit 7 Jahren an Fallsucht, sie hat im Monat 20 bis 30 Anfälle.<br />

Sie war stets nervös, Kehle leicht trocken, Aufregungen und Diarrhoe. Aeußerst sensitiv gegen<br />

Unerfreuliches und gegen schreckliche Erzählungen. Weint leicht, beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s wenn sie <strong>von</strong><br />

ihren Zustän<strong>de</strong>n spricht; sehr sensitiv für die Meinung an<strong><strong>de</strong>r</strong>er; will niemand sehen, weil sie<br />

meint, daß ihr Lei<strong>de</strong>n bekannt sei; sehr traurig, will allein sein, fährt auf bei Lärm und<br />

Berührung. Große Furcht vor Unglück. Die Krämpfe brechen aus, wenn Pat. aufgeregt, gereizt<br />

o<strong><strong>de</strong>r</strong> erschreckt wird. Kann nicht <strong>de</strong>nken, fühlt ihren Kopf wie <strong>von</strong> Holz, wird schwin<strong>de</strong>lig,<br />

verliert <strong>de</strong>n Fa<strong>de</strong>n ihres Gesprächs, große Verwirrung, plötzliches Vergessen. Läßt Dinge<br />

fallen, zuckt mit <strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n, oft plötzlich geistige Leere beim Sprechen. Gedächtnis sehr<br />

schwach, konnte das eben Gehörte nicht behalten; große Furcht vor Geisteskrankheit.<br />

Während sie spricht, kommt sie plötzlich auf an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Gegenstän<strong>de</strong>. Ihre Aufregung fühlt sie<br />

sehr plötzlich im Epigastrium; leicht zu beleidigen; Träume vom Sterben und <strong>von</strong> Toten. Große<br />

Furcht vor <strong>de</strong>m Dunkel. Aergerlich; das Kleinste regt sie auf; bil<strong>de</strong>t sich ein, bei an<strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />

29


verachtet zu sein; Mißverständnisse. Häufig Schwin<strong>de</strong>l, beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s im Wagen o<strong><strong>de</strong>r</strong> Zug, o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

wenn sie auf rasch bewegte Dinge blickt. -<br />

All diese geistigen Symptome sind unter Proteus gänzlich verschwun<strong>de</strong>n, die Zahl <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

epileptischen Anfälle wur<strong>de</strong> sehr vermin<strong><strong>de</strong>r</strong>t; sie kommen scheinbar nur noch bei Nacht<br />

während <strong>de</strong>s Schlafs. Patient wur<strong>de</strong> gefällig, zufrie<strong>de</strong>n, vernünftig, in keiner Hinsicht mehr so<br />

leicht zu reizen. In diesem Fall wur<strong>de</strong> eine Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holung <strong><strong>de</strong>r</strong> Proteusgabe erst nach<br />

dreieinhalb Monaten vorgenommen.<br />

Abgesehen <strong>von</strong> dieser Einwirkung auf die Gemütssymptome habe ich beachtet, daß<br />

Proteusfälle zu Fibrosis, Verhärtungen <strong>von</strong> entzün<strong>de</strong>ten Geweben tendieren und leicht zu<br />

Krämpfen und Konstriktionen führen.<br />

Ich behandle <strong>de</strong>n Fall einer Dame, die ein präsystol. Geräusch an <strong><strong>de</strong>r</strong> Spitze hat.<br />

Häufig wird sie <strong>von</strong> großer Erschöpfung befallen mit schmerzhafter Zusammenschnürung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

linken Brusthälfte. Wird sie erregt, so tritt Herzklopfen ein und ihre Finger wer<strong>de</strong>n tot und weiß.<br />

Manchmal Schwin<strong>de</strong>lgefühl und mechanische Handlungsweise. Linker Arm und linkes Bein<br />

zuweilen taub und kontrahiert. Seit einigen Jahren kommt es zuweilen vor, daß sie das<br />

Bedürfnis hat, völlig still zu liegen, weil sie bei gutem Bewußtsein eine Ohnmacht und völlige<br />

Unfähigkeit fühlt, etwas zu tun. Sie ist sonst eine sehr intelligente und glänzen<strong>de</strong> Persönlichkeit,<br />

sie reagierte plötzlich und tief auf Proteus mit Mil<strong><strong>de</strong>r</strong>ung aller Symptome und Erhöhung ihrer<br />

Lebenskraft.<br />

Ich möchte Ihnen nun ein Beispiel <strong><strong>de</strong>r</strong> Wirkung vom zusammengesetzten Morgan<br />

vorführen, das heißt, einer Zusammensetzung aller in meinem Besitz befindlichen Morgan-<br />

Vakzinen <strong><strong>de</strong>r</strong> 12. o<strong><strong>de</strong>r</strong> 30. Potenz. Ich verzeichnete alle Symptome und Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>heiten<br />

meiner Morgan-Patienten, wie ich es früher mit Gärtner, Proteus usw. getan hatte. Von <strong>de</strong>m<br />

vollständigen Symptombild war nun ein Simillimum in folgen<strong>de</strong>m Fall gegeben:<br />

Miß H., 40 Jahre alt, war in <strong>de</strong>n letzten 3 Jahren gesundheitlich sehr schnell<br />

zurückgegangen. Krampfhafte Steifigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Beine mit großer Schwierigkeit zu gehen. Gang<br />

sehr unsicher, die geschwollenen schweren Beine mußten weit auseinan<strong><strong>de</strong>r</strong> gehalten<br />

wer<strong>de</strong>n. Knieschmerzen mit großer Schwierigkeit <strong>de</strong>s Streckens. Alle Gelenke trocken, mit<br />

Krachen und Schwellung. Große Schwäche mit Neigung zu liegen und zu ruhen. Schwin<strong>de</strong>l.<br />

Bücken erschwert mit Neigung zu fallen. Sie konnte nicht stehen mit geschlossenen Beinen;<br />

Krampf und Zucken <strong><strong>de</strong>r</strong> Beine. Geistig war die Patientin stumpf; dabei vollblütig,<br />

aufgetrieben, fühlte sich heiß, wünschte kalte und freie Luft. In geschlossenem warmem Raum<br />

wird ihr übel. Schwitzt stark, meist in <strong>de</strong>n Achselhöhlen und je<strong>de</strong> Nacht über <strong>de</strong>n ganzen<br />

Körper; die Hän<strong>de</strong> aber heiß und trocken. Gegen hartnäckige Verstopfung waren viele<br />

Abführmittel gebraucht wor<strong>de</strong>n. Appetit schlecht, kann lange ohne Nahrung bleiben. Durch<br />

Lärm leicht erregt; dann unsicheres Gehen. Leicht zu Tränen gerührt und leicht geärgert.<br />

Gefühl <strong>von</strong> Erschöpftsein mit Atemlosigkeit kurz vor <strong><strong>de</strong>r</strong> Perio<strong>de</strong>. Der Bru<strong><strong>de</strong>r</strong> starb letztes Jahr<br />

an multipler Sklerose. Das zusammengesetzte Morganpräparat wur<strong>de</strong> am 14. Januar 1927 in<br />

30. Potenz gegeben, Plusmetho<strong>de</strong>, tägliche Gaben, 7mal. Der Erfolg war augenblicklich mit<br />

tiefer vitaler Reaktion. Bei guten <strong>Fortschritte</strong>n kamen alle Funktionen in Ordnung. Am 16. März<br />

erhielt sie Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holung <strong><strong>de</strong>r</strong> Morgangaben. Am 10. Mai wur<strong>de</strong> entschie<strong>de</strong>ne Besserung<br />

gefun<strong>de</strong>n; sie konnte jetzt viel sicherer gehen und mit geschlossenen Augen bei<br />

angeschlossenen Beinen frei stehen. Die krampfigen Erscheinungen waren verschwun<strong>de</strong>n.<br />

Die Eingewei<strong>de</strong> waren jetzt tätig, kein Schmerz o<strong><strong>de</strong>r</strong> Schwere mehr in <strong>de</strong>n Beinen; geistig viel<br />

tätiger. Ihr gutes Aussehen war wie<strong><strong>de</strong>r</strong> hergestellt. Sie war glücklich und jugendlich. Innerhalb<br />

<strong>von</strong> 4 Monaten war dieser große Effekt mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Morganmetho<strong>de</strong> bei sofortigem Einsetzen<br />

erzielt wor<strong>de</strong>n und setzte sich bei dieser Aen<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong><strong>de</strong>r</strong> Symptome fort. Am 8. Juni hatte sich<br />

wie<strong><strong>de</strong>r</strong> Schwin<strong>de</strong>l eingestellt und sie bekam noch 3 Dosen <strong>de</strong>s Mittels. Diese wirkten schnell. Es<br />

geht ihr jetzt gut: Kniereflexe in Ordnung und allgemeine Besserung fortschreitend.<br />

Kein Simillimum irgen<strong>de</strong>iner Arznei hätte bessere Resultate ergeben können.<br />

Nun noch einige Worte über die polyvalente Vakzine in 30. Potenz. Ich fand immer,<br />

daß sie eine tiefe Reaktion in je<strong>de</strong>m Einzelfall hervorbrachte, wo nur Psora, unkompliziert <strong>von</strong><br />

Tuberkulose, Syphilis o<strong><strong>de</strong>r</strong> Sykosis vorlag. Einmal wur<strong>de</strong> ich durch längere Verschlimmerung<br />

erschreckt in einem Fall, wo Tuberkulose in <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorgeschichte war. Glücklicherweise fand sich<br />

30


ein gut schützen<strong>de</strong>s Mittel, so daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Unstern in guten Erfolg geleitet wur<strong>de</strong>. Seit<strong>de</strong>m habe<br />

ich aber dieses Feuer fürchten gelernt. Vielfach machte die polyvalente Vakzine gute Arbeit,<br />

wenn sie bestimmte Hinweise auf ein Simillimum hervorbrachte. Insofern waren meine<br />

Erfahrungen glücklich und überzeugend. Ich liebe die Polyvalente; aber meine Hochachtung<br />

ist mit Respekt und Vorsicht gemischt und mit Furcht gewürzt. Das Mittel ist angezeigt in<br />

aktiver, nicht komplizierter Psora, wenn die Lebenskraft ermü<strong>de</strong>t ist und leiten<strong>de</strong> Symptome<br />

nicht zu fin<strong>de</strong>n sind. -<br />

Meine Erfahrungen haben mich <strong>von</strong> <strong>de</strong>m großen epochemachen<strong>de</strong>n Wert <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Arbeiten Dr. Bachs überzeugt. Mein Vertrauen für die Behandlung schwieriger Fälle ist mit<br />

je<strong>de</strong>m einzelnen Versuch größer gewor<strong>de</strong>n. Dieses be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong> Feld gehört zur<br />

<strong>Homöopathie</strong> und wir als Schüler <strong>de</strong>s großen Hahnemann müssen es kultivieren und die<br />

Früchte seiner Wirksamkeit hervorbringen. Dieses Gebiet wird jetzt <strong>von</strong> <strong>de</strong>n Allopathen<br />

ausgebeutet, die in ihrer Blindheit zwar plün<strong><strong>de</strong>r</strong>n mögen, aber niemals ohne das Licht <strong>de</strong>s<br />

Aehnlichkeitsgesetzes die segensreichen Anwendungen zu machen verstehen. Wer<strong>de</strong>n wir<br />

unser Erbe beanspruchen und bei <strong>de</strong>m Reichtum unserer Erfahrungen <strong>de</strong>nen die Augen<br />

öffnen, welche vom Werte <strong><strong>de</strong>r</strong> Hahnemannschen <strong>Homöopathie</strong> nicht unterrichtet sind? Wir<br />

berühren uns hier mit <strong>de</strong>n fortgeschrittenen Denkern <strong><strong>de</strong>r</strong> alten Schule und die beste Haltung,<br />

welche wir hier einnehmen können, ist nicht allein <strong>von</strong> überragen<strong><strong>de</strong>r</strong> Wichtigkeit für die<br />

Sache <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Homöopathie</strong>, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch eine Ehrenpflicht für <strong>de</strong>n Fortschritt <strong><strong>de</strong>r</strong> Wissenschaft<br />

und für die Kranken, welche uns vertrauen. Wir dürfen in keiner Weise durch Vernachlässigung<br />

irgen<strong>de</strong>in Gebiet <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Homöopathie</strong> ausliefern.<br />

Mit diesem Schluß hat Dr. Dishington, <strong><strong>de</strong>r</strong> nach seiner gesamten Berufsauffassung ein<br />

ausgezeichneter Homöopath ist, noch einmal <strong>de</strong>n ganzen Ernst seiner Wertschätzung <strong>de</strong>s<br />

Bachschen Vakzinetherapie an <strong>de</strong>n Tag gelegt und wir dürfen <strong>de</strong>shalb diese ganze Sache zu<br />

<strong>de</strong>n neuesten fortschrittlichen Bewegungen in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Homöopathie</strong> einreihen.<br />

Nach diesen ausgezeichneten praktischen Darbietungen habe ich noch bei<strong>de</strong><br />

Hän<strong>de</strong> voll Theorie. Dürfen wir auch <strong><strong>de</strong>r</strong> homöopathischen Lehre in theoretischer<br />

Ausgestaltung ein Recht beimessen, zu <strong>de</strong>n <strong>Fortschritte</strong>n gezählt zu wer<strong>de</strong>n? Ich glaube, daß<br />

es gar nicht an<strong><strong>de</strong>r</strong>s geht. Eine <strong>de</strong>nken<strong>de</strong> Betrachtung <strong>von</strong> Tatsachen wird sogar für tiefere<br />

kritische Geister an <strong><strong>de</strong>r</strong> Spitze stehen müssen, wird um Vertrauen werben müssen für ein<br />

neues, schwer festzustellen<strong>de</strong>s Tatsachengebiet, welches man nicht ohne weiteres durch<br />

einen je<strong><strong>de</strong>r</strong>zeit <strong>de</strong>monstrierbaren chemischen o<strong><strong>de</strong>r</strong> physikalischen Versuch vorführen kann.<br />

Freilich, bei Ent<strong>de</strong>ckern und Bahnbrechern kommen zuerst die neuen Tatsachen, aber nur<br />

<strong>de</strong>shalb, weil sie vorher ihren Kopf <strong>von</strong> allgemeinen Vorurteilen gereinigt hatten; <strong>de</strong>shalb<br />

konnten sie jenen Tatsachen nachspüren und sie ent<strong>de</strong>cken. Ich habe auf <strong>de</strong>m Gebiet <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Theorie viel gearbeitet. Zuerst einen Aufsatz zur Kritik <strong><strong>de</strong>r</strong> v. Grauvogelschen Lehre <strong>von</strong> <strong>de</strong>n<br />

Körperkonstitutionen in <strong><strong>de</strong>r</strong> Internationalen homöopathischen Presse 1876 veröffentlicht, dann<br />

in <strong><strong>de</strong>r</strong> Berliner Zeitschrift homöopathischer Aerzte 1881 eine Arbeit über Wahrscheinlichkeit in<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Heilkun<strong>de</strong>. Jetzt, nach 52 Jahren, wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> erstere Aufsatz in <strong><strong>de</strong>r</strong> Deutschen Zeitschrift f.<br />

Hom. 1928, Nr. 1 ans Licht gezogen und als berechtigte Kritik anerkannt. An <strong>de</strong>n zweiten<br />

Aufsatz knüpfe ich an, um hier noch eine Gabe zur homöopathischen Problematik<br />

darzubieten, <strong><strong>de</strong>r</strong> ich dauern<strong>de</strong>n Wert für die Lehrbildung zuschreiben muß, weil ich mir<br />

bewußt bin, die ganze Frage gründlich und umfassend beantwortet zu haben, freilich nicht<br />

mit geschichtlichen Zutaten, die ihren Wert zweifellos behalten, aber mit einer genaueren<br />

Kenntnis <strong>de</strong>s Gebiets und mit logischer Durchführung. Unter solchen Umstän<strong>de</strong>n wage ich es,<br />

dieser Arbeit <strong>de</strong>n Erfolg vorauszusagen, daß die Jünger <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Homöopathie</strong> - und wer sollte in<br />

weiteren 30 Jahren unter <strong>de</strong>n gebil<strong>de</strong>ten Aerzten <strong><strong>de</strong>r</strong> Welt nicht zu ihren Jüngern gehören -<br />

notwendig jene Gedankengänge für ihre Gesamtübersicht <strong>de</strong>s Heilgebietes aufnehmen<br />

müssen, sich mit ihnen vertraut machen müssen, wenn sie wirklich umfassen<strong>de</strong><br />

Anschauungen haben wollen. Es han<strong>de</strong>lt sich um einen Entwurf <strong>von</strong> mir, welcher durch ein<br />

Preisausschreiben <strong><strong>de</strong>r</strong> „Biologischen Heilkun<strong>de</strong>“ vom Frühjahr 1927 angeregt wur<strong>de</strong> über die<br />

Frage: „Welche Unterlagen gibt es, um zu beweisen, daß Arzneimittel die natürlichen<br />

Heilungsvorgänge unterstützen?“ Da diese Frage <strong>de</strong>n Kernpunkt <strong><strong>de</strong>r</strong> Arzneiheilkun<strong>de</strong> betrifft,<br />

so beteiligte ich mich an <strong>de</strong>m Wettbewerb. - Den Preis habe ich zwar nicht erhalten; aber<br />

trotz<strong>de</strong>m erlaubt mir mein Ueberblick über die Sachlage nicht, einen dauern<strong>de</strong>n Wert meiner<br />

Arbeit in Zweifel zu ziehen. Es ist nicht meine Sache, die vorgezognen an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Arbeiten zu<br />

beurteilen; ich nehme an, daß je<strong><strong>de</strong>r</strong> mit gleicher subjektiver Berechtigung geschrieben hat<br />

31


und versetze mich in die Lage <strong><strong>de</strong>r</strong> Preisrichter, die durch äußern Einfluß zu einem Amt berufen<br />

wur<strong>de</strong>n, das ihnen auferlegte, Gedankengänge zu überblicken und autoritativ zu beurteilen,<br />

die ihnen vielleicht vorher niemals vertraut gewesen sind. Ich lasse also jetzt meine Arbeit<br />

folgen und will schon vorläufig bemerken, daß sie die Ten<strong>de</strong>nz hat, eine r a t i o n a l e<br />

W a h r s c h e i n l i c h k e i t zu begrün<strong>de</strong>n, die es erlaubt, unter Beihilfe aller logischen Mittel<br />

auch selbst einen Einzelfall für das Urteil reif zu machen, ob eine Heilwirkung durch Arznei<br />

vorliegt o<strong><strong>de</strong>r</strong> nicht. Die Statistik, eine <strong><strong>de</strong>r</strong> Biologie gegenüber sehr schwache Beweismetho<strong>de</strong><br />

soll dadurch überboten wer<strong>de</strong>n, was kein Ding <strong><strong>de</strong>r</strong> Unmöglichkeit ist.<br />

Schon 1881 hat es sich um Sehnliches gehan<strong>de</strong>lt, in<strong>de</strong>m ein H e r r v o n G r u z e w s k i<br />

durch Wi l l m a r S c h w a b e in Leipzig einen Preis ausschrieb für Bearbeitung eines Themas:<br />

abwechselnd gegebene und wie<strong><strong>de</strong>r</strong> entzogene Arznei soll durch Besserung,<br />

Verschlimmerung, Besserung usw. <strong>de</strong>n Zusammenhang <strong><strong>de</strong>r</strong> Heilwirkung nachweisen. Es hat<br />

sich also auch dort um eine - biologische verfehlte - Anordnung gehan<strong>de</strong>lt, die eine<br />

Preisaufgabe darstellte; auch hier habe ich <strong>de</strong>n Preis nicht erhalten, schon wegen meiner<br />

ablehnen<strong>de</strong>n Haltung gegen die I<strong>de</strong>e <strong>von</strong> Gruzewski. Im Falle <strong>de</strong>s Ausschreibens <strong><strong>de</strong>r</strong> Biolog.<br />

Heilkunst liegt jetzt die Sache aber an<strong><strong>de</strong>r</strong>s, <strong>de</strong>nn hier ist treffend gekennzeichnet, daß es sich<br />

um eine natürliche Aufgabe han<strong>de</strong>lt, die einer eindringlichen Arbeit wert gewesen.<br />

„Welche Unterlagen gibt es, um zu beweisen, daß Arzneimittel die natürlichen<br />

Heilungsvorgänge unterstützen?“<br />

Kennwort: „Für Schule und Leben.“<br />

Es ist eine allgemeine Annahme, daß die Heilbeziehung, <strong>von</strong> welcher das Thema<br />

re<strong>de</strong>t, in Wirklichkeit besteht. Die Klärung <strong><strong>de</strong>r</strong> hierher gehören<strong>de</strong>n Begriffe scheint erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich.<br />

1. Die natürlichen Heilvorgänge<br />

Alle Heilvorgänge verdanken <strong>de</strong>n natürlichen Einrichtungen <strong>de</strong>s Organismus ihre<br />

Ten<strong>de</strong>nz und ihre Verwirklichung. Die Natur selbst weist aber darauf hin, daß dies nicht als ein<br />

Freibrief gegeben sei, Krankheitsvorgänge, weil sie natürlich sind, ohne Unterstützung zu<br />

lassen. Unsere Vernunft muß dafür eintreten, daß Hilfe geleistet wer<strong>de</strong>, wie die Beispiele <strong>von</strong><br />

Verwahrlosung in Krankheiten zeigen. Beschwer<strong>de</strong>n und Gefahr <strong><strong>de</strong>r</strong> Kranken erregen<br />

Mitgefühl und verlangen Gegenwirkungen. Es ist aber nicht die Arznei, an welche man zuerst<br />

<strong>de</strong>nkt. In vielen Fällen sind es Handreichungen, chirurgische Hilfen im weiteren Sinn, ferner<br />

Hilfe durch diätetische Einflüsse, durch Reinigung und durch Ernährung. Man geht <strong>von</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

begrün<strong>de</strong>ten Ansicht aus, daß die Natur sich selbst weiterhelfe, wenn sie in eine vorteilhafte<br />

Lebenslage gebracht wird.<br />

Die Hilfeleistungen sind vielfach direkt nach <strong>de</strong>m Gegensatz erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich, z. B.<br />

Erwärmung <strong>de</strong>s Kranken, Befreiung <strong>von</strong> Verrenkung, Entfernung <strong>von</strong> Fremdkörpern,<br />

Entleerung <strong>von</strong> Blase und Mastdarm, Stärkung durch Speise und Trank. Diese direkte Abhilfe ist<br />

unanfechtbar, eine angemessen ärztliche Handlung mit konträren Absichten und Mitteln. Es<br />

offenbaren sich darin wirksame und wohltätige natürliche Vorgänge auf einem Feld, das <strong>von</strong><br />

unserer Vernunft ohne Be<strong>de</strong>nken gemeistert wer<strong>de</strong>n kann. Versuchen wir aber, tiefere<br />

Schichten <strong>de</strong>s krankhaften Vorgangs zu beurteilen, so versagt unser Verständnis. Die<br />

Handhabung <strong>de</strong>s gegensätzlichen wird hier unsicher und oft gefährlich. Wir müssen dann<br />

eine an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Klarstellung versuchen. Wenn z. B. eine hohe Fiebertemperatur vorliegt, ist<br />

fraglich, ob das nicht <strong><strong>de</strong>r</strong> Ausdruck sei, für einen <strong><strong>de</strong>r</strong> Lebenserhaltung nützlichen Vorgang, ob<br />

darin nicht eine günstige und vorübergehend natürliche Haltung <strong>de</strong>s Organismus gegeben<br />

sei. O<strong><strong>de</strong>r</strong> in einem Fall <strong>von</strong> Erbrechen und gehäuften Darmausleerungen muß man an<br />

Abwehr <strong>de</strong>s Lebens gegen giftige Schädlichkeiten <strong>de</strong>nken. Während wir eingangs natürliche<br />

Krankheitsvorgänge gesehen haben, die einer direkten Bekämpfung fähig waren, wäre es<br />

hier nicht ohne weiteres annehmbar, Kranke mit Gewalt zu entfiebern o<strong><strong>de</strong>r</strong> Magen und Darm<br />

zur Zwangsruhe zu verurteilen. Auch jetzt liegen natürliche Krankheiten vor, aber das<br />

organische Geschehen entzieht sich großenteils unserem Einblick. Die Krankheitsherrschaft ist<br />

neben <strong>de</strong>n Heilungsvorgängen untrennbar im Bil<strong>de</strong> vorhan<strong>de</strong>n und wir wissen nicht, ob wir<br />

die Krankheit o<strong><strong>de</strong>r</strong> das Leben <strong>de</strong>s Kranken treffen, wenn wir eingreifen. Jedoch kann sich<br />

unsere Vernunft beruhigen: die Erfahrung lehrt, daß auch in diesen unerkennbaren Schichten<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Vorgänge ein Etwas tätig ist, welches die Interessen <strong><strong>de</strong>r</strong> Lebenssubstanz vertritt und sie<br />

verteidigt. Diese begrün<strong>de</strong>te Ansicht kann man das b i o l o g i s c h e V e r t r a u e n nennen.<br />

32


Viele Zustän<strong>de</strong> und Vorgänge sind <strong>von</strong> Empfindungen getragen, welchen man im<br />

allgemeinen vertrauen kann und kein Kranker ist <strong>von</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> sorgen<strong>de</strong>n und regeln<strong>de</strong>n Natur<br />

verlassen: bis zum En<strong>de</strong> erlebt man unerwartete Wendungen und Besserungen, sieht man<br />

„Natürliche Heilungsvorgänge“. Sie treten aus einer dunklen Tiefe ans Tageslicht, sind an<strong><strong>de</strong>r</strong>s<br />

gelagert, als wir an <strong><strong>de</strong>r</strong> oberflächlichen Ausgestaltung sie wahrnehmen. Auch die Wirkungen<br />

sind nicht mehr unbedingt verwendbar. Für eine Wirkung, die <strong>de</strong>m biologischen Vertrauen<br />

entspricht, muß das Verständnis auf eine an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Art gesucht wer<strong>de</strong>n.<br />

2. Die Unterstützungsaktion <strong><strong>de</strong>r</strong> Arznei<br />

Wie läßt sich <strong>de</strong>nken, daß die Arznei eine Unterstützung <strong>de</strong>s Naturheilvorhänge<br />

bewirkt? Kann sie diese s i c h e r n ? Dies wird zutreffen, wenn sie <strong>de</strong>n Verlauf <strong><strong>de</strong>r</strong> Krankheit<br />

beschleunigt; <strong>de</strong>nn die Kraftquellen <strong>de</strong>s Organismus sind beschränkt und es kann <strong>de</strong>shalb ein<br />

langer Krankheitsverlauf die Ueberschreitung <strong><strong>de</strong>r</strong> Lebenskraft mit sich führen. Deshalb wird<br />

eine Ersparung und Hebung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kräfte durch Arznei eine gewisse Sicherung <strong>de</strong>s Lebens<br />

be<strong>de</strong>uten. Es gibt Arzneien, welche die Kräfte heben und sparen; es gibt auch gewisse<br />

konzentrierte und organotrope Nährmittel und Reizmittel, welche solche Arzneien darstellen,<br />

Kampfer, Aether, Alkohol, Nährextrakte. Sagen wir, daß das Arzneimittel <strong>de</strong>n<br />

Genesungsvorgang e r l e i c h t e r e , so ist das vielfach eine ersichtliche Wahrnehmung, z. B.<br />

gegenüber starken Schmerzen, so daß unzweifelhaft durch die narkotischen Mittel (im<br />

weiteren Sinne gemeint) eine Gewähr für erträglichen und kräftesparen<strong>de</strong>n Verlauf<br />

gewonnen wird. In<strong>de</strong>ssen könnten in gewissen Fällen trotz glücklicher Befreiung <strong>von</strong><br />

Schmerzen doch auch Hemmungen tieferer biologischer Art gesetzt wer<strong>de</strong>n, während die im<br />

Spiel befindlichen Kräfte natürlich ebenfall biologischer Art sind, aber als oberflächlicher für<br />

<strong>de</strong>n Gesamtplan <strong><strong>de</strong>r</strong> Heilung zu bezeichnen sind.<br />

Am meisten scheint <strong><strong>de</strong>r</strong> Wirksamkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Arzneien ein Begriff zu entsprechen, <strong><strong>de</strong>r</strong> aus<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Mechanik und Chemie stammt: die B e s c h l e u n i g u n g . Stoffe, die bei chemischen<br />

Umsetzungen oft nur in sehr kleinen Mengen vorhan<strong>de</strong>n sind, jedoch in richtunggeben<strong><strong>de</strong>r</strong> Art<br />

mitwirken und dabei keine Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ung erfahren, heißt man Katalysatoren. Arzneimittel<br />

haben ebenfalls die Eigenschaft, in kleiner, manchmal sogar verschwin<strong>de</strong>n<strong><strong>de</strong>r</strong> Menge zu<br />

wirken. Sofern wir uns überhaupt um ihr Schicksal im Organismus <strong>de</strong>s Kranken kümmern<br />

konnten, war häufig ihr unverän<strong><strong>de</strong>r</strong>tes Erscheinen in <strong>de</strong>n Ausscheidungen <strong>de</strong>s Kranken<br />

festzustellen. Dazu kommt noch eine weitere Aehnlichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Arzneien mit <strong>de</strong>n Katalysatoren.<br />

Letztere vervielfachen und bewältigen Naturvorgänge, die auch ohne sie auftreten und<br />

verlaufen, nur weit langsamer. Dasselbe ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Fall bei Arzneieinflüssen in<br />

Krankheitsvorgängen. Die Genesung kommt ja in <strong>de</strong>n meisten Fällen ohnehin; sie wird aber<br />

durch geeignete Arzneien beschleunigt; die Fälle verlaufen leichter. Manche vielleicht<br />

wer<strong>de</strong>n überhaupt vor einem verhängnisvollen En<strong>de</strong> bewahrt, weil Arzneimittel<br />

dazwischentraten. Dies kann man sowohl bei akut Kranken, in Entzündungen o<strong><strong>de</strong>r</strong> Infektionen<br />

(Pneumonie, Ruhr, Cholera) als auch bei chronischen Krankheiten, z. B. Syphilis, Tuberkulose,<br />

Geschwulstbildung beobachten.<br />

3. Die möglichen Arzneiwirkungen<br />

Der Arzneibegriff steht im Mittelpunkt unserer Betrachtungen. Man kann ihn zunächst<br />

sehr weit fassen, um ihn nachher zu beschränken. Zur Begriffsbildung <strong><strong>de</strong>r</strong> Arznei gehört die<br />

Krankheit, gehört auch die ärztliche Absicht. Die Grundsätze <strong><strong>de</strong>r</strong> Anwendung liegen aber<br />

nicht im Begriff <strong><strong>de</strong>r</strong> Arznei. Die Anwendung kann nach ganz entgegngesetzten Prinzipien und<br />

zu konträren Wirkungen geschehen. Kein Gebiet <strong><strong>de</strong>r</strong> Naturkräfte ist vom Arzneicharakter<br />

ausgeschlossen. Ein gutes Wort, eine gute Nachricht kann Arznei sein; ebenso - unter<br />

an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Umstän<strong>de</strong>n - ein ernster Vorhalt. Solche Arznei wen<strong>de</strong>t sich direkt an die bewußte<br />

Regierung <strong>de</strong>s psychosomatischen Menschen. Manchmal kann Wärme, manchmal Kälte<br />

Arznei sein. Auch Sonnenlicht, Licht bestimmter Art, Röntgenstrahlen. Ein erquicken<strong><strong>de</strong>r</strong> Trank,<br />

nahrhaftes Essen können Arznei sein, für manche ist ein Bad Arznei; überall gewinnt aber das<br />

Wort seine Be<strong>de</strong>utung durch Heilabsichten bei entsprechen<strong>de</strong>n Bedürfnissen. Es gibt einen<br />

Ausspruch <strong>von</strong> Paracelsus: „Also liegt in <strong><strong>de</strong>r</strong> Natur <strong><strong>de</strong>r</strong> Arznei die Weisheit, Kunst, Theorie,<br />

Praktik <strong>de</strong>s Arztes und nicht in ihm selbst.“ Dies besagt, daß sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Arzt durch die Wirkung<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Arznei belehren und führen lassen müsse.<br />

Arzneiwirkung nach <strong>de</strong>m Gegensatz, Darreichung zur direkten Befriedigung <strong>von</strong> Not<br />

und Bedürfnis ist mehr an das Erkennbare gebun<strong>de</strong>n und folgte naheliegen<strong>de</strong>n kausalen<br />

Einsichten. Die geheimnisvollere Arznei jedoch appelliert an das dunkle Innenleben <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

33


Organisation. Von jenen mehr physiologischen Wirkungsträgern heben sich die abnormen<br />

Lichtarten, ferner die körperfrem<strong>de</strong>n chemischen Sunstanzen, seien sie Drogen o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

künstliche Erzeugnisse, ab, beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s die Drogen sind Träger <strong>de</strong>s eigentlichen<br />

Arzneigedankens; vorwiegend mit ihnen hat es auch die Fragestellung unserer Aufgabe zu<br />

tun. Arzneien <strong>von</strong> ihrer rein chemischen Seite und ihre physikalische Wertung zu betrachten,<br />

geht nicht an. Ist doch schon die Lösung und die Verdünnung einer Substanz ein Vorgang<br />

<strong>von</strong> großer Wichtigkeit und mit Entfaltung einer gewaltigen Oberfläche verbun<strong>de</strong>n. Die Stoffe<br />

verhalten sich in dieser Hinsicht sehr verschie<strong>de</strong>n. Gleichwohl beschäftigten uns diese<br />

Probleme hier nicht, weil sie nicht Gegenstand <strong><strong>de</strong>r</strong> Aufgabe sind. Unsere Untersuchung soll<br />

sich auf die eigentlichen Drogenarzneien erstrecken, ohne die an<strong><strong>de</strong>r</strong>en ganz auszuschließen.<br />

Bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Frage nach <strong>de</strong>n Beweisen für ihre Heilwirkung ist aber nochmals zu be<strong>de</strong>nken, daß sie<br />

nicht die einzigen Vermittler <strong><strong>de</strong>r</strong> Genesung bleiben, auch wo ärztliches Zutun stattfin<strong>de</strong>t. Es<br />

wird immer dabei die Diätetik mit Reinlichkeit, besserer Haltung, vielleicht Licht- und<br />

Klimaaufbesserung in Frage kommen. Der Arzt hat immer eine synthetische Aufgabe, wie <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Künstler. Er muß alles heranziehen, was für Genesungszwecke erreichbar ist. Deshalb steht<br />

Arznei meist nicht isoliert und mit isolierter Beweisfähigkeit im Krankheitsprozeß. Gleichwohl<br />

hebt sich die Arzneiwirkung in <strong>de</strong>n menschlichen und ärztlichen Vorstellungen ab: man<br />

erwartet <strong>von</strong> ihr doch einen beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en Zauber, weil man sie ins Unerkannte tauchen sieht.<br />

So hat es die Arznei mit jenen tieferen Schichten <strong><strong>de</strong>r</strong> Organismusarbeit zu tun. Der Naive und<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Kranke stellen sich vor, sie solle darin verschwin<strong>de</strong>n und die Genesung solle dafür<br />

auftauchen. Um faßbare Vorstellungen über die Arzneirolle in <strong>de</strong>n Genesungsvorgängen ringt<br />

dagegen die ärztliche Wissenschaft. Wür<strong>de</strong>n niemals schlagen<strong>de</strong> Arzneiheilungen gemacht<br />

wer<strong>de</strong>n, so hätten sich jene naiven Ansichten wohl gar nicht bil<strong>de</strong>n können; sie setzen<br />

einfach Genesung als Aequivalent für Arzneiwirkung, während die wissenschaftliche Medizin<br />

die Heilwirkung als Ergebnis <strong>von</strong> Naturvorgängen kausal verstehen will. -<br />

Im organischen Gewebe gibt es keine zwei genau gleichen Fälle; man hat also immer<br />

nur einen vor sich, <strong>von</strong> welchem sich keine in Krankheiten beobachtete Arzneiwirkung<br />

unbedingt auf einen an<strong><strong>de</strong>r</strong>en übertragen läßt. Freilich, an <strong><strong>de</strong>r</strong> Oberfläche <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorgänge, wo<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Augenschein waltet und das Kausalgesetz für die Urteile genügt, da lassen sich Heilungen<br />

leicht beweisen. Durch chemische Neutralisation <strong><strong>de</strong>r</strong> Magensäure z. B. ist bei Belästigung <strong>de</strong>s<br />

Kranken leicht eine vorübergehen<strong>de</strong> Besserung zu erzielen, welche aber nicht einmal auf <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

biologisch gedachten Linie <strong><strong>de</strong>r</strong> Heilung zu liegen braucht. Bei einer Iritis ist es möglich, die<br />

Verklebung <strong><strong>de</strong>r</strong> Regenbogenhaut mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Linse durch Atropin zu lösen. Mittels schwefelsauren<br />

Natrons in Wasserlösung läßt sich eine Stuhlverstopfung beheben. Niemand zweifelt daran,<br />

daß diese Leistungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Arzneiheilkun<strong>de</strong> zeitweise erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>t wer<strong>de</strong>n und dann nützlich sind.<br />

Sie sind im Kausalzusammenhang leicht zu erweisen; jedoch fehlt ihnen <strong><strong>de</strong>r</strong> tiefere<br />

Arzneicharakter. Wir begegnen diesem schon eher, wenn wir z. B. einen akuten<br />

Gelenkrheumatismus mit Salizylsäure rasch kupieren, o<strong><strong>de</strong>r</strong> wenn eine Behringsche<br />

Diphtherieeinspritzung mit alsbaldigem Umschwung gemacht wird. Auch wenn Morphium<br />

wohltätigen Schlaf bringt, beobachten wir ihn. Wer<strong>de</strong>n für solche Beziehungen Beweise<br />

verlangt? Wem <strong><strong>de</strong>r</strong> einzelne Fall nicht genügt, <strong><strong>de</strong>r</strong> wen<strong>de</strong>t sich vielleicht an die Statistik. Aber<br />

wir wissen, daß hier nur eine Wahrscheinlichkeit zu errechnen ist und wir haben schon<br />

gesehen, daß zwei ganz gleiche Fälle nie gefun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n können. Deshalb verstehen wir<br />

auch, wenn selbst die Behringeinspritzung nicht immer hilft, wenn das Morphium versagt und<br />

endlich im Stich läßt. In allen diesen Fällen sind aber die täglichen Erfolge so sehr auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Seite<br />

<strong>de</strong>s Arzneigläubigen, daß wir auf <strong>de</strong>n Beweis nicht bestehen wer<strong>de</strong>n: die einfache Erfahrung<br />

erhärtet hier unsere Annahme einer Beziehung, welche außeror<strong>de</strong>ntlich häufig Verwendung<br />

fin<strong>de</strong>t, gleichviel, welche Be<strong>de</strong>nken ihnen auch entgegenstehen mögen. Denn die<br />

Salizylsäure erweckt oft <strong>de</strong>n Anschein, schädlich aufs Herz zu wirken, <strong><strong>de</strong>r</strong> Antitoxineinspritzung<br />

kann <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorhalt nicht erspart wer<strong>de</strong>n, daß hier ein Heilmittel geboten wird, welches<br />

eigentlich vom erkrankten Organismus selbst fabriziert wer<strong>de</strong>n sollte; das Verfahren ist<br />

<strong>de</strong>mnach kein gründlich biologisch gedachtes. Endlich steht <strong>de</strong>m Gebrauch <strong>de</strong>s Morphiums<br />

gegenüber, daß seine Hilfe auch mehr oberflächlich gemeint ist, daß man im Hintergrund<br />

seiner Wirkung <strong>de</strong>n eigentlichen Krankheitsvorgang unbeeinflußt lasse, vorbehaltlich seiner<br />

kraftsparen<strong>de</strong>n Hemmung.<br />

Bei diesen Arzneiwirkungen und zahllosen analogen sind also die Wirkungen gar nicht<br />

anzuzweifeln. Auf sie braucht sich die Beweisführung im Sinne <strong><strong>de</strong>r</strong> Frage nicht zu beziehen,<br />

obwohl sie Arzneien sind und ihren Zauber ausüben. Sie bewähren sich als Arzneien durch<br />

34


eine gewisse beruhigen<strong>de</strong> Kraft, die sie ausüben, wenn sie die geeignete Lage <strong>de</strong>s<br />

Krankheitsfalles treffen; sie lin<strong><strong>de</strong>r</strong>n Schmerz, bringen das Fieber zum Abfall, gewähren Schlaf<br />

und genügen somit <strong>de</strong>m I<strong>de</strong>al <strong>de</strong>s alten Arzneibegriffs. Die Wege, die diese Arzneien<br />

einschlagen, sind dunkel, aber ihre Natur ist mit <strong>de</strong>n ersichtlichen Wirkungen zweifellos<br />

verbun<strong>de</strong>n.<br />

Scharf im Gegensatz hierzu hat sich in <strong>de</strong>n letzten Jahrzehnten ein neuer Arzneibegriff<br />

entwickelt: die Mittel <strong><strong>de</strong>r</strong> Reiztherapie bezwecken gera<strong>de</strong> ein Umgekehrtes. Sie erregen<br />

Tumult. Sensibilisierte Teile <strong>de</strong>s Organismus fangen <strong>de</strong>n Reiz auf und verursachen in ihrer<br />

Rückwirkung auf <strong>de</strong>n Selbsterhaltungstrieb Fieber und Abwehr. Solche Reizmittel wer<strong>de</strong>n in<br />

recht kleiner Gabe beigebracht; für Heilzwecke sind schwache Reaktionen erwünscht.<br />

Obwohl auf diesem Gebiete Massenversuche angestrebt wer<strong>de</strong>n, scheint doch ein Urteil<br />

angemessener, das sich individuell beschränkt und welches bei sorgfältiger Erwägung die<br />

Beweisführung ermöglicht. Eine Metho<strong>de</strong>, die aus <strong>de</strong>m Experiment geboren ist und <strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />

erregen<strong>de</strong> Wirkung sich physikalisch leicht verfolgen läßt, bedarf keiner weiteren Beweise, nur<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> klinischen Rechtfertigung. An die Aufrufe zur Selbsthilfe <strong>de</strong>s Organismus läßt sich ein<br />

ganzes System physiologischer und therapeutischer Gedanken knüpfen. Die wertvollen<br />

Erfahrungen beim Experiment und am Krankennbett schaffen tragfähiges Verständnis für<br />

Heilvorgänge, welche in Einzelfällen genügen, wenn auch die Metho<strong>de</strong> in an<strong><strong>de</strong>r</strong>en versagt.<br />

Die Barriere, welche die Natur selbst zwischen <strong>de</strong>n Fällen aufgerichtet hat, läßt sich eben<br />

nicht durch einheitliches Verfahren beseitigen. Das biologische Vertrauen trägt diese<br />

Reiztherapie; sie ist <strong>de</strong>m völligen Klarblick entzogen, aber es sind Stationen erkennbar, welche<br />

eine weiter gehen<strong>de</strong> Gesetzmäßigkeit nachweisen. Stellt man Anfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen an Beweiskraft<br />

zu hoch, so verkennt man die Fülle natürlicher Schwierigkeiten und begibt sich damit<br />

außerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> Naturbedingungen.<br />

Eine ganz an<strong><strong>de</strong>r</strong>sartig eingestellte Therapie mit ebenfalls recht kleinen Dosen<br />

wirksamer Arznei ist diejenige, welche mit <strong>de</strong>n endokrinen Stoffen arbeitet. Die Inkrete <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Schilddrüse, <strong>de</strong>n Nebennieren, <strong><strong>de</strong>r</strong> Epithelkörperchen und an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Organe mit innerer<br />

Sekretion stellen die <strong>von</strong> Paracelsus postulierte „innere Apotheke“ dar, welche <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Organismus in seiner Eigenschaft als „innerer Arzt“ zur Vorbeugung und Ausgleichung <strong>von</strong><br />

Störungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Gesundheit verwen<strong>de</strong>t. In<strong>de</strong>m wir jene Kraftstoffe isolieren und sie nach<br />

Beobachtungen <strong>von</strong> pathologischen Zusammenhängen willkürlich anwen<strong>de</strong>n, haben wir<br />

manchmal schöne Heilerfolge, <strong>de</strong>nen eine hohe physiologische gedachte<br />

Wahrscheinlichkeit zukommt. Diese Metho<strong>de</strong> stellt nicht einen Aufruf an <strong>de</strong>n Organismus dar,<br />

wie die Reiztherapie. Sie führt allerdings Reize ein, aber nutritive Ersatzreize, die <strong>de</strong>m<br />

Organismus fehlten. Damit überläßt sie ihn seinem Geschick und seiner Armut: Almosen statt<br />

Hilfe.<br />

4. Die homöopathische Metho<strong>de</strong><br />

Nun gibt es noch eine Arzneiheilmetho<strong>de</strong>, die <strong>von</strong> S . H a h n e m a n n begrün<strong>de</strong>te<br />

<strong>Homöopathie</strong>, bei welcher sich die Betrachtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Arzneiwirkungen am fruchtbarsten für<br />

das physiologische Verständnis und die För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong><strong>de</strong>r</strong> Medizin gestaltet. Sie ähnelt <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Reiztherapie durch Herausfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong><strong>de</strong>r</strong> organischen Heilwirkung; in noch höherem Maße ist<br />

sie <strong><strong>de</strong>r</strong> mo<strong><strong>de</strong>r</strong>nen Antigentherapie verwandt, weil sie bei ihrer herausfor<strong><strong>de</strong>r</strong>n<strong>de</strong>n Einwirkung<br />

genau zielt und mit sehr kleinen Arzneigaben arbeiten kann. Die Antigentherapie steht sehr<br />

günstig gegenüber <strong>de</strong>n Beweisfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen, weil sie auf Experimente gegrün<strong>de</strong>t ist und weil<br />

ihre Wirkungen vielfach zu kontrollieren sind.<br />

Die <strong>Homöopathie</strong> Hahnemanns scheint zunächst entblößt <strong>von</strong> je<strong>de</strong>m imponieren<strong>de</strong>n<br />

Beweismittel. Bei genauerer Betrachtung stellt sich dies jedoch an<strong><strong>de</strong>r</strong>s heraus und wir wollen<br />

die Angelegenheit <strong>von</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> einfachsten bis in die eindringlichste Auffassung stufenweise<br />

verfolgen. Es wird sich dabei auch für das Verständnis <strong><strong>de</strong>r</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>s gearteten Arzneiwirkungen<br />

noch manches gewinnen lassen. Daß „Aehnliches durch Aehnliches“ geheilt wer<strong>de</strong>n solle, ist<br />

zunächst eine Aufstellung, die <strong>de</strong>m kritischen Verstand überhaupt kein Arbeitsfeld zu bieten<br />

scheint. Daher die länger als ein Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>t dauern<strong>de</strong> allgemeine Ablehnung <strong><strong>de</strong>r</strong> Aerzte.<br />

Der Anschein <strong>de</strong>s allzu Naiven und Mystischen, welches sich im Hahnemannschen Satze<br />

ausspricht, ist nicht durchdrungen wor<strong>de</strong>n, um die hinter ihm liegen<strong>de</strong> Naturbeziehung zu<br />

klären.<br />

A.<br />

Es versteht sich, daß man bei <strong><strong>de</strong>r</strong> homöopathischen Heilwirkung einfach <strong>de</strong>n Weg <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Erfahrung gehen kann. Nach Anwendung <strong><strong>de</strong>r</strong> Mittelgabe sehen wir oft wun<strong><strong>de</strong>r</strong>bare Folgen,<br />

35


welche bei schmerzhaften und fieberhaften Zustän<strong>de</strong>n ganz <strong>de</strong>n Vorstellungen <strong>von</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

balsamischen Arznei entsprechen. Ohne tiefere Fragen nach <strong>de</strong>n Zusammenhängen könnte<br />

man auf die I<strong>de</strong>e kommen, das merkwürdige Erlebnis durch einfachere Beweise<br />

sicherzustellen. Man wür<strong>de</strong> z. B. sagen: dann muß dieses Mittel auch <strong>de</strong>m nächsten Kranken<br />

mit solchen Zustän<strong>de</strong>n helfen. Aber da hat Hahnemann schon vorgebaut: die Individualität<br />

mit ihren ganz beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en Lebenseigenheiten feiert in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Homöopathie</strong> ihre Triumphe. Man<br />

könnte sagen, wenn <strong><strong>de</strong>r</strong>selbe Kranke zum zweitenmal wegen <strong>de</strong>sselben Zustan<strong>de</strong>s dasselbe<br />

Mittel wie<strong><strong>de</strong>r</strong> erhält, so muß es sicher erneut helfen, sonst beruhte auch die erste Wirkung auf<br />

Zufall. Das ist doch nur in beschränktem Maße zu erwarten, <strong>de</strong>nn <strong><strong>de</strong>r</strong> damals Kranke ist<br />

an<strong><strong>de</strong>r</strong>s gewor<strong>de</strong>n und zwar speziell unbestimmt in Richtung auf das Heilmittel: <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Heraklidische Strom ist nicht mehr <strong><strong>de</strong>r</strong>selbe, seit jener ins Wasser stieg. Es wäre allerdings<br />

möglich und geschieht auch manchmal, daß das Mittel wie<strong><strong>de</strong>r</strong> hilft, aber dann müßten alle<br />

Naturerscheinungen <strong><strong>de</strong>r</strong> früheren Krankheit wie<strong><strong>de</strong>r</strong> da sein.<br />

Man könnte nun auch weitergehend eine Statistik verlangen und die For<strong><strong>de</strong>r</strong>ung<br />

aufstellen, daß z. B. Belladonna auch an<strong><strong>de</strong>r</strong>e „Migräne“ heilte, daß an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Durchfälle auch<br />

sofort aufhörten, wie jener, <strong>de</strong>n Sulfur 30 in einmaliger Gabe heilte. Aber das wäre abermals<br />

ein mißverständliches Verlangen. Wir müssen die Vorschrift Hahnemanns <strong><strong>de</strong>r</strong>art auffassen,<br />

daß überall nur dann Heilwirkungen zu erwarten sind, wenn beim Kranken die<br />

homöopathischen Bedingungen erfüllt wor<strong>de</strong>n waren. Sollte diese Einschränkung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

weiteren Erfolgsfreudigkeit ein Trick sein, um die Ent<strong>de</strong>ckung <strong>de</strong>s Unwerts <strong><strong>de</strong>r</strong> Metho<strong>de</strong><br />

hinauszuschieben? O<strong><strong>de</strong>r</strong> ist es eine Berufung auf Autorität, wenn uns Hahnemann wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holt<br />

warnend entgegentritt. Man beachte, daß stets eine Berufung auf die Naturlage <strong>de</strong>s Falles<br />

stattfand. Wenn eine solche auch ungewöhnlich in die einheitlichen Diagnosen einbricht, so<br />

ist das nur eine Schärfung <strong>de</strong>s naturwissenschaftlichen Gewissens <strong>de</strong>s Arztes und besagt so<br />

viel als: hütet euch vor <strong><strong>de</strong>r</strong> Mißleitung durch eure Abstraktion.<br />

Man muß sich also in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Homöopathie</strong> oft schlechthin mit einer einzigen Erfahrung<br />

begnügen und diese kann nicht in ein allgemeines empirisches Beweisfeld übertragen<br />

wer<strong>de</strong>n, außer unter <strong>de</strong>m Gesichtspunkt <strong><strong>de</strong>r</strong> gesamten homöopathischen Anschauung. Hier<br />

allerdings, wenn sie eingereiht wird zu an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Individuellen Erfahrungen, gewinnt sie ihren<br />

vollen Wert und unter <strong>de</strong>m Eindruck dieser Werte schmolzen oft alte Vorurteile <strong><strong>de</strong>r</strong> Aerzte<br />

zugunsten einer neuen Anschauung. Man kann sich hier fragen: Sollte ich mich für eine<br />

theoretisch konstruierte Ansicht fangen und bin<strong>de</strong>n lassen? O nein! Das soll nicht geschehen,<br />

aber <strong><strong>de</strong>r</strong> Arzt soll hören und sich angeregt fühlen, die Natur direkt zu befragen, eine Sache,<br />

welche man so wenig als verfänglich bezeichnen kann, wie z. B. das Anhören einer<br />

Radiomusik, obwohl <strong><strong>de</strong>r</strong>en Erscheinung <strong>von</strong> nicht ohne weiteres ersichtlichen<br />

Vorbedingungen und subtilen Erwägungen abhängig war. Ob eine solche Vorführung<br />

überzeugend wirkt? In <strong><strong>de</strong>r</strong> Hauptsache sicher; jedoch auf <strong>de</strong>m Gebiet <strong><strong>de</strong>r</strong> Hypothesen nicht<br />

völlig und diese sind nur als Arbeitsunterlagen zu würdigen. Ganz so steht es mit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

<strong>Homöopathie</strong>. Wenn aber die Arbeitshypothesen in ihr bestätigt wer<strong>de</strong>n, wenn sie überdies<br />

ein geordnetes, obzwar vielfach neues und kühnes Denken voraussetzten, so verdienen sie<br />

auch die Beachtung und Würdigung. Bleiben wir zunächst bei <strong><strong>de</strong>r</strong> einzelnen und einfachen<br />

homöopathischen Erfahrung. Sie kann auf Irrtum beruhen, da sie ausdrücklich vereinzelt<br />

dasteht und auch die ärztliche Diagnose keine ausreichen<strong>de</strong> Brücke schlägt zu einem<br />

zweiten Fall, wo sie sich wie<strong><strong>de</strong>r</strong> bewähren müßte. Nur, wo innerhalb o<strong><strong>de</strong>r</strong> außerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Diagnose auch die Naturerscheinungen <strong>de</strong>s Einzelfalls genau übereinstimmen, müßte das<br />

Mittel wie<strong><strong>de</strong>r</strong> ersichtlich wirken. Dies ist eine billige Bedingung <strong><strong>de</strong>r</strong> Endokrinik, aber gleichwohl<br />

lassen sich auch hier Hemmungen <strong>de</strong>nken, welche <strong>de</strong>n Erfolg verhin<strong><strong>de</strong>r</strong>n. Wir müssen <strong>de</strong>shalb<br />

<strong>de</strong>m Einzelfall schon die Aufgabe zuweisen, einen Beweis zu tragen. Und dies muß allerdings<br />

verlangt wer<strong>de</strong>n, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Einzelfall <strong><strong>de</strong>r</strong> homöopathischen Heilung sich öfters in <strong>de</strong>n<br />

verschie<strong>de</strong>nen Formen <strong>de</strong>s Krankseins wie<strong><strong>de</strong>r</strong>hole. Solches vorausgesetzt, was nur heißt, daß<br />

man die gewöhnliche Erfahrung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Homöopathie</strong> beachte, genügt für die Bedürfnisse <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Empirie. Der <strong>de</strong>nken<strong>de</strong> Arzt frägt weiter.<br />

B.<br />

Wenn es wahr wäre, daß die Erfahrung im obigen Sinn gesprochen hat, so müßte man<br />

ihr naturwissenschaftliche Unterlagen geben, wobei zum Teil schon Gesagtes hier<br />

nachdrücklich betont wer<strong>de</strong>n muß.<br />

Krankheits- und Heilungsvorgänge sind nicht Zufälligkeiten, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n gesetzlich<br />

verlaufen<strong>de</strong> Phasen, zwar in ihren Einzelheiten meist unerkannt, aber doch zweifellos kausal<br />

36


egrün<strong>de</strong>t. Alle Erscheinungen sind mit <strong>de</strong>n inneren Prozessen naturgesetzlich verbun<strong>de</strong>n.<br />

Was im Organismus passives Lei<strong>de</strong>n ist und was <strong><strong>de</strong>r</strong> biologischen Abwehr angehört, läßt sich<br />

oft nicht trennen. In <strong><strong>de</strong>r</strong> Gesetzlichkeit waltet auch die Ten<strong>de</strong>nz, <strong>de</strong>n Gesundheitszustand<br />

wie<strong><strong>de</strong>r</strong>herzustellen: eine innere Arbeit <strong>de</strong>s Erkrankten ist diesem Zweck gewidmet.<br />

Auch sie ist unerkennbar, doch sehen wir oft die Zustän<strong>de</strong>, welche ihr günstig sind, z. B.<br />

Schweißausbruch, tiefer Schlaf, erwachen<strong>de</strong> Eßlust. Aber selbst das Erbrechen kann anfangs<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> inneren Arbeit günstig sein o<strong><strong>de</strong>r</strong> Nasenbluten o<strong><strong>de</strong>r</strong> selbst <strong><strong>de</strong>r</strong> Schmerz. Das Wesentliche<br />

unserer ärztlichen Auffassung muß sein, daß wir in allen diesen Symptomen und in ihren<br />

Modalitäten wohlbegrün<strong>de</strong>te Naturerscheinungen sehen.<br />

Unter allen krankhaften Störungen zeichnen sich diejenigen aus, welche wir<br />

experimentell hervorrufen können. Wir kennen ihre Ursache und haben diese in <strong><strong>de</strong>r</strong> Hand. Wir<br />

re<strong>de</strong>n hier <strong>von</strong> chemisch bestimmten Ursachen und also <strong>von</strong> vorsichtigen<br />

Vergiftungsversuchen, welche eine überaus große Mannigfaltigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Erscheinungen<br />

darbieten; <strong><strong>de</strong>r</strong> rote Fa<strong>de</strong>n ihrer Verursachlichung ist also jeweils bekannt. Zu ihnen gehören<br />

die homöopathischen Arzneiprüfungen an Gesun<strong>de</strong>n. Es ist wesentlich, daß sie eben<br />

Gesundheitsstörungen mit reicher symptomatischer Glie<strong><strong>de</strong>r</strong>ung darstellen und daß wir auch<br />

an ihnen die Heilten<strong>de</strong>nz <strong>de</strong>s Organismus beobachten können, sofern sie nicht übermäßig<br />

zerstörend einwirken. Die Erscheinungen wer<strong>de</strong>n zuerst oft stürmisch, da schwächer und es<br />

tritt vielfach - wie eine Erholung <strong>de</strong>s Lebens - das Gegenteil <strong>von</strong> <strong>de</strong>m ein, was zuerst bewirkt<br />

wur<strong>de</strong>: <strong><strong>de</strong>r</strong> abnormen Erregung folgt Stumpfheit und Schlaf, <strong>de</strong>m Durchfall Verstopfung, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

gesteigerten Rüstigkeit große Ermüdung; so bringen sich die Organe o<strong><strong>de</strong>r</strong> Systeme wie<strong><strong>de</strong>r</strong> in<br />

eine Lage, welche Erholung ermöglicht. Wenn wir also bei experimentell erzeugten<br />

Krankheiten ähnliche Vorgänge beobachten, wie <strong>de</strong>n spontan entstan<strong>de</strong>nen, so dürfen wir<br />

um so weniger Be<strong>de</strong>nken tragen, bei<strong>de</strong> in eine gemeinsame Naturbetrachtung zu nehmen,<br />

als ja vielfach auch in <strong>de</strong>n Krankheiten Gifte, Toxine ihre Rolle spielen. Wir wer<strong>de</strong>n auch<br />

sagen müssen: <strong><strong>de</strong>r</strong> Inhalt solcher Lebensstörungen ist eben ihre Dynamik. Die Stoffe, welche in<br />

Frage kommen sind Urheber falscher Dynamik in <strong>de</strong>m sonst geordneten System unserer<br />

Lebensbewegungen. Nur durch Ablenkung und Vergewaltigung <strong><strong>de</strong>r</strong> Lebensvorgänge sind<br />

die Stoffe wirksam. Sollten wir unter <strong>de</strong>m Brechakt o<strong><strong>de</strong>r</strong> unter einem epileptischen Anfall, o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

unter einer Entzündung an<strong><strong>de</strong>r</strong>es verstehen, als eine Ueberwältigung <strong><strong>de</strong>r</strong> Dynamis <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

biologischen Eigengesetzlichkeit? Irgendwelche Ablenkungen <strong>de</strong>s authochtonen Szepters<br />

sind also vorgefallen, wenn aus <strong>de</strong>m dynamischen System <strong>de</strong>s Organismus Störungen<br />

hervorbrechen und hat schon Hahnemann diese Einsicht bewährt, so sind wir heutzutage -<br />

bei mo<strong><strong>de</strong>r</strong>ner Auffassung <strong><strong>de</strong>r</strong> Stoffe und <strong>de</strong>s Lebens - um so mehr berechtigt, seine<br />

Ausdrucksweise anzunehmen. Alles ist Dynamismus und das menschliche Leben erhebt unter<br />

allen Lebenserscheinungen sein Szepter am höchsten. Sagen wir also mit Hahnemann, wenn<br />

er <strong>von</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Krankheit spricht: „Eine dynamische Störung“ und fahren mit ihr fort: „wird durch<br />

eine überlegene dynamische Störung ausgelöscht, wenn diese ihrer Art nach sehr ähnlich ist.“<br />

Die <strong>Homöopathie</strong> führt eine solche, sehr ähnliche in <strong>de</strong>n Kranken, das heißt in <strong>de</strong>n ähnlich<br />

gestörten Organismus ein. Es ist nicht zu erwarten, daß sich diese gleichartigen<br />

Ausschreitungen einfach addieren, sie durchsetzten vielmehr die tiefen unerkannten<br />

Schichten und kommen in Konflikt mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Eigengesetzlichkeit <strong>de</strong>s Lebens. Je<strong>de</strong>s Organ, je<strong>de</strong>s<br />

System hat seine Maxima und Minima <strong><strong>de</strong>r</strong> Leistung und <strong>de</strong>s inneren Antriebs. Wenn die<br />

zweite, die homöopathische Störung einsetzt, so be<strong>de</strong>utet das gedanklich wohl ein<br />

Weitertreiben auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Störungsbahn, aber möglicherweise gera<strong>de</strong> <strong>de</strong>shalb eine Annäherung<br />

an <strong>de</strong>n kritischen Punkt, wo die Funktionen wie<strong><strong>de</strong>r</strong> umschlagen. Man darf nur daran <strong>de</strong>nken,<br />

daß sich nach <strong>de</strong>m zweiten Kräftestoß eine Wellenbewegung ausgleichen kann. Es ist wohl zu<br />

beachten, daß kein an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Kraftweg im Organismus <strong>von</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> homöopathischen Arzneigabe<br />

beschritten wird, eine Konzentration und Sparsamkeit, welche keine an<strong><strong>de</strong>r</strong>e<br />

Arzneianwendung aufweist. Nur <strong><strong>de</strong>r</strong> schon gebahnte Störungsweg wird zum Schauplatz <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Hilfsversuche. Ganz an<strong><strong>de</strong>r</strong>s die allopathische Richtung mit Inanspruchnahme verschie<strong>de</strong>ner<br />

und verschie<strong>de</strong>nartiger Heilwege. Ein Vernunftbeweis für die Trefflichkeit <strong>de</strong>s<br />

homöopathischen Heilverfahrens wird im biologischen Sinne hier zu fin<strong>de</strong>n sein. Auch besteht<br />

im Symptombild <strong><strong>de</strong>r</strong> Arzneivergiftung eine <strong><strong>de</strong>r</strong> Natur anvertraute kausale Verbindung mit <strong>de</strong>m<br />

willkürlich gewählten Experimentierstoff. Durch Kontrollversuche können Zweifel<br />

ausgeschlossen wer<strong>de</strong>n. Die Natur weist uns einen gera<strong>de</strong>n Weg zwischen <strong><strong>de</strong>r</strong> Ursache und<br />

<strong>de</strong>m Symptombild, einen Weg, <strong>de</strong>ssen Verlängerung in die übereinstimmen<strong>de</strong>n<br />

37


Krankheitssymptome ganz <strong>von</strong> selbst einmün<strong>de</strong>t, ein Wink zum biologischen Vertrauen und<br />

zur gleichen Zeit ein Wink <strong><strong>de</strong>r</strong> Natur, <strong>de</strong>n Hahnemann hier verstand und aufnahm, während<br />

die gelehrte Medizin noch heute in <strong>de</strong>n verborgenen Zwischenglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n ihre Untersuchungen<br />

verfolgt.<br />

Mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Enge <strong>de</strong>s homöopathischen Heilweges hängt es zusammen, daß so<br />

außeror<strong>de</strong>ntlich kleine Gaben <strong>de</strong>s zuständigen Aehnlichkeitsmittels gegeben wer<strong>de</strong>n. Die<br />

Molekel haben sich nicht zu zerstreuen, sind nicht <strong>de</strong>m Zufall o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> uninteressierten<br />

Oertlichkeit überlassen: ihre Wahlverwandtschaft zieht sie gera<strong>de</strong>zu nach <strong>de</strong>m Wurzelgebiet<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Krankheit. Dies ist ja durch die Uebereinstimmung <strong><strong>de</strong>r</strong> Naturerscheinungen ihres Giftes mit<br />

<strong>de</strong>m vorliegen<strong>de</strong>n Krankheitsfall höchst wahrscheinlich gewor<strong>de</strong>n. Und gera<strong>de</strong> dieser<br />

Gedanke führt uns nun noch tiefer. Wir vergessen nicht, daß es Erfahrungsgrundlagen sind,<br />

die Hahnemann schuf und zu <strong><strong>de</strong>r</strong>en Verständnis er später auch mit Selbstbeschränkung<br />

theoretisierte. Aber wir wollen doch die Urteilsgrundlagen auch an sich verfolgen und noch<br />

fragen, was bei nur gedanklicher Voraussetzung <strong><strong>de</strong>r</strong> homöopathischen Heilbeziehung gelten<br />

muß. Es ist vorher nur noch ein Blick zu werfen auf das A r n d t - S c h u l z s c h e Reizgesetz,<br />

welches die Tragkraft bewährt hat, die homöopathischen Gedanken aufzunehmen und sie in<br />

seiner Weise nutzbar zu machen. Die starken Reize, welche schädigen, leiten nach jener<br />

Auffassung unsere Arzneiprüfungen; die so feinen Reize <strong><strong>de</strong>r</strong> Heilgaben bewegen sich auf <strong>de</strong>n<br />

gleichen Bahnen, wie <strong><strong>de</strong>r</strong> Reizstoff und beleben (erhöhen) nur die Empfänglichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

erkrankten Gebil<strong>de</strong>. Die Symptomatologie dieser Bahnungen in Verbindung mit <strong>de</strong>m teilweise<br />

aufgeklärten physiologischen Chemismus, kann als therapeutischer Wegweiser gelten und<br />

somit ist die <strong>Homöopathie</strong> zu einer gewissen Anerkennung gebracht. Dies etwa <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Standpunkt <strong>von</strong> A . B i e r . Die Wahrscheinlichkeit <strong>de</strong>s Arndt-Schulzschen Reizgesetztes kommt<br />

in weitestgehen<strong>de</strong>m Maße auch <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Homöopathie</strong> zugute.<br />

C.<br />

Wen<strong>de</strong>n wir uns nun <strong><strong>de</strong>r</strong> homöopathischen Frage auf Grund bloßer Vernunftsgesetze<br />

zu, so muß gelten, daß die bei<strong>de</strong>n Erscheinungsreihen <strong><strong>de</strong>r</strong> Aehnlichkeit, nämlich die <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Arzneimittelsymptome und die <strong><strong>de</strong>r</strong> Krankheitssymptome vorerst erfahrungsmäßig weitgehend<br />

übereinstimmen. Wenn nun dies zutrifft, so muß in <strong>de</strong>m überaus komplizierten System <strong>de</strong>s<br />

menschlichen Lebens eine Verwandtschaft <strong><strong>de</strong>r</strong> bei<strong><strong>de</strong>r</strong>seitigen Ursachen angenommen<br />

wer<strong>de</strong>n. Es kann nicht Zufall sein, daß so auffallend sich <strong>de</strong>cken<strong>de</strong> Naturerscheinungen<br />

auftreten und bis in die feinsten Verzweigungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Symptome ähnlich sind. Einige<br />

gemeinsame Züge könnten auf Zufall beruhen, aber wo die Uebereinstimmung durchgreift, ist<br />

es höchst wahrscheinlich, daß die Aehnlichkeiten verursacht sind durch gemeinsame<br />

Erregungen im unerkennbaren Hintergrun<strong>de</strong>. Zu je<strong><strong>de</strong>r</strong> Wirkung müssen wir eine Ursache<br />

<strong>de</strong>nken, zu sehr ähnlichen Wirkungen in komplizierten Systemen bedarf es sehr ähnlicher<br />

Ursachen, die übereinstimmend angreifen. Demnach wurzelt <strong><strong>de</strong>r</strong> homöopathische Gedanke<br />

nicht allein in <strong><strong>de</strong>r</strong> Erfahrung, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n er ist auch in <strong><strong>de</strong>r</strong> Konstruktion unserer Vernunft verankert.<br />

Gewiß ist, daß schon in sehr verschie<strong>de</strong>nen Menschen Gedanken dieser Art aufkeimten,<br />

Gedanken, die <strong>de</strong>n Symptomen <strong>von</strong> Gift und Krankheit nachgingen, selbst bis in die Signatur<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Heilkräfte sich verloren, aber niemals zu einer wissenschaftlichen Verfolgung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Naturbeziehungen gediehen. Erst Hahnemann, <strong><strong>de</strong>r</strong> auf Aehnlichkeiten zwischen<br />

Chinawirkung und Wechselfieber aufmerksam gewor<strong>de</strong>n war, brachte <strong>de</strong>n Keim zur<br />

fruchtbaren Entwicklung. Alle vorgängigen Beobachter, zu <strong>de</strong>nen auch H i p p o k r a t e s<br />

gehörte, vermochten <strong><strong>de</strong>r</strong> Anregung nicht jene I<strong>de</strong>e abzugewinnen, welche <strong><strong>de</strong>r</strong> ganzen<br />

Naturbeziehung eine Wendung ins Fruchtbare, ins Wissenschaftliche gab, nämlich die<br />

Arzneisymptome künstlich durch Experimente zu erzeugen. Hier war <strong><strong>de</strong>r</strong> springen<strong>de</strong> Punkt <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Entwicklung, welche <strong>de</strong>n Arzneizauber aus <strong>de</strong>m Bereich <strong>de</strong>s Märchens, <strong>de</strong>s Wun<strong><strong>de</strong>r</strong>lan<strong>de</strong>s<br />

entführte und ihn für naturwissenschaftliche Betrachtung sicherte. Zwar vermag die Erkenntnis<br />

nicht <strong>de</strong>n Wegen und Stufen <strong><strong>de</strong>r</strong> Arzneiwirkung im einzelnen zu folgen; aber das ist auch<br />

nicht erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich, weil wir sie im Geleit <strong>von</strong> gesetzlichen Naturwirkungen wissen. Wir for<strong><strong>de</strong>r</strong>n,<br />

daß es so sei durch <strong>de</strong>n Bau unserer Vernunft und eben damit hat sich die Wahrscheinlichkeit<br />

eingefun<strong>de</strong>n, daß man auf <strong>de</strong>m Aehnlichkeitswege heilen könne. Und diese<br />

Wahrscheinlichkeit rechnet auf die Erfahrung aus Vernunftgrün<strong>de</strong>n: <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Aehnlichkeitsgedanke hat apriorischen Wert. Die Lebenswege im Organismus und die<br />

Bedingungen, unter welchen auf die Erscheinungen <strong><strong>de</strong>r</strong> entsprechen<strong>de</strong>n Reihen in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Wirklichkeit gehofft wer<strong>de</strong>n kann, sind undurchdringlich für unser Auge; jedoch im<br />

allgemeinen muß damit zu rechnen sein, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Arzneizauber auf homöopathischem Weg<br />

38


sich enthülle. Dieser Sachlage entsprechend muß aber um so genauer darauf geachtet<br />

wer<strong>de</strong>n, daß die Aehnlichkeiten individuell wirkend vorhan<strong>de</strong>n sind. Und ebenso bleibt<br />

maßgebend, daß dann die Größe <strong><strong>de</strong>r</strong> Arzneigabe auf <strong>de</strong>m eingeengten Weg <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Aehnlichkeitsbeziehung keinen erheblichen Ueberfluß darstelle. Dann ist es ein reinliches<br />

Arbeiten im Sinne <strong>de</strong>s Erfin<strong><strong>de</strong>r</strong>s, <strong>de</strong>n seine Ent<strong>de</strong>ckungen in ein Land getragen haben, <strong>de</strong>ssen<br />

Eigenart für an<strong><strong>de</strong>r</strong>e - und seien sie sonst noch so vortrefflich unterrichtet - nicht zu überblicken<br />

sind. Er war berechtigt, das Wort zu sprechen: „Macht’s nach, aber macht’s genau nach.“<br />

Und wir sind verpflichtet, sorgsam auf seine Bedingungen zu achten. Wir sehen also, daß die<br />

<strong>Homöopathie</strong> eine Wahrscheinlichkeit a priori für sich hat. Wir berufen uns auf diese nicht, um<br />

<strong>de</strong>n Erfahrungsbeweis zu umgehen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n vielmehr, um zu <strong>de</strong>m letzteren einzula<strong>de</strong>n. Wo<br />

Augenschein und Kausalgesetz in <strong>de</strong>n an<strong><strong>de</strong>r</strong>sartigen Arzneiwirkungen, im Gebiet <strong>de</strong>s<br />

Gegensatzes, an <strong><strong>de</strong>r</strong> Oberfläche <strong>de</strong>s Geschehens auf ihre Rechnung kommen, da ist es <strong>von</strong><br />

Wert, einen Ausdruck für Wahrscheinlichkeit zu besitzen, welcher die arzneiliche Vernunft<br />

tiefer geleitet und sie in Schutz nimmt, wo die Beobachtungen sie nicht weiter verfolgen<br />

können. Deshalb gehört gera<strong>de</strong> diese Betrachtung zu <strong>de</strong>n Unterlagen <strong>de</strong>s Beweises für<br />

Arzneimittelwirkungen. Und damit wären wir bei <strong><strong>de</strong>r</strong> tiefsten Schicht <strong>de</strong>s arzneilichen Wertes<br />

angekommen, dort, wo <strong><strong>de</strong>r</strong> eigentliche Arzneizauber zu Hause ist, <strong>de</strong>nn in jenen direkten<br />

Kausalbeziehungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Oberschichten macht es sich nicht begleitend; er will hervorgehen<br />

aus <strong>de</strong>m Gebiet <strong>de</strong>s biologische Vertrauens. Sein Reiz, <strong><strong>de</strong>r</strong> uns Aerzten nach unserer<br />

rationalistischen Schulung verdächtig vorkommt, weil wir nicht ohne weiteres die Kausalkette<br />

in ihm erkennen, scheint nur für die Naiven und für die Hilfsbedürftigen da zu sein. Er ist aber<br />

auch uns gegeben und zur wissenschaftlichen Fortbildung anvertraut, er gehorcht nicht<br />

min<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>n Kräftegleichungen und <strong>de</strong>n Naturwirkungen, als die sichtlich auf Gegensätzen<br />

beruhen<strong>de</strong>n Heilvorgänge. Wird dies verstan<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>m Sinne, daß die undurchsichtige<br />

Schicht <strong><strong>de</strong>r</strong> Lebensreaktionen in naturwissenschaftlicher Gesinnung <strong>de</strong>m biologischen<br />

Vertrauen anheimgeben wird, so sehen wir die homöopathischen Heilungen auf <strong>de</strong>m<br />

gleichen Fel<strong>de</strong> allgemeiner Gesetzlichkeit.<br />

Die homöopathische Arznei ist in <strong><strong>de</strong>r</strong> I<strong>de</strong>e <strong>de</strong>s Systems mit allen Vorzügen<br />

ausgestattet: wichtige Rolle <strong><strong>de</strong>r</strong> experimentellen Metho<strong>de</strong> (Arzneiprüfungen), biologische<br />

Tiefenwirkung, Oekonomie <strong>de</strong>s Verfahrens gegenüber <strong>de</strong>m Kräftestand <strong>de</strong>s Kranken,<br />

genaues Zielen <strong><strong>de</strong>r</strong> Wirkung, natürliche Grundlagen im Symptombild ohne Raum für<br />

irrtümliche Auslegungen. Dazu kommt noch ein beson<strong><strong>de</strong>r</strong>es Merkmal: die apriorische<br />

Begründung <strong><strong>de</strong>r</strong> Wahrscheinlichkeit. Jetzt fragt es sich nur, wie dieses System - unter<br />

Einhaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> Versuchsbedingungen - zur Erfahrung sich stellt. An <strong><strong>de</strong>r</strong> Erfahrungsheilkun<strong>de</strong> ist<br />

die Prüfungsarbeit. Es muß sich zeigen, ob die homöopathischen Arzneien sich vom Nichts<br />

unterschei<strong>de</strong>n und ob sie brauchbare Werkzeuge in <strong><strong>de</strong>r</strong> Hand <strong>de</strong>s Arztes sind, wie<br />

Hahnemann es behauptet hat.<br />

5. Schlüsse und Beispiele<br />

Die Unterlagen, welche beweisen, daß Arzneien die natürlichen Heilungsvorgänge<br />

unterstützen, sind teils Ergebnisse <strong><strong>de</strong>r</strong> Beobachtung, welche uns bei gegensätzlichen<br />

Wirkungen durch direkte Kausalverbindungen belehrt, teils sind sie an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Wirkungen, welche<br />

in tieferen Schichten <strong><strong>de</strong>r</strong> Lebenstätigkeit sich abspielen und in Heilungsergebnissen sich<br />

äußern. Ferner sind sie naturwissenschaftliche Kombinationen mit experimenteller Grundlage,<br />

beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s bei Reiztherapie und <strong>Homöopathie</strong>. Endlich zeigt sich bei tieferem Eindringen in<br />

das Problem <strong><strong>de</strong>r</strong> apriorische Hintergrund, welcher für die <strong>Homöopathie</strong> wichtig ist. Die<br />

Beobachtung <strong>von</strong> Krankheitsfällen in ihrem Verlauf ohne und mit Anwendung <strong>von</strong><br />

Arzneimitteln führt zu <strong>de</strong>nken<strong>de</strong>n Beurteilungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Einzelfälle. Ohne die stichhaltige<br />

menschliche Vernunft ist die Beurteilung nicht <strong>de</strong>nkbar. Große Zahlenreihen statistischer Art<br />

schalten die Urteilskraft eher aus und geben <strong>de</strong>m Zufalle Berechtigung. Nur, wo man ganz auf<br />

<strong>de</strong>nken<strong>de</strong> Durchdringung verzichten muß, kann Statistik etwas leisten. In <strong><strong>de</strong>r</strong> Medizin bringt sie<br />

die große Gefahr, diagnostische Reihen als Gleichheiten aufstellen zu müssen, während Fälle<br />

mit <strong><strong>de</strong>r</strong>selben Diagnose in ihrem Heilverhältnis sehr verschie<strong>de</strong>n sein können. Deshalb bleiben<br />

geläuterte Erfahrung und Beobachtung in Verbindung mit umfassen<strong>de</strong>n Kenntnissen die<br />

besseren Unterlagen <strong>de</strong>s Urteils und zuletzt geht dieses auf genaue Beobachtung und auf die<br />

Konstruktion unserer Vernunft zurück. Diese bemächtigt sich mit Erfolg <strong>de</strong>s Einzelfalls und führt<br />

unter Berücksichtigung aller wesentlichen Bedingungen das Urteil zu einer hohen<br />

Wahrscheinlichkeit. Auch dies Verhältnis stempelt die Medizin zu einer K u n s t , die sich<br />

wissenschaftlicher Mittel bedient, ohne aus solchen restlos verstan<strong>de</strong>n zu wer<strong>de</strong>n.<br />

39


An einigen Beispielen soll noch nachgewiesen wer<strong>de</strong>n, wie Arzneiwirkungen<br />

beobachtet wer<strong>de</strong>n können.<br />

Als ich selbst im zwanzigsten Lebensjahr mich befand, fand ich <strong>de</strong>n zufälligen<br />

Gebrauch <strong><strong>de</strong>r</strong> Arnikatinktur <strong><strong>de</strong>r</strong>art angenehm, daß ich (an einem heißen Sommertag)<br />

beschloß, einige Tropfen da<strong>von</strong> auf ein Glas frischen Wassers wie Limona<strong>de</strong> zu trinken. Es<br />

mögen 6 bis 10 Tropfen gewesen sein. Ungefähr 10 Minuten nach diesem unvorsichtigen<br />

Genuß fühlte ich ein nie wahrgenommenes Rasseln auf meiner Brust nebst Hustenreiz. Ich warf<br />

rasch nacheinan<strong><strong>de</strong>r</strong> mehrere Löffel voll reines Blut aus. Vorher hatte ich niemals an<br />

Derartigem gelitten. Allerdings waren meine bei<strong>de</strong>n Eltern einem Lungenlei<strong>de</strong>n erlegen und<br />

ich vermutete <strong>de</strong>shalb sofort, daß dasselbe auf mich warte. Es fiel mir aber auch ein, daß<br />

Arnika Blutungen erregen solle und da hatte ich nun gleich einen Beweis dafür. Etwas Husten<br />

stellte sich ein, ebenso Fieber, <strong><strong>de</strong>r</strong> Husten brachte blutgefärbten Auswurf, beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s<br />

morgens. So vergingen bei gemil<strong><strong>de</strong>r</strong>tem Erscheinen einige Wochen, wobei Müdigkeit und<br />

Mangel an Eßlust sich zeigten. Ich fand in einem homöopathischen Buche, daß Calcarea<br />

carbonica bei beginnen<strong><strong>de</strong>r</strong> Lungenerkrankung mit ähnlichen Erscheinungen ein bewährtes<br />

Heilmittel sei und nahm dasselbe in mehreren Gaben, stets einige Streukügelchen. Von dieser<br />

Zeit an erfolgte ein gesundheitlicher Aufschwung. Die Blutungen hörten allmählich auf;<br />

jedoch noch nach Monaten kam es an einzelnen Tagen vor, daß ein morgendlicher Husten<br />

etwas blutigen Auswurf <strong>von</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Brust brachte. Welche Beweiskraft hat nun diese kleine<br />

Geschichte? Für Liebhaber <strong>von</strong> Massenbeweisen gar keine, wenn man so will. Aber für mich<br />

sprach sie aus, daß Arnika eine Arznei sei, daß sie das Befin<strong>de</strong>n relativ Gesun<strong><strong>de</strong>r</strong> ernstlich und<br />

gefährlich stören könne, daß sie Blutungen verursachen könne. Und da ich dies<br />

übereinstimmend in früher schon festgelegten Beobachtungen bestätigt fand, so erblickte<br />

ich Zusammenhänge, gegen die kein vernünftiger Grund sprach. Die Arzneiprüfungen<br />

Hahnemanns sind größer angelegte und absichtlich gewonnene Beweise <strong>von</strong> <strong>de</strong>n<br />

Arzneikräften. Unter ihren Schutz trat meine eigene eng begrenzte Erfahrung und gewann<br />

dadurch. Wollte man diese Gedankenverbindung ablehnen, so wäre das willkürlich. Das<br />

Denken bedarf <strong><strong>de</strong>r</strong> Zügel und muß seinen Weg durch Erfahrungen nehmen. An<strong><strong>de</strong>r</strong>en und<br />

früheren Menschen die Fähigkeit für positive Beobachtungen ohne weiteres abzustreiten, ist<br />

töricht. Die Krankheitsgeschichte hat aber auch noch ihre Calcareaseite. Hier machte sich<br />

ein ähnlicher Gang <strong><strong>de</strong>r</strong> Gedanken geltend. Daß früher schon unter sehr ähnlichen<br />

Verhältnissen Heilwirkungen <strong>von</strong> Calcarea beobachtet wur<strong>de</strong>n, war für mich Grund genug,<br />

ein so harmloses Mittel in meiner kritischen Lage anzuwen<strong>de</strong>n. Später kam dann die Einsicht<br />

hinzu, daß tuberkulöse Vorgänge durch Verkalkung abgegrenzt und unschädlich gemacht<br />

wer<strong>de</strong>n können. Endlich fand sich noch <strong><strong>de</strong>r</strong> Einblick in die Beziehung <strong><strong>de</strong>r</strong> Aehnlichkeit: w e i l<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Kalk solche Krankheitserscheinungen für sich an Gesun<strong>de</strong>n hervorruft, kennt er die<br />

Schleichwege <strong><strong>de</strong>r</strong> Lungenlei<strong>de</strong>n und reicht in seiner Wirkung bis zu <strong><strong>de</strong>r</strong>en organischen<br />

Grundlagen zurück. Wer sich solcher Sicherungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Wahrscheinlichkeit in <strong>de</strong>n<br />

Arzneiwirkungen nicht bedienen will, <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>nkt nicht in <strong>de</strong>n nächstliegen<strong>de</strong>n ärztlichen<br />

Vorstellungen. Er <strong>de</strong>nkt wohl vielleicht großzügiger, aber auch abwegiger. Den Gewinn <strong>von</strong><br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Erkenntnis und Verwertung jener Naturbeziehungen hat <strong><strong>de</strong>r</strong>jenige, welcher in sparsamer<br />

Weise das Notwendige erfaßt und - wenn es sich erfahrungsgemäß bewährt - gelten läßt. Alle<br />

diese Beobachtungen müssen in einen großen Plan <strong><strong>de</strong>r</strong> ärztlichen Hilfeleistungen eingefügt<br />

wer<strong>de</strong>n. Aus diesem Plan treten sie wie<strong><strong>de</strong>r</strong> abgegrenzt hervor als das homöopathische<br />

Verfahren.<br />

Unter diesen Gesichtspunkt gehört auch folgen<strong>de</strong> Erfahrung: Ein Kind <strong>von</strong> 5 Jahren<br />

erkrankt an Halsentzündung mit Fieber. Am zweiten Tag <strong><strong>de</strong>r</strong> Erkrankung wird das Schlucken<br />

schmerzhafter, die linke Man<strong>de</strong>l zeigt einen flachen diphtherischen Belag. Der Knabe schläft<br />

viel, aber je<strong>de</strong>smal bei Erwachen weint er, o<strong><strong>de</strong>r</strong> brüllt er vielmehr, weil dann <strong><strong>de</strong>r</strong> Hals so weht<br />

tue. Nach <strong><strong>de</strong>r</strong> homöopathischen Heilbeziehung erhält das Kind Lachesis 30. Potenz, zwei<br />

Tropfen in Wasser schluckweise. Sofort setzt Besserung ein und nach einigen Tagen ist <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Knabe genesen. Wür<strong>de</strong> man mehrere <strong><strong>de</strong>r</strong>artige Fälle zur Verfügung haben, wäre die<br />

Beweiskraft für die Rolle <strong>de</strong>s Arzneimittels erhöht. In <strong><strong>de</strong>r</strong> Tat weist die homöopathische Literatur<br />

solche Vorkommnisse öfter auf: die Verschlimmerung beim Erwachen fällt ins Gewicht, wo<br />

auch die übrigen Naturerscheinungen stimmen. Aber auch, wenn man da<strong>von</strong> nichts wüßte,<br />

wenn man nur die Parallelerscheinungen zwischen <strong>de</strong>m eigenartigen Schlangengift und <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Halsentzündung kennen wür<strong>de</strong>, dürfte man eine Beschleunigung <strong><strong>de</strong>r</strong> Heilung wegen dieser<br />

Wurzelbeziehung annehmen aus <strong>de</strong>n nachgewiesenen apriorischen Grün<strong>de</strong>n, die auch<br />

40


einem Einzelfall ihren Schutz ange<strong>de</strong>ihen lassen. Freilich ist das immer nur eine theoretische<br />

Wahrscheinlichkeit, die aber praktisch fürs Han<strong>de</strong>ln zugängig und fruchtbar ist.<br />

Bei <strong>de</strong>n vielen an<strong><strong>de</strong>r</strong>sartigen Arzneibeziehungen in Krankheiten kann sich ein<br />

vernünftiges Urteil auch auf E r k e n n t n i s s e stützen. In meiner Praxis verwen<strong>de</strong> ich öfters ein<br />

Kropfmittel, das vorwiegend aus Fucus vesicolosus besteht. Es ist ein Komplex; seine<br />

hervortreten<strong>de</strong> Wirkung geht auf hyperplastische Schilddrüsen beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s junger Personen.<br />

Ich habe eine große Reihe <strong>von</strong> Fällen, wo <strong><strong>de</strong>r</strong> Halsumfang innerhalb 4 bis 6 Wochen um<br />

mehrere Zentimeter zurückging unter großer Erleichterung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kranken. Hier ist also ein<br />

Gebiet, wo leicht mit Massenbeweisen gearbeitet wer<strong>de</strong>n kann. Wir können uns jedoch <strong>de</strong>n<br />

Wert <strong><strong>de</strong>r</strong> Erfahrung schon mit wenigen Fällen sichern. Auch hier arbeiten wir nur mit<br />

Wahrscheinlichkeiten für <strong>de</strong>n Einzelfall, wenn es auch im allgemeinen erwiesen ist, daß jenes<br />

fucushaltige Heilmittel selbst in geringer Gabe, wenn es nur fein verteilt, Kröpfe heilt. Auf<br />

homöopathische Beziehungen scheint dieser Gebrauch nicht zurückzugehen. Fucus erzeugt<br />

keine Kröpfe. Vielmehr scheint das in ihm verdickte Jod - nebst an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Meeresstoffen - direkt<br />

för<strong><strong>de</strong>r</strong>lich auf die Schilddrüsen zu wirken. Man begegnet am Weltmeer selten kropfigen<br />

Menschen, während sie im Binnenland häufiger und häufiger wer<strong>de</strong>n. Man müßte also eine<br />

direkte kausale Wirkung annehmen, vielleicht einen Ersatz mangeln<strong><strong>de</strong>r</strong> Meeresstoffe. Es wäre<br />

ein Ernährungsproblem. Sobald sich Grün<strong>de</strong> für diese Auffassung fin<strong>de</strong>n, häufen sie sich<br />

zugleich für die antipathische Heilwirkung. Diese stellt eine direkte kausale Notwendigkeit dar.<br />

Aber in <strong>de</strong>m Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>streben mancher Fälle <strong>von</strong> Kropf, sich so heilen zu lassen, offenbart sich die<br />

Vielgestaltigkeit pathologischer Vorgänge, welche unter einem Decknamen<br />

zusammengefaßt wer<strong>de</strong>n. So kommt man niemals über alle praktischen und theoretischen<br />

Schwierigkeiten hinweg und fin<strong>de</strong>t niemals <strong>von</strong> vornherein die volle Sicherheit. Weitere<br />

Betrachtung beson<strong><strong>de</strong>r</strong>er Heilbeziehungen könnte noch viele Modifikationen ergeben; aber<br />

im Grun<strong>de</strong> wäre immer wie<strong><strong>de</strong>r</strong> die Geltung <strong><strong>de</strong>r</strong> Vernunftsgesetze mit ähnlichen Darlegungen<br />

zu bewähren: die Unterlagen für die Heilwirkung <strong><strong>de</strong>r</strong> Arzneien müssen immer wie<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

zurückverfolgt wer<strong>de</strong>n.<br />

Anhang - Mo<strong><strong>de</strong>r</strong>ne Bewegungen in <strong><strong>de</strong>r</strong> Augenheilkun<strong>de</strong><br />

Der Herausgeber dieser Schrift mag dieselbe nicht abschließen, ohne <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

überwältigen<strong>de</strong>n Wirkung zu ge<strong>de</strong>nken, die zwei Werke über Ophthalmologie auf ihn<br />

ausgeübt haben.<br />

Ich habe stets gerne mit inneren Heilmitteln und auf Grund konstitutioneller Kuren<br />

kranke Augen behan<strong>de</strong>lt. Als ich vor zwei Jahren erfuhr, daß eine Metho<strong>de</strong> existiere,<br />

Kurzsichtige durch Konvexgläser zu bessern, so imponierte mir das gewaltig, <strong>de</strong>nn es sprach<br />

mich auf <strong>de</strong>m Wege <strong><strong>de</strong>r</strong> Aehnlichkeitsbeziehung als ein homöopathisches Verfahren an.<br />

Man hatte ja die krankhaft erhöhte Konvexität <strong>de</strong>s kurzsichtigen Auges lange genug mit <strong>de</strong>m<br />

elen<strong>de</strong>n, aber blen<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Hilfsmittel konkaver Gläser behan<strong>de</strong>lt; aber man hatte dabei so<br />

vielfach <strong>de</strong>n Fortschritt <strong><strong>de</strong>r</strong> Kurzsichtigkeit und schließlich die Entartung <strong>de</strong>s Auges<br />

(Netzhautablösung!) erlebt, daß ich hoch erfreut war, hier einen Ausweg zu sehen, <strong><strong>de</strong>r</strong> mich<br />

dann auch nicht täuschte, weil ich an <strong>de</strong>n eigenen Augen und an an<strong><strong>de</strong>r</strong>en die gute Wirkung<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> abspannen<strong>de</strong>n Gläserbehandlung (mit Konvexgläsern) erlebt habe. Es ist dies ein<br />

wahrhaft biologisches Verfahren, welches <strong>de</strong>m Auge einen Anreiz verleiht, sich wie<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

anzupassen und das <strong>von</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Netzhaut entartete Bild <strong><strong>de</strong>r</strong> Gegenstän<strong>de</strong> tatsächlich rückwärts<br />

zu verlegen, so daß es mehr und mehr die empfin<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Schicht wie<strong><strong>de</strong>r</strong> erreicht, während es<br />

vorher im Glaskörperraum abgesetzt wur<strong>de</strong>.<br />

Wir haben glücklicherweise <strong>de</strong>n genialen Augenarzt, welcher diese Metho<strong>de</strong><br />

ausgebil<strong>de</strong>t und begrün<strong>de</strong>t hat, noch unter uns; es ist D r . G r a f Wi s e r , Geh. Medizinalrat<br />

und Vorstand <strong><strong>de</strong>r</strong> Augenklinik in Bad Eilsen.<br />

Ich wandte mich damals an <strong>de</strong>n genannten Herrn und erfuhr <strong>von</strong> ihm, daß<br />

<strong>de</strong>mnächst ein Buch über die neue Metho<strong>de</strong> erscheinen wer<strong>de</strong>; <strong><strong>de</strong>r</strong> Titel ist:<br />

Die Erhaltung <strong>de</strong>s Augenlichtes<br />

Die Gefahren <strong><strong>de</strong>r</strong> Kurzsichtigkeit und <strong><strong>de</strong>r</strong>en Verhütung durch sachgemäße<br />

Behandlung. Von Dr. med. Graf Wiser. Preis geb. 5 M. Ritterverlag, Berlin W 30.<br />

41


In diesem Buche fin<strong>de</strong>t sich natürlich nicht meine homöopathische, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n eine<br />

wirklich physiologische Begründung <strong><strong>de</strong>r</strong> Metho<strong>de</strong> und es ist <strong>de</strong>m Buche im Interesse <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Jugend sowie aller Augenlei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n weiteste Verbreitung zu wünschen. Der geehrte Herr<br />

Verfasser beabsichtigt in Kürze auch ein beson<strong><strong>de</strong>r</strong>es Werk über Glaukom erscheinen zu<br />

lassen, welches diese ver<strong><strong>de</strong>r</strong>bliche Krankheit vom konstitutionellen Standpunkte aus würdigt.<br />

Solchen Arbeiten kann die <strong>Homöopathie</strong> überall die Hand bieten: die Begründungen mögen<br />

sich stets auf physiologisch-wissenschaftlichem Bo<strong>de</strong>n bewegen, aber es ist merkwürdig, daß<br />

<strong>von</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Aehnlichkeitsbeziehung her die größte Aneignungsfähigkeit für alles praktisch<br />

Brauchbare waltet, wie das vorherige Beispiel nahelegt.<br />

Für die Zukunft läßt sich auf Grund solcher Leistungen, wie die <strong>von</strong> Dr. Graf Wiser,<br />

erwarten, daß die Ophthalmologie mehr biologisch als chirurgisch, mehr konstitutionell als<br />

lokalistisch sich anschicken wird: bessere Tage für die augenlei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Menschheit!<br />

Es ist für die <strong>de</strong>utschen Aerzte leicht, auch über das Werk <strong>von</strong> Geh.-Rat Wiser zu<br />

unterrichten; über eine an<strong><strong>de</strong>r</strong>e ophthalmologische Umsturzbewegung muß ich etwas<br />

ausführlicher sein, da sie uns zunächst fremd ist, das grundlegen<strong>de</strong> Buch bisher nicht in<br />

<strong>de</strong>utscher Sprache erschien und meines Wissens kein <strong>de</strong>utscher Ophthalmologe sie zu seiner<br />

Sache gemacht hat.<br />

Allerdings besteht eine <strong>de</strong>utsche Bearbeitung <strong>von</strong> Frau Elsbeth Friedrichs, welche<br />

das amerikanische Werk uns nahe gebracht hat. Titel:<br />

Lernt wie<strong><strong>de</strong>r</strong> sehen!<br />

Neue Heilwege für kranke Augen.<br />

Verlag Paul Schrecker, Grimma i. S. geb. 4 M.<br />

Diesem Werk und einer anschließen<strong>de</strong>n Monatsschrift verdanke ich zunächst meine<br />

Bekanntschaft mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Sache; <strong><strong>de</strong>r</strong> Titel <strong>de</strong>s ursprünglich amerikanischen Buches ist:<br />

The cure of imperfect sight by treatment without glasses<br />

By W. H. Bates M. D.<br />

Central Fixation Publishing Co., New York City<br />

(anscheinend zuerst 1920 erschienen).<br />

Dr. Bates nun ist ein überaus eindrucksvoller Ophthalmologe, <strong><strong>de</strong>r</strong> das Unglaublichste<br />

mit einfachsten Mitteln fertig bringt, ein geborener Arzt, Künstler und Biologe. Die<br />

grundlegen<strong>de</strong> I<strong>de</strong>e seiner Arbeit ist, daß die physiologische Funktion ihr Organ bil<strong>de</strong>t, schleift<br />

und auch heilt, daß es sich fast überall um eine „Erziehung <strong>de</strong>s Auges“ han<strong>de</strong>lt und daß<br />

hierdurch - bei geschickter Anwendung - die herrlichsten Erfolge zu erzielen sind. Man muß<br />

sein Buch lesen und studieren! Es schlägt fröhlich lachend <strong>de</strong>n überkommenen<br />

Anschauungen ins Gesicht, fin<strong>de</strong>t es z. B. nützlich und gut, recht kleine Schrift zum Lesen<br />

auszusuchen, im Liegen, im Fahren zu lesen und auch bei ganz schwachem Licht die Augen<br />

zu üben. Man könnte manchmal an einen Scherz <strong>de</strong>nken - aber alle Hochachtung vor seinen<br />

eingehen<strong>de</strong>n - auch experimentellen - Studien, vor seinen Krankengeschichten, vor <strong>de</strong>n<br />

trefflichen Beobachtungen und wahrhaft ergreifen<strong>de</strong>n Ent<strong>de</strong>ckungen. Sicher schießt er<br />

manchmal übers Ziel, so mit <strong>de</strong>m Rat, alle Brillen wegzuwerfen, mutig in die volle Sonne zu<br />

sehen. Welcher Ent<strong>de</strong>cker und ab origine Anfänger hätte aber nicht auch einige Schrullen<br />

gehabt!<br />

Ich will mich dabei nicht aufhalten: das Werk ist zu groß und zu schön, um bei einigen<br />

Schwächen zu verweilen, über welche ohnehin <strong>de</strong>m Autor noch die Gegenbemerkung<br />

zusteht! Ich will lieber zur Sache eilen und - so gut ich kann - <strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen ärztlichen und<br />

augenärztlichen Leser kirre machen, Dr. Bates in seiner Tätigkeit selbst kennen zu lernen. Von<br />

32 Kapiteln wer<strong>de</strong> ich 4 (gekürzt und frei übersetzt) vorführen; <strong>von</strong> mir aus ist genug gesagt<br />

und wenn <strong>de</strong>m geehrten Leser in <strong><strong>de</strong>r</strong> Batesschen Ophthalmiatrik eine neue Welt<br />

entgegentritt, so möge er sich getrost sagen: eine Heerstraße nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Zukunft, Ausblick in<br />

eine geistigere Auffassung <strong><strong>de</strong>r</strong> Heilkun<strong>de</strong>!<br />

19. Kapitel<br />

Erleichterung <strong>von</strong> Schmerz und an<strong><strong>de</strong>r</strong>n Symptomen durch Hilfe <strong>de</strong>s Gedächtnisses<br />

Seit vielen Jahren sagen mir Kranke, die durch meine Behandlung geheilt wor<strong>de</strong>n<br />

waren, daß nach Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>herstellung ihres Augenlichtes sie <strong>von</strong> Schmerzen erleichtert wor<strong>de</strong>n<br />

seien, nicht allein in Augen und Kopf, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch in an<strong><strong>de</strong>r</strong>n Teilen <strong>de</strong>s Körpers, selbst bei<br />

42


scheinbar organischer Ursache, o<strong><strong>de</strong>r</strong> durch Unfall. Es war so schlagend, daß ich einige<br />

Tausend Fälle darauf untersuchte und fand, daß bei vollem Sehvermögen o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Erinnerung an volles S, d. h. an etwas vollkommenes Gesehenes, sie keinen Schmerz irgendwo<br />

lei<strong>de</strong>n, während ich fand, daß Anstrengung zu sehen, in verschie<strong>de</strong>nen Teilen <strong>de</strong>s Körpers<br />

Schmerz erzeugte. Unter „vollkommenem Sehen“ ist nicht das Sehen eines komplizierten<br />

Gegenstan<strong>de</strong>s zu verstehen, Wörter usw.; es genügt, die Farbe vollkommen zu sehen und die<br />

am leichtesten zu sehen<strong>de</strong> Farbe ist s c h w a r z . Aber ein vollkommenes S wird selten länger<br />

als 5 Minuten - gewöhnlich nicht einmal so lang - festgehalten.<br />

Für praktische Zwecke <strong><strong>de</strong>r</strong> Schmerzerleichterung ist <strong>de</strong>shalb das Erinnerungsbild<br />

wichtiger als das Sehen selbst.<br />

Wird schwarz vollkommen erinnert, so wird, wenn nicht andauern<strong>de</strong>, so doch eine<br />

vorübergehen<strong>de</strong> Schmerzerleichterung erzielt. Man kann dann die Haut stechen und<br />

quetschen, das Ohrläppchen klemmen, und es wird kein Schmerz gefühlt. Zu gleicher Zeit<br />

wird <strong><strong>de</strong>r</strong> Tastsinn feiner. Auch Geruch und Gehör wer<strong>de</strong>n besser, <strong><strong>de</strong>r</strong> Geist tätiger. Man<br />

unterschei<strong>de</strong>t Temperaturen besser, lei<strong>de</strong>t aber nicht an Hitze o<strong><strong>de</strong>r</strong> Frieren. Organische<br />

Zustän<strong>de</strong> mögen nicht an<strong><strong>de</strong>r</strong>s wer<strong>de</strong>n; aber die <strong>von</strong> ihnen verursachten Symptome wie<br />

Fieber, Schwäche, Schock, sind erleichtert. Leute, welche gelernt haben, unter allen<br />

Umstän<strong>de</strong>n die Erinnerung an schwarz festzuhalten, fürchten die zahnärztliche Hilfe nicht.<br />

Erinnern sie sich einer „Schwarz“ - Perio<strong>de</strong>, so verursacht ihnen das Bohren keinen Schmerz<br />

und sie wer<strong>de</strong>n nicht einmal vom Ausziehen eines Zahnes belästigt. Es ist möglich,<br />

chirurgische Operationen ohne Betäubung zu machen, wenn <strong><strong>de</strong>r</strong> Patient gelernt hat, sich<br />

schwarz völlig vorzustellen. Hier nur einige wenige schlagen<strong>de</strong> Fälle:<br />

Eine Operation am Augapfel mußte öfter wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holt wer<strong>de</strong>n und lokale, später<br />

allgemeine Anästhesie war eine Notwendigkeit. Schließlich war es höchst wünschenswert,<br />

ohne jene auszukommen. Die Patientin wur<strong>de</strong> fähig durch vollkommene Vorstellung <strong>von</strong><br />

schwarz <strong>de</strong>m Schmerz entgegenzutreten.<br />

Zuerst vergaß sie ihre Erinnerung bei Berührung <strong>de</strong>s Augapfels; später war sie<br />

erfolgreich im Festhalten und die Operation wur<strong>de</strong> glücklich ausgeführt. Patientin fühlte<br />

keinen Schmerz mehr und ihre Selbstkontrolle war besser, als bei Kokain. Später wur<strong>de</strong>n noch<br />

14 Operationen unter diesen Bedingungen gemacht. Der Kranke fühlte dabei keinen<br />

Schmerz und auch nachher we<strong><strong>de</strong>r</strong> diesen noch das Wundgefühl.<br />

Patientin meinte, daß sie wohl bei einem frem<strong>de</strong>n Operateur nicht so erfolgreich<br />

gewesen wäre; allein sie hatte nachher bei einem unbekannten Dentisten zwei Extraktionen<br />

zu bestehen, die sie unter Festhaltung einer Perio<strong>de</strong> schwarz ebenfalls schmerzlos<br />

durchmacht.<br />

Ein Mann, <strong><strong>de</strong>r</strong> vorher sehr nervös im Stuhl <strong>de</strong>s Zahnarztes gesessen war und mit<br />

Betäubungen 4 Extraktionen durchzumachen gehabt hatte, überraschte jetzt <strong>de</strong>n Dentisten<br />

durch seine Nervenstärke, nach<strong>de</strong>m er die Wirkung <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorstellung schwarz kennengelernt<br />

hatte. Ohne Beihilfe wur<strong>de</strong> nun ein Zahn gezogen und <strong><strong>de</strong>r</strong> Dentist blickte ungläubig, als <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Kranke behauptete, keinen Schmerz gefühlt zu haben.<br />

In <strong>de</strong>m zweiten Fall, bei einer Frau, wur<strong>de</strong>n vom Zahnarzt die Nerven dreier Zähne<br />

entfernt, ohne Schmerz zu erregen.<br />

Ein Knabe <strong>von</strong> 14 Jahren trug eine Verletzung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kornea da<strong>von</strong> mit tiefer Einbettung<br />

eines Fremdkörpers, <strong>de</strong>ssen Entfernung bei Kokain bisher nicht gelungen war; er hatte große<br />

Schmerzen. Der Knabe wur<strong>de</strong> angewiesen, nach einem schwarzen Gegenstand zu sehen,<br />

dann die Augen zu schließen und nur schwarz festzuhalten. Dies schon brachte ihm<br />

Erleichterung und dann sollte er sich <strong>de</strong>s Schwarz auch bei offenen Augen erinnern. Der<br />

Fremdkörper wur<strong>de</strong> nun unter großen Schwierigkeiten beseitigt, was beträchtliche Zeit in<br />

Anspruch nahm und keine Schmerzen mehr machte.<br />

Dr. Bates erzählt nun einen andren Fall <strong>von</strong> Schmerz, durch eine Hirngeschwulst bei<br />

einer Frau verursacht. Ein Chirurg brachte ihm diese Kranke mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Bemerkung, hier wer<strong>de</strong> er<br />

seine Kunst vergeblich anwen<strong>de</strong>n. Bates bezweifelte die Existenz eines Hirntumors und<br />

versprach Besserung binnen 5 Minuten. Die Patientin wur<strong>de</strong> angewiesen, auf einen großen<br />

schwarzen Buchstaben zu sehen, dann die Augen mit ihren Handflächen zu schließen, um<br />

volles Dunkel zu erzeugen. - Sie sollte sich nun an die Schwärze <strong>de</strong>s Buchstabens erinnern, bis<br />

sie nun alles schwarz sah. In weniger als 3 Minuten sagte sie: Ich sehe nun alles vollkommen<br />

schwarz; ich fühle keinen Schmerz in meinem Kopf; ich bin vollständig erleichtert und danke<br />

Ihnen sehr. Der Chirurg geriet in Verwirrung und verließ <strong>de</strong>n Raum ohne ein Wort. Um Rückfall<br />

43


zu vermei<strong>de</strong>n, wur<strong>de</strong> Patient angewiesen sechsmal täglich o<strong><strong>de</strong>r</strong> öfter zu palmieren 6 . Der<br />

Schmerz zeigte sich nicht mehr und sie kam nach einigen Wochen in die Klinik, ihre<br />

Dankbarkeit zu bezeugen.<br />

Nicht allein die Symptome tiefer liegen<strong><strong>de</strong>r</strong> Ursachen wer<strong>de</strong>n durch die Erinnerung an<br />

vollkommenes Sehen wie in obigen Fällen geheilt, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch die zugrun<strong>de</strong> liegen<strong>de</strong>n<br />

Krankheiten selbst wer<strong>de</strong>n erleichtert. Husten, Erkältung, Heufieber, Rheumatismen, Glaukom<br />

befin<strong>de</strong>n sich unter solchen Zustän<strong>de</strong>n.<br />

Eines Tages kam ein Patient, <strong><strong>de</strong>r</strong> sich wegen gemischten Astigmatismus in Behandlung<br />

befun<strong>de</strong>n hatte, mit schwerer Erkältung. Sie hustete ununterbrochen, bei<strong>de</strong> Augen flossen<br />

und auch die Nase. Etwas Fieber mit schwerem Augen- und Kopfschmerz; <strong><strong>de</strong>r</strong> Patient war<br />

wegen entzündlicher Schwellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Nase unfähig, Luft durch sie zu holen. Palmieren war in<br />

einer halben Stun<strong>de</strong> erfolgreich und mit <strong>de</strong>m Aufhören <strong>von</strong> Schmerz und Ausflüssen ging<br />

auch die Nase auf; Atmung und Temperatur wur<strong>de</strong>n normal.<br />

Ein Knabe <strong>von</strong> 4 Jahren mit Keuchhusten fühlte sich stets erleichtert, wenn er seine<br />

Augen be<strong>de</strong>ckte und sich an schwarz erinnerte. Die Hustenanfälle kamen weniger häufig<br />

und in einigen Wochen war er genesen.<br />

Ein Mann, <strong><strong>de</strong>r</strong> je<strong>de</strong>n Sommer an Heufieber litt, welches die ganze Jahreszeit<br />

andauerte, war völlig erleichtert, nach<strong>de</strong>m er eine halbe Stun<strong>de</strong> palmiert hatte und drei<br />

Jahre war er ohne Rückfall.<br />

Ein Mann <strong>von</strong> 65 Jahren, <strong><strong>de</strong>r</strong> seit 6 Monaten an Rheumatismus ohne Besserung<br />

behan<strong>de</strong>lt wor<strong>de</strong>n war, bekam vorübergehen<strong>de</strong> Erleichterung durch Palmieren und als sein<br />

Sehen sich gebessert hatte, war auch <strong><strong>de</strong>r</strong> Rheumatismus weg.<br />

In vielen Fällen <strong>von</strong> Glaukom wur<strong>de</strong> nicht nur <strong><strong>de</strong>r</strong> Schmerz, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch <strong><strong>de</strong>r</strong> damit<br />

oft vergesellschaftete Druck durch Palmieren völlig gehoben. In einigen Fällen wur<strong>de</strong> sogar<br />

durch einmalige Behandlung die Spannung dauernd beseitigt.<br />

Weshalb die Erinnerung an schwarz solche Effekte habe sollte, kann nicht völlig geklärt<br />

wer<strong>de</strong>n, wie auch die Heilkraft mancher Arzneien nicht zu erklären ist. Je<strong>de</strong>nfalls ist es klar,<br />

daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Körper weniger empfänglich gegen Störungen sein muß, wenn <strong><strong>de</strong>r</strong> Geist sich unter<br />

Kontrolle befin<strong>de</strong>t und nur, wenn dies zutrifft, kann die Erinnerung an schwarz völlig<br />

festgehalten wer<strong>de</strong>n. Wenn - nach bekannten Tatsachen - <strong><strong>de</strong>r</strong> Geist Schmerz erzeugen kann,<br />

so ist es nicht erstaunlich, daß er ihn auch beseitigen kann samt <strong>de</strong>n Bedingungen, die ihn<br />

erregen. Dies ist zweifellos die Erklärung <strong>von</strong> Glaubens- und Christian-science-Kuren. Wie auch<br />

die Sache sei, so ist sie je<strong>de</strong>nfalls durch vielfache tatsächliche Erfahrung begrün<strong>de</strong>t und sie ist<br />

<strong>von</strong> größtem praktischem Wert.<br />

Mit etwas Uebung gelingt es je<strong>de</strong>m gut sehen<strong>de</strong>n Menschen, das Schwarz<br />

vollkommen innezuhaben bei geschlossenen und be<strong>de</strong>ckten Augen; bei noch etwas mehr<br />

Uebung kann je<strong><strong>de</strong>r</strong> es mit offenen Augen lernen. Bei heftigem Schmerz zwar mag die<br />

Kontrolle über das Erinnerungsvermögen schwierig sein und <strong><strong>de</strong>r</strong> Beistand <strong>von</strong> jemand, <strong><strong>de</strong>r</strong> die<br />

Metho<strong>de</strong> beherrscht, ist notwendig. Mit solchem Beistand aber wird sie niemals unmöglich<br />

sein. -<br />

(Anmerkung <strong>de</strong>s Uebersetzers: Die Metho<strong>de</strong> wird in ihrer Wirkung verständlich durch<br />

folgen<strong>de</strong> Betrachtung. Wer nur schwarz sieht und dies festhält, <strong><strong>de</strong>r</strong> hat das gesamte Gebiet<br />

seiner Lebensbewegungen und Interessen aus seinem Bewußtsein verbannt. Wür<strong>de</strong> er z. B.<br />

nur rot, gelb, blau, grün sehen, so wäre noch eine Farbe da die Stimmung machen könnte.<br />

Bei Schwarz ist nur Ruhe da und kein Raum für etwas, solange Schwarz festgehalten wird.<br />

Jene Ruhe scheint das Heilmittel zu sein. Sie be<strong>de</strong>utet volle Kraftsparung auf <strong>de</strong>m Gebiet <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Geisteskraftquellen. Diese können sich damit vollständig <strong>de</strong>n inneren Aufgaben <strong>de</strong>s<br />

Organismus zuwen<strong>de</strong>n, <strong><strong>de</strong>r</strong>en vornehmste bei Schmerz und Kranksein die Heilung ist. Diese<br />

also wird ungewohnt geför<strong><strong>de</strong>r</strong>t durch ein beson<strong><strong>de</strong>r</strong>es und einzigartiges Verhalten <strong>de</strong>s<br />

Gesamtorganismus. Bates erfaßt alle Zusammenhänge).<br />

Kapitel 21<br />

Schielen und Schwachsichtigkeit; ihre Ursache<br />

6<br />

Palmieren <strong>von</strong> Palma, Handfläche. So nennt Bates das regelmäßige Blen<strong>de</strong>n durch Auflegen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Hän<strong>de</strong> mit gekreuzten Fingern.<br />

44


Kapitel 22<br />

Ihre Kur (Gekürzt wie<strong><strong>de</strong>r</strong>gegeben)<br />

Die in <strong>de</strong>n Lehrbüchern angegebenen Ursachen <strong>de</strong>cken wohl einige Fälle, in an<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />

versagen die und alle Behandlungsmetho<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n als sehr unsicher im Erfolg angesehen.<br />

Daß es am Einklang <strong><strong>de</strong>r</strong> mitwirken<strong>de</strong>n Muskulatur <strong>de</strong>s Auges fehle, wenn die Harmonie bei<strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Bil<strong><strong>de</strong>r</strong> nicht hergestellt wer<strong>de</strong>n kann, war allgemein angenommen. Operationen auf dieser<br />

Grundlage waren sehr in Mo<strong>de</strong>; heutzutage wer<strong>de</strong>n sie <strong>von</strong> <strong>de</strong>n meisten Autoritäten als letzte<br />

Zuflucht aufgeschoben. Viele Personen sind allerdings da<strong>von</strong> gebessert wor<strong>de</strong>n; aber in<br />

vielen Fällen wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Zustand auch schlechter. Oftmals war <strong><strong>de</strong>r</strong> Erfolg nur ein kosmetischer;<br />

das Zusammenbringen <strong><strong>de</strong>r</strong> Augenli<strong><strong>de</strong>r</strong> wur<strong>de</strong> doch nicht erreicht.<br />

Die Muskeltheorie war so wenig tauglich, daß die I<strong>de</strong>e <strong>von</strong> D o n d e r s , es lägen<br />

Refraktionsfehler zugrun<strong>de</strong>, Hypermetropie für Strabismus convergens und Myopie für<br />

divergens, allgemein angenommen wur<strong>de</strong>. Auch diese Theorie jedoch erwies sich als nicht<br />

ausreichend und heute gibt es mehrere Ansichten, die geteilt akzeptiert wur<strong>de</strong>n. Nach<br />

H a n s e n - G r u t liegt <strong><strong>de</strong>r</strong> Fehler in <strong><strong>de</strong>r</strong> großen Mehrheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Fälle in einem Nerven<strong>de</strong>fekt.<br />

W o r t h und seine Schüler legen Wert auf das Fehlen <strong><strong>de</strong>r</strong> sog. Fusionsfähigkeit und<br />

suchen durch Prismen sie zu erzielen.<br />

Stevens glaubt an falschen Bau <strong><strong>de</strong>r</strong> Augenhöhle und will dies durch Operation<br />

ausgleichen. Alle diese Theorien erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>n, daß man Tatsachen weg<strong>de</strong>uten muß. Das<br />

ungewisse Resultat <strong><strong>de</strong>r</strong> Operation spricht gegen die gefor<strong><strong>de</strong>r</strong>te Wichtigkeit <strong>de</strong>s Muskeln,<br />

zumal erhebliche Fehler dieser vorhan<strong>de</strong>n waren, ohne das Schielen erfolgte; auch besteht<br />

keine sichere Wechselwirkung zwischen Paralyse und Schielen. Worth wie<strong><strong>de</strong>r</strong>um fand so viele<br />

Fälle, die in <strong><strong>de</strong>r</strong> Fusion nicht durch Uebung gebessert wur<strong>de</strong>n, daß er Muskeloperation<br />

empfahl; Don<strong><strong>de</strong>r</strong>s war genötigt, bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Mehrheit <strong>von</strong> Hypermetrophen zuzugeben, daß diese<br />

Vorbedingung nicht genüge, Schielen zu erzeugen. Daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Stand <strong>de</strong>s Sehvermögens nicht<br />

ausschlaggebend ist für das Schielen, wird durch eine Menge <strong>von</strong> Tatsachen bewiesen.<br />

Gewöhnlich ist das Sehen <strong>de</strong>s eingedrehten Auges schwächer, als das <strong>de</strong>s gut<br />

stehen<strong>de</strong>n, aber es gibt auch umgekehrte Fälle. Von zwei blin<strong>de</strong>n Augen kann das eine<br />

eingedreht sein, das an<strong><strong>de</strong>r</strong>e normal stehen; auch können bei<strong>de</strong> richtig stehen. Ein gutes und<br />

ein blin<strong>de</strong>s Augen können bei<strong>de</strong> richtig stehen. Je blin<strong><strong>de</strong>r</strong> ein Auge, <strong>de</strong>sto stärker sein<br />

Schielen im allgemeinen; Ausnahmen sind häufig und es gibt sogar Fälle, wo ein gut<br />

sehen<strong>de</strong>s Auge dauernd eingedreht ist.<br />

Kommen und Gehen <strong>de</strong>s Schielens ist öfter <strong><strong>de</strong>r</strong> Fall und mit Wechsel <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Schielrichtung sogar. Mit <strong>de</strong>mselben Refraktionsfehler schielt eine Person und die an<strong><strong>de</strong>r</strong>e<br />

nicht. Ein dritter schielt mit einem refraktorisch abweichen<strong>de</strong>n Auge. Ein vierter schielt zuerst<br />

mit einem Auge, dann mit <strong>de</strong>m an<strong><strong>de</strong>r</strong>en. In einem fünften wechselt die Stärke <strong>de</strong>s Schielens.<br />

Einer fühlt sich besser ohne Behandlung und Brille; ein an<strong><strong>de</strong>r</strong>er mit diesen. Diese Kuren mögen<br />

vorübergehend o<strong><strong>de</strong>r</strong> dauernd sein und die Rückfälle können mit und ohne Gläser kommen.<br />

In <strong><strong>de</strong>r</strong> Konstitution <strong>de</strong>s Auges läßt sich überhaupt kein zureichen<strong><strong>de</strong>r</strong> Grund für das<br />

Schielen auffin<strong>de</strong>n. Die Differenz im Sehen zuungunsten <strong>de</strong>s schielen<strong>de</strong>n Auges kann als<br />

Ursache <strong>de</strong>s Schielens gelten, aber auch das Schielen als Ursache <strong>de</strong>s Schlechtsehens. Man<br />

nimmt allgemein an, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Geist das Bild zu unterdrücken bestrebt sei, welches doch nicht<br />

zur Einung gelangt. Es gibt in<strong>de</strong>ssen viele schielen<strong>de</strong> Augen ohne Schwachsichtigkeit und<br />

viele schwachsichtige Augen ohne Schielen. Die Autoren sprechen sich oft über die<br />

Unmöglichkeit aus, die Amblyopie zu heilen; gleichwohl ist bekannt, daß beim Verlust <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Sehkraft <strong>de</strong>s guten Auges, das amblyope Auge noch zu irgen<strong>de</strong>iner Perio<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Lebens<br />

normal wird.<br />

Es gibt auch eine „paradoxe Diplopie“, wobei die - durchaus nicht immer<br />

vorhan<strong>de</strong>nen - Doppelbil<strong><strong>de</strong>r</strong> unerklärlicherweise nicht auf <strong><strong>de</strong>r</strong> berechneten Seite erscheinen,<br />

son<strong><strong>de</strong>r</strong>n umgekehrt.<br />

Alle Theorien sind ungenügend, diese Tatsachen zu erklären, aber es ist Tatsache, daß<br />

in allen Fällen <strong>von</strong> Schielen Anstrengung <strong><strong>de</strong>r</strong> Augen konstatiert wer<strong>de</strong>n kann und daß<br />

Befreiung <strong>von</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Anstrengung in allen Fällen das Schielen heilt, ebenso die Amblyopie und<br />

<strong>de</strong>n Refraktionsfehler. Es ist auch Tatsache, daß Personen mit normalem Sehen künstlich<br />

schielen können, wenn sie sich anstrengen; dies wird beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s <strong>von</strong> Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>n zum Vergnügen<br />

geübt und <strong>von</strong> ihren erwachsenen Beobachtern mit Mißbilligung vermerkt, weil sie fürchten,<br />

die Augen möchten schielend stehen bleiben. Durch geeignete Anstrengung kann<br />

45


tatsächlich je<strong>de</strong> Art <strong>von</strong> Schielen produziert wer<strong>de</strong>n. Mit dieser Uebung ist eine Schädigung<br />

<strong>de</strong>s Sehens nicht selten verbun<strong>de</strong>n. -<br />

Die Schlußfolgerung aus Vorstehen<strong>de</strong>m be<strong>de</strong>utet, daß Schielen, Schwachsichtigkeit<br />

und Refraktionsfehler funktionelle Störungen sind und da sie behoben wer<strong>de</strong>n mit Beseitigung<br />

<strong><strong>de</strong>r</strong> Anstrengung, so folgt daraus, daß die Metho<strong>de</strong>n, welche Entspannung und zentrale<br />

Fixation bewirkten, für die Behandlung jener Augenfehler anzuwen<strong>de</strong>n sind.<br />

Wie im Falle <strong><strong>de</strong>r</strong> Refraktionsfehler, so verschwin<strong>de</strong>n hier Schielen und<br />

Schwachsichtigkeit alsbald, wenn <strong><strong>de</strong>r</strong> Patient hinreichen<strong>de</strong> geistige Kontrolle erlangt hat, sich<br />

einer Perio<strong>de</strong> mit vollkommenem Schwarz zu erinnern.<br />

Vorübergehend kann auf diesem Wege eine Befreiung schon in wenigen Sekun<strong>de</strong>n<br />

erzielt wer<strong>de</strong>n; eine dauern<strong>de</strong> Kur erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>t natürlich mehr.<br />

Einer <strong><strong>de</strong>r</strong> besten Wege, geistige Kontrolle über das Schielen zu gewinnen, ist es, das<br />

Schielen absichtlich zu verstärken o<strong><strong>de</strong>r</strong> freiwillig an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Arten <strong>de</strong>s Schielens zu bezeugen 7 .<br />

Dr. Bates bil<strong>de</strong>t eine Patientin ab, welche für Schieloperation schlechte Aussichten<br />

darbot. Sie wur<strong>de</strong> angeleitet, alle Arten <strong>von</strong> Schielen zu produzieren, was ihre Kopfschmerzen<br />

erhöhte, aber nach längerer Zeit in volle Heilung überleitete.<br />

Eine weitere Kur besteht darin, daß man Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>, etwa bis zu 6 Jahren, mit Atropin<br />

behan<strong>de</strong>lt durch täglich zweimalige Einträufelung einer einprozentigen Lösung. Dies<br />

erschwert das Sehen und macht helles Licht unangenehm. Dem entgegen muß das Kind<br />

entspannen und dies kuriert das Schielen. - Anmerkung <strong>de</strong>s Herausgebers: Auf <strong>de</strong>m<br />

Arzneigebiete scheint Bates weniger glücklich zu kombinieren, als auf <strong>de</strong>m ihm gewohnten.<br />

Ob ein Kind, welches monatelang örtlich mit Atropin behan<strong>de</strong>lt wur<strong>de</strong>, noch befähigt ist,<br />

physiologische Wirkungen auf sein überwältigtes Auge auszuüben, ist höchst zweifelhaft.<br />

Auch muß gegen diese gewaltsame Giftmetho<strong>de</strong> aus guten Grün<strong>de</strong>n protestiert wer<strong>de</strong>n.<br />

Erfreulicher ist folgen<strong>de</strong>s:<br />

Die Besserung, welche infolge Erziehung <strong>de</strong>s Auges bei Schielen und Amblyopie<br />

eintritt, ist manchmal so rapi<strong>de</strong>, daß sie unglaublich wird. Folgen<strong>de</strong> Beispiele mögen es<br />

zeigen:<br />

Ein Mädchen <strong>von</strong> 11 Jahren hatte konvergieren<strong>de</strong>s vertikales Schielen <strong>de</strong>s linken<br />

Auges. Das Sehen war 3/200. Im Nahepunkt war es so unvollkommen, daß Lesen nicht<br />

möglich war. S auf <strong>de</strong>m rechten Auge war normal, sowohl in <strong><strong>de</strong>r</strong> Nähe als Ferne. Sie trug<br />

Gläser Konvex 4 kombiniert mit 0,5. Axe 90 fürs rechte Auge und Konvex 5,5 fürs linke Auge,<br />

hatte aber keinen Nutzen da<strong>von</strong>. Schaute seitlich vom großen C mit <strong>de</strong>m linken Auge, so sah<br />

sie besser als direkt; wenn sie aber aufgefor<strong><strong>de</strong>r</strong>t wur<strong>de</strong>, meine Finger hier zu zählen, sah sie<br />

sofort <strong>de</strong>n großen Buchstaben schlechter.<br />

Nun beeindruckte ich sie mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Tatsache, daß sie die Karte besser lesen könnte,<br />

wenn sie seitlich sah, d. h. nach ihrem Willen schlechter o<strong><strong>de</strong>r</strong> besser; ebenso mußte sie<br />

einsehen, daß wenn sie die Karte schlechter las, ihr Sehen besser war und dies abnahm,<br />

sobald sie jene <strong>de</strong>utlich sah. Wenn <strong><strong>de</strong>r</strong> Blick <strong>von</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Karte zu einem Punkt schweifte, <strong><strong>de</strong>r</strong> 3 Fuß<br />

seitlich lag und wo sie erstere kurze Zeit schlechter sah, steigerte sich S zu 10/200. Ihre<br />

Geschicklichkeit, durch Schweifen schlechter zu sehen, steigerte sich durch Uebung so sehr,<br />

daß in weniger als 10 Tagen in bei<strong>de</strong>n Augen S normal wur<strong>de</strong> und in weniger als 2 Wochen zu<br />

20/10 sich erhöhte, während Diamantschrift <strong>von</strong> 3 Zoll bis 20 Zoll gelesen wur<strong>de</strong>. In weniger als<br />

3 Wochen war ihr Fernsehen auf 20/5 bei künstlichem Licht gehoben und sie las<br />

mikroskopische Schrift auf 2 Zoll; die Proben sind auf bei<strong>de</strong>n Augen und auf je<strong>de</strong>m einzelnen<br />

gemacht wor<strong>de</strong>n. Ebenso las sie frem<strong>de</strong> Texte gera<strong>de</strong> so gut wie die ihr gewohnten. Sie<br />

wur<strong>de</strong> angewiesen, die Behandlung zu Hause fortzusetzen, um einem Rückfall vorzubeugen;<br />

am Schlusse <strong>von</strong> 3 Jahren war keiner eingetreten. Während <strong><strong>de</strong>r</strong> Uebungen blieb das gesun<strong>de</strong><br />

Auge be<strong>de</strong>ckt; aber in <strong><strong>de</strong>r</strong> übrigen Zeit trug sie es frei.<br />

Ein sehr bemerkenswerter Fall betraf ein vierzehnjähriges Mädchen, das stets geschielt<br />

hatte. Der innere Rektus <strong>de</strong>s rechten Auges war geschnitten wor<strong>de</strong>n, als sie 2 Jahre alt<br />

gewesen; aber noch zog es das Auge einwärts. Sie weigerte sich, ein Deckglas über <strong>de</strong>m<br />

guten Auge zu tragen, weil sich die Freundinnen darüber aufhielten; es genierte sie mehr, als<br />

das Schielen selbst. Eines Tages verlor sie ihre Brille in Schnee, aber <strong><strong>de</strong>r</strong> strenge Vater sorgte<br />

für eine an<strong><strong>de</strong>r</strong>e. Nun erklärte sie sich für krank und weigerte sich, zur Schule zu gehen. Ich<br />

sagte <strong>de</strong>m Vater, daß seine Tochter hysterisch sei und sich einbil<strong>de</strong>te, krank zu sein, um<br />

7<br />

Ein Weg <strong><strong>de</strong>r</strong> Aehnlichkeit und <strong>de</strong>shalb <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Homöopathie</strong> angenähert.<br />

46


Behandlung zu vermei<strong>de</strong>n. Mit Hilfe <strong>de</strong>s Vaters gab ich ihr zu verstehen, daß sie jetzt zu folgen<br />

habe, bis sie ganz kurierte sei, und sie machte sich augenblicklich mit solcher Energie und<br />

Intelligenz ans Werk, daß in einer halben Stun<strong>de</strong> die Sehkraft <strong>de</strong>s schielen<strong>de</strong>n amblyopischen<br />

Auges <strong>von</strong> 3/200 zu 20/30 gebessert war. Nun ging sie in die Schule zurück, trug ein Deckglas<br />

auf <strong>de</strong>m gesun<strong>de</strong>n Auge; aber wenn sie etwas sehen wollte, so schaute sie darüber hinweg.<br />

Ihr Vater folge ihr zur Schule und bestand darauf, daß sie das schwächere Auge statt<br />

<strong>de</strong>s besseren gebrauchte. Sie überzeugte sich, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> einfachste Weg aus ihrer Mühsal <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

sei, sich meinen Anordnungen zu fügen und in weniger als einer Woche war das Schielen<br />

gehoben und sie sah vollkommen auf bei<strong>de</strong>n Seiten. Im Beginn <strong><strong>de</strong>r</strong> Behandlung konnte sie<br />

ihre Finger nicht auf 3 Fuß zählen auf <strong>de</strong>m schwächeren Auge und binnen 3 Wochen,<br />

einschließlich aller Zeit, die sie verloren hatte, sah sie vollkommen gut. Als sie geheilt war, blieb<br />

immer noch die Frage, ob sie das Deckglas vor <strong>de</strong>m guten Auge tragen müsse, ihre<br />

Hauptsorge. Sie wur<strong>de</strong> versichert, daß es nur bei etwaigem Rückfall notwendig wür<strong>de</strong>; es trat<br />

aber niemals ein Rückfall ein.<br />

Ein Mädchen <strong>von</strong> 8 Jahren hatte Schielen und Amblyopie seit Kin<strong>de</strong>stagen. R war S<br />

10/40, L 20/30. Gläser besserten nicht. Patient wur<strong>de</strong> 20 Fuß <strong>von</strong> einer Snellentafel hingesetzt<br />

und das schwächere Auge wur<strong>de</strong> be<strong>de</strong>ckt. Sie ward angewiesen, <strong>de</strong>n großen Buchstaben<br />

anzusehen und seine Deutlichkeit zu betrachten. Dann wur<strong>de</strong> sie angewiesen, 3 Fuß<br />

rückwärts <strong>von</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Karte zu sehen und zu beachten, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> große Buchstabe un<strong>de</strong>utlich<br />

wur<strong>de</strong>.<br />

Der Sehpunkt wur<strong>de</strong> nun näher und näher an <strong>de</strong>n Buchstaben gebracht, bis sie <strong>de</strong>n<br />

Umstand würdigte, daß ihr Sehen min<strong><strong>de</strong>r</strong> wur<strong>de</strong>, wenn sie auch nur wenige Zoll zur Seite<br />

schaute. Sah sie auf einen kleinen Buchstaben so vermin<strong><strong>de</strong>r</strong>te schon eine Abweichung <strong>von</strong><br />

weniger als einem Zoll das Sehen. Nach<strong>de</strong>m sie gelernt hatte, die Amblyopie <strong>de</strong>s besseren<br />

Auges zu steigern, so wur<strong>de</strong> dies be<strong>de</strong>ckt und sie wur<strong>de</strong> angewiesen, auch das Sehen <strong>de</strong>s<br />

an<strong><strong>de</strong>r</strong>n und schwächeren Auges durch Vermehrung <strong><strong>de</strong>r</strong> exzentrischen Fixation<br />

herabzusetzen, was in wenigen Minuten erreicht wur<strong>de</strong>. Es wur<strong>de</strong> ihr nun klar gemacht, daß<br />

die Ursache ihres Sehfehlers in <strong><strong>de</strong>r</strong> Gewohnheit lag, auf Gegenstän<strong>de</strong> mit einem Teil <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Netzhaut zu sehen, <strong><strong>de</strong>r</strong> seitwärts vom wahren Mittelpunkt <strong>de</strong>s Sehens lag. So sollte sie jetzt<br />

gera<strong>de</strong>aus die Snellentafel lesen. In weniger als einer halben Stun<strong>de</strong> wur<strong>de</strong> das Sehen <strong>de</strong>s<br />

linken Auges normal, während rechts <strong>von</strong> 10/40 zu 10/10 gebracht wur<strong>de</strong>. Die Kur war in zwei<br />

Wochen vollständig. - Noch einige und zum Teil komplizierte Fälle wer<strong>de</strong>n mitgeteilt. Die<br />

erfindungsreiche Naivität und Unabhängigkeit <strong>de</strong>s amerikanischen Augenarztes ist<br />

bewun<strong><strong>de</strong>r</strong>nswert!<br />

Kapitel 28<br />

Die Geschichte <strong>von</strong> Emily<br />

Die Wirksamkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Metho<strong>de</strong>, unvollständiges Sehen ohne Gläser zu heilen, hat sich in<br />

Tausen<strong>de</strong>n Fällen, nicht nur in meiner eigenen Praxis, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch <strong><strong>de</strong>r</strong>jenigen vieler<br />

Personen, <strong>von</strong> <strong>de</strong>nen ich gar nichts erfahren haben mag, bewährt; <strong>de</strong>nn fast alle Patienten,<br />

die geheilt wer<strong>de</strong>n, gehen zu weiteren Kuren für an<strong><strong>de</strong>r</strong>e vor. Eines abends sagte mir eine<br />

Dame, sie habe eine Anzahl meiner Patienten besucht; aber als sie <strong><strong>de</strong>r</strong>en Namen erwähnte,<br />

konnte ich mich keines <strong><strong>de</strong>r</strong>selben erinnern; <strong>de</strong>mnach sagte ich dies und sie fuhr fort: „Das<br />

kommt da<strong>von</strong>, daß Sie sie durch Vollmacht kuriert haben. Sie behan<strong>de</strong>lten we<strong><strong>de</strong>r</strong> Frau Jones,<br />

noch Frau Braun, aber Sie kurierten Frau Schmidt und diese heilte die an<strong><strong>de</strong>r</strong>n Damen. Sie<br />

heilten nicht Herrn und Frau Simpkins, o<strong><strong>de</strong>r</strong> Frau Simpkins Mutter und Bru<strong><strong>de</strong>r</strong>, aber Sie erinnern<br />

sich, Herrn Simpkins Sohn vom Schielen geheilt zu haben und er kurierte dann <strong>de</strong>n Rest <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Familie.“<br />

In Schulen, wo die Snellenkarte gebraucht wur<strong>de</strong>, um schlechtem Sehen<br />

vorzubeugen und es zu heilen, nahmen die Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>, nach<strong>de</strong>m sie selbst geheilt waren, oftmals<br />

die Praxis auf und behan<strong>de</strong>lten mit größtem Enthusiasmus und Erfolg ihre Mitschüler, Eltern<br />

und Freun<strong>de</strong>. Sie machten eine Art Spiel aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Ophthalmologie und überwachten mit<br />

größtem Interesse <strong>de</strong>n Fortschritt je<strong><strong>de</strong>r</strong> Klasse.<br />

An einem schönen hellen Tag herrscht dann große Freu<strong>de</strong>, weil die Kin<strong><strong>de</strong>r</strong> gut sehen;<br />

an trüben Tagen waltet entsprechen<strong>de</strong> Depression. Ein Mädchen kurierte 21 Kin<strong><strong>de</strong>r</strong> in 6<br />

Monaten. Ein an<strong><strong>de</strong>r</strong>es 12 in 3 Monaten, ein drittes entfaltete eine förmliche<br />

ophthalmologische Praxis und verrichtete Dinge, auf die ältere und erfahrene Praktiker hätten<br />

stolz sein können.<br />

47


Eines Tages fragte ich auf <strong>de</strong>m Schulweg <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s dieses nach seinem<br />

Sehrvermögen, welches sehr unvollkommen gewesen war. Sie antwortete, daß es nun recht<br />

gut sein und daß ihre Kopfschmerzen ganz vergangen seien. Ich prüfte ihr Sehen und fand es<br />

normal. Dann sprach ein an<strong><strong>de</strong>r</strong>es Kind, <strong>de</strong>ssen S auch sehr schlecht gewesen war, in unsere<br />

Unterhaltung: Ich sehe jetzt auch ganz gut; Emily kurierte mich (auf das erste Mädchen<br />

weisend). „Wirklich“, sagte ich; „wie machte sie das?“ Das zweite Mädchen erklärte nun, daß<br />

Emily ihr die Karte gelesen habe, welche sie auf Entfernung <strong>von</strong> wenig Fuß nicht hatte sehen<br />

können. Am nächsten Tag schob die kleine Lehrerin <strong>de</strong>n Gegenstand etwas weiter weg und<br />

so fort, so daß Patient bald, wie die an<strong><strong>de</strong>r</strong>n Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>, die Sache sehen konnte. Emily befahl ihr<br />

nun, das rechte Auge zu be<strong>de</strong>cken und die Karte nur links zu lesen. Bei<strong>de</strong> Mädchen fan<strong>de</strong>n<br />

jetzt zu ihrem Schreck, daß das unbe<strong>de</strong>ckte Auge anscheinend blind war. Der Schularzt<br />

wur<strong>de</strong> beraten und erklärte, nichts tun zu können, da das Auge blind sei <strong>von</strong> Geburt und<br />

keine Behandlung helfen wür<strong>de</strong>. Aber Emily ließ sich nicht schrecken; sie unternahm die<br />

Behandlung. Das gute Auge mußte geschlossen wer<strong>de</strong>n; ganz nahe <strong><strong>de</strong>r</strong> Karte zeigte sich<br />

dann, daß sie sogar kleine Buchstaben lesen konnte. Der kleine Praktiker war vertrauensvoll<br />

und nach vielen Monaten war <strong><strong>de</strong>r</strong> Patient in Besitz normalen Sehens in bei<strong>de</strong>n Augen. Der Fall<br />

war hochgradige Kurzsichtigkeit und <strong><strong>de</strong>r</strong> Schularzt, <strong><strong>de</strong>r</strong> kein Spezialist war, hatte <strong>de</strong>n<br />

Unterschied gegen wirkliche Blindheit übersehen.<br />

In <strong><strong>de</strong>r</strong>selben Klasse war auch ein kleines Mädchen mit angeborenem Star; aber bei<br />

meiner Anwesenheit dort war <strong><strong>de</strong>r</strong> Defekt bereits verschwun<strong>de</strong>n. Auch dies war scheinbar<br />

eine Folge <strong>von</strong> Emilys Wirksamkeit. Der Schularzt hatte erklärt, das nicht zu helfen sei, außer<br />

durch Operation; aber diese wur<strong>de</strong> nicht befürwortet, da das an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Auge gut war.<br />

Demnach nahm Emily die Sache in die Hand. Sie stellte die Patientin ganz nahe vor die Karte,<br />

aber - bei be<strong>de</strong>cktem gutem Auge - konnte nicht einmal das große C gesehen wer<strong>de</strong>n. Nun<br />

bewegte Emily die Karte zwischen Patient und Licht, wo dann auf 3 bis 4 Fuß eine<br />

unbestimmte Wahrnehmung erfolgte. Dann wur<strong>de</strong> die Entfernung vergrößert, bis auf 10 Fuß<br />

gesehen wur<strong>de</strong> und einige <strong><strong>de</strong>r</strong> größeren Buchstaben unbestimmt hervortraten. Endlich, nach<br />

6 Monaten, wur<strong>de</strong> sie fähig, die Karte auch mit <strong>de</strong>m schlimmen Auge zu lesen. Ich fand ihr<br />

Sehvermögen auf bei<strong>de</strong>n Seiten normal und sagte zu Emily: „Du bist ja ein großartiger Doktor,<br />

du machst dir alle untertan.“ Das Kind aber rief ohne weiteres: „Mamie, komm daher.“<br />

Mamie kam und ich sah nach ihren Augen, die nichts Abnormes hatten. „Ich heilte sie“,<br />

sagte Emily. „Von was?“ fragte ich. „Kreuzauge (Schielen)“, sagte sie. Mit wachsen<strong>de</strong>m<br />

Erstaunen fragte ich: „Wie?“ Sie beschrieb nun ihr Vorgehen ganz ähnlich <strong>de</strong>m in <strong>de</strong>n<br />

früheren Fällen. Sie hatte gefun<strong>de</strong>n, daß das Schielauge so gut wie blind war und so schien es<br />

ihr, daß man Mamie zuerst das Augenlicht wie<strong><strong>de</strong>r</strong>geben müsse und da sie nie etwas<br />

Aerztliches gelesen hatte, wußte sie nicht, das dies unmöglich war. Sie be<strong>de</strong>ckte Mamie das<br />

gute Auge und das an<strong><strong>de</strong>r</strong>e übte zu Hause und in <strong><strong>de</strong>r</strong> Schule, bis zuletzt das Sehen normal<br />

wur<strong>de</strong> und das Auge gera<strong>de</strong> stand. Der Schularzt hatte das Auge operieren wollen, aber<br />

glücklicherweise wollte Mamie nicht. So war sie <strong>de</strong>nn jetzt mit zwei völlig guten Augen da!<br />

„Noch etwas?“ forschte ich, als Mamies Fall erledigt war. Emily sagte: „Hier ist Rose. Sie<br />

hatte die ganze Zeit Plage mit <strong>de</strong>n Augen und konnte nichts sehen am schwarzen Brett.<br />

Immer wie<strong><strong>de</strong>r</strong> mußte sie zu Hause bleiben. Der Arzt gab ihr Gläser; aber diese nützten nichts<br />

und sie wollte sie nicht tragen. Auf Ihre Zusage, die Lesekarte wür<strong>de</strong> uns helfen, war ich<br />

geschäftig an ihr, erst ganz nahe, dann etwas ferner mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Karte; jetzt kann sie alles richtig<br />

sehen und ihr Kopf schmerzt nicht mehr. Sie kommt je<strong>de</strong>n Tag in die Schule und wir danken<br />

Ihnen alle sehr.“<br />

Solche Geschichten könnten unglaublich vermehrt wer<strong>de</strong>n. Emilys erstaunliche<br />

Leistungen mögen wohl nicht verdoppelt wer<strong>de</strong>n, aber wenige be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong> Kuren waren<br />

sehr zahlreich. Sie zeigen, daß die Wohltaten <strong><strong>de</strong>r</strong> Metho<strong>de</strong> vorbeugend und heilend<br />

Sehfehler zu beseitigen, auch für die Schulen sehr weitgreifend sind. Nicht nur<br />

Brechungsfehler wer<strong>de</strong>n geheilt, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch ernstere Defekte und nicht nur Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>n wur<strong>de</strong><br />

geholfen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch Familien und Freun<strong>de</strong>n. -<br />

Der Amerikanismus zeigt uns älteren Europäern im allgemeinen kein sympathisches<br />

Gesicht; um so wohltuen<strong><strong>de</strong>r</strong> empfin<strong>de</strong>t es <strong><strong>de</strong>r</strong> Urheber dieser Skizzen, daß in <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeit <strong>von</strong> Dr.<br />

Bates unverschleierte Ursprünglichkeit einer großen wissenschaftlichen Leistung uns<br />

entgegentritt. Er so befähigt ist, an <strong><strong>de</strong>r</strong> Quelle alles Guten zu schöpfen und so frei ist <strong>von</strong><br />

unbrü<strong><strong>de</strong>r</strong>licher Gesinnung und <strong>de</strong>m gewöhnlichen Vorteilsgeist, <strong><strong>de</strong>r</strong> gehört einer Nation an,<br />

48


die auch noch mehr Gutes in ihrem Schoß bringt und <strong>von</strong> welcher sich die Zukunft <strong><strong>de</strong>r</strong><br />

Menschheit Hel<strong>de</strong>n zu ihrer Führung erhoffen darf!<br />

49

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