Fortschritte der Homöopathie - Kathrin-von-basse.de
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<strong>Fortschritte</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Homöopathie</strong><br />
in Lehre und Praxis<br />
Frem<strong>de</strong> und eigene Beiträge<br />
<strong>von</strong><br />
E. Schlegel<br />
Arzt in Tübingen<br />
Nebst Anhang:<br />
Mo<strong><strong>de</strong>r</strong>ne Bewegungen in <strong><strong>de</strong>r</strong> Ophthalmologie<br />
1928
Inhalt<br />
Inhalt .......................................................................................................................................................... 2<br />
Vorwort ...................................................................................................................................................... 3<br />
Vorwort <strong>de</strong>s Kopisten............................................................................................................................... 3<br />
Autohämie nach D r . R o g e r s in Chicago ........................................................................................ 4<br />
Abhandlung <strong>von</strong> D r . W h e e l e r über eine neue Theorie <strong><strong>de</strong>r</strong> chronischen Krankheiten........ 10<br />
Die autogenen Vakzine und ihre Beziehung zu chronischer Krankheit......................................... 22<br />
„Welche Unterlagen gibt es, um zu beweisen, daß Arzneimittel die natürlichen<br />
Heilungsvorgänge unterstützen?“....................................................................................................... 32<br />
Anhang - Mo<strong><strong>de</strong>r</strong>ne Bewegungen in <strong><strong>de</strong>r</strong> Augenheilkun<strong>de</strong>............................................................. 41<br />
2
Vorwort<br />
Der Titel dieses kleinen Buches ist versprechend: F o r t s c h r i t t e d e r<br />
H o m ö o p a t h i e . Viele wer<strong>de</strong>n da zuerst an die Ausbreitung <strong><strong>de</strong>r</strong> Hahnemannschen Lehre<br />
und Praxis <strong>de</strong>nken, daß wir in <strong><strong>de</strong>r</strong> ganzen Welt und in Deutschland weitere Berufsgenossen<br />
gefun<strong>de</strong>n haben, die sich mit <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Homöopathie</strong> befreun<strong>de</strong>ten und sie ausüben, ferner, daß<br />
Professor A. Bier sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Sache zugewandt habe und daß sie dadurch be<strong>de</strong>utend<br />
gewonnen habe. Doch, diese Umstän<strong>de</strong> schweben <strong>de</strong>m Verfasser nicht vor. Es ist wahr, daß<br />
allmählich mehr Aerzte für Hahnemann gewonnen wur<strong>de</strong>n, auch haben sich in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Oeffentlichkeit verbreiteter Blätter Kontroversen vollzogen, bei welchen hervorragen<strong>de</strong><br />
Physiker, Chemiker und Aerzte sich auf das Eis <strong><strong>de</strong>r</strong> Grenzgebiete gewagt haben und<br />
insbeson<strong><strong>de</strong>r</strong>e A u g u s t B i e r hat das Verdienst, nicht allein die homöopathischen Grundsätze<br />
für <strong><strong>de</strong>r</strong>en Wirkungsbereich anerkannt zu haben son<strong><strong>de</strong>r</strong>n er tat mehr. Er trat selbst bereichernd<br />
für die <strong>Homöopathie</strong> ein und fand im A e t h e r , <strong>de</strong>n er vor <strong><strong>de</strong>r</strong> Narkose vorbeugend gegen<br />
Bronchitis anwandte, ein wertvolles Mittel auf Grund <strong><strong>de</strong>r</strong> homöopathischen Gedankengänge.<br />
Jedoch dies alles hätte <strong>de</strong>n Herausgeber nicht veranlaßt, in großzügiger Ankündigung <strong>von</strong><br />
<strong>Fortschritte</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Homöopathie</strong> zu re<strong>de</strong>n. Es waren vielmehr die Anregungen <strong>de</strong>s Londoner<br />
Weltkongresses, Juli 1927, die ihn bestimmten, gegenwärtige Veröffentlichungen zu wagen,<br />
weil er bemerkte, daß aus <strong>de</strong>m Schoße <strong><strong>de</strong>r</strong> Hahnemannschen Lehren selbst soviel Neues und<br />
Entwicklungsfähiges erwachsen war, daß es sich lohnte, darauf hinzuweisen. Er geht hier nicht<br />
darauf ein, daß gemäß <strong>de</strong>n alten Grundsätzen mit Mut und Tatkraft an schwere<br />
Krankheitszustän<strong>de</strong>, wie Krebs 1 , herangetreten wird. Er durfte dort in London eine kräftige<br />
Unterstützung seiner eigenen Bestrebungen durch die selbständige Tätigkeit englischer<br />
Kollegen erfahren. - Nein, dies ist es immer noch nicht, was bestimmend war für <strong>de</strong>n<br />
Ueberblick, <strong>de</strong>n ich hier geben will; es ist vielmehr das Schmie<strong>de</strong>n neuer Waffen, neuer<br />
Heilmittel, daß ihm verheißungsvoll entgegentrat und welches seitens <strong><strong>de</strong>r</strong> homöopathischen<br />
Kollegen <strong>von</strong> ausgezeichneter wissenschaftlicher Einsicht getragen wird. Demnach ist es Zeit,<br />
hierauf aufmerksam zu machen; dazu kommt, daß ich selbst einige theoretische Arbeiten<br />
anzubieten habe, welche im zum Teil in <strong>de</strong>n Text verflechte und dann noch am Schlusse<br />
anbringe. -<br />
Man könnte <strong>von</strong> einem allmählichen Heraufarbeiten <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Homöopathie</strong> in <strong>de</strong>n letzten<br />
50 Jahren re<strong>de</strong>n und es gäbe dies ein fruchtbares Thema für <strong>de</strong>n Geschichtsschreiber einer<br />
etwas späteren Zeit. Ich bin glücklich, daß das Geburtsland Hahnemanns, daß unser<br />
Deutschland sich daran in erfolgreicher Weise beteiligt hat, als für jetzt allgemein eingesehen<br />
wer<strong>de</strong>n kann. Das wird sich später noch mehr herausstellen, als wir es jetzt wahrnehmen.<br />
Doch für heut beabsichtige ich die Aufmerksamkeit auf zwei Werke englischer bzw.<br />
amerikanischer Herkunft zu lenken, die <strong>de</strong>m praktischen und theoretischen Fortschritt gerecht<br />
wer<strong>de</strong>n und berufen erscheinen, Kranke erfolgreich zu för<strong><strong>de</strong>r</strong>n und <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Homöopathie</strong><br />
Freun<strong>de</strong> zuzuführen.<br />
Vorwort <strong>de</strong>s Kopisten<br />
In <strong><strong>de</strong>r</strong> Hoffnung, daß dieses Buch <strong>de</strong>n heutigen Homöopathen Einblicke in die Arbeit<br />
Schlegels und vor allem Bachs verschafft, habe ich mich an die Aufgabe gemacht, das Werk<br />
zu kopieren.<br />
Alle Schreibweisen <strong>de</strong>s Originals <strong>von</strong> 1928 sind übernommen wor<strong>de</strong>n außer einem<br />
Absatzfehler.<br />
Die I<strong>de</strong>e Schlegels, in einem Buch homöopathische und an<strong><strong>de</strong>r</strong>e ungewöhnliche<br />
Heilmetho<strong>de</strong>n zusammenzufassen, hat mich fasziniert und zeigt, daß auch <strong><strong>de</strong>r</strong> gestan<strong>de</strong>ne<br />
Homöopath neue Wege zur Heilung beschreiten kann, wenn sie <strong>de</strong>m homöopathischen<br />
Gedanken nicht wi<strong><strong>de</strong>r</strong>sprechen.<br />
1 S. m. Buch „Die Krebskrankheit“, Stuttgart, Hippokratesverlag, 1927.<br />
Zu <strong>de</strong>m zweiten Hauptabschnitt über die patholog. und therapeut. Be<strong>de</strong>utung <strong><strong>de</strong>r</strong> Darmflora erlaube ich mir hier<br />
vorn die Bemerkung, daß ich die <strong>von</strong> einem an<strong><strong>de</strong>r</strong>n Gesichtspunkt ausgehen<strong>de</strong>n Arbeiten <strong>de</strong>s physiol. Chemikers Dr.<br />
Kusserow (Gärungsinstitut Sachsenhausen, Mark) ebenfalls für wichtig halte.<br />
3
Autohämie nach D r . R o g e r s in Chicago<br />
In einem amerikanischen Buche „Auto-Hemic-Therapy Science. L. D. Rogers, M. D.“ 3.<br />
Auflage. Auto-h.-Th. Foundation press. Chicago, 1922 fin<strong>de</strong>n wir wissenschaftliche<br />
Grundlagen und Erfolge genug, um es als eine Art Markstein im Gebiete <strong><strong>de</strong>r</strong> Therapie zu<br />
betrachten. Zwar kann <strong><strong>de</strong>r</strong> Autor nur <strong>von</strong> sich sagen, daß er die wissenschaftlichen Arbeiten<br />
an<strong><strong>de</strong>r</strong>er zusammengestellt und wie Blumen zu einem Kranze gewun<strong>de</strong>n habe; er hat dies<br />
aber mit weitem sachverständigem Blick auf <strong>de</strong>m Wege langer Studien getan, so daß seine<br />
Arbeit wirklich etwas Umfassen<strong>de</strong>s ist und be<strong>de</strong>utet.<br />
Die Auto-Hemic-Therapy besteht darin, daß <strong>de</strong>n Patienten einige Tropfen Blut<br />
entnommen wer<strong>de</strong>n, die einer Bebrütung und Verdünnung unterworfen wer<strong>de</strong>n, um dann<br />
nach einem Tag <strong>de</strong>mselben Individuum wie<strong><strong>de</strong>r</strong> eingespritzt zu wer<strong>de</strong>n. Die Erfolge sollen bei<br />
chronisch Kranken leiblicher und geistiger Art ganz hervorragend sein. Lei<strong><strong>de</strong>r</strong> ist im Buch<br />
nirgends die genaue technische Prozedur angegeben; vielleicht macht <strong><strong>de</strong>r</strong> Verfasser diese<br />
Mitteilung <strong>von</strong> einem beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en Honorar abhängig, wie in Amerika üblich.<br />
Das Problem dieser Therapie ist theoretisch so ergiebig, daß wir uns weithin darüber<br />
verbreiten könnten, und es wür<strong>de</strong> sich lohnen <strong>von</strong> <strong>de</strong>m Gesichtspunkt aus, daß die<br />
Autohämiebehandlung schon ziemlich bekannt ist und auch bei uns geübt wird, wohl nicht<br />
immer zusammenhängend mit <strong><strong>de</strong>r</strong> speziellen Rogers Metho<strong>de</strong>; es versteht sich ja, daß die<br />
Erfolge <strong><strong>de</strong>r</strong> Reizkörpertherapie und die Beobachtungen einer ganz urwüchsigen<br />
Autohämiebehandlung, wie sie gelegentlich Wahrnehmungen nach subkutanen o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
an<strong><strong>de</strong>r</strong>n Verletzungen entstammen kann, diesen therapeutischen Kunstgriff nahe legen. Wir<br />
wollen uns bei <strong>de</strong>n sich aufdrängen<strong>de</strong>n isopathischen und homöopathischen<br />
Gedankengängen nicht aufhalten, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n kurz auf die Darlegung <strong>von</strong> Rogers eingehen,<br />
weil gera<strong>de</strong> sie nicht nur <strong>von</strong> allgemein wissenschaftlichem Geiste getragen sind, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
auch Verständnis für die <strong>Homöopathie</strong> haben. Der Autor war auf unserem Londoner Kongreß<br />
1927 persönlich anwesend. Er versichert zunächst, daß je<strong><strong>de</strong>r</strong>mann seine eigene Apotheke mit<br />
sich herumtrage - i n s e i n e m B l u t e . Mit dieser Apotheke läßt sich viel ausrichten; sogar<br />
angeborene Defekte, geistig und körperlich, lassen sich um volle 50% vermin<strong><strong>de</strong>r</strong>n durch<br />
Vorbehandlung <strong><strong>de</strong>r</strong> Mutter und <strong>de</strong>m Kin<strong>de</strong> können in vielen Fällen 25% mehr Resistenz- und<br />
Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>standsfähigkeit mitgegeben wer<strong>de</strong>n. Wenn auch diese Abschätzungen amerikanisch<br />
anmuten, wo wollen wir doch <strong>de</strong>m Autor, <strong><strong>de</strong>r</strong> zweifellos viele Erfolge gesehen hat, das Recht<br />
nicht bestreiten, sie <strong><strong>de</strong>r</strong>art zu bestimmen.<br />
Die wissenschaftliche Auseinan<strong><strong>de</strong>r</strong>setzung ist sehr eingehend und beschäftig sich<br />
beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s mit <strong>de</strong>n Eigenschaften <strong>de</strong>s Proteins, o<strong><strong>de</strong>r</strong> Eiweißes, <strong>de</strong>m kolloidalen Stoff, <strong>de</strong>ssen<br />
individuelle Eigenart im menschlichen Organismus eine so entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> pathologische Rolle<br />
spielen kann, bekanntlich hochkomplizierte Stoffe, <strong><strong>de</strong>r</strong>en Abbau (in <strong>de</strong>n Nahrungsmitteln)<br />
und <strong><strong>de</strong>r</strong>en erneuter Aufbau in <strong>de</strong>n verdauen<strong>de</strong>n Organismen eine Hauptbetätigung <strong>de</strong>s<br />
Lebens darstellt.<br />
Wie bekannt, wird das sehr große Eiweißmolekül bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Verdauung aufgespalten,<br />
zuerst in Peptone und sodann in weitere Stufen, zuletzt in Aminosäuren, die alle Karboxyl<br />
enthalten, sonst aber stark verschie<strong>de</strong>n zusammengesetzt sind. Sie sind Krystalloi<strong>de</strong> und<br />
können unter <strong>de</strong>m Mikroskop i<strong>de</strong>ntifiziert wer<strong>de</strong>n. Sie haben sehr verschie<strong>de</strong>ne Funktionen in<br />
Ernährungs- und Wachstumsfähigkeit. Hier fin<strong>de</strong>n sie ihren Platz als Bausteine; gelangen aber<br />
ihre Vorstufen, nämlich Peptone o<strong><strong>de</strong>r</strong> Polypepti<strong>de</strong>, in die Zirkulation, so wird <strong><strong>de</strong>r</strong> ganze Betrieb<br />
gestört und kann unter Umstän<strong>de</strong>n in schwerster akutester Weise erkranken. Aber auch<br />
chronische Zustän<strong>de</strong> können durch das Eintreten unvollständig verdauten Proteins in die<br />
Zirkulation verursacht wer<strong>de</strong>n: man kennt diese Krankheiten als Ekzeme, Psoriasis, Asthma,<br />
Heufieber. Unter <strong>de</strong>n akuten Krankheiten sind die gewöhnliche Indigestion, Kopfschmerzen,<br />
Ptomainvergiftungen, Autointoxikationen. Nur die Aminosäuren sind zulässig; ihr Ueberfluß<br />
wird vorerst in Leber und Muskeln aufgespeichert. Aus <strong>de</strong>n Aminosäuren baut sich wie<strong><strong>de</strong>r</strong> das<br />
Protein auf; aus 18 Einheiten jener Säuren können Billionen verschie<strong>de</strong>ner und individuell<br />
verschie<strong>de</strong>ner Eiweißarten hervorgehen. Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s haben die Arten <strong><strong>de</strong>r</strong> Lebewesen<br />
beträchtlich viele verschie<strong>de</strong>ne Proteine, so daß dieselben fremdartige bleiben, wenn sie<br />
andren Arten einverleibt wer<strong>de</strong>n, ohne auf <strong>de</strong>m Dauungswege vorher abgebaut wor<strong>de</strong>n zu<br />
sein. Es ist nun ein wichtiges Lebensgesetz, daß in <strong>de</strong>n Kreislauf gekommenes (injiziertes)<br />
frem<strong>de</strong>s Protein zu Bildung eines Ferments anreizt, welches genau jene Art frem<strong>de</strong>s Protein<br />
verdaut, d. h. abbaut. Je<strong>de</strong> andre Art wird da<strong>von</strong> nicht bewältigt. Hühnerblut wird also im<br />
4
Kaninchen ein Ferment herausfor<strong><strong>de</strong>r</strong>n, welches nur wie<strong><strong>de</strong>r</strong> Hühnerblut abbaut. Weitere<br />
Beobachtungen, die sich hier anschließen, zeigen unvermutete Folgen dieser Spezifität. Wird<br />
ein Bruchteil <strong>von</strong> einem Tropfen Pfer<strong>de</strong>blut einem Meerschweinchen eingespritzt, so erzeugt<br />
er Fermente, die Pfer<strong>de</strong>blut abbauen, eine Eigenschaft, die in 10 - 12 Tagen ihren Höhepunkt<br />
erreicht hat. Wird nun - wie<strong><strong>de</strong>r</strong> einige Tage später - eine zweite kleine Dosis Pfer<strong>de</strong>blut<br />
eingespritzt, so geht das Meerschweinchen meist in einer halben Stun<strong>de</strong> mit Tod ab. Man<br />
nimmt an, daß durch das vorhan<strong>de</strong>ne Ferment zu massenhaft Gifte befreit wur<strong>de</strong>n, welche<br />
im fremdartigen Eiweiß gebun<strong>de</strong>n sind. Sobald diese durch <strong>de</strong>n Abbauvorgang aus <strong>de</strong>m<br />
früheren Verband heraustreten, wird es gewissermaßen zum Wildtier, da sich vom Käfig frei<br />
fühlt. Auch die eigenen (nicht bloß die artfrem<strong>de</strong>n) Spaltstücke <strong>de</strong>s Protein können zu Giften<br />
wer<strong>de</strong>n, sobald unser Eiweiß durch Hitze, chemische o<strong><strong>de</strong>r</strong> bakterielle Einwirkung abnorm<br />
gewor<strong>de</strong>n ist. Es verhält sich dann als frem<strong>de</strong>s Protein und kann ebenfalls Fermente<br />
hervorrufen, welche bestimmt sind, die Substanzen wie<strong><strong>de</strong>r</strong> zu bewältigen, die es hervorriefen,<br />
und k e i n e a n d e r e n .<br />
Dieser Gedanke <strong><strong>de</strong>r</strong> Spezifität muß festgehalten wer<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>nn an ihn appelliert das<br />
Verständnis, wenn wir diese Vorgänge im Licht <strong><strong>de</strong>r</strong> Isopathie und <strong>Homöopathie</strong> ausnützen<br />
wollen. Alles schlechte und kranke Eiweiß ist eigentlich frem<strong>de</strong>s Eiweiß und wir sehen nun<br />
schon, wie die Natur arbeitet, um ihm beizukommen: sie ist so eingerichtet, daß die bloße<br />
Anwesenheit Abbaufermente herausfor<strong><strong>de</strong>r</strong>t. Demnach ist unser innerer Organismus stets an<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeit, in beson<strong><strong>de</strong>r</strong>er Weise seine Störungen, welche sich schließlich im<br />
Proteinstoffwechsel materialisieren müssen, wie<strong><strong>de</strong>r</strong> zu beseitigen. Die “innere Apotheke“, wie<br />
das <strong>von</strong> P a r a c e l s u s vorwegnehmend schon genannt wur<strong>de</strong>, ist eine Einrichtung, welche<br />
einen ganzen Organismus und beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s auch <strong>de</strong>ssen innere Sekretion in Dienst stellt, um,<br />
je<strong><strong>de</strong>r</strong>zeit in spezifischer Weise abzuhelfen und das Leben wie<strong><strong>de</strong>r</strong> gesundheitlich freizustellen.<br />
Es gibt nun sehr verschie<strong>de</strong>ne Metho<strong>de</strong>n, dieses chemische Spiel im Interesse <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Gesundwerdung zu erhöhen; so liegt es nahe, die Reizkörpertherapie hier anzuführen, welche<br />
entwe<strong><strong>de</strong>r</strong> frem<strong>de</strong>s Eiweiß, Z. B. Kasein, o<strong><strong>de</strong>r</strong> auch chemische Elemente, die an allen<br />
Eiweißmolekülen anklopfen, wie Schwefel, o<strong><strong>de</strong>r</strong> Kieseler<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n Kreislauf zu bringen. Dieses<br />
Verfahren erregt Tumult, Fieber und verstärkte Abwehr <strong>de</strong>s Organismus; die Aufgabe wäre<br />
aber, unter Schonung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kräfte nur das beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>liche, das Spezifische zu tun und<br />
nicht eine allgemeine Revolution zu machen. Da fügt sich nun gleich die<br />
H a h n e m a n n s c h e <strong>Homöopathie</strong> ein: sie benützt das Naturbild <strong>de</strong>s gesamten<br />
Krankheitszustan<strong>de</strong>s, um eine Energie ausfindig zu machen, welche die Abwehr genau und<br />
sparsam nach <strong>de</strong>m Bedürfnis <strong><strong>de</strong>r</strong> energetischen Lage gestaltet. Mit an<strong><strong>de</strong>r</strong>n Worten: sie erregt<br />
<strong>de</strong>n Kranken noch einmal genau mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Affinität <strong><strong>de</strong>r</strong> gera<strong>de</strong> wirksamen Störungsursache und<br />
trifft damit diejenige Einrichtung, welche das abbauen<strong>de</strong> Ferment schafft, das hier<br />
notwendig ist. So paßt sich das Verständnis <strong><strong>de</strong>r</strong> Ähnlichkeitsbeziehung auch dieser<br />
naturwissenschaftlichen Betrachtung an, wie sie <strong>de</strong>nn überall zu Hause ist, wo<br />
zusammenhängen<strong>de</strong> Beobachtungen über Gesundheit und Krankheit gemacht wer<strong>de</strong>n.<br />
Nun ist es auch klar, wie die Autohämie unter diesem Gesichtspunkt wirkt: Die<br />
Erhöhung und Verdünnung <strong>de</strong>s Stoffes (<strong>de</strong>s Eigenblutes) wird <strong>von</strong> Rogers dazu benutzt, die<br />
Wirksamkeit zu steigern. Er macht sich dadurch die Ent<strong>de</strong>ckung Hahnemanns pflichtig. Er führt<br />
unter dieser höheren Ausbildung <strong>de</strong>s Verfahrens die Fermente <strong>de</strong>s Blutes wie<strong><strong>de</strong>r</strong> in <strong>de</strong>n<br />
gleichen Organismus ein und nicht nur die gera<strong>de</strong> angemessenen Fermente, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch<br />
die Proteinarten falscher Geltung, welche die Fermente spezifisch herausfor<strong><strong>de</strong>r</strong>n, so daß eine<br />
Gewähr besteht <strong>de</strong>s Zusammenhangs dieser Therapie mit <strong>de</strong>n erwiesenen Gesetzen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Physiologie und Pathologie auf <strong>de</strong>n genannten Gebieten. Rogers leistet aber auf <strong><strong>de</strong>r</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
Seite auch <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Homöopathie</strong> Hahnemanns einen großen Dienst: er <strong>de</strong>monstriert eine nahe<br />
liegen<strong>de</strong> therapeutische Ableitung <strong><strong>de</strong>r</strong> Aehnlichkeitsbeziehung durch Erfolge und durch<br />
Ausbildung einer brauchbaren Heilmetho<strong>de</strong>.<br />
O<strong><strong>de</strong>r</strong> sollten wir die letztere ohne Umstän<strong>de</strong> als isopathisch bezeichnen? In Wahrheit<br />
hat keine an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Abart <strong><strong>de</strong>r</strong> Therapie mehr Anspruch auf diese Feststellung. Hier wird - um es<br />
ohne beirren<strong>de</strong> Abstraktionen zu sagen - genau d a s s e l b e Leben wie<strong><strong>de</strong>r</strong> eingesetzt, um ein<br />
abgeirrtes Leben zurechtzubringen. Die Kombination beabsichtigt keine Aen<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s<br />
entnommenen Blutes, nur eine erhöhte Agilität und so wird es wie<strong><strong>de</strong>r</strong> transplantiert und<br />
vermag edlere Frucht zu bringen, als zuvor. Wir wollen uns nicht auf Spitzfindigkeiten einlassen,<br />
sonst könnte man feststellen, daß <strong><strong>de</strong>r</strong>selbe Mann nicht zweimal in <strong>de</strong>n gleichen Strom steigen<br />
kann: das Blut <strong>von</strong> gestern wäre also nicht mehr dasselbe, wie das heutige, wo es erneut<br />
5
injiziert wird; die Metho<strong>de</strong> sei also keine Isopathie, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n sie arbeite nur mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Aehnlichkeit,<br />
sie sei homöopathisch. Nun gut, wir treiben keinen Dogmatismus; bei<strong>de</strong> Auffassungen sollen<br />
recht haben; je<strong>de</strong>nfalls ist sie aber individuell und spezifisch; sie erfüllt die strengsten<br />
Anfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen, wenn wir nur zugeben, daß Aehnlichkeitstherapie sich auch in an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Weise<br />
auswirke, als ursprünglich <strong>von</strong> Hahnemann geplant und erfaßt wur<strong>de</strong>. Wir dürfen nicht<br />
zweifeln, daß das Blut auch wirklich die ihm in <strong><strong>de</strong>r</strong> Metho<strong>de</strong> gewor<strong>de</strong>ne Aufgabe erfüllen<br />
könne. Je<strong>de</strong>s Blutkörperchen, in Wahrheit je<strong>de</strong> leben<strong>de</strong> Zelle <strong>de</strong>s tierischen Organismus hat<br />
ein Ferment, o<strong><strong>de</strong>r</strong> Enzym, welches nur auf die Gelegenheit wartet, das Protein <strong><strong>de</strong>r</strong> Zelle zu<br />
verdauen. In allen Fällen <strong>von</strong> schwerer Zellschädigung haben jene Stoffe die Aufgabe, mit<br />
<strong>de</strong>n Trümmern aufzuräumen und sie sind es z. B., welche die Lungen nach einer Pneumonie<br />
wie<strong><strong>de</strong>r</strong> klären.<br />
Haben wir schon bei <strong><strong>de</strong>r</strong> einfacheren Metho<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Autohämie, wie sie auch in<br />
Deutschland vielfach geübt wird, z. B. <strong>von</strong> Geh.-Rat N o u r n e y und an<strong><strong>de</strong>r</strong>en, die sie bei fast<br />
allen Krankheiten, zumal auch <strong>de</strong>n venerischen, anwen<strong>de</strong>n, ganz zweifellose Heilerfolge, so<br />
dürften sich diese bei Rogers wesentlich erhöhen.<br />
Gera<strong>de</strong> während dieser Aufsatz geschrieben wird, fin<strong>de</strong> ich in Nr. 46 <strong><strong>de</strong>r</strong> Med. Welt<br />
1927 eine Mitteilung über Autohämotherapie bei S c h i z o p h r e n i e , wobei in 71 Fällen eine<br />
gröbliche Metho<strong>de</strong> mit öfteren massenhaften Einspritzungen versucht wur<strong>de</strong>; die Injektionen<br />
wur<strong>de</strong>n je<strong>de</strong>n dritten Tag ausgeführt. Da Rogers nur kleine Teile eines Tropfens zurück gibt und<br />
erst nach Monaten w i e d e r h o l t , so erblicke ich in diesen Gegensätzen die Auffor<strong><strong>de</strong>r</strong>ung,<br />
diese Therapie sorgfältig auf ihre Feinheit auszubil<strong>de</strong>n und beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s auch die Anregungen<br />
<strong>de</strong>s Organismus nicht unnötig zu wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holen, was nur eine Störung <strong><strong>de</strong>r</strong> biologischen<br />
Gesetzmäßigkeiten zur Folge haben könnte. Ich hoffe, daß diese kurze Darstellung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
praktischen und theoretischen Linien jener Therapie manchen Kollegen zum Versuche<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>selben auffor<strong><strong>de</strong>r</strong>n wer<strong>de</strong>n.<br />
Wir könnten nun dieses Thema unserer Betrachtungen verlassen: das Buch <strong>von</strong> Rogers<br />
bietet aber noch viel Interessantes, daß ich nicht ermangeln möchte, noch mehreres <strong>von</strong> rein<br />
wissenschaftlichem Interesse anzuführen.<br />
Protein ist <strong><strong>de</strong>r</strong> einzige N-haltige Bestandteil unserer Nahrung. Das Molekulargewicht<br />
<strong>de</strong>s Eiweißes bewegt sich etwa zwischen 10.000 und 17.000. Die einfachste Formel, die aus<br />
Analysen berechnet wur<strong>de</strong>, gilt für Oxyhämoglobin und lautet auf C658H1181N207S2Fe210. Von<br />
Amerikanern hat Prof. L o e b in Chicago an solchen Forschungen aktiven Anteil genommen;<br />
im übrigen beruhen sie auf <strong>de</strong>n Arbeiten <strong>von</strong> E m i l F i s c h e r in Berlin. - Die wichtigste Klasse<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Dekompositionsprodukte <strong>de</strong>s Eiweißes sind die Aminosäuren. Ihre Eigenschaften hängen<br />
ab <strong>von</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Anwesenheit <strong><strong>de</strong>r</strong> COOH- und <strong><strong>de</strong>r</strong> NH2-Gruppe. Trotz größter Verschie<strong>de</strong>nheit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Proteinarten sind die primären Abbauprodukte stets die gleichen. Diese Bausteine wer<strong>de</strong>n<br />
wie<strong><strong>de</strong>r</strong> zusammengesetzt in <strong>de</strong>n Zellen <strong>de</strong>s aufbauen<strong>de</strong>n Organismus, um hier das<br />
angemessene neue Protein zu bil<strong>de</strong>n; sie sind <strong>de</strong>mnach <strong>von</strong> erster Wichtigkeit im tierischen<br />
Haushalt. Chemisch verhalten sie sich zum Eiweißmolekül wie die Dextrine zur Stärke. Letztere<br />
spaltet sich ähnlich auf und erzeugt in <strong><strong>de</strong>r</strong> Hydrolyse verschie<strong>de</strong>ne Zuckerarten (bekanntlich<br />
alles stickstofffreie Stoffe im Gegensatz zum Protein). Aus <strong>de</strong>n Aminosäuren wer<strong>de</strong>n beim<br />
Ernährungsvorgang die Pepti<strong>de</strong> aufgebaut, die schon <strong>de</strong>m komplexen Eiweiß näher stehen.<br />
Während die Aminosäuren noch kristallinische Körper sind, die leicht durch Membrane<br />
gehen, wer<strong>de</strong>n die höheren Stufen schwerer diffusibel und ausgesprochen kolloid. Künstliche<br />
Zusammensetzungen bis 18 Aminosäuren wur<strong>de</strong>n <strong>von</strong> E. Fischer erhalten und das Produkt<br />
zeigte schon stark Annäherung an das natürliche Eiweiß. Der A b b a u <strong><strong>de</strong>r</strong> Aminosäuren im<br />
Organismus geht über das Ammoniakstadium, wo durch Kohlensäure ein neutrales Salz<br />
gebil<strong>de</strong>t wird, das in Harnstoff übergeht; <strong><strong>de</strong>r</strong> geringere Anteil <strong>von</strong> Chlorammonium wird<br />
ebenfalls mit <strong>de</strong>m Urin ausgeschie<strong>de</strong>n. Im Eiweißmolekül sind Aminosäuren mit einem Nukleus<br />
enthalten, <strong><strong>de</strong>r</strong> zur aromatischen Gruppe gehört: Tyrosin, Phenylamin und Tryptophan.<br />
Die im Darmkanal gefun<strong>de</strong>nen Stoffe Phenol, Parakresol, ferner Derivate <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Essigsäure und Propionsäure stammen vom Tyrosin ab. Indol und Skatol kommen vom<br />
Tryptophan her, <strong>von</strong> welchen wie<strong><strong>de</strong>r</strong> das Indikan abstammt. Indolausscheidung, leicht im Urin<br />
nachzuweisen, gibt <strong>de</strong>n Maßstab für intestinale Fäulnisvorgänge. Indol zeigt leichte<br />
Vergiftungserscheinungen mit <strong>de</strong>m Bil<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Neurasthenie; seine fortgesetzte Einverleibung<br />
reizt stark die Nebennieren, als Beweis dafür, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Organismus Mühe hat, durch endokrine<br />
Stoffe das Gleichgewicht wie<strong><strong>de</strong>r</strong> herzustellen. Auch zum Hyperthyreoidismus hat Indol<br />
Beziehungen. Tyrosin seinerseits ist wahrscheinlich eine stoffliche Vorstufe <strong>de</strong>s Adrenalin und<br />
6
wenn es im Ileum durch bakterielle Tätigkeit zerstört wird, so folgt eine Verkürzung am Material<br />
für das so wichtige Epinephrin. -<br />
Wir bemerken bei diesen An<strong>de</strong>utungen Zusammenhänge mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Pathologie <strong>de</strong>s<br />
Eiweißes und wer<strong>de</strong>n die ungeheure Mannigfaltigkeit an Kombinationen begreifen, die sich<br />
einerseits stofflich ausprägen, andrerseits in Krankheitsbil<strong><strong>de</strong>r</strong>n. Dies wird niemals so weit zu<br />
klären sein, daß die Theorie für <strong>de</strong>n gelten<strong>de</strong>n Einzelfall zureicht; aber wir haben durch<br />
Kunstgriffe in <strong><strong>de</strong>r</strong> Praxis Zugang zu allen Verborgenheiten. Nehmen wir das<br />
Aehnlichkeitsgesetz, so han<strong>de</strong>ln wir mit Naturbil<strong><strong>de</strong>r</strong>n für ärztliche Zwecke, als wären sie erklärt,<br />
in<strong>de</strong>m wir <strong>de</strong>n Vorgängen einen homologen Anreiz unterschieben, <strong><strong>de</strong>r</strong> ihren Ablauf zur<br />
Gesundheit biologisch beschleunigt; nehmen wir die Automämie-Therapie, so bringen wir<br />
gera<strong>de</strong> die <strong>de</strong>m individuellen Prozeß zugehörigen Anregungsmittel als neuen Reiz ins Blut und<br />
beschleunigen o<strong><strong>de</strong>r</strong> erhöhen ebenfalls die Genesungsmöglichkeiten ganz adäquat <strong>de</strong>n<br />
Naturvorgängen. Gehen wir zu <strong><strong>de</strong>r</strong> gröblichen Metho<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Reiztherapie mo<strong><strong>de</strong>r</strong>ner Art über,<br />
so entfesseln wir selbst auf diese plumpe Weise einen Strom, welcher unter Umstän<strong>de</strong>n<br />
ebenfalls mitreißt, was sich an stofflichen Lebenshemmungen angesammelt hat.<br />
In <strong>de</strong>m hochkomplizierten Proteinmolekül sind stets Gifte enthalten; sie sind aber<br />
gebun<strong>de</strong>n durch nicht giftige Atomgruppen. Wer<strong>de</strong>n sie plötzlich frei, wie bei parenteraler<br />
Einverleibung, so kann dies mit explosiver Schnelligkeit geschehen, wie im anaphylaktischen<br />
Schock und dann sofort tödlich wer<strong>de</strong>n; bei geringerer Menge folgt Fieber, o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Temperaturabfall mit Krankheitserscheinungen. Sogar die Extrakte <strong>von</strong> gesun<strong>de</strong>n Organen<br />
einem gesun<strong>de</strong>n Tier <strong><strong>de</strong>r</strong>selben Art eingespritzt, können tödlich wirken. Es ist anzunehmen,<br />
daß wir <strong><strong>de</strong>r</strong> ganzen Pathologie auf diesem experimentellen Gebiete wie<strong><strong>de</strong>r</strong> begegnen<br />
können: zu allen akuten und chronische Krankheiten wer<strong>de</strong>n sich hier Analogien fin<strong>de</strong>n, alles<br />
vermittelt durch Giftwirkungen aus <strong>de</strong>m Eiweißmolekül heraus und wie<strong><strong>de</strong>r</strong> in das immer<br />
bewegliche Leben <strong>de</strong>s Proteins hinein! Auf diesem Treffen spielen sich die pathologischen<br />
Vorgänge ab. Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s sind es auch die P t o m a i n e , lösliche, basische, stickstoffhaltige<br />
Substanzen, Protein<strong><strong>de</strong>r</strong>ivate, durch Mikroorganismen hervorgerufen. Ihre unberechenbare<br />
Vielfältigkeit schafft Selbstvergiftungen individuellster Art, sobald einmal die<br />
Verdauungsvorgänge nicht mehr biologisch völlig beherrscht sind, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n Raum lassen für<br />
Zersetzungen, die nicht sein sollen. Siehe auch das Kapitel in meinem Krebsbuch über<br />
Untersuchungen <strong>von</strong> F r e u n d und K a m i n e r , Darmsäuren und Vorbereitungsstadien <strong>de</strong>s<br />
Krebses betreffend, S. 50 (Die Krebskrankheit. Hippokratesverlag in Stuttgart). Hier greift die<br />
persönliche Ueberwachung <strong>de</strong>s Individuums entschei<strong>de</strong>nd in die Morbiditätsmöglichkeiten<br />
ein; die ganze Diätetik kann sich hier aufrollen, doch sind diese Fragen hier nicht zu erörtern.<br />
Sie nehmen einen angemessenen Raum in <strong>de</strong>m genannten Buch ein. -<br />
Es liegt Dr. Rogers viel daran, das ungewöhnlich Kleine in <strong><strong>de</strong>r</strong> ärztlichen Auffassung zu<br />
Ehren zu bringen. In seinem Kapitel „Testing the infinitesimal“ bringt er eine Reihe <strong>von</strong><br />
Feststellungen, aus <strong><strong>de</strong>r</strong> ich einiges mitteilen will. In <strong><strong>de</strong>r</strong> Harvard Medicine School ist festgestellt<br />
wor<strong>de</strong>n, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Bazillus botulinus ein für Mäuse tödliches Gift abson<strong><strong>de</strong>r</strong>t, welches in 3<br />
Millionstel Gramm noch das Leben einer Maus vernichtet. Durch Beigabe <strong>von</strong><br />
Wasserstoffionen in <strong><strong>de</strong>r</strong> Konzentration wie bei aktiver Magenverdauung läßt sich die Potenz<br />
<strong>de</strong>s Giftes <strong><strong>de</strong>r</strong>art steigern, da die minimale letale Dosis auf 3x10 - 21 c.c. vermin<strong><strong>de</strong>r</strong>t wird, also<br />
innerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> 20. Dezimalpotenz liegt, beiläufig gesagt, an <strong><strong>de</strong>r</strong> Grenze materieller<br />
Atomvorstellung. Auf Menschen angewandt, wür<strong>de</strong> 1 Teelöffel genügen, eine Nation<br />
auszurotten. - Durch die M e i s t a g m i n r e a k t i o n (<strong>von</strong> Asoli und Izas) ist es möglich, frem<strong>de</strong><br />
giftige Eiweißarten, die in Alkohol löslich sind, allein durch genaue Tropfenzählung, welche die<br />
Zahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Tropfen in Zeiteinheit feststellt, bis in die 9, o<strong><strong>de</strong>r</strong> 10. homöopathische Dezimalpotenz<br />
zu erkennen. Rogers bemerkt: Wir sehen, wie eine infentisimale Gabe, beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s durch<br />
Injektion, be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong> Aen<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen (bei <strong><strong>de</strong>r</strong> betreffen<strong>de</strong>n Reaktion in physikalischem Sinne)<br />
hervorrufen kann. - Schon langher ist auch die Kleinheit <strong><strong>de</strong>r</strong> katalytischen Agentien<br />
aufgefallen. Weniger als die Hälfte eines Milligrammes <strong>von</strong> kolloidalem Platin genügt, um 10<br />
Liter Wasserstoff- und Sauerstoffgas zur Vereinigung zu bringen, ohne Verlust seiner weiteren<br />
Wirksamkeit. Die Beschleunigung einer Reaktion mit schwefelsaurem Natron ist in weniger als<br />
einer Minute bemerkbar, wenn man 1 Billiontel (etwas <strong>von</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> 12. Dezimalpotenz!) <strong>von</strong> Kupfer<br />
zusetzt.<br />
Zu <strong>de</strong>n Funktionen <strong>de</strong>s Blutes, welche Rogers bespricht, gehört auch die, Erzeugnisse<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> innern Sekretion herumzutragen und <strong>de</strong>n Organen darzubieten. Durch eben diese<br />
Eigenschaft wird beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s verständlich, wie bela<strong>de</strong>n jene Flüssigkeit mit Heilkräften sein wird.<br />
7
Ihre Verdünnung wird dann eine beleben<strong>de</strong> Anregung aller Organe be<strong>de</strong>uten, mit <strong>de</strong>nen sie<br />
wie<strong><strong>de</strong>r</strong> in Verkehr tritt. Es versteht sich dann auch, daß Zersetzungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Organbestandteile,<br />
z. B. die <strong>de</strong>s Lezithin in Cholin und Neurin (unter krankhaften Verhältnissen) Gifte überall<br />
herumbeför<strong><strong>de</strong>r</strong>n und daß diese letzteren durch Verdünnung <strong>de</strong>s Blutes und Rückgabe ins<br />
Gefäßsystem zu homöopathischen Heilmitteln wer<strong>de</strong>n können. Wir wollen hier auf Einzelheiten<br />
nicht eingehen, nur noch einige wichtige Kapitel <strong><strong>de</strong>r</strong> Auto-Hämie-Therapie kurz streifen:<br />
Fermente sind Katalysatoren; Enzyme sind im animalen Betrieb entstan<strong>de</strong>ne Fermente;<br />
we<strong><strong>de</strong>r</strong> Wachstum noch Zerfall gibt es ohne diese Beschleuniger. Proteolytische Fermente<br />
lösen Eiweiß; dahin gehören Pepsin, Trypsin und Erepsin. Autolytische Fermente sind solche,<br />
die für gewöhnlich inaktiv sind und erst durch Zellschädigung mobil wer<strong>de</strong>n. Sie sind in allen<br />
histologischen Elementen, einschließlich <strong><strong>de</strong>r</strong> Blutkörperchen, enthalten. Selbst die<br />
Blutplättchen enthalten sie. Hydrolytische und oxydieren<strong>de</strong> Fermente haben ihre beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />
Aufgaben; protektive, o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>fensive, wie A b d e r h a l d e n sie nennt, zuweilen auch als<br />
Antikörper bezeichnet, wer<strong>de</strong>n gebil<strong>de</strong>t unter Einfluß frem<strong><strong>de</strong>r</strong> Proteine, die ins Blut gelangt<br />
sind und welche sie zu zerlegen und schadlos zu machen haben. Die Ambozeptoren,<br />
Agglutinine, Antienzyme, Antitoxine, Bakteriolysine, Opsonine und Präcipitine gehören als<br />
Bestandteile zu <strong><strong>de</strong>r</strong> Organisation <strong><strong>de</strong>r</strong> Schutzstoffe. Im tierischen Organismus entstan<strong>de</strong>ne<br />
Stoffe dieser Art behalten ihre Wirkungsfähigkeit unglaublich lange: Schlangengifte und<br />
Spinnengifte wur<strong>de</strong>n noch nach 150 Jahren durch ihre Wirkung nachgewiesen; selbst in <strong>de</strong>n<br />
Muskeln <strong>von</strong> Mumien fand sich aktives glykolytisches Ferment. Es ist verständlich, daß alle<br />
diese Körper eine optimale Wirkungstemperatur haben, die <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>s tierischen Organismus<br />
nahe steht; sie erlischt rasch oberhalb 40ºC. Die Spezifität <strong><strong>de</strong>r</strong> Enzyme ist sehr bestimmt; es<br />
gibt ihrer so viele, wie Sand am Meer und man kann sagen: sie verdauen nur diejenigen<br />
Substanzen, welche sie zu bewältigen beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s herausgefor<strong><strong>de</strong>r</strong>t o<strong><strong>de</strong>r</strong> geschaffen wur<strong>de</strong>n.<br />
Hun<strong>de</strong>blut baut z. B. keine Rohrzucker ab und seine Lösung bleibt unverän<strong><strong>de</strong>r</strong>t in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Probierröhre. Spritzt man aber einem Hund Rohrzuckerlösung ins Blut, so richtet sich das Leben<br />
sofort nach <strong>de</strong>ssen Abbau ein und nach wenigen Tagen hat das Blut die Fähigkeit<br />
gewonnen, das Zuckermolekül zu zersetzen.<br />
Selbst die Tränen besitzen ein Ferment, <strong>de</strong>ssen Eigenschaften für das Leben eines<br />
Organismus stark protektiv sind: Mirkoben sind augenblicklich da<strong>von</strong> aufgelöst wor<strong>de</strong>n.<br />
Mächtige Stoffe in feinster Verteilung, spezifische Abwehrwirkungen; sollte dies für die<br />
Heilkun<strong>de</strong> nicht hochwichtig sein und sollte es nicht für uns Homöopathen eine theoretische<br />
För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung be<strong>de</strong>uten?! Durch die Wirkung <strong><strong>de</strong>r</strong> Enzyme sind wir auch in <strong>de</strong>n Stand gesetzt, zu<br />
erkennen, aus welcher Tierart Fleisch und Blut zweifelhafter Herkunft entstammen. Nach sehr<br />
fein ausgebil<strong>de</strong>ten Metho<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n Verdauungsversuche in Proberöhren angestellt. Diese<br />
Versuche sind viel entschei<strong>de</strong>n<strong><strong>de</strong>r</strong>, als mikroskopische und chemische Kennzeichnung. Wenn<br />
zu einer Lösung, die Proteine enthält, ein Serum zugesetzt wird, welches einem gegen die<br />
fragliche Herkunft immunisiertem Tier angehört, so bil<strong>de</strong>t sich sofort ein Nie<strong><strong>de</strong>r</strong>schlag und das<br />
Verhältnis <strong><strong>de</strong>r</strong> Präzipitine und Präzipitate ist hier wie<strong><strong>de</strong>r</strong> im wesentlichen spezifisch. Die<br />
Spezifität wächst mit höheren Verdünnungen, wo sie sich z. B. noch bei Menschenblut zeigen<br />
kann, während sie für Affenblut verloren ist. Die Einwirkung frem<strong><strong>de</strong>r</strong> Eiweißarten auf <strong>de</strong>n<br />
Organismus läßt sich so zusammenfassen: Ein Antigen ist irgen<strong>de</strong>ine Substanz, welche nach<br />
Einspritzung in einen leben<strong>de</strong>n Organismus eine physiologisch-chemische Reaktion<br />
herausfor<strong><strong>de</strong>r</strong>t, stofflich ausgedrückt durch eine neutralisieren<strong>de</strong>, nie<strong><strong>de</strong>r</strong>schlagen<strong>de</strong>,<br />
verkleben<strong>de</strong>, lösen<strong>de</strong> o<strong><strong>de</strong>r</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>weitig antagonisieren<strong>de</strong> Substanz, einen sog. Antikörper. Sie<br />
sind kolloid, können harmlos o<strong><strong>de</strong>r</strong> gefährlich sein, aktiv o<strong><strong>de</strong>r</strong> inert, lebend o<strong><strong>de</strong>r</strong> tot, organisiert<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> unorganisiert. Sie haben spezifische Affinität für dasjenige Antigen allein, welches ihre<br />
Bildung verursacht hat. - Während sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Organismus auf solche Weise gegen das frem<strong>de</strong><br />
Protein schützt, haben viele an<strong><strong>de</strong>r</strong>sartige (nicht in tierischen Organismen entstan<strong>de</strong>ne) Gifte<br />
nicht diese Ansprache an <strong>de</strong>n Betrieb, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n sie bewirken nur in mäßigem Gra<strong>de</strong> eine<br />
Angewohnheit, wie z. B. die Genußmittelgifte, aber auch Arsen, Hg usw.; <strong><strong>de</strong>r</strong> Umgang mit<br />
ihnen liegt <strong><strong>de</strong>r</strong> menschlichen Natur nicht so nahe, wie <strong><strong>de</strong>r</strong> mit artfrem<strong>de</strong>m Eiweiß; je<strong>de</strong>nfalls<br />
besteht eine sehr bemerkenswerte Verschie<strong>de</strong>nheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Einstellung; aber sicher wehrt sich die<br />
Natur in ihrer Weise auch gegen sämtliche Gifte an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Herkunft, sofern sie nicht <strong><strong>de</strong>r</strong>art <strong>von</strong><br />
ihnen überwältigt wird, daß - wie durch Cyanwasserstoffsäure - kleine lebenswichtige<br />
Komplexe sofort außer Betrieb gesetzt wer<strong>de</strong>n. Gegenüber unsern homöopathischen<br />
Heilmitteln bestehen keine grundsätzlichen Verschie<strong>de</strong>nheiten zwischen <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n großen<br />
Klassen <strong>von</strong> Antikörpern: Ohne im einzelnen die Wege <strong><strong>de</strong>r</strong> Natur zu kennen, vertrauen wir ihr<br />
8
die fragliche Affinität als Heilsubstanz in überlegener Verdünnung an, ganz die energetische<br />
Lage <strong>de</strong>s Falles ausnutzend, wie uns das Symptombild lehrt. Die Gegenwirkungen müssen<br />
biologisch und <strong>de</strong>shalb bestmöglich erfolgen. - Auch wenn sich im Blute solche Antigene<br />
befin<strong>de</strong>n sollten, Tabaksgifte, Quecksilber, Opium<strong><strong>de</strong>r</strong>ivate, so versteht es sich, daß eben dies<br />
Blut selbst - für Zwecke <strong><strong>de</strong>r</strong> Autohämie-Therapie verdünnt - im isopathischen Sinne einwirkt<br />
und die angemessenen Gegenaktionen hervorruft. Das Blut ist dann Träger eines eigentlichen<br />
Giftes, nicht eines Proteins, o<strong><strong>de</strong>r</strong> vielmehr n e b e n allen Proteinen; das Blut ist für diesen Fall als<br />
Verdünnung o<strong><strong>de</strong>r</strong> flüssige Verreibung <strong><strong>de</strong>r</strong> fraglichen Substanz anzusehen. Auch in diesem<br />
Verhältnis liegt eine willkommene theoretische Klärung therapeutischer Fragen.<br />
In Bezug auf eingedrungene Organismen bietet uns das Beispiel <strong><strong>de</strong>r</strong> Typhusbazillen ein<br />
weitgehen<strong>de</strong>s Verständnis.<br />
Wenn das giftige Eiweiß ihrer Vakzine <strong>de</strong>n Selbstschutz <strong>de</strong>s Organismus hervorruft, so<br />
verdaut dasselbe ohne weiteres ihr Protein und sie können keinen Scha<strong>de</strong>n mehr anrichten.<br />
Die Ab<strong><strong>de</strong>r</strong>hal<strong>de</strong>nsche Schwangerschaftsdiagnose beruht auf ganz ähnlichen<br />
Verhältnissen. Wenn eine Frau schwanger ist, so verdaut ihr Blutserum Nachgeburtsgewebe.<br />
Wird dieses nicht angegriffen, so liegt jener Zustand nicht vor. Rogers macht die Bemerkung:<br />
Ab<strong><strong>de</strong>r</strong>hal<strong>de</strong>ns Reaktion ist öfter fehlbar gefun<strong>de</strong>n wor<strong>de</strong>n, gera<strong>de</strong> wie die Wassermanns.<br />
„Aber das Prinzip ist in bei<strong>de</strong>n korrekt. Es gibt nichts Menschliches, das absolut<br />
wissenschaftlich wäre.“ Dies ist wahr; aber man muß dann auch die Schlußfolgerung<br />
machen, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Wissenschaft nie ganz zu trauen ist. Und diese Erkenntnis weist uns wie<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
an die E r f a h r u n g , die das Menschliche stets einschließt und mit welcher sich das Wissen<br />
verträglich beschei<strong>de</strong>n muß.<br />
Die Theorie <strong><strong>de</strong>r</strong> Autohämie läßt sich schließlich in wenigen Sätzen zusammenfassen.<br />
Der menschliche Organismus verarbeitet bei seinen Eiweißzerlegungen in je<strong><strong>de</strong>r</strong> Minute Gifte<br />
und schei<strong>de</strong>t auch wie<strong><strong>de</strong>r</strong> Gifte aus. Wenn täglich nur ein kleiner Ueberschuß <strong>von</strong> Gift<br />
zurückbleibt, das nicht eliminiert wur<strong>de</strong>, muß Krankheit entstehen, sobald <strong><strong>de</strong>r</strong> Abbruch <strong>von</strong><br />
Eiweißmolekülen in Aminosäuren und die Zerlegung <strong><strong>de</strong>r</strong> letzteren in Ammoniak, Harnstoff,<br />
Kohlendioxyd und Wasser ungenügend ist. Durch irgendwelche Vorgänge können die<br />
Ausscheidungsvorgänge überfor<strong><strong>de</strong>r</strong>t wer<strong>de</strong>n: Die nötigen Ausscheidungskräfte sind nicht da<br />
und es entsteht Krankheit. Dann erhalten wir mit <strong>de</strong>m Blute <strong>de</strong>s betreffen<strong>de</strong>n<br />
Organismus eine Probe <strong>de</strong>s frem<strong>de</strong>n (unharmonischen) Protein, das als<br />
Toxin bezeichnet wer<strong>de</strong>n muß. Wenn dies Toxin durch Erregung,<br />
Hämolyse, Bebrütung und geeignete Verdünnung vorbereitet wird, so<br />
wird die injizierte Substanz, das Resultat dieser Vorbereitung, die Zellen<br />
<strong>de</strong>s Organismus nun anreizen und stärken, die erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lichen Fermente<br />
zu bil<strong>de</strong>n, welche die speziell beleidigen<strong>de</strong>n Toxine verdauen.<br />
Die hier gegebenen Worte sind <strong><strong>de</strong>r</strong> einzig <strong>de</strong>utliche Hinweis auf die Technik <strong>de</strong>s<br />
Verfahrens, welche ich mir so vorstelle, daß R. einige Tropfen Venenblutes entnimmt, sie mit<br />
physiologischer Kochsalzlösung o<strong><strong>de</strong>r</strong> vielleicht Plasma Quinton verdünnt im Verhältnis <strong>von</strong><br />
1:100 bis 1:1000, sie dabei tüchtig schüttelt und bei ca. 38º C in <strong>de</strong>n Brutschrank bringt, um<br />
nächsten Tages ein Kubikzentimeter da<strong>von</strong> subkutan zu injizieren, vielleicht auch in eine<br />
Vene. Häufig erfolgt auf eine solche Behandlung starke Diurese, was Rogers auf die<br />
vermehrte Ureaproduktion beim Abbau <strong><strong>de</strong>r</strong> Proteine zurückführt.<br />
Die theoretische und praktische Fülle <strong>de</strong>s Rogerschen Buches ist damit nicht erschöpft;<br />
wir wollen <strong>von</strong> seinem weiteren Inhalt aber nur noch einen Punkt ins Auge fassen, wo er <strong>von</strong><br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> a l i m e n t ä r e n T o x ä m i e spricht. C o o m b e s und an<strong><strong>de</strong>r</strong>e haben gezeigt, daß die<br />
Einführung großer Mengen Fleisch in <strong>de</strong>n Verdauungskanal exzessive Fermentation in <strong>de</strong>n<br />
Eingewei<strong>de</strong>n hervorruft. Diese Beobachter entziehen dann das Fleisch für mehrere Wochen<br />
und geben Mehlspeisen. - Gewisse Formen <strong>von</strong> intestinaler Fäulnis wer<strong>de</strong>n aber auch durch<br />
Kohlehydrate, speziell Zucker, hervorgerufen und es ist wahrscheinlich, daß eine<br />
Vermin<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong><strong>de</strong>r</strong> ganzen Nahrungsaufnahme am meisten <strong>von</strong> Wert ist, wenn es sich darum<br />
han<strong>de</strong>lt, die alimentäre Toxämie zu bekämpfen. Die meisten Menschen essen ja viel zu viel.<br />
Die Metho<strong>de</strong>n, welche geübt wur<strong>de</strong>n, die Bakteriengehalte <strong><strong>de</strong>r</strong> Eingewei<strong>de</strong> zu verän<strong><strong>de</strong>r</strong>n,<br />
bestan<strong>de</strong>n auch darin, Vakzinen, die aus Fäzes gewonnen waren, zur Einwirkung zu bringen<br />
und es kann nicht genug verurteilt wer<strong>de</strong>n, solche <strong>von</strong> Bacillus coli, o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>von</strong> Streptokokken<br />
anzuwen<strong>de</strong>n.<br />
Wenn jedoch abnorme Mikroorganismen im Darme gefun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n und zweifellose<br />
Zeichen intestinaler Vergiftung da sind, so können durch Vakzinen <strong><strong>de</strong>r</strong> abnormen Mikroben<br />
9
gute Erfolge erzielt wer<strong>de</strong>n. - Man sieht hier <strong>de</strong>n Ansatz zu einer kausalen Therapie sowohl in<br />
diätetischer als auch gewissermaßen therapeutischer Ordnung neben <strong>de</strong>m<br />
Autohämieverfahren und wir wollen bei dieser Gelegenheit das Buch <strong>de</strong>s Kollegen Rogers<br />
verlassen, um bei einer neuen Sache am gleichen Punkt anzuknüpfen, einer Sache, für<br />
welche die Anregung gleichfalls vom Londoner Internationalen Kongreß kam.<br />
Zwar sind die gesamten amtlichen Veröffentlichungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Tagung noch nicht<br />
erschienen, aber die Doktoren W h e e l e r , B a c h und D i s h i n g t o n haben gera<strong>de</strong> die<br />
Angelegenheit, um die es sich han<strong>de</strong>lt, in einem Son<strong><strong>de</strong>r</strong>druck erscheinen lassen, so daß ich<br />
mit guter Grundlage darüber berichten kann. Hier kommt sowohl die Theorie als die Praxis auf<br />
ihre Rechnung, wie wir bald sehen wer<strong>de</strong>n.<br />
Wenn ich darauf verzichte und verzichten muß, eigene Heilerfolge mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Rogers-<br />
Metho<strong>de</strong> zu berichten, so bin ich mir bewußt, daß die Fülle <strong><strong>de</strong>r</strong> Theorie und ihre<br />
überzeugen<strong>de</strong> Kraft wichtiger ist, als etwaige Darbietung eigener Krankengeschichten, die ja<br />
stets angreifbar bleiben. Der Weg zu einer Therapie muß im Verstan<strong>de</strong> und in <strong>de</strong>n<br />
Erwartungen geahnt wer<strong>de</strong>n, so daß es für je<strong>de</strong>n Arzt einla<strong>de</strong>nd ist, praktische Schritte zu tun<br />
und ich glaube jene Erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>nisse hier dargeboten zu haben; die persönliche Erfahrung ist<br />
etwas Kostbares und Unersetzliches; dies zu erwerben wird je<strong><strong>de</strong>r</strong> Kollege für seine Kranken<br />
und für seine wissenschaftlichen Interessen lebendig genug sein, so daß ich mich<br />
beschränken darf auf die Darstellung <strong><strong>de</strong>r</strong> wissenschaftlichen und <strong><strong>de</strong>r</strong> speziell<br />
homöopathischen Zusammenhänge. Ich stelle diesen für die Praxis eine recht gute Prognose.<br />
-<br />
Abhandlung <strong>von</strong> D r . W h e e l e r über eine neue Theorie <strong><strong>de</strong>r</strong> chronischen Krankheiten<br />
In<strong>de</strong>m ich mich nun zur zweiten be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>n Schrift wen<strong>de</strong>, welche ich in ihrem<br />
Werte für die <strong>Homöopathie</strong> hier darzubieten beabsichtige, kann ich in Bezug auf die das<br />
Ganze krönen<strong>de</strong>n praktischen Erfolge sogleich in ähnlicher Weise aussprechen: es ist nicht<br />
erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich, daß ich selbst Krankengeschichten darbiete, obwohl ich dies vielleicht bald mit<br />
Erfolg wer<strong>de</strong> tun können; es genügt, darauf hinzuweisen, daß die drei Autoren <strong><strong>de</strong>r</strong> zweiten<br />
Schrift keine Punkte ihrer Theorie o<strong><strong>de</strong>r</strong> Praxis verhüllen und daß <strong><strong>de</strong>r</strong> dritte Teil <strong><strong>de</strong>r</strong> Schrift ganz<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Praxis gewidmet ist unter Darbietung genauer und sehr beweisen<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Krankengeschichten, welche <strong>de</strong>n Geist <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Homöopathie</strong> in voller Treue erkennen lassen.<br />
Diese Krankengeschichten wer<strong>de</strong> ich in Uebersetzung <strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Kollegen unterbreiten.<br />
Der Titel <strong><strong>de</strong>r</strong> 36 Seiten starken Schrift lautet: The problem of chronic disease, Das Problem <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
chronischen Krankheiten, gelesen auf <strong>de</strong>m Internationalen homöopathischen Kongresse 1927<br />
<strong>von</strong> <strong>de</strong>n Doktoren C. E. Wheeler, Edward Bach und T. M. Dishington. London,<br />
John Bale, Sons & Danielsson Lim. W. 1.<br />
Dr. Wheeler sagt (frei und gekürzt): Hahnemann verdankte weniger als die meisten<br />
Ent<strong>de</strong>cker <strong>de</strong>n Vorgängern in seiner Kunst <strong>de</strong>s Heilens. Er lebte seiner Zeit voran und sein Werk<br />
kann als ein beson<strong><strong>de</strong>r</strong>er Grundstein für <strong>Fortschritte</strong> genommen wer<strong>de</strong>n. Wir haben genug zu<br />
tun, ihm würdig zu folgen. Als er seine Theorie <strong><strong>de</strong>r</strong> chronischen Krankheiten gab, war sein<br />
Werk gegenüber vielfacher Leugnung hingestellt. Doppelt ungünstig war, daß er die Lehre<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> P s o r a mit einem so dunkeln und zwei<strong>de</strong>utigen Namen verband. Ob er ihn mit Scabies<br />
i<strong>de</strong>ntifizierte, ist mir zweifelhaft; ich glaube, daß er <strong><strong>de</strong>r</strong> Scabies kaum mehr Be<strong>de</strong>utung<br />
beigelegt hat, als wir es tun. Selbst unter seinen Nachfolgern waren viele, die sorglos über<br />
diesen Punkt weglasen und für sie waren die „Chronischen Krankheiten“ ein Buch, das sie<br />
nicht mehr verteidigen wollten o<strong><strong>de</strong>r</strong> konnten, wie sie dachten, <strong>de</strong>ssen Heilmittel aber doch<br />
manche <strong>von</strong> ihnen in Gebrauch zogen. Jene aber, die sowohl <strong><strong>de</strong>r</strong> Theorie glaubten, als auch<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Praxis folgten, waren unter <strong>de</strong>n stets Vertrauensvollen, <strong>de</strong>nen das Wort <strong>de</strong>s Meisters<br />
immer genügt. Sie waren glücklich im ärztlichen Werk; aber sie hatten nicht <strong>de</strong>n offenen Sinn<br />
dafür, Hahnemanns geistige Auffassung ihren Nachfolgern verständlicher zu machen. A l l e n<br />
und K e n t , um nur zwei zu nennen, haben die Praxis verbessert, aber sie unternahmen wenig,<br />
die T h e o r i e zu erneuern. Es ist Zeit, daß dies geschehe. Je<strong>de</strong> kommen<strong>de</strong> Generation sollte<br />
auf eine leichte weitere Annäherung zur Wahrheit hoffen dürfen. Hätte doch Hahnemann<br />
selbst, <strong><strong>de</strong>r</strong> durch sein Vorherwissen <strong>de</strong>s Choleramikroben <strong>de</strong>n Geist freier Forschung<br />
bewährte, heute nicht mehr in unbestimmten Ausdrücken <strong>von</strong> M i a s m e n gesprochen,<br />
10
son<strong><strong>de</strong>r</strong>n er wür<strong>de</strong> die bakteriologische Forschung aufgenommen und seine Theorien<br />
entsprechend gestaltet haben.<br />
In welcher Weise auch die Zukunft die Abhängigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Krankheiten <strong>von</strong><br />
O r g a n i s m e n enthüllen möge; wir wissen für alle Fälle, daß die letzteren mit Krankheiten<br />
zusammen vorkommen, daß sie bezeichnen<strong>de</strong> Eigenschaften haben und Krankheiten<br />
b e g l e i t e n können. Diese Feststellung wird nur <strong>von</strong> wenigen angefochten, die vielleicht<br />
keine nähere Kenntnis <strong>von</strong> <strong>de</strong>n Tatsachen haben. Ich darf <strong>de</strong>shalb annehmen, daß<br />
sogenannte Keime in geschlossener Beziehung zu Krankheiten stehen, was ja auch aus <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Wirksamkeit <strong>von</strong> Medorrhin, Syphilin, Psorin hervorgeht, wie auch aus <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>von</strong> Homöopathen<br />
anerkannten Wirksamkeit <strong>de</strong>s Tuberkulin.<br />
Es ist kaum nötig, daran zu erinnern, daß Hahnemann durch seine Theorie im<br />
wesentlichen drei möglich Gifte annahm, die einzeln o<strong><strong>de</strong>r</strong> in Verbindung hinter <strong>de</strong>n<br />
chronischen Krankheiten stehen: Psora, Syphilis, Sykosis. Nur durch Bewältigung <strong>de</strong>s tiefen<br />
Giftes kann die Krankheit geheilt wer<strong>de</strong>n; sonst ist nur Erleichterung wie<strong><strong>de</strong>r</strong>kehren<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Symptome zu erwarten. Die Kur geht immer auf die Elimination <strong>de</strong>s tiefen Giftes aus, als auf<br />
die wahre Krankheitsursache. Zu diesem Zweck bedürfen wir einer Klasse tief wirken<strong><strong>de</strong>r</strong> Mittel<br />
und dieselben müssen mit <strong><strong>de</strong>r</strong> mehr permanent konstitutionellen Symptomengruppe <strong>de</strong>s<br />
Patienten zusammengehen. Wenn wir nun Gonorrhöe statt Sykosis sagen (und dabei einen<br />
Tribut mehr <strong>de</strong>m Scharfsinn Hahnemanns zollen, <strong><strong>de</strong>r</strong> lang vor seinen mo<strong><strong>de</strong>r</strong>nen<br />
Berufsgenossen die tiefe konstitutionelle Wirksamkeit <strong>de</strong>s Gonokokkus erkannte), so haben wir<br />
heute keine Mühe mit <strong>de</strong>s Meisters Lehre <strong>von</strong> <strong>de</strong>n chronischen Krankheiten in Bezug hierauf<br />
und auf die Syphilis. Aber während wir diese bei<strong>de</strong>n Klassen bakteriologisch charakterisieren<br />
können, was ists mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Psora? Man nahm an, sie sei mit Tuberkulose i<strong>de</strong>ntisch. Sicherlich wird<br />
Tuberkulose unter jener Herrschaft kommen; aber niemand kann Hahnemanns Beschreibung<br />
lesen, ohne wahrzunehmen, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Tuberkel nur einen Teil <strong>de</strong>s Fel<strong>de</strong>s beherrscht. Die<br />
Analogie for<strong><strong>de</strong>r</strong>t, daß auch für die Psora ein bakteriologischer Ausdruck gefun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong> und<br />
zwar für <strong>de</strong>n vom Tuberkel übergelassenen Teil. Die Symptome eines Falles mögen<br />
proteusartig sein, vom Kopfweh zur Neuralgie, Paralyse, Katarrh, Gicht; aber so sollte eine<br />
konstante Beziehung zum Auftreten <strong>von</strong> Hauteruptionen da sein. Ist es wohl möglich, eine<br />
Formel zu fin<strong>de</strong>n, die anscheinend so verschie<strong>de</strong>nem Auftreten <strong>von</strong> Fällen entspricht?<br />
Nun, vergessen Sie für einen Augenblick Hahnemann und lassen Sie mich hinweisen<br />
auf eine neue Psoratheorie, für welche schon eine Fülle <strong>von</strong> Berichten vorliegt. Ihr Urheber<br />
wird sofort nach mir sprechen; ich will jedoch hervorheben, was zu sagen er zu beschei<strong>de</strong>n<br />
ist. Der Umstand, daß ich seit Jahren mit ihm zusammengearbeitet habe, erlaubt mir, mit<br />
Kenntnis und mit Vertrauen zu re<strong>de</strong>n; ich erkläre, daß meine eignen Zutaten <strong>von</strong> sekundärer<br />
Be<strong>de</strong>utung waren in unserer gemeinsamen Tätigkeit. Bemerken Sie zuerst, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Autor ein<br />
Bakteriologe ist und durch Immunisierungsprobleme auf seine Theorie geführt wur<strong>de</strong>.<br />
Bemerken Sie ferner, daß er nichts <strong>von</strong> <strong>Homöopathie</strong> wußte, als er sie ausdachte. Erst später<br />
nahm er da<strong>von</strong> Kenntnis und wur<strong>de</strong> <strong>von</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Homöopathie</strong> überzeugt und hat nicht gezögert,<br />
die I<strong>de</strong>enverbindung herzustellen, die er Ihnen heute vortragen wird. Mit diesem kurzen Blick<br />
auf seine Geschichte komme ich zu seiner Theorie. Sie ist diese:<br />
Die allgemeine Diät, an welche die zivilisierte Menschheit sich gewöhnt hat,<br />
verursacht, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Nahrungskanal, beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s das Kolon sich zur Brutstätte <strong>von</strong> Bazillen<br />
hergeben muß, die im allgemeinen zu <strong>de</strong>n nicht Laktose fermentieren<strong>de</strong>n Organismen aus<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Gruppe <strong>von</strong> Gaertner, Morgan, Proteus usw. gehören. Obwohl sie nicht als pathogen<br />
angesehen wer<strong>de</strong>n, weil sie nämlich bei <strong>de</strong>n Experimenten mit Tieren keine Symptome<br />
machen und auch bei Menschen ohne akute Krankheitserregung fortbestehen, sind sie doch<br />
durch ihre konstante Anwesenheit verdächtigt, mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeit eine leichte Virulenz durch ihre<br />
Toxine geltend zu machen, so daß Krankheit entsteht, die in ausgesprochener Weise<br />
chronisch ist.<br />
Es scheint die Natur <strong><strong>de</strong>r</strong> Toxine zu sein, daß sie zunächst das System <strong><strong>de</strong>r</strong> innern<br />
Sekretion und das Nervensystem angreifen. Die an solchen Toxämien Lei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n<br />
dann leicht <strong>von</strong> allerlei sekundären Affektionen ergriffen, welche sie weiterhin schwächen<br />
und die Diagnose ihrer Störungen komplizieren. Unter Annahme <strong><strong>de</strong>r</strong> Toxämien wer<strong>de</strong>n sich<br />
natürlich die Symptome gemäß <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Konstitutionen gestalten, <strong>de</strong>nn<br />
verschie<strong>de</strong>ne Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>standskräfte wer<strong>de</strong>n die Reihenfolge <strong><strong>de</strong>r</strong> erkranken<strong>de</strong>n Gewebe<br />
bestimmen. Ueberdies wer<strong>de</strong>n die Toxine <strong>von</strong> verschie<strong>de</strong>ner Abstammung eine<br />
Wahlverwandtschaft verschie<strong>de</strong>ner Art besitzen, so daß bei <strong>de</strong>m einen Lei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n<br />
11
chronische Arthritis, bei einem an<strong><strong>de</strong>r</strong>en chronische Dyspepsie, ferner Migräne o<strong><strong>de</strong>r</strong> Asthma<br />
erzeugt wer<strong>de</strong>n wird; aber hinter <strong>de</strong>m allem liegt die intestinale Toxämie, verschul<strong>de</strong>t durch<br />
irgen<strong>de</strong>ine Art dieser Laktose nicht vergären<strong>de</strong>n Organismen. Der menschliche Körper wehrt<br />
diese Einflüsse natürlich ab; durch sorgfältige Diät und einige Arten <strong>von</strong> Behandlung lassen<br />
sich auch ihre Angriffe mil<strong><strong>de</strong>r</strong>n. Auch die eliminieren<strong>de</strong>n Organe tun, was sie können, um die<br />
Gifte abzustoßen; so kann es zu Nieren- o<strong><strong>de</strong>r</strong> Hautlei<strong>de</strong>n kommen.<br />
Dies ist eine kurze Darstellung <strong>von</strong> Dr. Bachs Theorie <strong><strong>de</strong>r</strong> chronischen Krankheiten; sie<br />
schreibt Symptome <strong>von</strong> ganz verschie<strong>de</strong>nem Charakter jener übereinstimmen<strong>de</strong>n Gruppe<br />
<strong>von</strong> Wirksamkeiten zu. E n t s p r e c h e n d i s t die Behandlung <strong>von</strong> Erkrankungen, in<br />
welchen jene Organismen gefun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n - und sie wer<strong>de</strong>n nahezu<br />
immer gefun<strong>de</strong>n - durch Vakzinen erstrebt, welche aus <strong>de</strong>n Organismen<br />
hergestellt sind und welche tatsächlich zu echten Kuren selbst sehr<br />
h a r t n ä c k i g e r K r a n k h e i t e n f ü h r e n . Freilich ist Geduld nötig und man kann nicht in<br />
Stun<strong>de</strong>n o<strong><strong>de</strong>r</strong> Tagen eine wirksame Resistenz aufbauen.<br />
Auch kann man nicht frühere gewebliche Zerstörungen wie<strong><strong>de</strong>r</strong>herstellen. Ferner:<br />
Obwohl Behandlung nach diesen Gesichtspunkten öfter sekundäre Infektionen klärt, wie z. B.<br />
Nasenkatarrh o<strong><strong>de</strong>r</strong> Pyorrhöe, so, müssen doch diese oft noch beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s behan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n.<br />
Näheres hierüber wird aus seiner Praxis Dr. Dishington mitteilen; haben Sie nun diese Theorie<br />
aufgefaßt, so wer<strong>de</strong>n Sie <strong><strong>de</strong>r</strong> auf sie gegrün<strong>de</strong>ten Behandlung folgen.<br />
Nun kommt Dr. Wheeler darauf zu sprechen, daß natürlich eine wissenschaftliche<br />
Evi<strong>de</strong>nz über diese Zusammenhänge wünschenswert sei. Dr. Bach verfüge über<br />
experimentelle Nachweise; jedoch sei vorerst <strong><strong>de</strong>r</strong> wichtigste Beweis <strong><strong>de</strong>r</strong> klinische und dieser<br />
sei zwingend, weil die Behandlungen nach dieser Theorie so schlagend erfolgreich sind, wird<br />
es unmöglich zu glauben, daß hier <strong><strong>de</strong>r</strong> Zufall regiere. Von 6 0 0 n i c h t a u s g e w ä h l t e n<br />
F ä l l e n wur<strong>de</strong>n schlagen<strong>de</strong> Resultate erzielt in 80% und alle dieser Fälle waren chronische<br />
Krankheiten und erwiesene Typen schwer heilbarer Zustän<strong>de</strong>. Seit <strong><strong>de</strong>r</strong> ersten Veröffentlichung<br />
haben sich die Resultate nur erhöht. - Wie bisher zu ersehen, besteht zwischen <strong>de</strong>n Theorien<br />
<strong>von</strong> Hahnemann und <strong>von</strong> Bach eine große Aehnlichkeit. Letzterer erkennt natürlich die<br />
beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en Organismen und ihre Toxine in Syphilis und Gonorrhöe an; seine chronischen<br />
Infektionen durch Darmorganismen bil<strong>de</strong>n nun eine exakte Parallele zur Psora. Was könnte<br />
das letztere auch sein, wenn nicht Toxämie im Sinne Bachs? Es ist unverständlich, daß es<br />
z w e i Gifte geben sollte, die chronische Krankheiten <strong>von</strong> solcher Mannigfaltigkeit und Dauer<br />
hervorbringen. Man lese Hahnemanns Beschreibung <strong><strong>de</strong>r</strong> Psora und ihrer Folgen; man wird<br />
fin<strong>de</strong>n, daß man sie ganz wohl <strong>de</strong>n intestinalen Toxämien zuschreiben kann.<br />
Dr. Wheeler äußert sich nun über das Verhältnis <strong><strong>de</strong>r</strong> B a c h s c h e n T h e r a p i e zur<br />
T u b e r k u l o s e und erklärt, daß äußerste Vorsicht nötig, wenn letztere in einem Krankheitsfall<br />
voranging und beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s, wenn <strong><strong>de</strong>r</strong> tuberkulöse Herd aktiv ist, zumal bei Lungentuberkulose.<br />
Die Wirkung <strong><strong>de</strong>r</strong> Vakzine ist ganz analog <strong>de</strong>n hohen Potenzen <strong>von</strong> Sulfur und Silicea. Es ist<br />
andauern<strong>de</strong> Verschlimmerung beim Patienten beobachtet wor<strong>de</strong>n. Auf <strong><strong>de</strong>r</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>n Seite<br />
aber gilt, daß, wenn die organische Verteidigung gegen Tuberkulose erfolgreich war, diese<br />
Vakzinen <strong>de</strong>m Kranken zu einem höheren Zustand <strong>von</strong> Kraft und Leben zu helfen vermögen.<br />
Im allgemeinen kann gesagt wer<strong>de</strong>n: Die Dosis ist nur ein Viertel <strong>de</strong>ssen für Nichttuberkulöse<br />
und nicht höher potenziert, als bis zur 12. für die erste Gabe. Bach und seine Mitarbeiter<br />
glauben, daß intestinale Toxämie einer <strong><strong>de</strong>r</strong> Faktoren sei, <strong><strong>de</strong>r</strong> latente Tuberkulose aktiviert. Der<br />
<strong>von</strong> Tuberkulose befallene Organismus hat sehr wenig Kräfte zu an<strong><strong>de</strong>r</strong>weitiger Verteidigung<br />
übrig und kann somit auch die Heildosis <strong><strong>de</strong>r</strong> intestinalen Vakzine nicht ausnutzen, läuft<br />
vielmehr durch sie Gefahr. Nach allem ist anzunehmen, daß Hahnemanns Psora<br />
hauptsächlich o<strong><strong>de</strong>r</strong> gänzlich intestinale Toxämie ist. Wheeler weist darauf hin, daß unsere<br />
hauptsächlichen antipsorischen Mittel solche sind, die Eingewei<strong>de</strong> und Leber hervorragend<br />
beeinflussen. -<br />
Die bisherige homöopathische Behandlung chronischer Krankheiten durch Simillima<br />
erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>t eine Wahl, die oft willkürlich und bei Vernachlässigung lokaler Symptome gewonnen<br />
schien. Kent scheint <strong>de</strong>m Autor zu weit gegangen in <strong><strong>de</strong>r</strong> Betonung <strong>de</strong>s Allgemeinen.<br />
Gleichwohl war jener Weg bisher <strong><strong>de</strong>r</strong> hoffnungsvollste für chronische Krankheiten. Bach ist<br />
Pathologe und seine Behandlung ruht auf solchem Grun<strong>de</strong>. Er betrachtet - wie auch Wheeler<br />
- die Pockenvakzine nicht als allopathisch, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n als homöopathisch wirksam, noch mehr<br />
die potenzierte Vakzine, die nun unsere Waffe ist und die wir für die meisten Fälle auslesen<br />
können. Er wählt sein Mittel durch <strong>de</strong>n pathologischen Befund und macht in je<strong>de</strong>m Fall eine<br />
12
Autonoso<strong>de</strong>. Es ist möglich, eine p o l y v a l e n t e zu benützen und ihre Anwendung hatte<br />
bisher großen Erfolg; die Abgrenzung aber läßt sich mit <strong>de</strong>n heutigen Erfahrungen noch nicht<br />
genügend feststellen. Die Wahl <strong>de</strong>s Anfangsmittels ist bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Bachmetho<strong>de</strong> einfach: F i n d e<br />
<strong>de</strong>n schädigen<strong>de</strong>n Organismus und mache eine Autonoso<strong>de</strong>. Beobachte<br />
dann mit äußerster Genauigkeit die Hahnemannschen Regeln in Bezug auf die Repetition <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Gabe, halte dich auf sehr lange Wirkungen gefaßt! Die genannte Einfachheit ist eine große<br />
Gabe an die Welt, welche aber manchmal mit <strong><strong>de</strong>r</strong> früheren Kompliziertheit in <strong>de</strong>n<br />
Verordnungen Erfahrener in Konflikt gerät. Man kann sagen, daß die Mittel <strong>von</strong> Bach in<br />
direkter Linie <strong>von</strong> <strong>de</strong>n uns vertrauten Noso<strong>de</strong>n hergeleitet wer<strong>de</strong>n und wir wissen, wie<br />
erfolgreich die letzteren schon in die homöopathische Therapie eingegriffen haben und wie<br />
sie die strengste Sekte <strong><strong>de</strong>r</strong> Hahnemannianer befriedigt haben. -<br />
Niemand soll glauben, daß die neue I<strong>de</strong>ntifikation <strong>von</strong> Psora und Bachbehandlung<br />
<strong>von</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Materia medica und ihrem Studium abführe. Jene neuen Mitteil sind mächtig und<br />
weitreichend, aber sie sind bestimmt <strong>von</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Klasse Sulfur, Psorin, Silicea, Lycopodium und<br />
ähnlichen. Es ist zu sagen, daß sie die Fälle tief beeinflussen und sie auf <strong>de</strong>n Weg <strong><strong>de</strong>r</strong> Heilung<br />
bringen. Aber sehr häufig kann die Reise enorm abgekürzt wer<strong>de</strong>n durch die Wahl eines<br />
supplementären Aehnlichkeitsmittels, für welches die Symptome maßgebend sind.<br />
Der Hauptgrund für <strong>de</strong>n Gebrauch <strong><strong>de</strong>r</strong> Noso<strong>de</strong>n wird darin liegen, daß auch die<br />
Erfahrensten <strong><strong>de</strong>r</strong> Erfahrenen häufig kein klares Bild <strong>de</strong>s Aehnlichkeitsmittels erlangen können,<br />
son<strong><strong>de</strong>r</strong>n nur eine unsichere Wahl <strong>von</strong> zweien o<strong><strong>de</strong>r</strong> dreien vor sich sehen, wo dann oft Sulfur<br />
gewählt wird. Nach unserer Erfahrung sind die Noso<strong>de</strong>n besser, <strong>de</strong>n Fall aufzuklären. Sollte<br />
dies im Sinn eines Simillimum geschehen, so verlangen we<strong><strong>de</strong>r</strong> Bach noch Wheeler etwas<br />
Besseres. -<br />
Es sind ungefähr 5-6% <strong>von</strong> Fällen, wo die Noso<strong>de</strong> gänzlich versagt und 10-12 %, wo ihre<br />
Wirkung unvollständig bleibt. Natürlich ist dann die Kenntnis <strong><strong>de</strong>r</strong> Materia medica <strong>von</strong> größter<br />
Wichtigkeit. Dann ist es immer noch möglich, daß später o<strong><strong>de</strong>r</strong> dazwischen die Dienste <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
neuen Mittel <strong>de</strong>nnoch <strong>von</strong> großem Werte sind. Es ist auch möglich, daß die gute Wirkung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Vakzine für Wochen und Monate verspätet eintritt. Wir haben Erfahrungen gemacht, welche<br />
uns diese Möglichkeit ernstlich nahelegen. (Der <strong>de</strong>utsche Leser erinnert sich vielleicht an die<br />
wichtigen Veröffentlichungen <strong>von</strong> A. Bier über „Reizverzug“, eigentlich<br />
Reaktionsverschiebung!) gegen alle möglichen Einwän<strong>de</strong> hält Wheeler die Ueberzeugung<br />
fest, daß es eine solche Gruppe <strong>von</strong> verzögerter Heilreaktion auf die Noso<strong>de</strong>n wirklich gibt.<br />
Wir sind zu <strong><strong>de</strong>r</strong> Ansicht gekommen, daß intestinale Infektionen die<br />
gewöhnliche Quelle für das Auftreten bösartiger Neubildungen ist. Für alle<br />
Fälle hat die Behandlung mit Vakzinen sehr schlagen<strong>de</strong> Resultate gegen Krebs aufzuweisen<br />
und wir setzen sie <strong>de</strong>mgemäß an erste Stelle unter unseren Krebsmitteln. Nun sind aber in<br />
vorgeschrittenen Krebsfällen die Organismen oft schwer zu fin<strong>de</strong>n, weshalb wir die<br />
polyvalente Vakzine hier bevorzugen. Unsere schließliche Behauptung ist, daß diese Noso<strong>de</strong>n<br />
eine wertvolle Hinzufügung seien zur Materia medica und daß sie nach bakteriologischen<br />
Grün<strong>de</strong>n gewählt wer<strong>de</strong>n können. Geschichtlich genommen ist Hahnemanns Theorie <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
chronischen Krankheiten nicht gerechtfertigt wor<strong>de</strong>n; sie hat <strong>de</strong>ssen aber nie bedurft für<br />
diejenigen, welche sie anwandten; aber in mo<strong><strong>de</strong>r</strong>ner Terminologie erklärt wird sie vielleicht<br />
annehmbarer für die Voreiligen im Urteil. Zuletzt: Seit Bach seine I<strong>de</strong>en als mo<strong><strong>de</strong>r</strong>ner<br />
Bakteriologe aufgestellt hat, wur<strong>de</strong> er nicht zurückgewiesen <strong>von</strong> <strong>de</strong>n Nichthomöopathen und<br />
seine Mittel haben sich sogar sehr verbreitet unter ihnen. In<strong>de</strong>m wir nun sehen können, daß<br />
Hahnemann die Konzeption vorausgenommen hat und daß Vakzinen in Potenz wirksam sind,<br />
bauen wir eine Brücke zwischen <strong>de</strong>n streiten<strong>de</strong>n Sekten und bringen <strong>de</strong>n Tag ein wenig<br />
näher, <strong><strong>de</strong>r</strong> Hahnemann vollauf ehren wird und <strong><strong>de</strong>r</strong> die <strong>Homöopathie</strong> einfügt in das Erbe <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
allgemeinen Medizin.<br />
Soweit die ausgezeichnet vermittelte Darstellung Dr. Wheelers. Ich möchte hier und<br />
die Bemerkung machen, daß sich auch die Krätzlehre (Scabies) organisch mit diesen<br />
intestinalen Toxämien verbin<strong>de</strong>n läßt. In jenem Falle ist die Cutis <strong>de</strong>n kleinen Schädlingen<br />
ausgesetzt, im Falle <strong><strong>de</strong>r</strong> Bachschen Forschung ist es die Schleimhaut. Hier wie dort han<strong>de</strong>lt es<br />
sich offenbar um falsche Proteine, wahrscheinlich sehr fein verteilte Fäulnisprodukte; <strong>de</strong>nn<br />
auch bei <strong>de</strong>n abgetöteten Krätzmilben sind Ptomaine aus Leichen und aus Kot in <strong>de</strong>n<br />
Milbengängen für die schlechten Allgemeinwirkungen verantwortlich gemacht wor<strong>de</strong>n,<br />
möglicherweise muß man dabei auch an die an<strong><strong>de</strong>r</strong>n bekannten Hautparasiten und speziell<br />
13
<strong>de</strong>n allgemein verbreiteten <strong>de</strong>mo<strong>de</strong>x folliculorum <strong>de</strong>nken. Hahnemann hat offenbar <strong>de</strong>n Teil<br />
fürs Ganze genommen; es ist möglich, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> intestinale Teil viel wichtiger ist, als <strong><strong>de</strong>r</strong> kutane.<br />
Aber in biologischer Hinsicht wer<strong>de</strong>n sie gleich stehen, <strong>de</strong>nn wir beobachten auf bei<strong>de</strong>n<br />
Seiten die Ten<strong>de</strong>nz durch Ausschläge zu erleichtern, womit die „Unterdrückung“ dieser<br />
Naturerscheinungen zusammenhängt. Die Hauptsache war bei Hahnemann die Konzeption<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> zurückliegen<strong>de</strong>n Grundursache, als einer allgemeinen toxischen Invasion, <strong><strong>de</strong>r</strong> gegenüber<br />
seine Zeitgenossen nur S y m p t o m e und g r ö b l i c h e S t o f f e wahrnehmen. Dem<br />
wi<strong><strong>de</strong>r</strong>sprach sein Genius und heute ist es <strong><strong>de</strong>r</strong> vorgeschrittenen mo<strong><strong>de</strong>r</strong>nen Wissenschaft<br />
erlaubt, ihm die Hand entgegenzustrecken. Es erfüllt uns mit großer Genugtuung, daß auch<br />
Dr. Bach die Hahnemann ehren<strong>de</strong> geschichtliche Größe vertritt.<br />
Wir hören also jetzt <strong>de</strong>n Urheber <strong><strong>de</strong>r</strong> Theorie, D r . E d w a r d B a c h , über seine (etwas<br />
gekürzt): Schon in <strong>de</strong>n frühesten Tagen <strong><strong>de</strong>r</strong> Medizin fin<strong>de</strong>n wir Beweise, daß das, was wir<br />
heute intestinale Toxämie nennen, bewußt o<strong><strong>de</strong>r</strong> unbewußt vorausgesetzt wur<strong>de</strong>, <strong>de</strong>nn schon<br />
<strong>von</strong> <strong>de</strong>n ältesten Aerzten wur<strong>de</strong>n Laxier- und Lebensmittel angewandt, um die Eingewei<strong>de</strong> zu<br />
reinigen. Die Metho<strong>de</strong> wechselte im Laufe <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeiten, doch blieben die Bemühungen ähnlich<br />
gerichtet und auch heute wird durch Diät, Drogen, selbst chirurgische Eingriffe ähnlichen<br />
Erwägungen Folge gegeben.<br />
Notwendig muß auch <strong><strong>de</strong>r</strong> Nahrungskanal <strong>von</strong> äußerster Wichtigkeit sein. Seine<br />
Oberfläche ist größer als die <strong><strong>de</strong>r</strong> Haut und er hat die Fähigkeit vom Medium, in <strong>de</strong>m er<br />
gewissermaßen ba<strong>de</strong>t, Stoffe zu absorbieren, was bei <strong><strong>de</strong>r</strong> äußeren Körperoberfläche in<br />
annährend ähnlichem Grad nicht vorhan<strong>de</strong>n ist. Man kann ohne krankmachen<strong>de</strong> Wirkung in<br />
einem Bad <strong>von</strong> Zyankali sitzen; ein sehr kleiner Teil da<strong>von</strong> in <strong>de</strong>n Magen gebracht, wäre sofort<br />
fatal. Sie können sich in Wasser waschen, das mit Typhoid-, Diphtherie- und an<strong><strong>de</strong>r</strong>n Bazillen<br />
verunreinigt ist, was ohne Scha<strong>de</strong>n bleibt, sofern nicht eine Spur da<strong>von</strong> in <strong>de</strong>n Mund kommt.<br />
Dann erst beginnt die Möglichkeit <strong>de</strong>s Scha<strong>de</strong>ns.<br />
Der Inhalt <strong>de</strong>s Darmkanals ist die Flüssigkeit, in welcher wir leben, ähnlich wie die<br />
unizellulare Amöbe in ihrem Wasser. Es ist wesentlich, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Darm rein sei und die<br />
Notwendigkeit <strong>de</strong>s Lebens darin enthalte und ferner frei <strong>von</strong> irgendwelchen Substanzen, die<br />
bei ihrer Absorption schädlich wer<strong>de</strong>n können. Es ist sicher eines <strong><strong>de</strong>r</strong> Wun<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Natur, daß<br />
sie es vermochte mit einer solchen Verschie<strong>de</strong>nheit <strong><strong>de</strong>r</strong> intestinalen Füllungen, wie sie durch<br />
die Anpassung verschie<strong>de</strong>ner Rassen bewiesen wur<strong>de</strong>, überhaupt auszukommen. Wenn man<br />
die Verschie<strong>de</strong>nartigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Lebensweise in <strong>de</strong>n Län<strong><strong>de</strong>r</strong>n und Völkern be<strong>de</strong>nkt, so muß man<br />
sich wun<strong><strong>de</strong>r</strong>n, daß die Rassen - im allgemeinen gesprochen - doch noch überleben. In<strong>de</strong>ssen<br />
besteht die Strafe nicht im To<strong>de</strong>, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n vorläufig in <strong><strong>de</strong>r</strong> Erkrankung, nicht in <strong><strong>de</strong>r</strong> Ausrottung,<br />
son<strong><strong>de</strong>r</strong>n in einer Entartung. Nach aller Wahrscheinlichkeit waren die Menschen ursprünglich<br />
auf Rohkost angewiesen, die Nahrung <strong><strong>de</strong>r</strong> Tropen und <strong><strong>de</strong>r</strong> Verdauungskanal waren dazu<br />
entwickelt. Aber es fand Abwan<strong><strong>de</strong>r</strong>ung nach kühlen Klimaten statt und jetzt leben viele<br />
Nationen gänzlich <strong>von</strong> gekochter Nahrung, welche <strong>de</strong>n Darminhalt völlig verän<strong><strong>de</strong>r</strong>t und<br />
<strong>de</strong>nnoch lebt die Rasse; aber die Menschheit entwischt nicht gänzlich, sie lebt, aber sie<br />
lei<strong>de</strong>t, sie wird in ihrer Kraft und Gesundheit heruntergesetzt und lei<strong>de</strong>t an zahllosen<br />
Krankheiten. Selbst wenn nun - gegen alle Wahrscheinlichkeit - die Menschen ihre Schritte zur<br />
Ursprünglichkeit zurücklenken wür<strong>de</strong>n, so wird uns das heute doch nicht in unserm Vorhaben<br />
stören, <strong>de</strong>nn uns interessieren die ungezählten Millionen dieses Zeitalters und unserer nahen<br />
Zukunft, welche leben wollen und heute laut um Erleichterung und Heilung rufen. Wir haben<br />
sofortige Notwendigkeiten zu berücksichtigen und können nicht auf i<strong>de</strong>alere zukünftige<br />
Zeiten warten. - Wenn eine Rasse <strong>von</strong> unnatürlicher Nahrung lebt, so än<strong><strong>de</strong>r</strong>t sich <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Darminhalt chemisch, physikalisch und bakteriologisch. Alle diese Dinge gehören hierher,<br />
zumeist jedoch die bakteriologische Aen<strong><strong>de</strong>r</strong>ung. Die chemische und physikalische Artung<br />
kann annähernd ans Normale gebracht wer<strong>de</strong>n durch eine Diät, nicht allzufern unserer<br />
bürgerlichen, durch Zutaten <strong>von</strong> Früchten und Salaten, so daß die mo<strong><strong>de</strong>r</strong>nen Möglichkeiten<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Haushaltung und <strong><strong>de</strong>r</strong> öffentlichen Gaststätten genügen. Doch dies genügt vielfach nicht,<br />
s c h o n v o r h a n d e n e Krankheiten zu bemeistern. Wenn nämlich eine Infektion <strong>von</strong><br />
längerer Dauer o<strong><strong>de</strong>r</strong> tiefem Sitz schon bestand, so wi<strong><strong>de</strong>r</strong>steht das bakterielle Element lange<br />
Zeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Besserung im Darminhalt und es müssen an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Metho<strong>de</strong>n in Anspruch genommen<br />
wer<strong>de</strong>n, jenes zu verdrängen. Ist es Ihnen bekannt, welche Verschie<strong>de</strong>nheit besteht zwischen<br />
<strong>de</strong>m Darminhalt eines <strong>von</strong> rauher Kost und eines <strong>von</strong> gekochter Nahrung verhaltenen<br />
Individuums? Im letzteren Fall, wie es bei zivilisierten Menschen zumeist zutrifft, ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Inhalt<br />
faulig im Geruch, dunkel gefärbt und alkalisch in <strong><strong>de</strong>r</strong> Reaktion, Fäulnisprodukte, wie Indol,<br />
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enthalten; <strong><strong>de</strong>r</strong> bakterielle Inhalt besteht aus Bacillus coli, Streptokokkus und sporentragen<strong>de</strong>n<br />
Organismen. Mit <strong>de</strong>m gesun<strong>de</strong>n Individuum, welches <strong>von</strong> Rohkost lebt, kontrastiert dieser<br />
Befund sehr. Der Inhalt ist ohne Geruch, hell in Farbe, sauer in Reaktion, frei <strong>von</strong><br />
Fäulnisprodukten und <strong><strong>de</strong>r</strong> bakterielle Inhalt besteht aus Milchsäurebazillen mit einigen<br />
Colibazillen. Wer mit diesem Befund vertraut ist, sollte dadurch auf ernstes Nach<strong>de</strong>nken<br />
geführt wer<strong>de</strong>n.<br />
In vielen Fällen kann nun hier eine Kur gemacht wer<strong>de</strong>n und selbst ohne ernstere<br />
Aen<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong><strong>de</strong>r</strong> Diät, obwohl ich zugebe, daß Hinzufügung <strong><strong>de</strong>r</strong> Diät länger dauern<strong>de</strong> und<br />
bessere Erfolge zeitigen kann. Der wesentliche Punkt einer geeigneten Diät ist, daß sie die<br />
Bedürfnisse <strong>de</strong>s Körpers befriedigt und dabei die Reaktion <strong>de</strong>s Dickdarms leicht sauer erhält,<br />
statt alkalisch, wie es in <strong><strong>de</strong>r</strong> westlichen Zivilisation gefun<strong>de</strong>n wird. Die Säure hängt ab vom<br />
Ge<strong>de</strong>ihen <strong>de</strong>s Milchsäurebazillus und dieser Organismus wie<strong><strong>de</strong>r</strong> bedarf <strong><strong>de</strong>r</strong> S t ä r k e , um seine<br />
Vermehrung zu sichern. Gewöhnliche Stärkezufuhr ist längst in Zucker verwan<strong>de</strong>lt, bis <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Dickdarm erreicht wird; aber rohes Hafermehl o<strong><strong>de</strong>r</strong> - noch besser - gequetschte Nüsse, liefern<br />
eine Stärke, die großenteils noch unverwan<strong>de</strong>lt <strong>de</strong>n obern Teil <strong>de</strong>s Darmtraktus passiert.<br />
Ich kann nicht ohne weiteres behaupten, daß die Klasse <strong>von</strong> Bakterien, welche<br />
Gegenstand dieser Abhandlung ist, die direkte Krankheitsursache sei; ich bin <strong>de</strong>ssen nicht<br />
sicher. Sie mögen sogar das Resultat <strong><strong>de</strong>r</strong> Krankheit sein; aber ich muß festhalten, daß diese<br />
Gruppe <strong>von</strong> Organismen in <strong>de</strong>n Patienten Beständigkeit ausweist, daß sie also mit<br />
chronischen Krankheiten verbun<strong>de</strong>n sind und daß wir im Gebrauch ihrer Zubereitungen<br />
machtvolle Waffen besitzen, um chronische Krankheiten aller Art zu bekämpfen. Bei <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
großen Mehrzahl unserer Mitbürger können diese Organismen gefun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n und wo<br />
irgend sie da sind, da muß man auch mit Krankheitsanlagen o<strong><strong>de</strong>r</strong> schon entwickelten<br />
Krankheiten rechnen. Ihre sofortige Virulenz ist ja nicht groß und Menschen, die mit<br />
hinreichend Gesundheit ins Leben treten, können diese Toxine eine Reihe <strong>von</strong> Jahren ohne<br />
entschie<strong>de</strong>ne Folgen aushalten. Aber im Laufe <strong><strong>de</strong>r</strong> Lebenszeit mit all ihren Schädigungen<br />
kommt doch <strong><strong>de</strong>r</strong> Punkt, wo die Selbstverteidigung nicht mehr ausreicht und Krankheit<br />
hervortritt. Während ein Zusammenbruch oft bis zum mittleren Alter verschoben wird, ist doch<br />
schon die nächste Generation <strong>von</strong> vermin<strong><strong>de</strong>r</strong>ter Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>standsfähigkeit und es bleibt wahr,<br />
daß die Natur, so sorgfältig sie das Typische zu behaupten sucht, doch oft sorglos mit <strong>de</strong>m<br />
Einzelleben umzugehen scheint. So veranlaßte auch die lange latente Perio<strong>de</strong> in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Tuberkulose die irrige Meinung, diese Krankheit sei nicht infektiös.<br />
Die Keime, <strong>von</strong> welchen ich spreche, sind Bazillen, Gram negativ, zu <strong><strong>de</strong>r</strong> großen Coli<br />
typhoid-Gruppe gehörig; <strong><strong>de</strong>r</strong> wichtige Punkt ist, daß sie Milchsäuregärung nicht bewirken,<br />
was sie vom Colibazillus selbst unterschei<strong>de</strong>t. Im gewöhnlichen Sinn zeigen sie keine Giftigkeit,<br />
wie Dysenterie, Typhoid, Paratyphoidbazillen und sie sind <strong>de</strong>shalb als unschuldig angesehen<br />
wor<strong>de</strong>n. Sie gehören aber zu jener Klasse.<br />
Ihre Zahl ist wahrscheinlich enorm, vielleicht unendlich. Man kann hun<strong><strong>de</strong>r</strong>t Fälle<br />
untersuchen, ohne zwei gleiche Abstriche zu erhalten. Wir können sie in Gruppen<br />
unterschei<strong>de</strong>n; aber je<strong>de</strong> Gruppe schließt eine Menge <strong>von</strong> Varietäten ein, die unter sich in<br />
einigen kleinen Dingen differieren. Für unsere Zwecke stellen wir 6 Gruppen auf:<br />
Dysenterie<br />
Gaertner<br />
Faecalis alkaligenes<br />
Morgan<br />
Proteus<br />
Coli mutabile.<br />
Sie fermentieren gewisse Zuckerarten und wie sie sich darin verhalten, bestimmt ihre<br />
Einordnung.<br />
Wird eine autogene Vakzine gebraucht, so ist ihre exakte Definition ohne Wichtigkeit;<br />
die polyvalente Vakzine wie<strong><strong>de</strong>r</strong>um hat sehr zahlreiche Beiträge <strong>von</strong> vielen Fällen je<strong><strong>de</strong>r</strong> Klasse.<br />
Diese Präparate also sind die harmlos betrachteten Bazillen, welche aber wirkliche<br />
Indikationen darbieten und bei richtiger Anwendung chronische Krankheiten heilen. Die<br />
klinische Evi<strong>de</strong>nz ist schon mehr als hinreichend gesichert; aber die Laboratoriumsarbeit -<br />
zunächst nicht klinischer Art - häuft ebenfalls höhere Tatsachen und <strong>de</strong>monstriert die<br />
Verbindung zwischen diesen Organismen und <strong>de</strong>n Krankheiten.<br />
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Durch tägliche Prüfung <strong>de</strong>s Fäzes eines Patienten ist es möglich, <strong>de</strong>n Prozentsatz <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Organismen und seine Schwankungen in Bezug auf <strong>de</strong>n Stand <strong><strong>de</strong>r</strong> inneren Krankheit zu<br />
vergleichen.<br />
Im allgemeinen nimmt man an, daß nur Coli allein normalerweise anwesend sei; aber<br />
man kann unsere Organismen in Verhältniszahlen <strong>von</strong> 1 bis 100 Prozent antreffen. Ihrem Typ<br />
bleiben die gefun<strong>de</strong>nen Organismen meist treu in je<strong>de</strong>m Krankheitsfall; Gaertner wechselt<br />
also nicht z. B. mit Morgan o<strong><strong>de</strong>r</strong> Proteus. Wenn eines Patienten Fäzes täglich untersucht<br />
wer<strong>de</strong>n, so stellt sich heraus, daß die Organismen nicht gleichförmig vorhan<strong>de</strong>n sind, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
in Zyklen erscheinen. Vielleicht sind die Fäzes eine Zeitlang frei und dann erscheinen die<br />
Organismen, steigen rasch an in <strong><strong>de</strong>r</strong> Zahl, bleiben einige Tage auf <strong>de</strong>m Höhepunkt und<br />
vermin<strong><strong>de</strong>r</strong>n sich, bis sie verschwin<strong>de</strong>n. Diese Zyklen stimmen in einem gewissen Maß mit <strong>de</strong>n<br />
Krankheitserscheinungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Patienten überein. Beobachtet man diese Verhältnisse während<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Behandlung mit <strong>de</strong>n Präparaten, so fin<strong>de</strong>t man, daß die schönsten Resultate erzielt<br />
wer<strong>de</strong>n, wenn auf eine kurze negative Phase eine höhere und verlängerte positive folgt,<br />
<strong>de</strong>utlicher ausgeprägt, als sonst gewohnheitsmäßig bei <strong>de</strong>m Patienten. Zeigt sich wenig<br />
Aen<strong><strong>de</strong>r</strong>ung gegen <strong>de</strong>n gewöhnlichen Typ <strong>de</strong>s Falles, so ist die Heilwirkung nicht so gut.<br />
Es ist auffallend, wie schnell <strong><strong>de</strong>r</strong> Wechsel im Gehalt <strong><strong>de</strong>r</strong> Organismen sich oft vollzieht.<br />
Vielleicht nach Wochen negativer Untersuchung kann binnen 36 Stun<strong>de</strong>n die Zahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Bazillen<br />
auf 100 Prozent steigen. Wie dies zustan<strong>de</strong> kommen kann, wissen wir nicht; die angestrebte<br />
Erklärung muß auf verschie<strong>de</strong>ne Möglichkeiten Rücksicht nehmen; je<strong>de</strong>nfalls aber ist bereits<br />
bewiesen, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Prozentsatz <strong><strong>de</strong>r</strong> Bazillen in einem Verhältnis steht zu <strong>de</strong>n<br />
Krankheitserscheinungen.<br />
Ein andrer seltsamer Zug in dieser Naturgeschichte ist die Beständigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Organismen <strong>de</strong>s beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en Typs in einem gegebenen Subjekt. Während mehrerer Jahre -<br />
wie auch <strong><strong>de</strong>r</strong> Zustand <strong>de</strong>s Patienten geartet sei und wie häufig Untersuchungen gemacht<br />
wer<strong>de</strong>n - bleibt <strong><strong>de</strong>r</strong> Typ sich gleich; in wenigen Fällen fin<strong>de</strong>t man mehr als einen Typ; meist nur<br />
stets <strong>de</strong>nselben. Gewisse Symptome erscheinen häufiger und mit einem bestimmten Typ, als<br />
mit einem an<strong><strong>de</strong>r</strong>n und wahrscheinlich wird sich hierüber noch Näheres durch kommen<strong>de</strong><br />
Beobachtungen feststellen lassen. Gleichviel, ob die Organismen nun Ursache o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Ergebnisse krankhafter Vorgänge im Organismus sein mögen; dies ist in <strong>de</strong>n letzten 12 Jahren<br />
sicher festgestellt wor<strong>de</strong>n: ihre Vakzinen vermögen eine enorme Wohltat auf Kranke<br />
auszuüben. Hun<strong><strong>de</strong>r</strong>te und Tausen<strong>de</strong> <strong>von</strong> Patienten sind nach solchen Gesichtspunkten<br />
behan<strong>de</strong>lt wor<strong>de</strong>n durch sehr viele Aerzte sowohl hypo<strong><strong>de</strong>r</strong>matisch, als mit potenzierten<br />
Präparaten.<br />
Achtzig Prozent <strong><strong>de</strong>r</strong> Kranken wiesen Besserung auf, einige nur in beschei<strong>de</strong>nem<br />
Betrag, die Majorität sehr entschie<strong>de</strong>n und eine ganze Anzahl zeigte brillante Resultate, etwa<br />
10 Prozent tatsächliche Wun<strong><strong>de</strong>r</strong>. Nicht ohne Jahre <strong>von</strong> Versuchen und Erfahrungen, nicht<br />
ohne Beobachtung Tausen<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>von</strong> Fällen bringe ich diese Vorschläge zu Gehör, nicht ohne<br />
die Mitarbeit <strong>von</strong> Praktikern überall auf <strong>de</strong>n britischen Inseln. Für eine beträchtliche Zahl <strong>von</strong><br />
Jahren sind Patienten durch hydro<strong><strong>de</strong>r</strong>matische Injektionen behan<strong>de</strong>lt wor<strong>de</strong>n; Details<br />
hierüber sind in unserm Buch „Chronische Krankheiten“ zu fin<strong>de</strong>n. Aber <strong><strong>de</strong>r</strong> Punkt, <strong>de</strong>n ich zu<br />
betonen wünsche, ist <strong><strong>de</strong>r</strong>, daß ebenso gute - nach meiner und an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Annahme noch<br />
bessere - Resultate durch die potenzierten Arzneien aus <strong>de</strong>n getöteten Organismen zu<br />
erhalten sind.<br />
Diese sind nun sieben Jahre in Gebrauch gewesen und in sehr verbreitetem<br />
Gebrauch seit zwei Jahren, gleich sehr bei Homöopathen und Allopathen und <strong>von</strong> letzteren<br />
haben welche die subkutane Verwendung zugunsten <strong><strong>de</strong>r</strong> Potenzen aufgegeben. - Diese<br />
Zubereitungen sind <strong>von</strong> 2 Varietäten angefertigt, autogen und polyvalent. Die erstere<br />
Präparation geht nur <strong>de</strong>n Patienten an, aus <strong>de</strong>ssen Darmflora sie gewonnen wur<strong>de</strong>. Ein<br />
Polyvalent schließt die Organismen <strong>von</strong> Hun<strong><strong>de</strong>r</strong>ten <strong>von</strong> Patienten ein; nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Mischung<br />
wer<strong>de</strong>n sie potenziert. Letzteres Präparat soll also möglichst viele passen<strong>de</strong> Fälle versorgen.<br />
Ueber die Vorzüge bei<strong><strong>de</strong>r</strong> reicht die Erfahrung noch nicht aus, <strong>de</strong>finitive Schlüsse zu ziehen;<br />
für alle Fälle ist aber das polyvalente Präparat so wertvoll, daß es sich <strong><strong>de</strong>r</strong> homöopathischen<br />
Materia medica als eine erfolgreiche Noso<strong>de</strong> einfügen kann. Ich kann sagen, daß die<br />
erreichten Resultate das Vertrauen rechtfertigen, daß alle, die es versuchen, auch das<br />
autogene Präparat probieren wer<strong>de</strong>n, wenn je die Resultate <strong>de</strong>s polyvalenten nicht ganz<br />
befriedigen. Dann wird man erst erfolgreich vergleichen und schließen können. Je<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
16
zuständige Bakteriologe kann diese Zubereitung machen und ich will Ihnen noch in Kürze die<br />
exakten Details dafür geben.<br />
Die Fäzes wer<strong>de</strong>n mit Agar („Mac Conkeys ripibel agar“) 16 Stun<strong>de</strong>n<br />
zusammengegeben. Hierbei wachsen die Kolonien als rote o<strong><strong>de</strong>r</strong> weiße. Erstere, wenn sie<br />
Laktose fermentieren; die für uns brauchbaren wachsen weiß, da sie keine Säure bil<strong>de</strong>n, die<br />
zur roten Reaktion führt. Den weißen Organismen kommt hier die einzige Be<strong>de</strong>utung zu. Von<br />
ihnen wer<strong>de</strong>n durch 15 Stun<strong>de</strong>n Kulturen gemacht und dann wer<strong>de</strong>n sie behufs Einordnung<br />
in ihre Gruppen auf Zuckerreaktionen geprüft. Eine Kultur wird mit 2ccm <strong>de</strong>stilliertem Wasser<br />
verschlossen und bei 60º C während 30 Minuten getötet. Dann wird das Ganze mit<br />
Milchzucker verrieben, entwe<strong><strong>de</strong>r</strong> mit 9 o<strong><strong>de</strong>r</strong> mit 99 Gramm. Damit kommt die erste <strong>de</strong>zimale<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> centesimale Potenz zustan<strong>de</strong>. Weitere Potenzen wer<strong>de</strong>n bis zu 6c o<strong><strong>de</strong>r</strong> 12d durch<br />
Verreibung hergestellt, die noch folgen<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>n gewöhnlichen flüssigen Hilfsmitteln.<br />
Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>e Sorgfalt ist nötig, durch Sterilisierung aller Apparate die früheren Potenzen<br />
vollständig zu entfernen. Trockene Hitze <strong>von</strong> min<strong>de</strong>stens 140ºC für 15 Minuten ist<br />
wahrscheinlich wirksamer als Dampf o<strong><strong>de</strong>r</strong> feuchte Wärme.<br />
Soweit ich sehe, ist nichts in diesen Noso<strong>de</strong>n, was <strong>de</strong>n Hahnemannschen Gesetzen<br />
wi<strong><strong>de</strong>r</strong>spräche und als die Einzelmittel ist es inhaltsreicher als je<strong>de</strong> sonst bekannte Arznei. Es ist<br />
ein Verbindungsstück zwischen <strong><strong>de</strong>r</strong> allopathischen und homöopathischen Schule; ent<strong>de</strong>ckt<br />
<strong>von</strong> einem Mitglied <strong><strong>de</strong>r</strong> allopathischen Avantgar<strong>de</strong>, wird es doch in Uebereinstimmung mit<br />
<strong>de</strong>n homöopathischen Grundsätzen gefun<strong>de</strong>n.<br />
Ich biete Ihnen diese Noso<strong>de</strong> an, als würdig in Ihrer Pharmakopöe aufgenommen zu<br />
wer<strong>de</strong>n, nützlich beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s in solchen Fällen, die auf gewöhnliche Drogen nicht antworten<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> wenn kein Mittel speziell indiziert ist; aber <strong><strong>de</strong>r</strong> Gebrauch dieses Grundmittels bleibt nicht<br />
auf solche Fälle beschränkt.<br />
Die Noso<strong>de</strong> soll in Amerika und Deutschland geprüft wer<strong>de</strong>n; in diesem Lan<strong>de</strong> wird sie<br />
schon <strong>von</strong> einer beträchtlich größeren Anzahl <strong>von</strong> Allopathen als Homöopathen angewandt.<br />
Ich glaube, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> eigentliche Gebrauch <strong><strong>de</strong>r</strong> Noso<strong>de</strong> in ihrem Charakter als Grundmittel<br />
gegeben ist und ich zweifle nicht, daß die glänzendsten Resultate dann herhalten wer<strong>de</strong>n,<br />
wenn homöopathische Behandlung <strong>de</strong>m Mittel nachfolgt, die Symptome mit <strong>de</strong>n<br />
angemessenen Heilmitteln zusammenstimmen. Die Noso<strong>de</strong> ist fähig, einen größeren o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
kleineren Teil tiefer Grundstörungen zu beseitigen. Es reinigt sozusagen die Patienten mit <strong>de</strong>m<br />
Effekt, sie für das eigentliche Symptommittel empfänglich zu machen. So brillant auch die<br />
Erfolge sind, welche Allopathen erzielen, i n I h r e n H ä n d e n s o l l t e n s i e n o c h b e s s e r<br />
sein!<br />
Ich for<strong><strong>de</strong>r</strong>e Sie auf, <strong><strong>de</strong>r</strong> Noso<strong>de</strong> ein Versuchsfeld zu bieten, für Fälle, die unter an<strong><strong>de</strong>r</strong>er<br />
Behandlung nicht gebessert wur<strong>de</strong>n, o<strong><strong>de</strong>r</strong> für solche, wo ein Heilmittel nicht klar angezeigt ist.<br />
- Ich lege nicht z u v i e l Wert auf die autogene Noso<strong>de</strong>, weil ich weiß, daß die polyvalente<br />
Sie noch besser ansprechen wird.<br />
Will man die Vakzine e i n s p r i t z e n , so ist es besser, die autogene zu haben, welche<br />
dann (mit 95%) die besten Resultate gibt; nur 5% reagieren hier besser auf die polyvalente;<br />
aber in bezug auf die p o t e n z i e r t e Vakzine ist es zu früh, eine solche Feststellung zu<br />
machen und <strong><strong>de</strong>r</strong>art ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Erfolg <strong><strong>de</strong>r</strong> polyvalenten, daß ich <strong>de</strong>nken muß, in einigen Fällen sei<br />
sie besser und in ihrer großen Mehrheit ebenso gut, wie die autogene, obwohl immer einige<br />
Fälle übrig bleiben wer<strong>de</strong>n, die nur auf die persönliche Noso<strong>de</strong> aus eigenen Organismen<br />
antworten. -<br />
Zeitlich geht die Noso<strong>de</strong> im allgemeinen, das aus Krankheitsmaterial gewonnene<br />
Heilmittel, <strong><strong>de</strong>r</strong> Bakteriologie und <strong><strong>de</strong>r</strong> Vakzine vorher; aber die Beziehung <strong>de</strong>s Späteren zum<br />
vorher Dagewesenen ist klar. Ihrer Schule nun, <strong>de</strong>n Pionieren in solchem Zusammenhang und<br />
Gebrauch, biete ich ein Mittel an, welches wirksam ist gegen die tiefste aller Krankheiten,<br />
welche <strong><strong>de</strong>r</strong> Genius <strong>von</strong> Hahnemann ahnte und benannte. Wenn ich annehme, daß ich<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>en Natur heute klarer machen kann, als es ihm möglich gewesen, nehme ich ihm kein<br />
Tüpfelchen <strong>von</strong> seinem Ruhm; eher glaube ich, daß ich sein Werk bestätige und erweitere,<br />
ihm die einzige Huldigung darbietend, die er selbst wünschen wür<strong>de</strong>.<br />
Der Herausgeber dieser Schrift und Uebersetzer <strong><strong>de</strong>r</strong> bei<strong>de</strong>n vorangegangenen<br />
Vorträge glaubt als homöopathischer Arzt hier Dr. Bach und seinen Mitarbeitern seinen<br />
aufrichtigen Dank aussprechen zu sollen. Er hat in diesen Beiträgen das Fortschrittlichste<br />
gefun<strong>de</strong>n, was für die <strong>Homöopathie</strong> theoretisch und praktisch seit Hahnemann und seit <strong>de</strong>n<br />
17
großen erfolgreichen Arzneiprüfungen <strong><strong>de</strong>r</strong> späteren Zeit getan wur<strong>de</strong>. Die hier vorliegen<strong>de</strong>n<br />
Arbeiten zeichnen sich zugleich durch einen wissenschaftlichen Gehalt aus, welcher an<br />
gesicherte Ergebnisse mo<strong><strong>de</strong>r</strong>ner Forschung anknüpft. Sie enthalten auch wissenschaftliche<br />
Probleme, welche die Forscher wohl bemerkt und formuliert haben.<br />
Ueber die Psorafrage habe ich mich schon geäußert; ein an<strong><strong>de</strong>r</strong>es hochinteressantes<br />
Problem ist das <strong>de</strong>s zyklischen Erscheinens und Verschwin<strong>de</strong>ns <strong><strong>de</strong>r</strong> Organismen im Darmkanal<br />
bei <strong>de</strong>m sie beherbergen<strong>de</strong>n chronisch erkrankten Menschen. Hierüber möchte ich einige<br />
Worte sagen, weil - die Richtigkeit dieser Beobachtungen vorausgesetzt - dieses Verhalten<br />
mir ein Licht zu werfen scheint auf die genetische Stellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Organismen im pathologischen<br />
Prozeß.<br />
Die zyklische Ab- und Zunahme <strong><strong>de</strong>r</strong> Organismen scheint mir ein Beweis dafür zu sein,<br />
daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Organismus <strong>de</strong>s Menschen selbst für <strong><strong>de</strong>r</strong>en Existenz, Vermehrung und Vermin<strong><strong>de</strong>r</strong>ung<br />
herangezogen wer<strong>de</strong>n muß. In <strong>de</strong>n so kurzlebigen Individuen <strong><strong>de</strong>r</strong> Darmflora ist kein Grund für<br />
solche Schwankungen. Wäre die Bedingung für ihre Vermehrung immer gleich, so müßten sie<br />
in einer steten annähern<strong>de</strong>n Mittelzahl vorhan<strong>de</strong>n sein, o<strong><strong>de</strong>r</strong> sich so lange vermehren, bis sie<br />
in ihren eigenen Toxinen wie<strong><strong>de</strong>r</strong> zugrun<strong>de</strong> gingen. Bei <strong>de</strong>m Auf und Ab ihrer Zahl, zumal,<br />
wenn solche in größeren Perio<strong>de</strong>n schwankt, muß eine Aen<strong><strong>de</strong>r</strong>ung im Wirtscharakter <strong>de</strong>s<br />
Darmkanals angenommen wer<strong>de</strong>n. Die intestinale Inhaltsmasse muß sich in Perio<strong>de</strong>n än<strong><strong>de</strong>r</strong>n;<br />
vielleicht han<strong>de</strong>lt es sich um eine zeitweilige Passivität <strong>de</strong>s Darms und ihr gegenüber um<br />
zeitweise starke Abwehr gegen Mikroorganismen. Bei<strong>de</strong>s ist ganz wohl <strong>de</strong>nkbar: wir vergessen<br />
doch nicht das im einzelnen und im ganzen biologische Verhalten <strong>de</strong>s Organismus. Es fragt<br />
sich jetzt: Sollen wir die hinter <strong>de</strong>n Bazillen wirksamen periodischen Vorgänge selbst wie<strong><strong>de</strong>r</strong> als<br />
eine chronische Krankheitsanlage betrachten, o<strong><strong>de</strong>r</strong> sollen wir eine an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Erklärung suchen.<br />
Im ersteren Fall kommen wir wie<strong><strong>de</strong>r</strong> auf Schwierigkeiten, müssen - nach <strong>de</strong>n vorliegen<strong>de</strong>n<br />
Beobachtungen - noch einmal eine Psora hinter <strong><strong>de</strong>r</strong> Psora annehmen, eine Toxämie hinter<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> offenbaren Toxämie, welche aus unbekannten Grün<strong>de</strong>n zeitweise zurücktritt und<br />
hervortritt.<br />
P a r a c e l s u s hat einen an<strong><strong>de</strong>r</strong>n Ausweg gezeigt. Er sagt, daß das menschliche System<br />
analog gebaut sei einem Planetensystem. Alle Funktionen haben materielle Träger, welche<br />
<strong>de</strong>n Hauptplaneten und <strong><strong>de</strong>r</strong> Sonne, sowie unserm Mon<strong>de</strong> entsprechen. Das System ist immer<br />
im Fortschreiten, im Umschwung begriffen, wobei alle Tätigkeiten bald begünstigt, bald<br />
behin<strong><strong>de</strong>r</strong>t wer<strong>de</strong>n, wie die Sonnennähe und Sonnenferne wirken, o<strong><strong>de</strong>r</strong> Finsternisse,<br />
Be<strong>de</strong>ckungen, Konjunktionen, Oppositionen. Man kann sich, glaube ich, kein schöneres Bild<br />
vom Geschehen im menschlichen Organismus machen und auch kein zutreffen<strong><strong>de</strong>r</strong>es, <strong>de</strong>nn<br />
je<strong><strong>de</strong>r</strong>, <strong><strong>de</strong>r</strong> sich beobachtet, weiß, daß zeitweise seine Verdauung leicht gestört ist, dann<br />
wie<strong><strong>de</strong>r</strong> kraftvoll arbeitet, daß er zeitweise schlecht schläft, ohne erkennbaren Grund, dann<br />
wie<strong><strong>de</strong>r</strong> ausgezeichnet; daß er manchmal wenig Urin läßt, dann Zeiten unverständlich<br />
reichlichen Abgangs hat. Ebenso geht es mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Wärme <strong><strong>de</strong>r</strong> Extremitäten, mit allgemeiner<br />
Müdigkeit, mit auffallen<strong><strong>de</strong>r</strong> Feinheit o<strong><strong>de</strong>r</strong> etwas Stumpfheit dieses und jenes Sinns. Unsere<br />
Funktionen schießen auf und verwelken „wie die Blüten <strong>de</strong>s Krokus“. Das sind eben die<br />
Begünstigungen und die Verdunkelungen in unserem inneren Planeten 2 . Man hat in unserer<br />
Zeit selbst <strong>de</strong>m Atom ein solches Sinnbild geschaffen und man mußte neuestens alle<br />
materiellen Vorstellungen in Bezug auf das Atommo<strong>de</strong>ll dahin berichtigen, daß es sich um ein<br />
System oszillieren<strong><strong>de</strong>r</strong> Ladungen handle. So ist nun vom Anfang <strong><strong>de</strong>r</strong> Wege <strong><strong>de</strong>r</strong> „Materie“ bis<br />
hinauf zum Sternenhimmel eine Analogie geschaffen und die Aus<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s genialen<br />
Paracelsus schließt auch das Leben <strong>de</strong>s menschlichen Organismus in <strong>de</strong>n Kreis ein. Nun<br />
be<strong>de</strong>nke man, daß das Leben ein Konflikt ist mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Außenwelt, ein Konflikt nach allen Seiten<br />
und nur die starke Ueberlegenheit <strong>de</strong>s Systembaues verbürgt für einige Zeit die Erhaltung und<br />
Ordnung. Aber es ist nicht zu verhin<strong><strong>de</strong>r</strong>n, daß ungünstige Konstellationen im System die eine<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Funktion in Gefahr bringen, <strong>de</strong>n Makrokosmus nicht hinreichend abwehren<br />
können, so daß das ganze System in Not kommt, Krankheiten verursacht wer<strong>de</strong>n o<strong><strong>de</strong>r</strong> gar <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
2<br />
Als Beispiel erwäge man etwa das Verhalten <strong>von</strong> Haut und Nieren. Ihre Funktionen sind gewissermaßen<br />
befreun<strong>de</strong>te Planeten. Stehen sie in Konjunktion, d. h. funktionell bei<strong>de</strong> optimal, so verstärken sie eine<br />
entgiften<strong>de</strong> und wasserregulieren<strong>de</strong> Gesamthaltung. Stehen sie in Opposition, so ist ihr Einfluß stark<br />
vermin<strong><strong>de</strong>r</strong>t; die Krankheitsneigung geht nach jener Richtung, die Abwehr und Ordnung auf <strong>de</strong>m<br />
betreffen<strong>de</strong>n Gebiet stockt. Genau diese beobachtet man zyklisch bei Gesun<strong>de</strong>n und Kranken.<br />
Deshalb ist die Paracelsus-I<strong>de</strong>e wahr und lebensvoll.<br />
18
Untergang <strong>de</strong>s Ganzen, d. h. <strong><strong>de</strong>r</strong> individuelle Tod, erfolgt. - So kann man sich ohne<br />
Ueberpsora die Bedrohung <strong>de</strong>s organischen Lebens vorstellen, allein durch <strong>de</strong>n Aufbau, <strong>de</strong>n<br />
es nun einmal notwenig haben muß. Demnach ist es auch hier leicht, sich zu sagen, daß <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Verdauungskanal im ganzen System seine Zeit haben wer<strong>de</strong>, wo er wenig, und an<strong><strong>de</strong>r</strong>e<br />
Zeiten, wo er viel Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>stand aufbringen kann, das Ganze zu beeinflussen im Sinne einer<br />
optimalen Nützlichkeit. Die Psora bleibt, was sie nach Hahnemann und nach unsern<br />
englischen Freun<strong>de</strong>n ist; daß sie ihre Verstärkung erfährt, daß sie eine ab- und zunehmen<strong>de</strong><br />
Toxämie setzt, das ist die Folge <strong><strong>de</strong>r</strong> Funktionszusammenhänge nach Maßgabe <strong>de</strong>s<br />
Systembaues im menschlichen Leben. Die Frage also, welche die Englän<strong><strong>de</strong>r</strong> aufgeworfen<br />
haben, ob nämlich die Organismen Produkte o<strong><strong>de</strong>r</strong> Ursachen <strong><strong>de</strong>r</strong> Krankheiten seien, gelingt es<br />
durch die Konzeption <strong>de</strong>s Paracelsus zu lösen: sie sind Folgen <strong>de</strong>s Systembaues <strong>de</strong>s<br />
menschlichen Organismus, welcher ihnen zeitweise mehr Spielraum gewähren muß, ohne<br />
noch selbst krank zu sein; an<strong><strong>de</strong>r</strong>erseits sind sie die Urheber <strong>von</strong> Krankheiten, welche wir unter<br />
<strong>de</strong>m Begriff <strong><strong>de</strong>r</strong> Psora zusammenfassen; das ergibt sich aus ihrer vermehrten Anwesenheit<br />
und aus geschwächtem Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>stand <strong>de</strong>s chronisch befallenen Organismus <strong>de</strong>s Menschen. Sie<br />
sind also Wirkungen und Ursachen zugleich, wie es einer lebensvollen Einfügung entspricht.<br />
Wollte man nun fragen, ob diese Theorie, welche ich schon im Jahre 1907<br />
veröffentlicht habe (Paracelsus, Tübingen, J. J. Heckenhauer), wissenschaftlich<br />
ernstzunehmen sei, so muß ich mit Ja! antworten. Die Mathematik schimmert durch sie<br />
hindurch, <strong>von</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong>en Gehalt das natürlich Wissenschaftliche abhängig gemacht wur<strong>de</strong>: „Was<br />
im Makrokosmos beschlossen ist in Gestirnen, das kann auch in einer Faust beschlossen<br />
wer<strong>de</strong>n, im Mikrokosmus.“ Dies Wort 3 zeigt die oben <strong>von</strong> mir hervorgehobene Einheitlichkeit<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Betrachtung, ein wissenschaftlich wertvolles Merkmal, zeigt auch im Ausblick auf die<br />
Zukunft weitere exakte Möglichkeiten. Man darf aber nicht vergessen, daß eine streng<br />
mathematische Metho<strong>de</strong> vor b i o l o g i s c h e n Problemen bald ihre Grenze fin<strong>de</strong>t. Wie auch<br />
die Einwirkungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Außenwelt zu erkennen und zu bemessen sind, so bricht doch aus <strong>de</strong>m<br />
Inneren eines lebendigen Organismus die Gegenwirkung nicht hervor nach <strong>de</strong>m Gesetz actio<br />
est par reactioni, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n nach unberechenbaren Möglichkeiten, welche allein <strong>von</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
teleologischen Bedürftigkeit bestimmt wer<strong>de</strong>n, freilich auch <strong>von</strong> <strong>de</strong>m verfügbaren Kräftemaß.<br />
Daß man dies einsieht, ist eine wissenschaftliche For<strong><strong>de</strong>r</strong>ung und somit weist Wissenschaft<br />
selbst auf das vorerst Unwissenschaftliche hin, welches <strong>de</strong>n Inbegriff <strong>de</strong>s Lebens noch in<br />
Dunkel hüllt. Die Erscheinungen aber sind uns zugänglich und können <strong>von</strong> unserm Denken<br />
begleitet wer<strong>de</strong>n, was völlig genügt für eine Heilkunst, welche nicht auf <strong>de</strong>n Wegen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Spekulation wan<strong>de</strong>lt. -<br />
Von <strong><strong>de</strong>r</strong> Theorie aber kann man vorerst nicht mehr verlangen, als daß sie in<br />
anschaulichen Bil<strong><strong>de</strong>r</strong>n, stets an <strong><strong>de</strong>r</strong> Hand <strong><strong>de</strong>r</strong> Erfahrung, diese Erfahrung geleite und da kann<br />
kein treffen<strong><strong>de</strong>r</strong>es Bild gefun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, als das <strong>von</strong> Paracelsus so großzügig<br />
angenommene 4 . In meinem Buche über Paracelsus fin<strong>de</strong>n sich noch mehr entsprechen<strong>de</strong><br />
Parallelen aus seinem Schatze und es ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Mühe wert, diese Gedanken kennenzulernen,<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>en noch viele zur heutigen Problematik in <strong><strong>de</strong>r</strong> Medizin herangezogen wer<strong>de</strong>n könnten.<br />
Diese Arbeit war schon zum Druck gegeben, als in <strong><strong>de</strong>r</strong> Allg. Hom. Ztg. Februar 1928<br />
eine Abhandlung <strong>von</strong> D r . J . A e b l y erschien: Z u r G e s c h i c h t e d e s<br />
Aehnlichkeitsgesetzes. Das Aehnlichkeitsgesetz in <strong><strong>de</strong>r</strong> astrologischen<br />
M e d i z i n . In dieser sehr willkommenen Auseinan<strong><strong>de</strong>r</strong>setzung wird das Verständnis etwas<br />
angebahnt für solche I<strong>de</strong>en, wie sie hier - vom großen Paracelsus erarbeitet - vertreten<br />
wor<strong>de</strong>n sind. Ich will <strong>de</strong>shalb auf die obige Veröffentlichung <strong>de</strong>s Kollegen Aebly etwas<br />
3<br />
Der Paracelsus-Ausspruch lautet genauer: „Der eine solche Viele (Vielfachheit) zwischen <strong>de</strong>n Himmeln<br />
beschließt (einschließt), kann auch einschließen in eine Faust, d. h. in ein Mikrokosmum.“ Weil für die<br />
Gottesi<strong>de</strong>e meist keine Aufnahme in <strong><strong>de</strong>r</strong> heutigen Wissenschaft besteht, habe ich <strong>de</strong>n Satz etwas<br />
an<strong><strong>de</strong>r</strong>s gegeben, so daß aber sein sachlicher Gehalt doch völlig ausgedrückt ist. Die Ansicht, daß das<br />
Leben analog gebaut sei <strong>de</strong>m Sternenhimmel, fin<strong>de</strong>t sich vielfach bei Paracelsus. Er kommt dann immer<br />
darauf zu sprechen, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Mikrokosmus seine Geheimnisse nicht durchschauen lasse, während wir sie<br />
aber in <strong><strong>de</strong>r</strong> äußeren Welt (Makrokosmus) in Analogien wahrnehmen, die uns Licht geben fürs Innere.<br />
4 Ich bin überzeugt, daß diese Aufstellung <strong>von</strong> Unverständigen angestaunt und verlacht wer<strong>de</strong>n wird. Es<br />
gehört Ernst und Studium dazu, sie richtig aufzunehmen und es wird vielleicht noch einige Zeit dauern,<br />
bis ihre wissenschaftliche Größe und Be<strong>de</strong>utung erkannt, die Theorie selbst aber in interessanten und<br />
nützlichen Einzelheiten ausgeführt wird. Paracelsus erhebt uns, wie immer, zur großartigsten<br />
Anschauung, verbun<strong>de</strong>n mit praktischer Anwendbarkeit.<br />
19
eingehen und ihr womöglich <strong>de</strong>n richtigen Anschluß in <strong><strong>de</strong>r</strong> medizinischen Gedankenwelt zu<br />
verschaffen suchen.<br />
1. Geht Aebly <strong>von</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> wohlbegrün<strong>de</strong>ten Ansicht aus, daß das Aehnlichkeitsgesetz tief<br />
im menschlichen Geiste verankert sein müsse, da diese Heilbeziehung sich zu <strong>de</strong>n<br />
verschie<strong>de</strong>nsten Zeiten bei <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nsten Aerzten geäußert habe und auch in ganz<br />
verschie<strong>de</strong>ner Form sich darstellte. Ueber diesen Punkt habe ich mich wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holt und<br />
eingehend in meinen Schriften geäußert, zuletzt in <strong><strong>de</strong>r</strong> Schlußabhandlung dieses Heftes, wo<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Aehnlichkeitsbeziehung ihr Platz angewiesen ist und wo ihr apriorischer Wert, <strong><strong>de</strong>r</strong> freilich<br />
nicht ohne das Erfahrungsgebiet in Erscheinung treten kann, besprochen wird.<br />
2. Aebly meint, daß es sich in <strong><strong>de</strong>r</strong> Astrologie darum handle, es sei <strong><strong>de</strong>r</strong> Mensch mit<br />
<strong>de</strong>m Kosmos im allerinnigsten Zusammenhang und sie stelle sich dar als <strong><strong>de</strong>r</strong> Versuch einer<br />
umfassen<strong>de</strong>n Synthese <strong>von</strong> Physischem und Psychischem, <strong>von</strong> Individuum und Kosmos, was<br />
er mit Recht eine grandiose Konzeption nennt. Wir fin<strong>de</strong>n aber diese Konzeption bei<br />
Paracelsus und es ist sehr merkwürdig, daß sie hier nicht eigentlich astrologisch, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n direkt<br />
astronomisch ist. Wenn wir nämlich bei<strong>de</strong> „Wissenschaften“ <strong>von</strong>einan<strong><strong>de</strong>r</strong> abzugrenzen, zu<br />
<strong>de</strong>finieren versuchen, so sind die Einflußfaktoren <strong><strong>de</strong>r</strong> Astronomie nur Schwerkraft und Licht<br />
(um letzteres mo<strong><strong>de</strong>r</strong>n auszudrücken: Schwingungsenergie elektromagnetischer Art). Bei <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Astrologie jedoch wer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>n Planeten (inkl. Sonne und Mond) spezifische Wesenheiten<br />
zugeschrieben, mit <strong>de</strong>nen sie die terrestrischen Bildungen beeinflussen. Nun hat Paracelsus<br />
meines Wissens und Erinnerns meist nur die <strong>von</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Astronomie gebotenen Elemente<br />
herangezogen, seltener das Spezifische <strong><strong>de</strong>r</strong> Astrologie, wie auch aus <strong>de</strong>n mitgeteilten<br />
Aussprüchen hervorgeht. Diese beziehen sich auf die allgemeine Pathologie und bieten die<br />
Grundzüge <strong><strong>de</strong>r</strong> Betrachtung. In <strong><strong>de</strong>r</strong> speziellen Pathologie wird er dann auch astrologisch, so z.<br />
B. Caput IV <strong>de</strong>s 5. Buches <strong>von</strong> <strong>de</strong>n Frantzosen: Anthera ist ein Arkanum, zu überwin<strong>de</strong>n die<br />
skorpionischen Impressionen; die Basilikon überwin<strong>de</strong>t die Impression <strong><strong>de</strong>r</strong> Jungfrau. - Können<br />
wir uns dies nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Aehnlichkeit, o<strong><strong>de</strong>r</strong> nach <strong>de</strong>m Gegensatz geschehend <strong>de</strong>nken? Ich<br />
glaube: nur nach <strong>de</strong>m Gegensatz aus folgen<strong>de</strong>n Erwägungen: Wenn sich auch <strong><strong>de</strong>r</strong> Aufbau<br />
<strong>de</strong>s Makrokosmus an Kompliziertheit mit <strong>de</strong>m lebendigen System messen könnte, so bestän<strong>de</strong><br />
doch ein fundamentaler Unterschied, nämlich <strong><strong>de</strong>r</strong>, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Makrokosmus nichts außer sich<br />
hat. Er ist eins und alles. Die Ernährungsvorgänge und die Ausscheidungen, welche bei<strong>de</strong><br />
eine so große Rolle in <strong>de</strong>n Krankheiten spielen, haben in ihm keine Analogie für<br />
astronomisches Verständnis. Es kann in ihn nichts aufgenommen wer<strong>de</strong>n und kann <strong>von</strong> ihm<br />
nichts entfernt wer<strong>de</strong>n. Auch eine Regeneration ist nicht <strong>de</strong>nkbar. Astrologisch, allerdings<br />
beseelt gedacht, kann zwar im ganzen auch nichts hinzukommen und nichts weggehen; es<br />
läßt sich aber <strong>de</strong>nken, daß einzelne Glie<strong><strong>de</strong>r</strong> im kosmischen Aufbau lei<strong>de</strong>n, z. B. unter<br />
Lichtmangel in vorübergehen<strong>de</strong>n Phasen; auch läßt sich annehmen, daß Ernährungen und<br />
Abscheidungen stattfin<strong>de</strong>n, welche Be<strong>de</strong>utung fürs Ganze haben, z. B.<br />
Sonnenfleckenperio<strong>de</strong>n, Gasausbrüche, die astronomisch nur mechanische Be<strong>de</strong>utung<br />
hätten, könnten Lebensbe<strong>de</strong>utung für die Glie<strong><strong>de</strong>r</strong> im astrologischen Sinn haben. Will man dies<br />
zulassen, so ist eben das ganze beseelt und dann ergeben sich weitergehen<strong>de</strong> Analogien mit<br />
<strong>de</strong>n Krankheiten <strong><strong>de</strong>r</strong> Menschen, Tiere und Gewächse. In <strong><strong>de</strong>r</strong> Symbolik herrscht dann<br />
Aehnlichkeit; aber so viel wir mitempfin<strong>de</strong>n können, sind die Aehnlichkeitsbeziehungen nicht<br />
dahin ausgreifend, daß Heilung durch eine Gegenwirkung auf <strong>de</strong>m Weg <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Selbstverteidigung erfolgt, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n eine einfache Korrektur im Phasengange, welche wie<strong><strong>de</strong>r</strong>,<br />
die günstigeren Belichtungsverhältnisse bringt. Das ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Weg <strong>de</strong>s konträren Ausgleiches im<br />
astrologisch gedachten Kosmos; hier besteht keine Aehnlichkeitsbeziehung für eine Therapie;<br />
es läßt sich nur <strong>von</strong> einer solchen re<strong>de</strong>n in <strong><strong>de</strong>r</strong> Aetiologie und zwar nur <strong>von</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> symbolischen,<br />
welche nach <strong>de</strong>m Gegensatze die Lichthungerschä<strong>de</strong>n wie<strong><strong>de</strong>r</strong> durch ausgleichen<strong>de</strong> Zufuhr<br />
im günstigen Weiterverlauf gut macht.<br />
3. Dr. Aebly bringt einige Beispiele zur Ver<strong>de</strong>utlichung <strong><strong>de</strong>r</strong> Symbolik: „Die Sonne<br />
bewirkt u. a. Plethora, übermäßige Ernährung, Hämorrhagien, Fieber (wenn sie zu<br />
übermäßigem einseitigen Einfluß gekommen ist, was ich in <strong>de</strong>n alten Schriften als Exaltation<br />
fin<strong>de</strong>).<br />
Der Mond hat außer seinem allgemein regulieren<strong>de</strong>n Einfluß auf <strong>de</strong>n Gang <strong><strong>de</strong>r</strong> akuten<br />
Krankheiten, wie sie in <strong><strong>de</strong>r</strong> Lehre <strong>von</strong> <strong>de</strong>n kritischen Tagen hervortritt, vor allem einen Einfluß<br />
auf die Verteilung sowohl wie auf die Beschaffenheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Körperflüssigkeiten, bewirkt z. B.<br />
Oe<strong>de</strong>me, Transsudate usw.<br />
20
Merkur verursacht alle möglichen Arten <strong>von</strong> nervösen Beschwer<strong>de</strong>n, sowie auch<br />
verschie<strong>de</strong>ne Lungenlei<strong>de</strong>n, wie z. B. Asthma.<br />
Venus, als Signifikator <strong>de</strong>s Sexualtriebes und seiner psychischen Ausstrahlung<br />
verursacht die mit diesen zusammenhängen<strong>de</strong>n Krankheiten, als beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s auch die<br />
venerischen.<br />
Mars bewirkt übermäßige Tätigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> verschie<strong>de</strong>nen Organe, beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s auch hohe<br />
Temperaturen und die durch solche ausgezeichneten akuten Infektionen.<br />
Jupiter kommt als pathogener Planet weniger in Betracht.<br />
Saturn, <strong><strong>de</strong>r</strong> letzte <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>n Alten bekannten Planeten, ist vor allem be<strong>de</strong>utsam für alle<br />
langsam sich entwickeln<strong>de</strong>n Krankheiten, die Verlangsamung <strong>de</strong>s Metabolismus, Gicht,<br />
Rheumatismus usw.“<br />
Ich schließe dieses Zwischenspiel ab mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Bemerkung:<br />
Der Hintergrund <strong><strong>de</strong>r</strong> Psora ist in physikalischen Verhältnissen gegeben und dadurch<br />
wissenschaftlich faßbar, daß Analogien jene Krankheitsmöglichkeiten mit <strong>de</strong>m Aufbau <strong>de</strong>s<br />
gestirnten Himmels verbin<strong>de</strong>n, <strong><strong>de</strong>r</strong> in astronomischer und astrologischer Weise zum<br />
Verständnis <strong><strong>de</strong>r</strong> Grundlagen herangezogen wer<strong>de</strong>n kann und <strong><strong>de</strong>r</strong> ein tertium comparationis<br />
für die Erscheinungen darbietet und in seinen Gestirnstellungen, Verstärkungen,<br />
Abschwächungen, Be<strong>de</strong>ckungen, Phasen, Verfinsterungen, sowie etwa auch in <strong>de</strong>n<br />
wechseln<strong>de</strong>n spezifischen Einwirkungen, wie sie astrologisch gedacht sind. Solche<br />
Anordnungen können wir heute selbst in <strong>de</strong>n uns bekannten kleinsten Kraftsystemen, <strong>de</strong>n<br />
Atomen, voraussetzen. Elektromagnetische Ladungen und <strong><strong>de</strong>r</strong>en Dynamik sind es, welche<br />
hier wissenschaftlich verfolgbar sind und möglicherweise auch für die Lebenssysteme und<br />
<strong>de</strong>n Makrokosmus gelten, ohne die Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>heit je<strong>de</strong>n Gebietes aufzuheben 5 .<br />
Nach so reichlichen theoretischen Darbietungen gelangen wir nun zur dritten<br />
Abteilung <strong><strong>de</strong>r</strong> englischen Schrift und geben nur Dr. Dishington das Wort.<br />
Ich führe hier seine Krankengeschichten mit <strong>de</strong>m Vertrauen ein, als wären sie meiner<br />
Erfahrung entnommen; ich muß aber gestehen, daß sie so eingehend beobachtet und<br />
geschil<strong><strong>de</strong>r</strong>t sind, daß es mir schwer fallen wür<strong>de</strong>, sie zu erreichen. Seine Schil<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Eigenart jener verschie<strong>de</strong>nen Vakzinen sind grundlegend. Ich muß nun aber vorerst noch<br />
etwas einschalten, was möglicherweise ebenfalls zu <strong>de</strong>n neueren <strong>Fortschritte</strong>n <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
<strong>Homöopathie</strong> gehört, nämlich über die sog. Plus-Metho<strong>de</strong>, die in Dishingtons Darlegungen<br />
einen gewissen Raum einnimmt.<br />
In <strong><strong>de</strong>r</strong> neuesten (6.) Auflage <strong>von</strong> Hahnemanns Organon, herausgegeben <strong>von</strong> Dr. Rich.<br />
Haehl (Leipzig 1921) macht Hahnemann Mitteilungen über seine Erfahrungen seit Herausgabe<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> 5. Auflage <strong>de</strong>s Organon. Haehl sagt darüber im Vorwort zu diesem grundlegen<strong>de</strong>n Werk:<br />
„Von größter Be<strong>de</strong>utung sind die §§426 - 248, auf die schon § 161 in seiner Neufassung<br />
hinweist. Hahnemann verläßt die früher mit so großer Entschie<strong>de</strong>nheit vertretene Vorschrift, in<br />
chronischen Krankheiten womöglich nur e i n e Gabe <strong>de</strong>s gut gewählten Arzneimittels zu<br />
5<br />
Es besteht Anlaß, hier nochmals eine Einschaltung zu machen, welche sich auf das wissenschaftliche<br />
Verständnis <strong><strong>de</strong>r</strong> Astrologie bezieht. Seit mehreren Jahren wer<strong>de</strong>n äußerst kurzwellige Strahlungen<br />
verfolgt, die angeblich vom Fixsternhimmel kommen und eine viel höhere Durchschlagskraft haben, als<br />
Röntgenstrahlen. Demnach sind qualitativ verschie<strong>de</strong>n wirken<strong>de</strong> Strahlungen als Grundlage für je<strong>de</strong><br />
Theorie zulässig.<br />
Ferner hat L . K o l i s k o unter <strong>de</strong>m Titel S t e r n e n w i r k e n i n E r d e n s t o f f e n (Experimentelle<br />
Studien aus <strong>de</strong>m Biologischen Institut am Goetheanum im März 1927) sehr interessante Versuche<br />
gemacht, nach welchen sich ergab, daß laut beigegebenen Bil<strong><strong>de</strong>r</strong>n eine Einwirkung <strong>de</strong>s Sonnen- und<br />
Mondstan<strong>de</strong>s auf das kapillare Auskristallisieren <strong>von</strong> Eisensulfat, Silbernitrat und Bleinitrat in<br />
gesetzmäßiger Weise stattfand, <strong><strong>de</strong>r</strong>art, daß wahrscheinlich ist, es wirke im Silber <strong><strong>de</strong>r</strong> Mond, im Eisen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Mars, im Blei <strong><strong>de</strong>r</strong> Saturn, ganz gemäß <strong>de</strong>n alten astrologischen Zuordnungen. - Wir Menschen stehen<br />
noch stark unter <strong>de</strong>m Einfluß materialistischer (kausalmechanischer) Vorstellungen, welche diese<br />
kosmischen Eingriffe in die Er<strong>de</strong>nwelt abzulehnen bereit sind; aber es ist doch eine zunehmen<strong>de</strong><br />
Strömung <strong>von</strong> tieferer Naturerfassung bemerkbar, wie sie sich in beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s unerschrockener Weise bei<br />
<strong>de</strong>m Münchner Astrologen E . D a c q u é zeigt. Aber das Hin und Her <strong><strong>de</strong>r</strong> Meinungen kann uns nicht<br />
helfen: wir verlangen nach Tatsachen und tatsächlichen Begründungen. Alles liegt daran, ob solche<br />
Versuche, wie Koliskos, sich mit positivem Erfolg bestätigen lassen. Hier erwarten uns die theoretischen<br />
und die praktischen Werte <strong><strong>de</strong>r</strong> Astrologie, welche das Wun<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>s Kosmos mit noch ergreifen<strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />
Wun<strong><strong>de</strong>r</strong>n füllen wür<strong>de</strong> und uns das Rätsel <strong><strong>de</strong>r</strong> Materie - sagen wir besser <strong><strong>de</strong>r</strong> gesamten Natur - in einem<br />
herrlichen Lichte zeigen wür<strong>de</strong>.<br />
21
verabreichen, um sie dann wochen- und sogar monatelang nachwirken zu lassen. Seine<br />
Erfahrungen seit <strong><strong>de</strong>r</strong> Herausgabe <strong><strong>de</strong>r</strong> 5. Auflage <strong>de</strong>s Organon lehrten ihn, daß die gut<br />
gewählte Arznei auch in chronischen Krankheiten täglich, und zwar monatelang,<br />
fortgebraucht wer<strong>de</strong>n kann, wenn man bei Anwendung <strong>de</strong>sselben Mittels <strong>von</strong> nie<strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />
Potenzgra<strong>de</strong>n zu höheren übergeht. Ja, es hat sich erwiesen, daß chronische Krankheiten<br />
unter <strong>de</strong>m Einfluß verschie<strong>de</strong>ner Potenzstufen rascher weichen, als wenn das Mittel im selben<br />
Verdünnungsgrad wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holt wird. In § 248 gibt Hahnemann sodann Anweisungen, w i e die<br />
einzelnen Arzneigaben zum täglichen Gebrauch bei langwierigen Krankheiten, mit Wasser<br />
verdünnt, anzuwen<strong>de</strong>n sind.“<br />
Dies genügt für unsern Zweck um die „Plus-Metho<strong>de</strong>“ zu charakterisieren. Man muß<br />
be<strong>de</strong>nken, daß diese Veröffentlichungen erst aus <strong>de</strong>m Jahre 1921 stammen und daher bisher<br />
wenig über die Anwendung <strong><strong>de</strong>r</strong> Metho<strong>de</strong> verlautete. Wer überhaupt die <strong>Homöopathie</strong><br />
beruflich ernst nimmt, <strong><strong>de</strong>r</strong> muß die Angelegenheit im Organon selbst verfolgen; in bezug auf<br />
die Ausübung <strong><strong>de</strong>r</strong> Metho<strong>de</strong> hat man etwas freie Hand, so wie <strong><strong>de</strong>r</strong> individuelle Fall nahelegt.<br />
Ueber die unterschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Wirkung gegenüber Einzelgaben ist vorläufig schwer zu erteilen,<br />
bis einmal allgemeinere Verbreitung dieses Verfahrens stattgefun<strong>de</strong>n haben wird.<br />
Es war übrigens <strong>von</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Puls-Metho<strong>de</strong> auch schon weiterhin die Re<strong>de</strong> und zwar im<br />
Abschluß an eine Abhandlung, die D r . B l unt am 4. Juni 1925 <strong><strong>de</strong>r</strong> Britischen<br />
Homöopathischen Gesellschaft vorlegte. Er berichtete da <strong>von</strong> sehr erfreulichen Erfolgen und<br />
es stellte sich heraus, daß auch an<strong><strong>de</strong>r</strong>e homöopathische Aerzte Englands sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Metho<strong>de</strong><br />
bedient hatten; es beteiligten sich an <strong><strong>de</strong>r</strong> Debatte die Doktoren Granville Hey,<br />
W h e e l e r , R i d p a t h , F e r g i e W o o d s und T y l e r . Wenn es übrigens in <strong><strong>de</strong>r</strong> Abhandlung<br />
heißt, das Hahnemanns hinterlassene Apotheke beweise, er habe meist die 30. Potenz<br />
gegebnen, so steht damit im Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>spruch die Ausgabe <strong>von</strong> H a e h l , <strong><strong>de</strong>r</strong> die große Pariser<br />
Hausapotheke selbst besitzt, daß je<strong>de</strong>s einzelne Mittel in 10 verschie<strong>de</strong>nen Potenzstufen<br />
vorhan<strong>de</strong>n ist. Alle die genannten Aerzte haben die Metho<strong>de</strong> versucht, Dr. Woods hat nichts<br />
Sensationelles zu berichten aus seinen Erfahrungen, auch Dr. Tyler gibt keine auffallen<strong>de</strong>n<br />
Wirkungen gegenüber Einzelgaben. D r . R o r k e fand bei Selbstversuchen nichts Nachteiliges,<br />
Dr. Dishington nannte die Erfolge tief und dauerhaft. Wheeler war damals im Begriff, die<br />
ersten Versuche zu machen. Blunt selbst stellte folgen<strong>de</strong> Vorteile fest: Die Kuren sind sicherer,<br />
es gibt wenig o<strong><strong>de</strong>r</strong> keine Verschlimmerungen, die Heilungen sind vollständiger. Zur Technik<br />
wird gesagt, daß man einige Tropfen <strong><strong>de</strong>r</strong> Arznei (Wasserlösung) im Glase zurückläßt und dann<br />
wie<strong><strong>de</strong>r</strong> mit Wasser (und etwas Weingeistzusatz) nachfüllt, einigemal schüttelt, dann die neue<br />
gehobene Potenz zum Gebrauche fertig hat. Blunt erklärt, daß er seine chronischen Fälle<br />
zuletzt alle nach dieser Metho<strong>de</strong> behan<strong>de</strong>lt habe.<br />
Ich entnehme diese Mitteilung über die Plus-Metho<strong>de</strong> einer Uebersetzung <strong>von</strong> D r .<br />
S c h m i t z in Antwerpen für die Revue francaise d´<strong>Homöopathie</strong>, veröffentlicht in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Novembernummer 1927.<br />
Wir haben nun freie Bahn für die Beiträge <strong>von</strong> Dr. Dishington, welche folgen.<br />
Die autogenen Vakzine und ihre Beziehung zu chronischer Krankheit<br />
III. Von T. M. Dishington, M. B., Ch. B.<br />
Hahnemann hat gesagt, „wenn <strong><strong>de</strong>r</strong> vorgebliche Wahrheitssucher nicht gewillt ist, die<br />
Wahrheit da zu suchen, wo sie gefun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n kann, nämlich in <strong><strong>de</strong>r</strong> Erfahrung, dann mag<br />
er sie unent<strong>de</strong>ckt lassen.“<br />
Meine Erfahrungen mit <strong>de</strong>n Vakzinen <strong>von</strong> Gärtner, Morgan, Proteus, mit <strong>de</strong>m Mutabile<br />
und Alkaligenes, zwingen mich, je<strong>de</strong> Einzelheit <strong>von</strong> Dr. Wheelers Philosophie zu unterschreiben<br />
und überzeugen mich, daß uns Dr. Bach nicht nur eine wissenschaftliche Auslegung <strong>von</strong><br />
Hahnemanns Psora gegeben hat, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch in unsere Hand Heilmittel <strong>von</strong> höchstem Wert<br />
gelegt hat für die Behandlung <strong><strong>de</strong>r</strong> vielerlei Manifestationen <strong><strong>de</strong>r</strong> Psora.<br />
Meiner Ansicht nach gibt es keinen Weg, einen Fall anzufassen, <strong><strong>de</strong>r</strong> mit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
individualisieren<strong>de</strong>n Metho<strong>de</strong> Hahnemanns in Wettbewerb treten könnte. Er führt zur<br />
genauen Diagnose und als Bestes zur Heilung, die im Gebrauche <strong>de</strong>s Simillimums liegt, aber<br />
wie oft ist das Simillimum schwer zu fin<strong>de</strong>n und, mag man hinzufügen, unmöglich zu erlangen.<br />
Was will man machen? Das Heilmittel erraten o<strong><strong>de</strong>r</strong> eine Noso<strong>de</strong> verwen<strong>de</strong>n, die Reaktion<br />
22
macht? Ich ziehe die letztere Metho<strong>de</strong> vor, sie hat <strong>de</strong>n Vorzug, homöopathisch zu sein. Ein<br />
Patient kommt. Er war vor 20 o<strong><strong>de</strong>r</strong> 30 Jahren krank und die vorherrschen<strong>de</strong> Schwierigkeit war<br />
und ist noch eine Darmstauung und die tückische Autointoxikation, die allerlei <strong>de</strong>generative<br />
Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen in seinem Organismus erzeugt hat. Der Organismus ist erschöpft und kein<br />
Wun<strong><strong>de</strong>r</strong>, da die frühere Behandlung seine Reaktionen in einen Zustand <strong>de</strong>s Nichtstuns<br />
gebracht haben. Es wur<strong>de</strong> ihm zugeflüstert, die <strong>Homöopathie</strong> könnte ihm helfen und da es<br />
ihm in einer halbapologetischen Art zugewispert wur<strong>de</strong>, so steigt sein Glaube an mich im<br />
Wert zu <strong>de</strong>m Strohhalm, nach <strong>de</strong>m <strong><strong>de</strong>r</strong> Mann im Wirbel greift. Ist das, was er als Strohhalm<br />
sieht, das Simillimum, so bringt es ihn auf trockenes Land und sein Glaube an mich und die<br />
<strong>Homöopathie</strong> wird ein festes, wachsen<strong>de</strong>s Maß annehmen; doch was will ich machen, wenn<br />
ich das Simillimum nicht erwische und infolge ungenügen<strong><strong>de</strong>r</strong> Arzneien nicht weiß, wie ich es<br />
fin<strong>de</strong>n soll? Soll ich einfach einen Versuch machen und ihm beweisen, daß ich ein Strohmann<br />
bin? Die autogene Vakzine wird eine bessere Entleerung seiner Gedärme herbeiführen und<br />
die toxische Bür<strong>de</strong>, die er trägt, erleichtern. Sein vitaler In<strong>de</strong>x wird sich heben und das ist <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Anfang meiner Möglichkeit, ihm zu einer Heilung zu verhelfen. Ich bin überzeugt, daß die<br />
autogene Vakzine <strong>de</strong>s nicht Laktose fermentieren<strong>de</strong>n Bazillus seines Stuhles in <strong><strong>de</strong>r</strong> 30. Potenz<br />
vom Mun<strong>de</strong> aus in einzelner o<strong><strong>de</strong>r</strong> in wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holter Dosis gegeben, die beste Art ist, die nötige<br />
vitale Reaktion zu erzeugen.<br />
Ich höre jeman<strong>de</strong>n sagen: „Aber du verschreibst ja nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Pathologie und treibst<br />
keine richtige <strong>Homöopathie</strong>.“ Ich glaube doch, aber wie willst du die Praxis <strong><strong>de</strong>r</strong> richtigen<br />
<strong>Homöopathie</strong> <strong>de</strong>finieren? Der Kent-Hahnemannianer sagt: „Du praktizierst keine reine<br />
<strong>Homöopathie</strong>, bis du das Simillimum bekommst und gibst.“ Das ist wahr, es ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Gipfel <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Wahrheit, die wir alle lieben und wir wissen, wenn wir dieses I<strong>de</strong>al erreichen, sind unsere<br />
Erfolge ohne Parallele, aber die <strong>Homöopathie</strong> ist ein breitausla<strong>de</strong>n<strong><strong>de</strong>r</strong> Hügel wie eine<br />
Pyrami<strong>de</strong> mit breiter Basis unter <strong><strong>de</strong>r</strong> Spitze. Wir müssen auf breiter Basis anfangen mit solchem<br />
Fall und gegen die i<strong>de</strong>ale Spitze heraufarbeiten. Verfolgt da <strong><strong>de</strong>r</strong> Kent-Hahnemannianer nicht<br />
<strong>de</strong>n Weg, die Entwicklung <strong><strong>de</strong>r</strong> Reaktion zu belauschen und zu erraten unter Nux o<strong><strong>de</strong>r</strong> Sulfur<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> Carbo veg., o<strong><strong>de</strong>r</strong> solchen fundamentalen Antipsoricis und kommt es nicht oft genug<br />
vor, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Patient viel rascher ermü<strong>de</strong>t, als <strong><strong>de</strong>r</strong> Arzt und irgendwo an<strong><strong>de</strong>r</strong>s hingeht, vielleicht<br />
zu einem Allopathen, <strong><strong>de</strong>r</strong> die autogene Vakzine benutzt und damit die <strong>Homöopathie</strong><br />
anwen<strong>de</strong>t, die <strong><strong>de</strong>r</strong> Kranke vom professionellen Homöopathen nicht erhielt? Ich weiß, daß ich<br />
<strong>Homöopathie</strong> treibe, wenn ich ein ähnliches Mittel benütze, sei es Droge o<strong><strong>de</strong>r</strong> Vakzine, als<br />
eine grundlegen<strong>de</strong> Reaktion auf <strong>de</strong>n Circulus vitiosus <strong><strong>de</strong>r</strong> Autointoxikation erzeugt, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
täglich vor sich geht und das Leben <strong>de</strong>s Patienten unterhöhlt. Das autogene Vakzin mag sich<br />
nicht als das Simillimum erweisen, welches heilt. Ich sage, es mag nicht, da ich bisweilen<br />
gesehen habe, daß es die einzige Kur ist, die man braucht…, aber ich fand nicht, daß es je<br />
verfehlte, eine gute vitale Antwort zu erzeugen und in diesem Bo<strong>de</strong>n wurzelt die zur Erholung<br />
führen<strong>de</strong> Reaktion <strong><strong>de</strong>r</strong> Kranken bis zu <strong>de</strong>m Punkte, an <strong>de</strong>m die Symptome wie<strong><strong>de</strong>r</strong> auftreten<br />
und Einzelheiten, die entschei<strong>de</strong>nd sind für die Wahl <strong>de</strong>s Simillimums. All das ist für mich<br />
hahnemannisch im wesentlichen. Ich habe die autogene und polyvalente Vakzine nie<br />
benützt, noch wer<strong>de</strong> ich sie benützen, als bequeme Bahn heraus aus meinen<br />
Schwierigkeiten, das Simillimum zu fin<strong>de</strong>n. Dr. Bachs Werk und Dr. Wheelers Vorstellung <strong>von</strong><br />
<strong>de</strong>ssen Platz in <strong><strong>de</strong>r</strong> Therapie stellt sich keineswegs in Wettbewerb mit <strong>de</strong>m Simillimum, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
ist ein Hilfsmittel, das Simillimum zu fin<strong>de</strong>n. Das Studium <strong><strong>de</strong>r</strong> autogenen Darmvakzine und <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
dynamische Effekt, <strong>de</strong>n sie auf <strong>de</strong>n Kranken ausüben, beweisen, daß sie auf <strong><strong>de</strong>r</strong>selben Ebene<br />
in Wirksamkeit treten, wie die chronischen antipsorischen Mittel. Eine Einzeldosis in Potenz<br />
erzeugt eine vitale Antwort, die bis zu 3 Monate o<strong><strong>de</strong>r</strong> noch länger vorhält und <strong><strong>de</strong>r</strong> Effekt ist in<br />
allen Punkten ähnlich <strong>de</strong>n chronischen Mitteln.<br />
Prüfungen zu veranstalten <strong>von</strong> <strong>de</strong>n individuellen Vakzinen, die aus einer großen Zahl<br />
<strong>von</strong> Kulturen <strong>von</strong> Gärtner, Morgan, Proteus, Mutabile o<strong><strong>de</strong>r</strong> Alkaligenes gemischt sind, am<br />
gesun<strong>de</strong>n aber empfindlichen Subjekt, verstärkt durch klinische Beobachtungen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Symptomenkomplexe, die sie zu beseitigen imstan<strong>de</strong> sind, das be<strong>de</strong>utet, <strong>de</strong>n Eckstein in Dr.<br />
Bachs Werk zu setzen und einen wertvollen Satz Werkzeuge <strong>de</strong>m Handwerkszeug <strong>de</strong>s<br />
homöopathischen Arztes hinzuzufügen. Wir Homöopathen müssen uns auf diese Tat<br />
konzentrieren. Das komplette Krankheitsbild je<strong><strong>de</strong>r</strong> Noso<strong>de</strong> muß gezeichnet wer<strong>de</strong>n und<br />
Heilkräfte dabei festgelegt und unserer Mat. medica einverleibt. Wir haben dieses I<strong>de</strong>al noch<br />
nicht erreicht, aber Erfahrungen, oft wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holt gera<strong>de</strong> bei solchen Fällen, in <strong>de</strong>nen das<br />
Simillimum nicht gefun<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong>, erwiesen ihre Nützlichkeit als Wegbereiter für das Simile.<br />
23
Wenn Aufzeichnungen <strong>von</strong> Fällen sorgfältig gesammelt wer<strong>de</strong>n und die beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />
Symptome, allgemeine wie örtliche, die <strong>von</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Vakzine beseitigt wer<strong>de</strong>n, sorgfältig notiert<br />
wer<strong>de</strong>n und verglichen wer<strong>de</strong>n mit an<strong><strong>de</strong>r</strong>en unabhängigen Beobachtern, so könnte man<br />
eine klinische Prüfung zusammenbringen, die mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Zeit durch eine direkte Prüfung bestätigt<br />
wer<strong>de</strong>n könnte. Erfahrungen mit <strong>de</strong>n autogenen Vakzinen und <strong>de</strong>n damit erhaltenen<br />
Resultaten haben mich instand gesetzt, in bestimmten ähnlichen Fällen das Lebewesen zu<br />
diagnostizieren und in vielen Fällen die zusammengesetzte Stammvakzine <strong>von</strong> Gärtner o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Morgan usw. zu verschreiben, mit ausgezeichneten Resultaten. Erfahrungen dieser Art helfen<br />
in <strong><strong>de</strong>r</strong> Richtung einer klinischen Prüfung, die ausreichen muß, bis direkte Prüfungen gemacht<br />
wer<strong>de</strong>n können. Ich zweifle nicht, daß solche Prüfungen Dr. Bachs I<strong>de</strong>e begrün<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n<br />
und eine volle Erklärung dafür ergeben, für das, was Hahnemann Psora nannte.<br />
Als ich vor Jahren einer Mitteilung Dr. Bachs zugehört hatte, da kam ich zu <strong>de</strong>m<br />
Schluß, daß sein Werk <strong>von</strong> größter Be<strong>de</strong>utung für die <strong>Homöopathie</strong> sein wer<strong>de</strong> und als er<br />
dann speziell betonte, wie Gärtner eine enge Beziehung zu Erscheinungen chronischer<br />
Krankheiten ausweise und, glaube ich, beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s Krebs, da erhielt ich <strong>von</strong> A. Nelson einige<br />
Potenzen <strong>von</strong> Gärtner. Ich beschloß, Gärtner als Noso<strong>de</strong> in solch ernsten Fällen zu<br />
verwen<strong>de</strong>n, in <strong>de</strong>nen die Reaktion schwach war und ungenügen<strong>de</strong> Resultate erzielt wur<strong>de</strong>n<br />
<strong>von</strong> <strong>de</strong>m, was das Simillimum zu sein schien.<br />
Mein erster Fall ist insofern interessant, als die Kranke seit Juni 1912 homöopathische<br />
Behandlung gehabt hatte.<br />
Miß M., eine ledige Dame <strong>von</strong> ungefähr 50 Jahren, litt ihr ganzes Leben an<br />
Verstopfung; keine Kraft, <strong>de</strong>n Stuhl auszutreiben und ein starkes Völlegefühl im Rektum, dazu<br />
hatte sie vor einiger Zeit Kreuzweh mit bluten<strong>de</strong>n Knoten gehabt. Die Untersuchung ergab<br />
eine Induration in <strong><strong>de</strong>r</strong> Sigmoidregion, aber das wur<strong>de</strong> zur Zeit auf Rechnung eingekeilter Fäzes<br />
gesetzt. Sie sagte, daß sie seit ihren Zwanzigerjahren nie an<strong><strong>de</strong>r</strong>s gewesen sei, als mü<strong>de</strong>, und<br />
sie sah so aus. Ihr Gesicht war ausdruckslos und weich mit fahlem Teint. Sie war ein Weib ohne<br />
Initiative, unfähig infolge geistiger Erschöpfung, Interesse zu nehmen an irgend etwas, was<br />
irgendwelche Anspannung erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>te. Trägheit war das richtige Wort, ihre Konstitution zu<br />
kennzeichnen. Sie hatte Schwin<strong>de</strong>l beim Herabsehen aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Höhe, als lebenslängliches<br />
Symptom. Sorgfältige Behandlung erleichterte ihre Erscheinungen und Mittel, wie Sulfur,<br />
Calcarea, Sepia und Silicea in Einzeldosen bis zu <strong>de</strong>n höchsten Potenzen brachten sie in<br />
Gang, aber mit keinem wirklich anhalten<strong>de</strong>n grundlegen<strong>de</strong>n Umschwung. Zuletzt Attacken<br />
<strong>von</strong> Cystitis <strong>von</strong> März 1919 bis September 1924, kompliziert und unterbrochen vom Fortschritt.<br />
Untersuchungen ergaben jetzt, daß ihre Induration im Sigmoid noch vorhan<strong>de</strong>n war und die<br />
Blase in Mitlei<strong>de</strong>nschaft zog. Ueber all diese Jahre einer sorgfältigen Verarztung war kein<br />
richtiger Fortschritt gemacht wor<strong>de</strong>n. Ich kam zum Schluß, daß diese Induration bösartig war.<br />
Damals beschloß ich, eine Einzeldosis Gärtner zu gebrauchen und gab ihr Gärtner 30 am 2.<br />
Oktober 1924 und <strong>von</strong> da an bis zum Juni 1925, in <strong>de</strong>m sie eine leichte Erkältung hatte,<br />
bekam sie keine Medizin. Ihre Besserung war so hervorragend in allen Punkten, geistig wie<br />
leiblich, daß es ihren Freun<strong>de</strong>n auffiel. Ich kann es nicht an<strong><strong>de</strong>r</strong>s beschreiben, in<strong>de</strong>m ich sage,<br />
sie blühte auf. Die Fahlheit ihres Teints klärte sich vollkommen auf. Sie wur<strong>de</strong> viel rüstiger und<br />
war imstan<strong>de</strong>, sich für etwas zu interessieren, ohne sich ermü<strong>de</strong>t zu fühlen. Sie sagte selbst:<br />
„Ich habe mich nie so wohl gefühlt seit meiner Mädchenzeit.“ Ihre Verdauung war<br />
regelmäßig, ihr Appetit viel besser, Schlaf war gut und es gab keine Blasenstörung mehr. Die<br />
Untersuchung ergab keine Induration. Für jene leichte Erkältung im Juni erhielt sie Pulsat. Mit<br />
gutem Erfolg. Es kam kein Rückfall <strong><strong>de</strong>r</strong> geringsten Erschöpfung mehr bis Juli 1926, da sie sich<br />
nicht so munter fühlte und nun erhielt sie ein zweite Dosis Gärtner 30. Seither ging es mit ihr<br />
stracks voran ohne Unterbrechung. Diese Frau, die immer sehr litt <strong>von</strong> je<strong><strong>de</strong>r</strong> kleinen<br />
beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en Anstrengung, war imstan<strong>de</strong>, im Juli einen Besuch in Kanada mit Begeisterung ins<br />
Auge zu fassen und <strong><strong>de</strong>r</strong> Umtrieb <strong><strong>de</strong>r</strong> Abreise schien sie nicht zu ermü<strong>de</strong>n, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n eher<br />
anzufeuern. Sie hat ihre Besserung festgehalten und alle Berichte lauteten: „Es ging ihr nie<br />
besser.“<br />
Miß T., eine an<strong><strong>de</strong>r</strong>e ledige Dame über 50 Jahre, war seit September 1919 in<br />
sorgfältiger homöopathischer Behandlung. Seit langen Jahre hatte sie an Magenstörungen<br />
gelitten mit Schmerzperio<strong>de</strong>n, die 2-3 Stun<strong>de</strong>n nach <strong>de</strong>m Essen kamen, und zeitweisem<br />
Bluterbrechen. Es bestand große Schwäche und alle ihre Symptome verlangten Phosphor. Sie<br />
hatte beträchtliche Erleichterung <strong>von</strong> Phosphor und hielt sich so bis Dezember 1920. Während<br />
<strong>de</strong>s Mai 1920 war sie im Krankenhaus; als Vermerk <strong><strong>de</strong>r</strong> ärztlichen Untersuchung <strong>de</strong>s Leibes ist<br />
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verzeichnet: „Druckempfindlichkeit nach rechts und in <strong><strong>de</strong>r</strong> Mittellinie in <strong><strong>de</strong>r</strong> Nabelregion, wo<br />
bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Palpation ein Härtegefühl besteht.“ Im Juni wur<strong>de</strong>n Röntgenplatten gemacht und <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Bericht war: „Die Platten zeigen Bandobstruktion o<strong><strong>de</strong>r</strong> Tumor auf <strong><strong>de</strong>r</strong> rechten Seite an <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Außenseite <strong>de</strong>s Darmes nahe <strong><strong>de</strong>r</strong> Flexur <strong>de</strong>s Kolons.“ Verschie<strong>de</strong>ne Attacken <strong>von</strong> Bronchitis<br />
hatten die Störung kompliziert. Im Juli 1921 hatte sie eine sehr schwere linksseitige Pleuritis. In<br />
ihren akuten Erkrankungen, sowohl Pleuritis, wie Bronchitis antwortete sie gut auf die<br />
verabreichten Mittel, aber <strong><strong>de</strong>r</strong> Magenstatus wur<strong>de</strong> nicht gebessert. Alle Mittel, die<br />
verschrieben wur<strong>de</strong>n, haben gut gewirkt und halfen in einzelnen Fällen für recht lange Zeit,<br />
aber kein Mittel hatte einen irgendwie dauern<strong>de</strong>n Effekt. Silicea bekam ihr sehr, hielt aber<br />
nicht vor. Es folgte eine Zeit <strong>von</strong> 6 Monaten, in <strong><strong>de</strong>r</strong> sie sich nicht sehen ließ, aber als sie sich im<br />
September 1924 wie<strong><strong>de</strong>r</strong> zeigte, war ihr Zustand be<strong>de</strong>utend verschlechtert. Sie hatte eine<br />
recht aufreiben<strong>de</strong> Zeit gehabt mit einer invali<strong>de</strong>n Mutter und ihr Allgemeinzustand war<br />
äußerst elend. Ihr Magen war sehr schlecht; es bestand viel Schmerz und Anschwellung im<br />
Epigastrium; starke Appetitlosigkeit und Erbrechen nach <strong>de</strong>m Essen; die Schwäche war<br />
hochgradig. Viel Würgen und Erbrechen <strong>von</strong> Galle mit Blut. Anhalten<strong>de</strong>s heftiges<br />
Hinterkopfweh mit Schmerz über <strong>de</strong>m rechten Auge. Entsprechend ihrer extremen Schwäche<br />
und Abmagerung wur<strong>de</strong> sie ins Bett gesteckt und blieb darin während 9 Monaten.<br />
Untersuchung <strong>de</strong>s Leibes ergab einen sehr großen unregelmäßigen nodulären Tumor im<br />
Epigastrium gegen die rechte Seite. Ihre extreme Abmagerung machte die Untersuchung<br />
leicht und <strong>de</strong>n Tumor sichtbar. Ich hegte keinen Zweifel an <strong><strong>de</strong>r</strong> Bösartigkeit; die Prognose war<br />
schlecht. Sorgfältige Beobachtungen wur<strong>de</strong>n angestellt, aber kein Mittel erleichterte mehr.<br />
Von November bis Februar bekam sie seltene Dosen <strong>von</strong> Phosphor nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Plus-Metho<strong>de</strong>,<br />
aufwärts bis zur Tausendsten mit großer Lin<strong><strong>de</strong>r</strong>ung, aber keiner tiefen Reaktion. Zwischen<br />
Februar und Juni war ihre Schwäche so groß, daß ich bisweilen das Gefühl hatte, eine<br />
Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>herstellung sei unmöglich. Am 7. Juni 1925 wur<strong>de</strong> Gärtner in <strong><strong>de</strong>r</strong> 30. Potenz gegeben,<br />
eine tägliche Dosis mit Plussung je<strong>de</strong>smal für 7 Tage. Vor <strong>de</strong>m Monatsen<strong>de</strong> war sie viel besser<br />
im Ganzen, viel kräftiger und zum erstenmal war sie imstan<strong>de</strong>, aufzustehen. Sie hatte kein<br />
Kopfweh mehr und die Gedärme entleerten sich täglich; <strong><strong>de</strong>r</strong> Magen war viel besser, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Appetit war wie<strong><strong>de</strong>r</strong>gekommen. Im Juli war sie auf und ging umher und konnte täglich<br />
fortgehen. Sie war viel kräftiger; <strong><strong>de</strong>r</strong> Stuhl ging weiter gut und <strong><strong>de</strong>r</strong> Magen war gut und alle<br />
Beschwer<strong>de</strong>n waren gering. Im September war die Besserung anhaltend ausgesprochen; sie<br />
hatte alle Tage Stuhl und es bestan<strong>de</strong>n nur ganz geringe Beschwer<strong>de</strong>n, etwas Schwin<strong>de</strong>l<br />
kehrte wie<strong><strong>de</strong>r</strong> und ihre alten nervösen Symptome. Eine Dosis Gärtner 30 wur<strong>de</strong> wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holt in<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Plusmetho<strong>de</strong>, eine tägliche Gabe für 7 Tage. Am 8. Oktober 1925 ist verzeichnet, daß sie<br />
viel kräftiger wur<strong>de</strong>; die Darmfunktion arbeitete sehr gut; sie war geistig viel kräftiger und<br />
fähig, einer richtigen Unterhaltung zu folgen; imstan<strong>de</strong>, auszugehen, doch nicht weit.<br />
Bisweilen war <strong><strong>de</strong>r</strong> Magen empfindlich mit Hitze und Brennen; keine Arznei wur<strong>de</strong> gegeben.<br />
Am 6. November 1925 fühlte sie sich kräftiger und hatte geistig mehr Zug, die Därme waren<br />
anhaltend gut, die Masse im Epigastrium war berührungsempfindlich, machte aber keine<br />
Beschwer<strong>de</strong>n. Sie war weniger unregelmäßig und hart. Gärtner 30 plus, eine tägliche Gabe 3<br />
Tage lang wur<strong>de</strong> gegeben. Am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Monats waren ihre Symptome Phosphor und Phos.<br />
wur<strong>de</strong> in <strong><strong>de</strong>r</strong> 30. Potenz gegeben plus eine tägliche Gabe für 7 Tage. Phosphor wur<strong>de</strong> in<br />
seltenen Gaben gegeben nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Pulsmetho<strong>de</strong> bis 18. März 1926, aber dann wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Fall<br />
frisch aufgenommen, da die Symptome sich geän<strong><strong>de</strong>r</strong>t hatten. Magn. Mur. trug sie bis 15. Mai,<br />
wo dann Ntr. cb. mit Besserung gegeben wur<strong>de</strong> bis November. Im November hielt sich <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Magen gut und die Verdauung war regelmäßig, aber sie ging in ihrer Lebenskraft zurück. Ich<br />
beschloß daher, zu Gärtner zurückzukehren und gab ihr die 30. plus eine tägliche Dosis 7 Tage<br />
lang. Die Besserung kam sofort und fortschreitend, wur<strong>de</strong> aber im Dezember unterbrochen<br />
durch eine heftige Attacke <strong>von</strong> Tonsillitis für die Arnika mit ganz promptem Effekt gegeben<br />
wur<strong>de</strong>. Im Januar 1927 wur<strong>de</strong> ihr Fall frisch aufgenommen. Denn seit Juni 1925, als sie Gärtner<br />
erhalten hatte, waren alle ihre Symptome beträchtlich modifiziert. Ihre Ernährung war gut, sie<br />
hatte be<strong>de</strong>utend an Gewicht gewonnen, war viel stärker gewor<strong>de</strong>n, aber Symptome<br />
blieben weiter bestehen und einige alte Symptome, die sie in früheren Tagen gehabt hatte,<br />
waren wie<strong><strong>de</strong>r</strong>gekommen und sie <strong>de</strong>uteten alle ohne Frage auf Kali. cb. Sie erhielt Kali. cb. 30<br />
plus täglich eine Dosis 7 Tage lang. Das wur<strong>de</strong> wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holt am 25. Februar 1927 bei Rückkehr<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Empfindlichkeit und Unbehagen am Magen. Sie hatte unmittelbare Erleichterung <strong>von</strong><br />
Kali. cb. Am 29. März wur<strong>de</strong> sie ganz untersucht. Der Tumor war tatsächlich verschwun<strong>de</strong>n;<br />
die Masse war klein und <strong>von</strong> breiartiger Weiche; die knotige unregelmäßige Härte war völlig<br />
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weg. Alle Funktionen waren gut und alle Symptome, die sie hatte, waren tatsächlich<br />
rheumatischer Natur. Sie war sehr gut genährt. En<strong>de</strong> April berichtete sie, daß es ihr gut gehe<br />
und sie sagte: „Nie seit<strong>de</strong>m Sie mich kennen, habe ich mich so gebessert; wenn ich<br />
irgen<strong>de</strong>ine kleine Beschwer<strong>de</strong> habe, so stört sie mich wohl, aber sie meistert mich nicht mehr,<br />
wie sie es zu tun pflegte.“ Ich bin mehr als überzeugt, daß sie ohne Gärtner sich nicht erholt<br />
hätte. Seit April bis heute hielt ihr Fortschritt an allen Punkten an. Jetzt fühlt sie sich nicht mehr<br />
krank, wenn ermü<strong>de</strong>t. Am 20. Juni 1927 ergab die Untersuchung keinen Tumor mehr, doch<br />
etwas Empfindlichkeit auf Druck in <strong><strong>de</strong>r</strong> Pylorusregion.<br />
In diesem Falle hab ich die Plusmetho<strong>de</strong> angewandt bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Verabreichung <strong>de</strong>s<br />
Mittels; keine Potenz wur<strong>de</strong> je unverän<strong><strong>de</strong>r</strong>t wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holt. Je<strong>de</strong> Dosis bekam ein Plus addiert zu<br />
ihrer Potenz durch Verdünnung und Verschüttelung - ganz in Uebereinstimmung mit meiner<br />
Interpretation <strong>von</strong> Hahnemanns Vorschrift in <strong><strong>de</strong>r</strong> 6. Ausgabe <strong>de</strong>s „Organon“.<br />
Miß L., 62 Jahre alt, Litt an einer wohlumgrenzten Geschwulst rechts <strong>von</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Nabelregion: Operation war angeraten wor<strong>de</strong>n, aber <strong>von</strong> ihr abgelehnt.<br />
Geschichte: hatte Gallenkoliken ihr ganzes Leben, einmal im Monat, zuletzt nicht<br />
regelmäßig und oft in <strong>de</strong>n Zwischenzeiten konnte sie Schmerzanfälle haben. Sie war verstopft<br />
<strong>von</strong> jeher, seit sie sich erinnern konnte. Einige Zeit zuvor hatte sie gelegentlich Schmerzen in<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Lebergegend, die durch <strong>de</strong>n Rücken gingen, mit Uebelkeit und Erbrechen <strong>von</strong> galliger,<br />
schaumiger Masse. Zwei Monate, ehe ich sie sah, hatte sie einen Anfall <strong>von</strong> Gelbsucht, die 6<br />
Wochen anhielt. Darnach war sie beim Chirurgen und wur<strong>de</strong> geröntgt, wobei ein Klumpen in<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Gallenblasenregion gefun<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong>; Steine konnte man nicht sehen in <strong><strong>de</strong>r</strong> Gallenblase.<br />
Sie war eine große, starkknochige Frau, jetzt sehr mager und hatte immer mehr an Gewicht<br />
verloren seit längerer Zeit. Sie hatte keine bestimmten Symptommerkmale für ein Mittel, aber<br />
ihre Modalität ließ an Lyc. <strong>de</strong>nken. Sie erhielt eine Dosis Lycopodium 12C am 7. Mai 1926,<br />
aber ohne Erfolg. Am 15. Mai hatte sie vielmehr einen schlimmen Anfall <strong>von</strong> Schmerzen, für<br />
<strong>de</strong>n Chel. 30 mit Nutzen gegeben wur<strong>de</strong>. Stuhlkulturen wur<strong>de</strong>n gemacht und <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Gärtnerbazillus gefun<strong>de</strong>n, und da keine Potenz <strong><strong>de</strong>r</strong> Vakzine gesandt wur<strong>de</strong>, injizierte ich 2<br />
Million in <strong>de</strong>n Arm am 8. Juli. Die Reaktion war außer Zweifel auf diese Injektion. Der Stuhl war<br />
besser und sie im ganzen kräftiger. Besserung kam allmählich, aber entschie<strong>de</strong>n. Am 30.<br />
September hatte sie an Gewicht aufgenommen und war weit weniger mü<strong>de</strong> und <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Klumpen war nicht so umschrieben und weniger hart. Für Schmerzanfälle hatte sie<br />
Chelidonium mit gutem Effekt, doch schien das Chel. Sich mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Vakzine nicht zu vertragen,<br />
insofern <strong><strong>de</strong>r</strong> Stuhl litt. Am 17. November erhielt sie eine weitere Injektion <strong>von</strong> 4 Million. Die<br />
Besserung darnach war ausgesprochen und sie machte weiter beträchtliche <strong>Fortschritte</strong>. Der<br />
Stuhl wur<strong>de</strong> viel lebhafter und <strong><strong>de</strong>r</strong> Appetit war besser. Im März erhielt sie, da noch immer<br />
gelegentlich quer übers Epigastrium Schmerz bestand und <strong><strong>de</strong>r</strong> Stuhl, obwohl im Gang, noch<br />
immer zeitweise schwierig war und die Verdickung unter <strong><strong>de</strong>r</strong> Leber noch fühlbar, eine Gabe<br />
<strong>von</strong> zusammengesetztem Gärtner oral. Am 14. April 1927 war ihr Bericht, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Stuhlgang<br />
be<strong>de</strong>utend besser gehe. Sie hatte nur leichte Schmerzen nach einer langen Reise, <strong>von</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> sie<br />
ermü<strong>de</strong>t war. Sie hatte einen sehr guten Monat gehabt; <strong><strong>de</strong>r</strong> Appetit besser und im ganzen<br />
viel lebhafter. Es wur<strong>de</strong> keine Arznei gegeben. Beim Untersuchen fühlte man nur noch eine<br />
Verdickung an <strong><strong>de</strong>r</strong> Stelle, wo <strong><strong>de</strong>r</strong> Klumpen gesessen hatte. Bis heute lautet <strong><strong>de</strong>r</strong> Bericht:<br />
„Anhalten<strong><strong>de</strong>r</strong> Fortschritt.“<br />
Meine Erfahrung ist, daß die orale Vakzine eine viel tiefere Reaktion auslöst, als die<br />
hydro<strong><strong>de</strong>r</strong>male und länger vorhält.<br />
Frau F., 46 Jahre alt, kam am 6. Januar 1926 mit Skirrhus-Ca. bei<strong><strong>de</strong>r</strong> Brüste in<br />
Behandlung. In <strong>de</strong>n letzten 4 Jahren bestand ein knotiger Tumor in <strong><strong>de</strong>r</strong> linken Brust mit starker<br />
Einziehung <strong><strong>de</strong>r</strong> Haut. Neuerdings war in <strong><strong>de</strong>r</strong> rechten Brust ein großer Knoten aufgetreten im<br />
oberen Segment, mit <strong>de</strong>m Muskel verwachsen, mit Achseldrüsen und geringer Verlötung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Haut. Er war hart und knotig. Pat. war mager und hatte in <strong>de</strong>n letzten Jahren viel an Gewicht<br />
verloren. Sie hatte keine Symptome, aber alle, die sie in <strong><strong>de</strong>r</strong> Vergangenheit gehabt hatte,<br />
schienen Arsen zu indizieren. Ich gab ihr eine Einzeldose <strong><strong>de</strong>r</strong> 10 M <strong>von</strong> Arsen. Nach 6 Wochen<br />
ohne Reaktion drang ich sorgfältig in ihre Geschichte ein und beschloß, Graphit zu geben.<br />
Eine tägliche Dosis für 7 Tage <strong><strong>de</strong>r</strong> 30. <strong>von</strong> Graphit nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Plusmetho<strong>de</strong> wur<strong>de</strong> gegeben. Es<br />
schien eine gute Allgemeinreaktion darauf zu folgen - besser in ihr selbst und sie hatte eine<br />
Gewichtszunahme. Die Verdauung war lebhafter. Die Wirkung auf die Tumoren war gering,<br />
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aber wenn überhaupt, so schienen sie weicher. Graphit wur<strong>de</strong> neuerdings verordnet nach<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Plusmetho<strong>de</strong> am 14. April und eine weitere Dosis am 2. Mai, da sie wie<strong><strong>de</strong>r</strong> nachließ und<br />
die Verdauung stockte. Graphit 200 in Einzeldose wur<strong>de</strong> am 26. Mai gegeben und nochmals<br />
am 14. Juli. Unter Graphit hatte sie insgesamt ein Pfund und 7 Unzen an Gewicht und besseres<br />
Aussehen gewonnen. Ihre Stühle wur<strong>de</strong>n untersucht und Gärtner gefun<strong>de</strong>n. Sie erhielt die<br />
Vakzine 12c plus eine tägliche Dosis für 3 Tage am 23. Juli. Am 18. August waren die Dinge<br />
durchaus beim Alten. Es schien keinerlei Reaktion auf diese Gabe zu folgen. Die Verdauung<br />
war etwas zurückgegangen und sie hatte zwei heftige Kopfwehanfälle gehabt. Die Vakzine<br />
30 plus, eine tägliche Gabe für 3 Tage wur<strong>de</strong> gegeben mit einem ausgesprochenen und<br />
unmittelbaren Erfolg. Bis 8. September hatte sie 5,75 Pfund (á 450 Gramm; <strong><strong>de</strong>r</strong> Uebers.)<br />
Gewicht gewonnen, war allgemein sehr wohl, die Verdauung weit regelmäßiger und hatte<br />
kein Kopfweh gehabt. Ein sehr tragischer Verlust im Oktober warf sie zurück für einige Zeit,<br />
doch verlor sie in 6 Wochen nur ein halbes Pfund ihres Gewichtszuwachses. Die Vakzine plus<br />
eine tägliche Gabe für 7 Tage wur<strong>de</strong> am 26. Oktober gegeben. Am 3. November 1926 war<br />
sie sehr wohl. Der rechte Tumor war entschie<strong>de</strong>n weicher und die Achseldrüsen waren<br />
verschwun<strong>de</strong>n. Auch die linke war weicher; alle Funktionen waren gut. Dieser Fall stand unter<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Beobachtung <strong>de</strong>s Chirurgen seit Beginn <strong><strong>de</strong>r</strong> Behandlung und seine Bemerkungen waren:<br />
„Der rechte Tumor ist ohne Zweifel kleiner und weicher und die Achseldrüsen sind<br />
verschwun<strong>de</strong>n. Der linke Tumor ist im ganzen unverän<strong><strong>de</strong>r</strong>t, ist aber weicher. Sie ist ohne<br />
Zweifel besser im allgemeinen Gesundheitszustand und sollte es schließlich doch zur<br />
Operation kommen, wird sie ihr ohne Zweifel besser gewachsen sein, als sie es im Anfang<br />
gewesen wäre.“ Auf die Frage, ob er sicher sei, daß bei<strong>de</strong> Tumoren krebsig wären, erwi<strong><strong>de</strong>r</strong>te<br />
er „ohne allen Zweifel.“<br />
Bis 1. Dezember 1926 hatte sie weitere an<strong><strong>de</strong>r</strong>thalb Pfund gewonnen und war<br />
allgemein viel besser. Stuhl war unregelmäßig gewesen und wie<strong><strong>de</strong>r</strong> besser gewor<strong>de</strong>n. Im<br />
Dezember hatte sie ein weiteres Pfund Gewicht gewonnen. Die rechte Brust war weniger hart<br />
und nicht so scharf begrenzt an <strong>de</strong>n Kanten. Am 26. Januar 1927 kamen Graphitsymptome<br />
zutage und dies wur<strong>de</strong> in einer Einzeldose 1M gegeben. Seit dieser Zeit ging die Besserung<br />
weiter, mit stetiger Gewichtszunahme und ihre Lebenskraft hebt sich. Bei<strong>de</strong> Geschwülste sind<br />
weicher und stark verkleinert. Im Juni war das Aufblühen <strong><strong>de</strong>r</strong> Gesundheit ersichtlich an einer<br />
viel reineren Haut und an einem wohlgenährten Körper. Der rechte Tumor war<br />
zurückgegangen auf gera<strong>de</strong> die Hälfte <strong><strong>de</strong>r</strong> ursprünglichen Größe und viel weicher.<br />
Miß M. L., 51 Jahre alt, sah und behan<strong>de</strong>lte ich homöopathisch zuerst 1918. Von da bis<br />
Dezember 1926 stand sie unter dauern<strong><strong>de</strong>r</strong> homöopathischer Behandlung gegen chronische<br />
Magengeschwüre mit heftigen Schmerzattacken und Bluterbrechen. Der Schmerz zeigte<br />
einen nagen<strong>de</strong>n Charakter, kam vor <strong>de</strong>m Essen, mit Erleichterung <strong>von</strong> Essen, und <strong><strong>de</strong>r</strong> Stuhl<br />
war sehr verstopft. Sie war mager und schwach und es bestand eine bestimmte<br />
Empfindlichkeit in <strong><strong>de</strong>r</strong> linken Seite <strong>de</strong>s Epigastriums mit Induration. Kein Mittel brachte ihr mehr<br />
als vorübergehen<strong>de</strong> Erleichterung. Am 7. Dezember 1926 wur<strong>de</strong> sie sorgfältig untersucht und<br />
es fand sich eine Induration im linken Hypochondrium, die sich <strong>von</strong> unter <strong>de</strong>n Rippen rechts<br />
abwärts zum Nabel erstreckte, sehr ausgesprochen druckempfindlich und unregelmäßig in<br />
<strong>de</strong>n Umrissen. Am 24. Dezember 1926 erhielt sie Gärtner 30 plus 3 Tage lang täglich eine<br />
Gabe. Am 21. Januar 1927 hatte sie noch Schmerz im Magen, erleichtert <strong>von</strong> Essen und Ruhe;<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Stuhl neigte noch zu Verstopfung. Ihre Stühle wur<strong>de</strong>n untersucht und Gärtner gefun<strong>de</strong>n.<br />
Da ihre Kondition am 23. März 1927 I. S. Q war, wur<strong>de</strong> die Autovakzine <strong>von</strong> Gärtner in <strong><strong>de</strong>r</strong> 12c<br />
verordnet, plus, eine tägliche Dosis für 7 Tage. Am 25. März 1927 fühlte sie sich viel besser und<br />
sah auch darnach aus und <strong><strong>de</strong>r</strong> Stuhl war frei und normal. Ihre Lebenskraft war ersichtlich und<br />
be<strong>de</strong>utend gehoben und sie sagte selbst: „Das ist <strong><strong>de</strong>r</strong> beste Monat, <strong>de</strong>n ich seit Beginn <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Behandlung hatte. Ich bin frei <strong>von</strong> Schmerz und sehr erstaunt über die regelmäßige Funktion<br />
meiner Verdauung.“ Bis heute hält die Besserung vor, die Ernährung ist weit besser, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Magen wohl und die Verdauung anhaltend geregelt.<br />
Ich hatte eine große Zahl <strong>von</strong> Gärtnerfällen und in je<strong>de</strong>m gab es eine <strong>de</strong>utliche vitale<br />
Reaktion. In einigen war kein Mittel (sonst) nötig und in an<strong><strong>de</strong>r</strong>en kamen scharfgeprägte<br />
Symptome heraus, die auf das Simillimum führten. Gärtner ist nicht gleichbe<strong>de</strong>utend mit<br />
Krebs, aber <strong><strong>de</strong>r</strong> Gärtnerbazillus ist verknüpft mit <strong>de</strong>m spezifischen Brutnest, das Bösartigkeit<br />
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heckt. Proteus fin<strong>de</strong>t sich ebenfalls in bestimmten Krebsfällen. Die konstitutionellen Faktoren<br />
sind alle wichtig für <strong>de</strong>n Homöopathen.<br />
Morgan<br />
Herr C., 22 Jahre alt, kam am 30. Juli 1926. Seit <strong>de</strong>m 5. Lebensmonat litt er an einem<br />
Ekzem über <strong>de</strong>n ganzen Körper. Derzeit große Flecken an Körper und Rücken, an bei<strong>de</strong>n<br />
Armen und Beinen. Tiefe, sehr schmerzhafte Risse durchsetzen die verdickte und blutüberfüllte<br />
Haut. Wärme verursachte Reiz und Jucken. Außer Verstopfung und übelriechen<strong>de</strong>n<br />
Blähungen waren keine Symptome sonst vorhan<strong>de</strong>n. Er war schon in vielen Behandlungen<br />
und es wur<strong>de</strong> <strong>von</strong> Hautspezialisten alles versucht, aber, zum Glück für ihn, ohne Erfolg. Ich war<br />
in Verlegenheit, gab Sulfur, aber es wirkte nicht. Sofort beschloß ich, Stuhlkulturen zu machen<br />
und ent<strong>de</strong>ckte einen Morgan. Er bekam seine Autovakzine am 28. Juli, die 12. Potenz, plus,<br />
eine tägliche Gabe über 3 Tage. - Diese Potenz, in seltenen Gaben, führte ihn bis 1.<br />
Dezember. Sofort setzte Besserung ein, alle Funktionen wur<strong>de</strong>n aktiv. Die Haut klärte sich auf<br />
und am genannten Tage waren nur noch einige wenige Flecken übrig. Wegen langsamer<br />
Tätigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Eingewei<strong>de</strong> wur<strong>de</strong> dann die 30. Potenz in <strong><strong>de</strong>r</strong> Plusmetho<strong>de</strong> für 3 Tage gegeben<br />
und nicht wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holt bis 3. Februar 1927. Während <strong>de</strong>s letzten Monats heilte er weiter ab und<br />
wur<strong>de</strong> ein kräftiger, tätiger junger Mann. Am 6. April wur<strong>de</strong> die Vakzine noch einmal in <strong><strong>de</strong>r</strong> 30.<br />
Potenz wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holt, Plusmetho<strong>de</strong> für 7 Tage, weil leichte Hautreizung und<br />
Verstopfungsneigung sich bemerkbar machte. Gegenwärtig ist er völlig wohl.<br />
Miß R., 58 Jahre, ein Fall <strong>von</strong> rheumatoi<strong><strong>de</strong>r</strong> Arthritis. Seit 8 Jahren Vergrößerung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Knie, die sich wie Säcke mit Nüssen anfühlten, mit beträchtlichem Schmerz und Steifheit,<br />
Unfähigkeit zur Streckung. Die konstanten Schmerzen schienen sich durch trockene kalte<br />
Win<strong>de</strong> zu verschlimmern. Alle Gelenke waren ergriffen, die Hän<strong>de</strong> <strong>de</strong>formiert.<br />
Unverdaulichkeit ging <strong><strong>de</strong>r</strong> rheumatoi<strong>de</strong>n Erkrankung direkt voran. Stets war sie verstopft und<br />
hatte im Beginn <strong><strong>de</strong>r</strong> Erkrankung nervösen Zusammenbruch mit Sepiasymptomen. Sie bekam<br />
Sepia 12 eine Woche, Plusmetho<strong>de</strong>, und sie reagierte gut, verblieb auch bei Sepia bis in <strong>de</strong>n<br />
Dezember, in seltenen Gaben verabfolgt. Jetzt wur<strong>de</strong>n die Schmerzen viel schlimmer.<br />
Abermalige Symptomenforschungen brachten an <strong>de</strong>n Tag, daß sie eine langwierige Eiterung<br />
an <strong>de</strong>n Nagelwurzeln gehabt hatte, ebenso Verhärtungen an bei<strong>de</strong>n Füßen, die eiterten. Sie<br />
erhielt jetzt Hepar mit lange guter Wirkung, doch brachen die rheumatischen Beschwer<strong>de</strong>n<br />
im Mai 1921 viel schlimmer aus und sie bekam Guajakum 30, Plusmetho<strong>de</strong>, einmal täglich für<br />
7 Tage. Im allgemeinen wohler, hatte sie jetzt noch mehr unter <strong>de</strong>n Schmerzen zu lei<strong>de</strong>n. Die<br />
Stuhlgänge wiesen <strong>de</strong>n Morgantyp auf; die Vakzine wur<strong>de</strong> aber nicht gegeben, weil die<br />
Sepiasymptome wie<strong><strong>de</strong>r</strong> hervortraten. Obwohl eine Gabe Sepia 200 in <strong>de</strong>n Geisteszustän<strong>de</strong>n<br />
half, so wur<strong>de</strong>n doch ihre Schmerzen schlimmer und brachten Schlaflosigkeit, worauf ich<br />
beschloß, ihr die Morgan-Autovakzine zu geben in <strong><strong>de</strong>r</strong> 12 C plus, eine Dosis täglich für 3 Tage.<br />
Vom ersten Beginn an wur<strong>de</strong>n die Eingewei<strong>de</strong> tätiger und sie fühlte sich sehr viel besser. Sie<br />
fühlte eine Last <strong>von</strong> sich genommen, Erleichterung <strong><strong>de</strong>r</strong> Schmerzen und schlief wohl bei Nacht.<br />
Eine Woche später kehrten die Schmerzen zurück und sie nahm eine Gabe <strong><strong>de</strong>r</strong> Vakzine mit<br />
Erleichterung. Nach 10 Tagen war Anlaß, dies zu wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holen, weil die Schmerzen sich wie<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
zeigten; Erleichterung folgte sofort. Die nächsten 6 Wochen waren sehr gut und die früheren<br />
wohltätigen Sepiawirkungen wur<strong>de</strong>n nicht aufgehoben, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n verstärkt durch die<br />
Autovakzine, die Besserung schritt bei seltenen Gaben <strong><strong>de</strong>r</strong> Vakzine fort, mit zunehmen<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Freiheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Gelenke, die schmerzlos wur<strong>de</strong>n. Die Steifheit verschwand, sie konnte bei<strong>de</strong> Knie<br />
strecken und sehr gut gehen. Die Füße waren sehr viel leichter, obwohl noch geschwollen.<br />
Am 3. Februar 1927 zeigte sich Rückkehr <strong><strong>de</strong>r</strong> geistigen Symptome, welche <strong><strong>de</strong>r</strong> rheumatoi<strong>de</strong>n<br />
Erkrankung vorausgegangen waren, mit leichter Verstopfung. Sepia 200 für 7 Tage,<br />
Plusmetho<strong>de</strong>, machte guten Schluß und es war keine Medizin mehr nötig. Alle Funktionen gut,<br />
Lebenskraft zunehmend. Sie kann viel mit <strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n arbeiten trotz noch etwas<br />
geschwollener Knöchel.<br />
Mutabile<br />
Herr J. L., 56 Jahre: Schlank, mager, gebückt <strong>von</strong> Asthma und chronischer Bronchitis.<br />
Asthma begann vor 21 Jahren und war sehr ernst. Vor 6 Jahren Nasenoperation mit einer<br />
Erleichterung. Viele Jahre Attacken <strong>von</strong> Bronchitis, allmählich schlimmer wer<strong>de</strong>nd; gera<strong>de</strong><br />
war ein solcher Anfall vorhan<strong>de</strong>n. Die Symptome wiesen auf Sanguinaria, das mit Nutzen<br />
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gegeben wur<strong>de</strong>, aber Schwere <strong><strong>de</strong>r</strong> Brust und Asthma blieben zurück. Er war langher verstopft<br />
und ein Stuhlgang ergab Mutabile. Am 13. Juli 1926 bekam er die eigene Vakzine, eine<br />
tägliche Dosis plus für 3 Tage. Bericht vom 27. Juli zeigte kein Asthma; Husten viel weniger,<br />
Stühle noch nicht ganz in Ordnung. Abermals 3 Dosen 12C wur<strong>de</strong>n achtstündlich gegeben.<br />
Am 8. September wur<strong>de</strong> klar, daß eine tiefe Reaktion in diesem Leben begonnen hatte: die<br />
Brust geklärt, subjektiv viel besser, aber die Stühle waren wie<strong><strong>de</strong>r</strong> unregelmäßig und es war<br />
nicht die Wirkung <strong><strong>de</strong>r</strong> ersten Dosen auf die Engewei<strong>de</strong> beobachtet wor<strong>de</strong>n. Jetzt erhielt er<br />
die Vakzine 30, tägliche Gaben für 3 Tage. Am 6. Oktober durchaus besser und lebendiger,<br />
alle Funktionen gut, Brust rein mit sehr wenig Husten und Schleim. Seit<strong>de</strong>m bekam er seltene<br />
Gaben <strong><strong>de</strong>r</strong> Vakzine 30, Plusmetho<strong>de</strong>, d. h. nie zweimal dasselbe, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n je<strong>de</strong> folgen<strong>de</strong><br />
Gabe durch Verdünnung und Schütteln verän<strong><strong>de</strong>r</strong>t. Nun nahm er beträchtlich an Gewicht zu,<br />
er ist viel kräftiger gewor<strong>de</strong>n, alle Funktionen gut, die Brust klar. Die graue Blässe seines<br />
Gesichtes ist gewichen; er sagt, daß er sich wie ein Junger fühle. Bemerkenswert ist, daß sein<br />
Sohn, 20 Jahre alt, auch an Asthma litt. Als er ein Jahr alt war, hatte er Gesichts- und<br />
Kopfekzem. Dies ging weg und Asthma behauptete das Feld vom 7. bis 11. Jahre. Das Ekzem<br />
kam dann zurück und wechselte bis heute mit <strong>de</strong>m Asthma ab. Bei<strong>de</strong> Arme und Beine waren<br />
mit Hautverdickungen und Ekzem behaftet. Er litt an Kopfweh und Magenschwäche,<br />
zeitweise an Ohnmachten. Der Sohn erhielt nun <strong>de</strong>s Vaters Vakzine, 12 C plus, tägliche Dosen<br />
für 7 Tage. Sofort bekam er leichtes Asthma, Hautjucken und für eine Woche mehr Ausschlag<br />
mit Hitze. Dann ging das Asthma weg, die Haut beruhigte sich und es kam einmal Kopfweh;<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> ganze Zustand besserte sich. Weitere Dosen wur<strong>de</strong>n nicht gegeben, weil mit <strong>de</strong>n ganzen<br />
Aen<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen jetzt Symptome <strong>von</strong> Lycopodium auftraten. Von diesem bekam er nun selten<br />
die 30. und die 200. Potenz. Seine Besserung war <strong><strong>de</strong>r</strong>art, daß das Gewicht zunahm, die Brust<br />
sich <strong>de</strong>hnte, <strong><strong>de</strong>r</strong> ganze Mensch sich aufrichtete, was bisher anhielt und noch weiter zunahm.<br />
A. R., ein Mädchen <strong>von</strong> 13 Jahren, litt seit <strong>de</strong>m 3. Lebensjahre an Ekzem und Asthma.<br />
Letztere Ausfälle kommen häufig; <strong><strong>de</strong>r</strong> Fall wies auf Sulfur, was in seltenen Einzelgaben<br />
verordnet wur<strong>de</strong> <strong>von</strong> 200 bis 1M. Obwohl es sehr gut wirkte, reinigte es nicht völlig. Symptome<br />
<strong>von</strong> Kali carb. führten zu diesem Mittel, was aber auch nicht durchgriff. Am 16. September<br />
1926 gab ich ihr 3 Dosen <strong>de</strong>s Vakzin Mutabile 12C. Nach diesen erfolgte kurze<br />
Verschlimmerung, sodann be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong> Besserung, sowohl <strong>de</strong>s Asthmas, als <strong><strong>de</strong>r</strong> Haut. Am 23.<br />
Dezember bekam sie wie<strong><strong>de</strong>r</strong> 3 Dosen <strong>de</strong>s gleichen Mittels und seit<strong>de</strong>m keine Medizin mehr,<br />
die sie auch nicht benötigte. Sie ist völlig wohl. Ich wünsche nicht Mutabile als Asthmamittel<br />
zu bezeichnen; jedoch <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s Symptome waren so ähnlich <strong>de</strong>nen <strong>von</strong> Mr. L.s Sohn,<br />
sowohl im allgemeinen, als beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en, daß ich fühlte, es wür<strong>de</strong> eine gute vitale Reaktion<br />
hervorrufen.<br />
Proteus<br />
Ich habe eine große Menge <strong>von</strong> Proteusfällen und will sie nicht einzeln ausführen,<br />
son<strong><strong>de</strong>r</strong>n nur <strong>de</strong>n Typ im allgemeinen darstellen, <strong><strong>de</strong>r</strong> für das Mittel zu passen scheint. Es fehlt<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> geistige Gleichmut, es bestehen große Reizbarkeit und heftige Ausbrüche, körperliche<br />
und geistige Ueberempfindlichkeit mit Symptomen <strong>de</strong>s Plexus solaris. Aengstlichkeit und<br />
Erregungen wer<strong>de</strong>n im Magen gefühlt, die Symptome vertreten sich und wechseln stark. Ich<br />
will die Geistessymptome eines Falles <strong>von</strong> schwerer Epilepsie anführen, bei <strong><strong>de</strong>r</strong> ein sehr<br />
bemerkenswerter Erfolg mit Proteus erzielt wur<strong>de</strong>.<br />
Eine 32jährge Frau lei<strong>de</strong>t seit 7 Jahren an Fallsucht, sie hat im Monat 20 bis 30 Anfälle.<br />
Sie war stets nervös, Kehle leicht trocken, Aufregungen und Diarrhoe. Aeußerst sensitiv gegen<br />
Unerfreuliches und gegen schreckliche Erzählungen. Weint leicht, beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s wenn sie <strong>von</strong><br />
ihren Zustän<strong>de</strong>n spricht; sehr sensitiv für die Meinung an<strong><strong>de</strong>r</strong>er; will niemand sehen, weil sie<br />
meint, daß ihr Lei<strong>de</strong>n bekannt sei; sehr traurig, will allein sein, fährt auf bei Lärm und<br />
Berührung. Große Furcht vor Unglück. Die Krämpfe brechen aus, wenn Pat. aufgeregt, gereizt<br />
o<strong><strong>de</strong>r</strong> erschreckt wird. Kann nicht <strong>de</strong>nken, fühlt ihren Kopf wie <strong>von</strong> Holz, wird schwin<strong>de</strong>lig,<br />
verliert <strong>de</strong>n Fa<strong>de</strong>n ihres Gesprächs, große Verwirrung, plötzliches Vergessen. Läßt Dinge<br />
fallen, zuckt mit <strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n, oft plötzlich geistige Leere beim Sprechen. Gedächtnis sehr<br />
schwach, konnte das eben Gehörte nicht behalten; große Furcht vor Geisteskrankheit.<br />
Während sie spricht, kommt sie plötzlich auf an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Gegenstän<strong>de</strong>. Ihre Aufregung fühlt sie<br />
sehr plötzlich im Epigastrium; leicht zu beleidigen; Träume vom Sterben und <strong>von</strong> Toten. Große<br />
Furcht vor <strong>de</strong>m Dunkel. Aergerlich; das Kleinste regt sie auf; bil<strong>de</strong>t sich ein, bei an<strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />
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verachtet zu sein; Mißverständnisse. Häufig Schwin<strong>de</strong>l, beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s im Wagen o<strong><strong>de</strong>r</strong> Zug, o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
wenn sie auf rasch bewegte Dinge blickt. -<br />
All diese geistigen Symptome sind unter Proteus gänzlich verschwun<strong>de</strong>n, die Zahl <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
epileptischen Anfälle wur<strong>de</strong> sehr vermin<strong><strong>de</strong>r</strong>t; sie kommen scheinbar nur noch bei Nacht<br />
während <strong>de</strong>s Schlafs. Patient wur<strong>de</strong> gefällig, zufrie<strong>de</strong>n, vernünftig, in keiner Hinsicht mehr so<br />
leicht zu reizen. In diesem Fall wur<strong>de</strong> eine Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holung <strong><strong>de</strong>r</strong> Proteusgabe erst nach<br />
dreieinhalb Monaten vorgenommen.<br />
Abgesehen <strong>von</strong> dieser Einwirkung auf die Gemütssymptome habe ich beachtet, daß<br />
Proteusfälle zu Fibrosis, Verhärtungen <strong>von</strong> entzün<strong>de</strong>ten Geweben tendieren und leicht zu<br />
Krämpfen und Konstriktionen führen.<br />
Ich behandle <strong>de</strong>n Fall einer Dame, die ein präsystol. Geräusch an <strong><strong>de</strong>r</strong> Spitze hat.<br />
Häufig wird sie <strong>von</strong> großer Erschöpfung befallen mit schmerzhafter Zusammenschnürung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
linken Brusthälfte. Wird sie erregt, so tritt Herzklopfen ein und ihre Finger wer<strong>de</strong>n tot und weiß.<br />
Manchmal Schwin<strong>de</strong>lgefühl und mechanische Handlungsweise. Linker Arm und linkes Bein<br />
zuweilen taub und kontrahiert. Seit einigen Jahren kommt es zuweilen vor, daß sie das<br />
Bedürfnis hat, völlig still zu liegen, weil sie bei gutem Bewußtsein eine Ohnmacht und völlige<br />
Unfähigkeit fühlt, etwas zu tun. Sie ist sonst eine sehr intelligente und glänzen<strong>de</strong> Persönlichkeit,<br />
sie reagierte plötzlich und tief auf Proteus mit Mil<strong><strong>de</strong>r</strong>ung aller Symptome und Erhöhung ihrer<br />
Lebenskraft.<br />
Ich möchte Ihnen nun ein Beispiel <strong><strong>de</strong>r</strong> Wirkung vom zusammengesetzten Morgan<br />
vorführen, das heißt, einer Zusammensetzung aller in meinem Besitz befindlichen Morgan-<br />
Vakzinen <strong><strong>de</strong>r</strong> 12. o<strong><strong>de</strong>r</strong> 30. Potenz. Ich verzeichnete alle Symptome und Beson<strong><strong>de</strong>r</strong>heiten<br />
meiner Morgan-Patienten, wie ich es früher mit Gärtner, Proteus usw. getan hatte. Von <strong>de</strong>m<br />
vollständigen Symptombild war nun ein Simillimum in folgen<strong>de</strong>m Fall gegeben:<br />
Miß H., 40 Jahre alt, war in <strong>de</strong>n letzten 3 Jahren gesundheitlich sehr schnell<br />
zurückgegangen. Krampfhafte Steifigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Beine mit großer Schwierigkeit zu gehen. Gang<br />
sehr unsicher, die geschwollenen schweren Beine mußten weit auseinan<strong><strong>de</strong>r</strong> gehalten<br />
wer<strong>de</strong>n. Knieschmerzen mit großer Schwierigkeit <strong>de</strong>s Streckens. Alle Gelenke trocken, mit<br />
Krachen und Schwellung. Große Schwäche mit Neigung zu liegen und zu ruhen. Schwin<strong>de</strong>l.<br />
Bücken erschwert mit Neigung zu fallen. Sie konnte nicht stehen mit geschlossenen Beinen;<br />
Krampf und Zucken <strong><strong>de</strong>r</strong> Beine. Geistig war die Patientin stumpf; dabei vollblütig,<br />
aufgetrieben, fühlte sich heiß, wünschte kalte und freie Luft. In geschlossenem warmem Raum<br />
wird ihr übel. Schwitzt stark, meist in <strong>de</strong>n Achselhöhlen und je<strong>de</strong> Nacht über <strong>de</strong>n ganzen<br />
Körper; die Hän<strong>de</strong> aber heiß und trocken. Gegen hartnäckige Verstopfung waren viele<br />
Abführmittel gebraucht wor<strong>de</strong>n. Appetit schlecht, kann lange ohne Nahrung bleiben. Durch<br />
Lärm leicht erregt; dann unsicheres Gehen. Leicht zu Tränen gerührt und leicht geärgert.<br />
Gefühl <strong>von</strong> Erschöpftsein mit Atemlosigkeit kurz vor <strong><strong>de</strong>r</strong> Perio<strong>de</strong>. Der Bru<strong><strong>de</strong>r</strong> starb letztes Jahr<br />
an multipler Sklerose. Das zusammengesetzte Morganpräparat wur<strong>de</strong> am 14. Januar 1927 in<br />
30. Potenz gegeben, Plusmetho<strong>de</strong>, tägliche Gaben, 7mal. Der Erfolg war augenblicklich mit<br />
tiefer vitaler Reaktion. Bei guten <strong>Fortschritte</strong>n kamen alle Funktionen in Ordnung. Am 16. März<br />
erhielt sie Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holung <strong><strong>de</strong>r</strong> Morgangaben. Am 10. Mai wur<strong>de</strong> entschie<strong>de</strong>ne Besserung<br />
gefun<strong>de</strong>n; sie konnte jetzt viel sicherer gehen und mit geschlossenen Augen bei<br />
angeschlossenen Beinen frei stehen. Die krampfigen Erscheinungen waren verschwun<strong>de</strong>n.<br />
Die Eingewei<strong>de</strong> waren jetzt tätig, kein Schmerz o<strong><strong>de</strong>r</strong> Schwere mehr in <strong>de</strong>n Beinen; geistig viel<br />
tätiger. Ihr gutes Aussehen war wie<strong><strong>de</strong>r</strong> hergestellt. Sie war glücklich und jugendlich. Innerhalb<br />
<strong>von</strong> 4 Monaten war dieser große Effekt mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Morganmetho<strong>de</strong> bei sofortigem Einsetzen<br />
erzielt wor<strong>de</strong>n und setzte sich bei dieser Aen<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong><strong>de</strong>r</strong> Symptome fort. Am 8. Juni hatte sich<br />
wie<strong><strong>de</strong>r</strong> Schwin<strong>de</strong>l eingestellt und sie bekam noch 3 Dosen <strong>de</strong>s Mittels. Diese wirkten schnell. Es<br />
geht ihr jetzt gut: Kniereflexe in Ordnung und allgemeine Besserung fortschreitend.<br />
Kein Simillimum irgen<strong>de</strong>iner Arznei hätte bessere Resultate ergeben können.<br />
Nun noch einige Worte über die polyvalente Vakzine in 30. Potenz. Ich fand immer,<br />
daß sie eine tiefe Reaktion in je<strong>de</strong>m Einzelfall hervorbrachte, wo nur Psora, unkompliziert <strong>von</strong><br />
Tuberkulose, Syphilis o<strong><strong>de</strong>r</strong> Sykosis vorlag. Einmal wur<strong>de</strong> ich durch längere Verschlimmerung<br />
erschreckt in einem Fall, wo Tuberkulose in <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorgeschichte war. Glücklicherweise fand sich<br />
30
ein gut schützen<strong>de</strong>s Mittel, so daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Unstern in guten Erfolg geleitet wur<strong>de</strong>. Seit<strong>de</strong>m habe<br />
ich aber dieses Feuer fürchten gelernt. Vielfach machte die polyvalente Vakzine gute Arbeit,<br />
wenn sie bestimmte Hinweise auf ein Simillimum hervorbrachte. Insofern waren meine<br />
Erfahrungen glücklich und überzeugend. Ich liebe die Polyvalente; aber meine Hochachtung<br />
ist mit Respekt und Vorsicht gemischt und mit Furcht gewürzt. Das Mittel ist angezeigt in<br />
aktiver, nicht komplizierter Psora, wenn die Lebenskraft ermü<strong>de</strong>t ist und leiten<strong>de</strong> Symptome<br />
nicht zu fin<strong>de</strong>n sind. -<br />
Meine Erfahrungen haben mich <strong>von</strong> <strong>de</strong>m großen epochemachen<strong>de</strong>n Wert <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Arbeiten Dr. Bachs überzeugt. Mein Vertrauen für die Behandlung schwieriger Fälle ist mit<br />
je<strong>de</strong>m einzelnen Versuch größer gewor<strong>de</strong>n. Dieses be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong> Feld gehört zur<br />
<strong>Homöopathie</strong> und wir als Schüler <strong>de</strong>s großen Hahnemann müssen es kultivieren und die<br />
Früchte seiner Wirksamkeit hervorbringen. Dieses Gebiet wird jetzt <strong>von</strong> <strong>de</strong>n Allopathen<br />
ausgebeutet, die in ihrer Blindheit zwar plün<strong><strong>de</strong>r</strong>n mögen, aber niemals ohne das Licht <strong>de</strong>s<br />
Aehnlichkeitsgesetzes die segensreichen Anwendungen zu machen verstehen. Wer<strong>de</strong>n wir<br />
unser Erbe beanspruchen und bei <strong>de</strong>m Reichtum unserer Erfahrungen <strong>de</strong>nen die Augen<br />
öffnen, welche vom Werte <strong><strong>de</strong>r</strong> Hahnemannschen <strong>Homöopathie</strong> nicht unterrichtet sind? Wir<br />
berühren uns hier mit <strong>de</strong>n fortgeschrittenen Denkern <strong><strong>de</strong>r</strong> alten Schule und die beste Haltung,<br />
welche wir hier einnehmen können, ist nicht allein <strong>von</strong> überragen<strong><strong>de</strong>r</strong> Wichtigkeit für die<br />
Sache <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Homöopathie</strong>, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch eine Ehrenpflicht für <strong>de</strong>n Fortschritt <strong><strong>de</strong>r</strong> Wissenschaft<br />
und für die Kranken, welche uns vertrauen. Wir dürfen in keiner Weise durch Vernachlässigung<br />
irgen<strong>de</strong>in Gebiet <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Homöopathie</strong> ausliefern.<br />
Mit diesem Schluß hat Dr. Dishington, <strong><strong>de</strong>r</strong> nach seiner gesamten Berufsauffassung ein<br />
ausgezeichneter Homöopath ist, noch einmal <strong>de</strong>n ganzen Ernst seiner Wertschätzung <strong>de</strong>s<br />
Bachschen Vakzinetherapie an <strong>de</strong>n Tag gelegt und wir dürfen <strong>de</strong>shalb diese ganze Sache zu<br />
<strong>de</strong>n neuesten fortschrittlichen Bewegungen in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Homöopathie</strong> einreihen.<br />
Nach diesen ausgezeichneten praktischen Darbietungen habe ich noch bei<strong>de</strong><br />
Hän<strong>de</strong> voll Theorie. Dürfen wir auch <strong><strong>de</strong>r</strong> homöopathischen Lehre in theoretischer<br />
Ausgestaltung ein Recht beimessen, zu <strong>de</strong>n <strong>Fortschritte</strong>n gezählt zu wer<strong>de</strong>n? Ich glaube, daß<br />
es gar nicht an<strong><strong>de</strong>r</strong>s geht. Eine <strong>de</strong>nken<strong>de</strong> Betrachtung <strong>von</strong> Tatsachen wird sogar für tiefere<br />
kritische Geister an <strong><strong>de</strong>r</strong> Spitze stehen müssen, wird um Vertrauen werben müssen für ein<br />
neues, schwer festzustellen<strong>de</strong>s Tatsachengebiet, welches man nicht ohne weiteres durch<br />
einen je<strong><strong>de</strong>r</strong>zeit <strong>de</strong>monstrierbaren chemischen o<strong><strong>de</strong>r</strong> physikalischen Versuch vorführen kann.<br />
Freilich, bei Ent<strong>de</strong>ckern und Bahnbrechern kommen zuerst die neuen Tatsachen, aber nur<br />
<strong>de</strong>shalb, weil sie vorher ihren Kopf <strong>von</strong> allgemeinen Vorurteilen gereinigt hatten; <strong>de</strong>shalb<br />
konnten sie jenen Tatsachen nachspüren und sie ent<strong>de</strong>cken. Ich habe auf <strong>de</strong>m Gebiet <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Theorie viel gearbeitet. Zuerst einen Aufsatz zur Kritik <strong><strong>de</strong>r</strong> v. Grauvogelschen Lehre <strong>von</strong> <strong>de</strong>n<br />
Körperkonstitutionen in <strong><strong>de</strong>r</strong> Internationalen homöopathischen Presse 1876 veröffentlicht, dann<br />
in <strong><strong>de</strong>r</strong> Berliner Zeitschrift homöopathischer Aerzte 1881 eine Arbeit über Wahrscheinlichkeit in<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Heilkun<strong>de</strong>. Jetzt, nach 52 Jahren, wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> erstere Aufsatz in <strong><strong>de</strong>r</strong> Deutschen Zeitschrift f.<br />
Hom. 1928, Nr. 1 ans Licht gezogen und als berechtigte Kritik anerkannt. An <strong>de</strong>n zweiten<br />
Aufsatz knüpfe ich an, um hier noch eine Gabe zur homöopathischen Problematik<br />
darzubieten, <strong><strong>de</strong>r</strong> ich dauern<strong>de</strong>n Wert für die Lehrbildung zuschreiben muß, weil ich mir<br />
bewußt bin, die ganze Frage gründlich und umfassend beantwortet zu haben, freilich nicht<br />
mit geschichtlichen Zutaten, die ihren Wert zweifellos behalten, aber mit einer genaueren<br />
Kenntnis <strong>de</strong>s Gebiets und mit logischer Durchführung. Unter solchen Umstän<strong>de</strong>n wage ich es,<br />
dieser Arbeit <strong>de</strong>n Erfolg vorauszusagen, daß die Jünger <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Homöopathie</strong> - und wer sollte in<br />
weiteren 30 Jahren unter <strong>de</strong>n gebil<strong>de</strong>ten Aerzten <strong><strong>de</strong>r</strong> Welt nicht zu ihren Jüngern gehören -<br />
notwendig jene Gedankengänge für ihre Gesamtübersicht <strong>de</strong>s Heilgebietes aufnehmen<br />
müssen, sich mit ihnen vertraut machen müssen, wenn sie wirklich umfassen<strong>de</strong><br />
Anschauungen haben wollen. Es han<strong>de</strong>lt sich um einen Entwurf <strong>von</strong> mir, welcher durch ein<br />
Preisausschreiben <strong><strong>de</strong>r</strong> „Biologischen Heilkun<strong>de</strong>“ vom Frühjahr 1927 angeregt wur<strong>de</strong> über die<br />
Frage: „Welche Unterlagen gibt es, um zu beweisen, daß Arzneimittel die natürlichen<br />
Heilungsvorgänge unterstützen?“ Da diese Frage <strong>de</strong>n Kernpunkt <strong><strong>de</strong>r</strong> Arzneiheilkun<strong>de</strong> betrifft,<br />
so beteiligte ich mich an <strong>de</strong>m Wettbewerb. - Den Preis habe ich zwar nicht erhalten; aber<br />
trotz<strong>de</strong>m erlaubt mir mein Ueberblick über die Sachlage nicht, einen dauern<strong>de</strong>n Wert meiner<br />
Arbeit in Zweifel zu ziehen. Es ist nicht meine Sache, die vorgezognen an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Arbeiten zu<br />
beurteilen; ich nehme an, daß je<strong><strong>de</strong>r</strong> mit gleicher subjektiver Berechtigung geschrieben hat<br />
31
und versetze mich in die Lage <strong><strong>de</strong>r</strong> Preisrichter, die durch äußern Einfluß zu einem Amt berufen<br />
wur<strong>de</strong>n, das ihnen auferlegte, Gedankengänge zu überblicken und autoritativ zu beurteilen,<br />
die ihnen vielleicht vorher niemals vertraut gewesen sind. Ich lasse also jetzt meine Arbeit<br />
folgen und will schon vorläufig bemerken, daß sie die Ten<strong>de</strong>nz hat, eine r a t i o n a l e<br />
W a h r s c h e i n l i c h k e i t zu begrün<strong>de</strong>n, die es erlaubt, unter Beihilfe aller logischen Mittel<br />
auch selbst einen Einzelfall für das Urteil reif zu machen, ob eine Heilwirkung durch Arznei<br />
vorliegt o<strong><strong>de</strong>r</strong> nicht. Die Statistik, eine <strong><strong>de</strong>r</strong> Biologie gegenüber sehr schwache Beweismetho<strong>de</strong><br />
soll dadurch überboten wer<strong>de</strong>n, was kein Ding <strong><strong>de</strong>r</strong> Unmöglichkeit ist.<br />
Schon 1881 hat es sich um Sehnliches gehan<strong>de</strong>lt, in<strong>de</strong>m ein H e r r v o n G r u z e w s k i<br />
durch Wi l l m a r S c h w a b e in Leipzig einen Preis ausschrieb für Bearbeitung eines Themas:<br />
abwechselnd gegebene und wie<strong><strong>de</strong>r</strong> entzogene Arznei soll durch Besserung,<br />
Verschlimmerung, Besserung usw. <strong>de</strong>n Zusammenhang <strong><strong>de</strong>r</strong> Heilwirkung nachweisen. Es hat<br />
sich also auch dort um eine - biologische verfehlte - Anordnung gehan<strong>de</strong>lt, die eine<br />
Preisaufgabe darstellte; auch hier habe ich <strong>de</strong>n Preis nicht erhalten, schon wegen meiner<br />
ablehnen<strong>de</strong>n Haltung gegen die I<strong>de</strong>e <strong>von</strong> Gruzewski. Im Falle <strong>de</strong>s Ausschreibens <strong><strong>de</strong>r</strong> Biolog.<br />
Heilkunst liegt jetzt die Sache aber an<strong><strong>de</strong>r</strong>s, <strong>de</strong>nn hier ist treffend gekennzeichnet, daß es sich<br />
um eine natürliche Aufgabe han<strong>de</strong>lt, die einer eindringlichen Arbeit wert gewesen.<br />
„Welche Unterlagen gibt es, um zu beweisen, daß Arzneimittel die natürlichen<br />
Heilungsvorgänge unterstützen?“<br />
Kennwort: „Für Schule und Leben.“<br />
Es ist eine allgemeine Annahme, daß die Heilbeziehung, <strong>von</strong> welcher das Thema<br />
re<strong>de</strong>t, in Wirklichkeit besteht. Die Klärung <strong><strong>de</strong>r</strong> hierher gehören<strong>de</strong>n Begriffe scheint erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich.<br />
1. Die natürlichen Heilvorgänge<br />
Alle Heilvorgänge verdanken <strong>de</strong>n natürlichen Einrichtungen <strong>de</strong>s Organismus ihre<br />
Ten<strong>de</strong>nz und ihre Verwirklichung. Die Natur selbst weist aber darauf hin, daß dies nicht als ein<br />
Freibrief gegeben sei, Krankheitsvorgänge, weil sie natürlich sind, ohne Unterstützung zu<br />
lassen. Unsere Vernunft muß dafür eintreten, daß Hilfe geleistet wer<strong>de</strong>, wie die Beispiele <strong>von</strong><br />
Verwahrlosung in Krankheiten zeigen. Beschwer<strong>de</strong>n und Gefahr <strong><strong>de</strong>r</strong> Kranken erregen<br />
Mitgefühl und verlangen Gegenwirkungen. Es ist aber nicht die Arznei, an welche man zuerst<br />
<strong>de</strong>nkt. In vielen Fällen sind es Handreichungen, chirurgische Hilfen im weiteren Sinn, ferner<br />
Hilfe durch diätetische Einflüsse, durch Reinigung und durch Ernährung. Man geht <strong>von</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
begrün<strong>de</strong>ten Ansicht aus, daß die Natur sich selbst weiterhelfe, wenn sie in eine vorteilhafte<br />
Lebenslage gebracht wird.<br />
Die Hilfeleistungen sind vielfach direkt nach <strong>de</strong>m Gegensatz erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich, z. B.<br />
Erwärmung <strong>de</strong>s Kranken, Befreiung <strong>von</strong> Verrenkung, Entfernung <strong>von</strong> Fremdkörpern,<br />
Entleerung <strong>von</strong> Blase und Mastdarm, Stärkung durch Speise und Trank. Diese direkte Abhilfe ist<br />
unanfechtbar, eine angemessen ärztliche Handlung mit konträren Absichten und Mitteln. Es<br />
offenbaren sich darin wirksame und wohltätige natürliche Vorgänge auf einem Feld, das <strong>von</strong><br />
unserer Vernunft ohne Be<strong>de</strong>nken gemeistert wer<strong>de</strong>n kann. Versuchen wir aber, tiefere<br />
Schichten <strong>de</strong>s krankhaften Vorgangs zu beurteilen, so versagt unser Verständnis. Die<br />
Handhabung <strong>de</strong>s gegensätzlichen wird hier unsicher und oft gefährlich. Wir müssen dann<br />
eine an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Klarstellung versuchen. Wenn z. B. eine hohe Fiebertemperatur vorliegt, ist<br />
fraglich, ob das nicht <strong><strong>de</strong>r</strong> Ausdruck sei, für einen <strong><strong>de</strong>r</strong> Lebenserhaltung nützlichen Vorgang, ob<br />
darin nicht eine günstige und vorübergehend natürliche Haltung <strong>de</strong>s Organismus gegeben<br />
sei. O<strong><strong>de</strong>r</strong> in einem Fall <strong>von</strong> Erbrechen und gehäuften Darmausleerungen muß man an<br />
Abwehr <strong>de</strong>s Lebens gegen giftige Schädlichkeiten <strong>de</strong>nken. Während wir eingangs natürliche<br />
Krankheitsvorgänge gesehen haben, die einer direkten Bekämpfung fähig waren, wäre es<br />
hier nicht ohne weiteres annehmbar, Kranke mit Gewalt zu entfiebern o<strong><strong>de</strong>r</strong> Magen und Darm<br />
zur Zwangsruhe zu verurteilen. Auch jetzt liegen natürliche Krankheiten vor, aber das<br />
organische Geschehen entzieht sich großenteils unserem Einblick. Die Krankheitsherrschaft ist<br />
neben <strong>de</strong>n Heilungsvorgängen untrennbar im Bil<strong>de</strong> vorhan<strong>de</strong>n und wir wissen nicht, ob wir<br />
die Krankheit o<strong><strong>de</strong>r</strong> das Leben <strong>de</strong>s Kranken treffen, wenn wir eingreifen. Jedoch kann sich<br />
unsere Vernunft beruhigen: die Erfahrung lehrt, daß auch in diesen unerkennbaren Schichten<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Vorgänge ein Etwas tätig ist, welches die Interessen <strong><strong>de</strong>r</strong> Lebenssubstanz vertritt und sie<br />
verteidigt. Diese begrün<strong>de</strong>te Ansicht kann man das b i o l o g i s c h e V e r t r a u e n nennen.<br />
32
Viele Zustän<strong>de</strong> und Vorgänge sind <strong>von</strong> Empfindungen getragen, welchen man im<br />
allgemeinen vertrauen kann und kein Kranker ist <strong>von</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> sorgen<strong>de</strong>n und regeln<strong>de</strong>n Natur<br />
verlassen: bis zum En<strong>de</strong> erlebt man unerwartete Wendungen und Besserungen, sieht man<br />
„Natürliche Heilungsvorgänge“. Sie treten aus einer dunklen Tiefe ans Tageslicht, sind an<strong><strong>de</strong>r</strong>s<br />
gelagert, als wir an <strong><strong>de</strong>r</strong> oberflächlichen Ausgestaltung sie wahrnehmen. Auch die Wirkungen<br />
sind nicht mehr unbedingt verwendbar. Für eine Wirkung, die <strong>de</strong>m biologischen Vertrauen<br />
entspricht, muß das Verständnis auf eine an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Art gesucht wer<strong>de</strong>n.<br />
2. Die Unterstützungsaktion <strong><strong>de</strong>r</strong> Arznei<br />
Wie läßt sich <strong>de</strong>nken, daß die Arznei eine Unterstützung <strong>de</strong>s Naturheilvorhänge<br />
bewirkt? Kann sie diese s i c h e r n ? Dies wird zutreffen, wenn sie <strong>de</strong>n Verlauf <strong><strong>de</strong>r</strong> Krankheit<br />
beschleunigt; <strong>de</strong>nn die Kraftquellen <strong>de</strong>s Organismus sind beschränkt und es kann <strong>de</strong>shalb ein<br />
langer Krankheitsverlauf die Ueberschreitung <strong><strong>de</strong>r</strong> Lebenskraft mit sich führen. Deshalb wird<br />
eine Ersparung und Hebung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kräfte durch Arznei eine gewisse Sicherung <strong>de</strong>s Lebens<br />
be<strong>de</strong>uten. Es gibt Arzneien, welche die Kräfte heben und sparen; es gibt auch gewisse<br />
konzentrierte und organotrope Nährmittel und Reizmittel, welche solche Arzneien darstellen,<br />
Kampfer, Aether, Alkohol, Nährextrakte. Sagen wir, daß das Arzneimittel <strong>de</strong>n<br />
Genesungsvorgang e r l e i c h t e r e , so ist das vielfach eine ersichtliche Wahrnehmung, z. B.<br />
gegenüber starken Schmerzen, so daß unzweifelhaft durch die narkotischen Mittel (im<br />
weiteren Sinne gemeint) eine Gewähr für erträglichen und kräftesparen<strong>de</strong>n Verlauf<br />
gewonnen wird. In<strong>de</strong>ssen könnten in gewissen Fällen trotz glücklicher Befreiung <strong>von</strong><br />
Schmerzen doch auch Hemmungen tieferer biologischer Art gesetzt wer<strong>de</strong>n, während die im<br />
Spiel befindlichen Kräfte natürlich ebenfall biologischer Art sind, aber als oberflächlicher für<br />
<strong>de</strong>n Gesamtplan <strong><strong>de</strong>r</strong> Heilung zu bezeichnen sind.<br />
Am meisten scheint <strong><strong>de</strong>r</strong> Wirksamkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Arzneien ein Begriff zu entsprechen, <strong><strong>de</strong>r</strong> aus<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Mechanik und Chemie stammt: die B e s c h l e u n i g u n g . Stoffe, die bei chemischen<br />
Umsetzungen oft nur in sehr kleinen Mengen vorhan<strong>de</strong>n sind, jedoch in richtunggeben<strong><strong>de</strong>r</strong> Art<br />
mitwirken und dabei keine Verän<strong><strong>de</strong>r</strong>ung erfahren, heißt man Katalysatoren. Arzneimittel<br />
haben ebenfalls die Eigenschaft, in kleiner, manchmal sogar verschwin<strong>de</strong>n<strong><strong>de</strong>r</strong> Menge zu<br />
wirken. Sofern wir uns überhaupt um ihr Schicksal im Organismus <strong>de</strong>s Kranken kümmern<br />
konnten, war häufig ihr unverän<strong><strong>de</strong>r</strong>tes Erscheinen in <strong>de</strong>n Ausscheidungen <strong>de</strong>s Kranken<br />
festzustellen. Dazu kommt noch eine weitere Aehnlichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Arzneien mit <strong>de</strong>n Katalysatoren.<br />
Letztere vervielfachen und bewältigen Naturvorgänge, die auch ohne sie auftreten und<br />
verlaufen, nur weit langsamer. Dasselbe ist <strong><strong>de</strong>r</strong> Fall bei Arzneieinflüssen in<br />
Krankheitsvorgängen. Die Genesung kommt ja in <strong>de</strong>n meisten Fällen ohnehin; sie wird aber<br />
durch geeignete Arzneien beschleunigt; die Fälle verlaufen leichter. Manche vielleicht<br />
wer<strong>de</strong>n überhaupt vor einem verhängnisvollen En<strong>de</strong> bewahrt, weil Arzneimittel<br />
dazwischentraten. Dies kann man sowohl bei akut Kranken, in Entzündungen o<strong><strong>de</strong>r</strong> Infektionen<br />
(Pneumonie, Ruhr, Cholera) als auch bei chronischen Krankheiten, z. B. Syphilis, Tuberkulose,<br />
Geschwulstbildung beobachten.<br />
3. Die möglichen Arzneiwirkungen<br />
Der Arzneibegriff steht im Mittelpunkt unserer Betrachtungen. Man kann ihn zunächst<br />
sehr weit fassen, um ihn nachher zu beschränken. Zur Begriffsbildung <strong><strong>de</strong>r</strong> Arznei gehört die<br />
Krankheit, gehört auch die ärztliche Absicht. Die Grundsätze <strong><strong>de</strong>r</strong> Anwendung liegen aber<br />
nicht im Begriff <strong><strong>de</strong>r</strong> Arznei. Die Anwendung kann nach ganz entgegngesetzten Prinzipien und<br />
zu konträren Wirkungen geschehen. Kein Gebiet <strong><strong>de</strong>r</strong> Naturkräfte ist vom Arzneicharakter<br />
ausgeschlossen. Ein gutes Wort, eine gute Nachricht kann Arznei sein; ebenso - unter<br />
an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Umstän<strong>de</strong>n - ein ernster Vorhalt. Solche Arznei wen<strong>de</strong>t sich direkt an die bewußte<br />
Regierung <strong>de</strong>s psychosomatischen Menschen. Manchmal kann Wärme, manchmal Kälte<br />
Arznei sein. Auch Sonnenlicht, Licht bestimmter Art, Röntgenstrahlen. Ein erquicken<strong><strong>de</strong>r</strong> Trank,<br />
nahrhaftes Essen können Arznei sein, für manche ist ein Bad Arznei; überall gewinnt aber das<br />
Wort seine Be<strong>de</strong>utung durch Heilabsichten bei entsprechen<strong>de</strong>n Bedürfnissen. Es gibt einen<br />
Ausspruch <strong>von</strong> Paracelsus: „Also liegt in <strong><strong>de</strong>r</strong> Natur <strong><strong>de</strong>r</strong> Arznei die Weisheit, Kunst, Theorie,<br />
Praktik <strong>de</strong>s Arztes und nicht in ihm selbst.“ Dies besagt, daß sich <strong><strong>de</strong>r</strong> Arzt durch die Wirkung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Arznei belehren und führen lassen müsse.<br />
Arzneiwirkung nach <strong>de</strong>m Gegensatz, Darreichung zur direkten Befriedigung <strong>von</strong> Not<br />
und Bedürfnis ist mehr an das Erkennbare gebun<strong>de</strong>n und folgte naheliegen<strong>de</strong>n kausalen<br />
Einsichten. Die geheimnisvollere Arznei jedoch appelliert an das dunkle Innenleben <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
33
Organisation. Von jenen mehr physiologischen Wirkungsträgern heben sich die abnormen<br />
Lichtarten, ferner die körperfrem<strong>de</strong>n chemischen Sunstanzen, seien sie Drogen o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
künstliche Erzeugnisse, ab, beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s die Drogen sind Träger <strong>de</strong>s eigentlichen<br />
Arzneigedankens; vorwiegend mit ihnen hat es auch die Fragestellung unserer Aufgabe zu<br />
tun. Arzneien <strong>von</strong> ihrer rein chemischen Seite und ihre physikalische Wertung zu betrachten,<br />
geht nicht an. Ist doch schon die Lösung und die Verdünnung einer Substanz ein Vorgang<br />
<strong>von</strong> großer Wichtigkeit und mit Entfaltung einer gewaltigen Oberfläche verbun<strong>de</strong>n. Die Stoffe<br />
verhalten sich in dieser Hinsicht sehr verschie<strong>de</strong>n. Gleichwohl beschäftigten uns diese<br />
Probleme hier nicht, weil sie nicht Gegenstand <strong><strong>de</strong>r</strong> Aufgabe sind. Unsere Untersuchung soll<br />
sich auf die eigentlichen Drogenarzneien erstrecken, ohne die an<strong><strong>de</strong>r</strong>en ganz auszuschließen.<br />
Bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Frage nach <strong>de</strong>n Beweisen für ihre Heilwirkung ist aber nochmals zu be<strong>de</strong>nken, daß sie<br />
nicht die einzigen Vermittler <strong><strong>de</strong>r</strong> Genesung bleiben, auch wo ärztliches Zutun stattfin<strong>de</strong>t. Es<br />
wird immer dabei die Diätetik mit Reinlichkeit, besserer Haltung, vielleicht Licht- und<br />
Klimaaufbesserung in Frage kommen. Der Arzt hat immer eine synthetische Aufgabe, wie <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Künstler. Er muß alles heranziehen, was für Genesungszwecke erreichbar ist. Deshalb steht<br />
Arznei meist nicht isoliert und mit isolierter Beweisfähigkeit im Krankheitsprozeß. Gleichwohl<br />
hebt sich die Arzneiwirkung in <strong>de</strong>n menschlichen und ärztlichen Vorstellungen ab: man<br />
erwartet <strong>von</strong> ihr doch einen beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en Zauber, weil man sie ins Unerkannte tauchen sieht.<br />
So hat es die Arznei mit jenen tieferen Schichten <strong><strong>de</strong>r</strong> Organismusarbeit zu tun. Der Naive und<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Kranke stellen sich vor, sie solle darin verschwin<strong>de</strong>n und die Genesung solle dafür<br />
auftauchen. Um faßbare Vorstellungen über die Arzneirolle in <strong>de</strong>n Genesungsvorgängen ringt<br />
dagegen die ärztliche Wissenschaft. Wür<strong>de</strong>n niemals schlagen<strong>de</strong> Arzneiheilungen gemacht<br />
wer<strong>de</strong>n, so hätten sich jene naiven Ansichten wohl gar nicht bil<strong>de</strong>n können; sie setzen<br />
einfach Genesung als Aequivalent für Arzneiwirkung, während die wissenschaftliche Medizin<br />
die Heilwirkung als Ergebnis <strong>von</strong> Naturvorgängen kausal verstehen will. -<br />
Im organischen Gewebe gibt es keine zwei genau gleichen Fälle; man hat also immer<br />
nur einen vor sich, <strong>von</strong> welchem sich keine in Krankheiten beobachtete Arzneiwirkung<br />
unbedingt auf einen an<strong><strong>de</strong>r</strong>en übertragen läßt. Freilich, an <strong><strong>de</strong>r</strong> Oberfläche <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorgänge, wo<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Augenschein waltet und das Kausalgesetz für die Urteile genügt, da lassen sich Heilungen<br />
leicht beweisen. Durch chemische Neutralisation <strong><strong>de</strong>r</strong> Magensäure z. B. ist bei Belästigung <strong>de</strong>s<br />
Kranken leicht eine vorübergehen<strong>de</strong> Besserung zu erzielen, welche aber nicht einmal auf <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
biologisch gedachten Linie <strong><strong>de</strong>r</strong> Heilung zu liegen braucht. Bei einer Iritis ist es möglich, die<br />
Verklebung <strong><strong>de</strong>r</strong> Regenbogenhaut mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Linse durch Atropin zu lösen. Mittels schwefelsauren<br />
Natrons in Wasserlösung läßt sich eine Stuhlverstopfung beheben. Niemand zweifelt daran,<br />
daß diese Leistungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Arzneiheilkun<strong>de</strong> zeitweise erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>t wer<strong>de</strong>n und dann nützlich sind.<br />
Sie sind im Kausalzusammenhang leicht zu erweisen; jedoch fehlt ihnen <strong><strong>de</strong>r</strong> tiefere<br />
Arzneicharakter. Wir begegnen diesem schon eher, wenn wir z. B. einen akuten<br />
Gelenkrheumatismus mit Salizylsäure rasch kupieren, o<strong><strong>de</strong>r</strong> wenn eine Behringsche<br />
Diphtherieeinspritzung mit alsbaldigem Umschwung gemacht wird. Auch wenn Morphium<br />
wohltätigen Schlaf bringt, beobachten wir ihn. Wer<strong>de</strong>n für solche Beziehungen Beweise<br />
verlangt? Wem <strong><strong>de</strong>r</strong> einzelne Fall nicht genügt, <strong><strong>de</strong>r</strong> wen<strong>de</strong>t sich vielleicht an die Statistik. Aber<br />
wir wissen, daß hier nur eine Wahrscheinlichkeit zu errechnen ist und wir haben schon<br />
gesehen, daß zwei ganz gleiche Fälle nie gefun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n können. Deshalb verstehen wir<br />
auch, wenn selbst die Behringeinspritzung nicht immer hilft, wenn das Morphium versagt und<br />
endlich im Stich läßt. In allen diesen Fällen sind aber die täglichen Erfolge so sehr auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Seite<br />
<strong>de</strong>s Arzneigläubigen, daß wir auf <strong>de</strong>n Beweis nicht bestehen wer<strong>de</strong>n: die einfache Erfahrung<br />
erhärtet hier unsere Annahme einer Beziehung, welche außeror<strong>de</strong>ntlich häufig Verwendung<br />
fin<strong>de</strong>t, gleichviel, welche Be<strong>de</strong>nken ihnen auch entgegenstehen mögen. Denn die<br />
Salizylsäure erweckt oft <strong>de</strong>n Anschein, schädlich aufs Herz zu wirken, <strong><strong>de</strong>r</strong> Antitoxineinspritzung<br />
kann <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorhalt nicht erspart wer<strong>de</strong>n, daß hier ein Heilmittel geboten wird, welches<br />
eigentlich vom erkrankten Organismus selbst fabriziert wer<strong>de</strong>n sollte; das Verfahren ist<br />
<strong>de</strong>mnach kein gründlich biologisch gedachtes. Endlich steht <strong>de</strong>m Gebrauch <strong>de</strong>s Morphiums<br />
gegenüber, daß seine Hilfe auch mehr oberflächlich gemeint ist, daß man im Hintergrund<br />
seiner Wirkung <strong>de</strong>n eigentlichen Krankheitsvorgang unbeeinflußt lasse, vorbehaltlich seiner<br />
kraftsparen<strong>de</strong>n Hemmung.<br />
Bei diesen Arzneiwirkungen und zahllosen analogen sind also die Wirkungen gar nicht<br />
anzuzweifeln. Auf sie braucht sich die Beweisführung im Sinne <strong><strong>de</strong>r</strong> Frage nicht zu beziehen,<br />
obwohl sie Arzneien sind und ihren Zauber ausüben. Sie bewähren sich als Arzneien durch<br />
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eine gewisse beruhigen<strong>de</strong> Kraft, die sie ausüben, wenn sie die geeignete Lage <strong>de</strong>s<br />
Krankheitsfalles treffen; sie lin<strong><strong>de</strong>r</strong>n Schmerz, bringen das Fieber zum Abfall, gewähren Schlaf<br />
und genügen somit <strong>de</strong>m I<strong>de</strong>al <strong>de</strong>s alten Arzneibegriffs. Die Wege, die diese Arzneien<br />
einschlagen, sind dunkel, aber ihre Natur ist mit <strong>de</strong>n ersichtlichen Wirkungen zweifellos<br />
verbun<strong>de</strong>n.<br />
Scharf im Gegensatz hierzu hat sich in <strong>de</strong>n letzten Jahrzehnten ein neuer Arzneibegriff<br />
entwickelt: die Mittel <strong><strong>de</strong>r</strong> Reiztherapie bezwecken gera<strong>de</strong> ein Umgekehrtes. Sie erregen<br />
Tumult. Sensibilisierte Teile <strong>de</strong>s Organismus fangen <strong>de</strong>n Reiz auf und verursachen in ihrer<br />
Rückwirkung auf <strong>de</strong>n Selbsterhaltungstrieb Fieber und Abwehr. Solche Reizmittel wer<strong>de</strong>n in<br />
recht kleiner Gabe beigebracht; für Heilzwecke sind schwache Reaktionen erwünscht.<br />
Obwohl auf diesem Gebiete Massenversuche angestrebt wer<strong>de</strong>n, scheint doch ein Urteil<br />
angemessener, das sich individuell beschränkt und welches bei sorgfältiger Erwägung die<br />
Beweisführung ermöglicht. Eine Metho<strong>de</strong>, die aus <strong>de</strong>m Experiment geboren ist und <strong><strong>de</strong>r</strong>en<br />
erregen<strong>de</strong> Wirkung sich physikalisch leicht verfolgen läßt, bedarf keiner weiteren Beweise, nur<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> klinischen Rechtfertigung. An die Aufrufe zur Selbsthilfe <strong>de</strong>s Organismus läßt sich ein<br />
ganzes System physiologischer und therapeutischer Gedanken knüpfen. Die wertvollen<br />
Erfahrungen beim Experiment und am Krankennbett schaffen tragfähiges Verständnis für<br />
Heilvorgänge, welche in Einzelfällen genügen, wenn auch die Metho<strong>de</strong> in an<strong><strong>de</strong>r</strong>en versagt.<br />
Die Barriere, welche die Natur selbst zwischen <strong>de</strong>n Fällen aufgerichtet hat, läßt sich eben<br />
nicht durch einheitliches Verfahren beseitigen. Das biologische Vertrauen trägt diese<br />
Reiztherapie; sie ist <strong>de</strong>m völligen Klarblick entzogen, aber es sind Stationen erkennbar, welche<br />
eine weiter gehen<strong>de</strong> Gesetzmäßigkeit nachweisen. Stellt man Anfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen an Beweiskraft<br />
zu hoch, so verkennt man die Fülle natürlicher Schwierigkeiten und begibt sich damit<br />
außerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong> Naturbedingungen.<br />
Eine ganz an<strong><strong>de</strong>r</strong>sartig eingestellte Therapie mit ebenfalls recht kleinen Dosen<br />
wirksamer Arznei ist diejenige, welche mit <strong>de</strong>n endokrinen Stoffen arbeitet. Die Inkrete <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Schilddrüse, <strong>de</strong>n Nebennieren, <strong><strong>de</strong>r</strong> Epithelkörperchen und an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Organe mit innerer<br />
Sekretion stellen die <strong>von</strong> Paracelsus postulierte „innere Apotheke“ dar, welche <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Organismus in seiner Eigenschaft als „innerer Arzt“ zur Vorbeugung und Ausgleichung <strong>von</strong><br />
Störungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Gesundheit verwen<strong>de</strong>t. In<strong>de</strong>m wir jene Kraftstoffe isolieren und sie nach<br />
Beobachtungen <strong>von</strong> pathologischen Zusammenhängen willkürlich anwen<strong>de</strong>n, haben wir<br />
manchmal schöne Heilerfolge, <strong>de</strong>nen eine hohe physiologische gedachte<br />
Wahrscheinlichkeit zukommt. Diese Metho<strong>de</strong> stellt nicht einen Aufruf an <strong>de</strong>n Organismus dar,<br />
wie die Reiztherapie. Sie führt allerdings Reize ein, aber nutritive Ersatzreize, die <strong>de</strong>m<br />
Organismus fehlten. Damit überläßt sie ihn seinem Geschick und seiner Armut: Almosen statt<br />
Hilfe.<br />
4. Die homöopathische Metho<strong>de</strong><br />
Nun gibt es noch eine Arzneiheilmetho<strong>de</strong>, die <strong>von</strong> S . H a h n e m a n n begrün<strong>de</strong>te<br />
<strong>Homöopathie</strong>, bei welcher sich die Betrachtung <strong><strong>de</strong>r</strong> Arzneiwirkungen am fruchtbarsten für<br />
das physiologische Verständnis und die För<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong><strong>de</strong>r</strong> Medizin gestaltet. Sie ähnelt <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Reiztherapie durch Herausfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong><strong>de</strong>r</strong> organischen Heilwirkung; in noch höherem Maße ist<br />
sie <strong><strong>de</strong>r</strong> mo<strong><strong>de</strong>r</strong>nen Antigentherapie verwandt, weil sie bei ihrer herausfor<strong><strong>de</strong>r</strong>n<strong>de</strong>n Einwirkung<br />
genau zielt und mit sehr kleinen Arzneigaben arbeiten kann. Die Antigentherapie steht sehr<br />
günstig gegenüber <strong>de</strong>n Beweisfor<strong><strong>de</strong>r</strong>ungen, weil sie auf Experimente gegrün<strong>de</strong>t ist und weil<br />
ihre Wirkungen vielfach zu kontrollieren sind.<br />
Die <strong>Homöopathie</strong> Hahnemanns scheint zunächst entblößt <strong>von</strong> je<strong>de</strong>m imponieren<strong>de</strong>n<br />
Beweismittel. Bei genauerer Betrachtung stellt sich dies jedoch an<strong><strong>de</strong>r</strong>s heraus und wir wollen<br />
die Angelegenheit <strong>von</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> einfachsten bis in die eindringlichste Auffassung stufenweise<br />
verfolgen. Es wird sich dabei auch für das Verständnis <strong><strong>de</strong>r</strong> an<strong><strong>de</strong>r</strong>s gearteten Arzneiwirkungen<br />
noch manches gewinnen lassen. Daß „Aehnliches durch Aehnliches“ geheilt wer<strong>de</strong>n solle, ist<br />
zunächst eine Aufstellung, die <strong>de</strong>m kritischen Verstand überhaupt kein Arbeitsfeld zu bieten<br />
scheint. Daher die länger als ein Jahrhun<strong><strong>de</strong>r</strong>t dauern<strong>de</strong> allgemeine Ablehnung <strong><strong>de</strong>r</strong> Aerzte.<br />
Der Anschein <strong>de</strong>s allzu Naiven und Mystischen, welches sich im Hahnemannschen Satze<br />
ausspricht, ist nicht durchdrungen wor<strong>de</strong>n, um die hinter ihm liegen<strong>de</strong> Naturbeziehung zu<br />
klären.<br />
A.<br />
Es versteht sich, daß man bei <strong><strong>de</strong>r</strong> homöopathischen Heilwirkung einfach <strong>de</strong>n Weg <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Erfahrung gehen kann. Nach Anwendung <strong><strong>de</strong>r</strong> Mittelgabe sehen wir oft wun<strong><strong>de</strong>r</strong>bare Folgen,<br />
35
welche bei schmerzhaften und fieberhaften Zustän<strong>de</strong>n ganz <strong>de</strong>n Vorstellungen <strong>von</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
balsamischen Arznei entsprechen. Ohne tiefere Fragen nach <strong>de</strong>n Zusammenhängen könnte<br />
man auf die I<strong>de</strong>e kommen, das merkwürdige Erlebnis durch einfachere Beweise<br />
sicherzustellen. Man wür<strong>de</strong> z. B. sagen: dann muß dieses Mittel auch <strong>de</strong>m nächsten Kranken<br />
mit solchen Zustän<strong>de</strong>n helfen. Aber da hat Hahnemann schon vorgebaut: die Individualität<br />
mit ihren ganz beson<strong><strong>de</strong>r</strong>en Lebenseigenheiten feiert in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Homöopathie</strong> ihre Triumphe. Man<br />
könnte sagen, wenn <strong><strong>de</strong>r</strong>selbe Kranke zum zweitenmal wegen <strong>de</strong>sselben Zustan<strong>de</strong>s dasselbe<br />
Mittel wie<strong><strong>de</strong>r</strong> erhält, so muß es sicher erneut helfen, sonst beruhte auch die erste Wirkung auf<br />
Zufall. Das ist doch nur in beschränktem Maße zu erwarten, <strong>de</strong>nn <strong><strong>de</strong>r</strong> damals Kranke ist<br />
an<strong><strong>de</strong>r</strong>s gewor<strong>de</strong>n und zwar speziell unbestimmt in Richtung auf das Heilmittel: <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Heraklidische Strom ist nicht mehr <strong><strong>de</strong>r</strong>selbe, seit jener ins Wasser stieg. Es wäre allerdings<br />
möglich und geschieht auch manchmal, daß das Mittel wie<strong><strong>de</strong>r</strong> hilft, aber dann müßten alle<br />
Naturerscheinungen <strong><strong>de</strong>r</strong> früheren Krankheit wie<strong><strong>de</strong>r</strong> da sein.<br />
Man könnte nun auch weitergehend eine Statistik verlangen und die For<strong><strong>de</strong>r</strong>ung<br />
aufstellen, daß z. B. Belladonna auch an<strong><strong>de</strong>r</strong>e „Migräne“ heilte, daß an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Durchfälle auch<br />
sofort aufhörten, wie jener, <strong>de</strong>n Sulfur 30 in einmaliger Gabe heilte. Aber das wäre abermals<br />
ein mißverständliches Verlangen. Wir müssen die Vorschrift Hahnemanns <strong><strong>de</strong>r</strong>art auffassen,<br />
daß überall nur dann Heilwirkungen zu erwarten sind, wenn beim Kranken die<br />
homöopathischen Bedingungen erfüllt wor<strong>de</strong>n waren. Sollte diese Einschränkung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
weiteren Erfolgsfreudigkeit ein Trick sein, um die Ent<strong>de</strong>ckung <strong>de</strong>s Unwerts <strong><strong>de</strong>r</strong> Metho<strong>de</strong><br />
hinauszuschieben? O<strong><strong>de</strong>r</strong> ist es eine Berufung auf Autorität, wenn uns Hahnemann wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holt<br />
warnend entgegentritt. Man beachte, daß stets eine Berufung auf die Naturlage <strong>de</strong>s Falles<br />
stattfand. Wenn eine solche auch ungewöhnlich in die einheitlichen Diagnosen einbricht, so<br />
ist das nur eine Schärfung <strong>de</strong>s naturwissenschaftlichen Gewissens <strong>de</strong>s Arztes und besagt so<br />
viel als: hütet euch vor <strong><strong>de</strong>r</strong> Mißleitung durch eure Abstraktion.<br />
Man muß sich also in <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Homöopathie</strong> oft schlechthin mit einer einzigen Erfahrung<br />
begnügen und diese kann nicht in ein allgemeines empirisches Beweisfeld übertragen<br />
wer<strong>de</strong>n, außer unter <strong>de</strong>m Gesichtspunkt <strong><strong>de</strong>r</strong> gesamten homöopathischen Anschauung. Hier<br />
allerdings, wenn sie eingereiht wird zu an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Individuellen Erfahrungen, gewinnt sie ihren<br />
vollen Wert und unter <strong>de</strong>m Eindruck dieser Werte schmolzen oft alte Vorurteile <strong><strong>de</strong>r</strong> Aerzte<br />
zugunsten einer neuen Anschauung. Man kann sich hier fragen: Sollte ich mich für eine<br />
theoretisch konstruierte Ansicht fangen und bin<strong>de</strong>n lassen? O nein! Das soll nicht geschehen,<br />
aber <strong><strong>de</strong>r</strong> Arzt soll hören und sich angeregt fühlen, die Natur direkt zu befragen, eine Sache,<br />
welche man so wenig als verfänglich bezeichnen kann, wie z. B. das Anhören einer<br />
Radiomusik, obwohl <strong><strong>de</strong>r</strong>en Erscheinung <strong>von</strong> nicht ohne weiteres ersichtlichen<br />
Vorbedingungen und subtilen Erwägungen abhängig war. Ob eine solche Vorführung<br />
überzeugend wirkt? In <strong><strong>de</strong>r</strong> Hauptsache sicher; jedoch auf <strong>de</strong>m Gebiet <strong><strong>de</strong>r</strong> Hypothesen nicht<br />
völlig und diese sind nur als Arbeitsunterlagen zu würdigen. Ganz so steht es mit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
<strong>Homöopathie</strong>. Wenn aber die Arbeitshypothesen in ihr bestätigt wer<strong>de</strong>n, wenn sie überdies<br />
ein geordnetes, obzwar vielfach neues und kühnes Denken voraussetzten, so verdienen sie<br />
auch die Beachtung und Würdigung. Bleiben wir zunächst bei <strong><strong>de</strong>r</strong> einzelnen und einfachen<br />
homöopathischen Erfahrung. Sie kann auf Irrtum beruhen, da sie ausdrücklich vereinzelt<br />
dasteht und auch die ärztliche Diagnose keine ausreichen<strong>de</strong> Brücke schlägt zu einem<br />
zweiten Fall, wo sie sich wie<strong><strong>de</strong>r</strong> bewähren müßte. Nur, wo innerhalb o<strong><strong>de</strong>r</strong> außerhalb <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Diagnose auch die Naturerscheinungen <strong>de</strong>s Einzelfalls genau übereinstimmen, müßte das<br />
Mittel wie<strong><strong>de</strong>r</strong> ersichtlich wirken. Dies ist eine billige Bedingung <strong><strong>de</strong>r</strong> Endokrinik, aber gleichwohl<br />
lassen sich auch hier Hemmungen <strong>de</strong>nken, welche <strong>de</strong>n Erfolg verhin<strong><strong>de</strong>r</strong>n. Wir müssen <strong>de</strong>shalb<br />
<strong>de</strong>m Einzelfall schon die Aufgabe zuweisen, einen Beweis zu tragen. Und dies muß allerdings<br />
verlangt wer<strong>de</strong>n, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Einzelfall <strong><strong>de</strong>r</strong> homöopathischen Heilung sich öfters in <strong>de</strong>n<br />
verschie<strong>de</strong>nen Formen <strong>de</strong>s Krankseins wie<strong><strong>de</strong>r</strong>hole. Solches vorausgesetzt, was nur heißt, daß<br />
man die gewöhnliche Erfahrung <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Homöopathie</strong> beachte, genügt für die Bedürfnisse <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Empirie. Der <strong>de</strong>nken<strong>de</strong> Arzt frägt weiter.<br />
B.<br />
Wenn es wahr wäre, daß die Erfahrung im obigen Sinn gesprochen hat, so müßte man<br />
ihr naturwissenschaftliche Unterlagen geben, wobei zum Teil schon Gesagtes hier<br />
nachdrücklich betont wer<strong>de</strong>n muß.<br />
Krankheits- und Heilungsvorgänge sind nicht Zufälligkeiten, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n gesetzlich<br />
verlaufen<strong>de</strong> Phasen, zwar in ihren Einzelheiten meist unerkannt, aber doch zweifellos kausal<br />
36
egrün<strong>de</strong>t. Alle Erscheinungen sind mit <strong>de</strong>n inneren Prozessen naturgesetzlich verbun<strong>de</strong>n.<br />
Was im Organismus passives Lei<strong>de</strong>n ist und was <strong><strong>de</strong>r</strong> biologischen Abwehr angehört, läßt sich<br />
oft nicht trennen. In <strong><strong>de</strong>r</strong> Gesetzlichkeit waltet auch die Ten<strong>de</strong>nz, <strong>de</strong>n Gesundheitszustand<br />
wie<strong><strong>de</strong>r</strong>herzustellen: eine innere Arbeit <strong>de</strong>s Erkrankten ist diesem Zweck gewidmet.<br />
Auch sie ist unerkennbar, doch sehen wir oft die Zustän<strong>de</strong>, welche ihr günstig sind, z. B.<br />
Schweißausbruch, tiefer Schlaf, erwachen<strong>de</strong> Eßlust. Aber selbst das Erbrechen kann anfangs<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> inneren Arbeit günstig sein o<strong><strong>de</strong>r</strong> Nasenbluten o<strong><strong>de</strong>r</strong> selbst <strong><strong>de</strong>r</strong> Schmerz. Das Wesentliche<br />
unserer ärztlichen Auffassung muß sein, daß wir in allen diesen Symptomen und in ihren<br />
Modalitäten wohlbegrün<strong>de</strong>te Naturerscheinungen sehen.<br />
Unter allen krankhaften Störungen zeichnen sich diejenigen aus, welche wir<br />
experimentell hervorrufen können. Wir kennen ihre Ursache und haben diese in <strong><strong>de</strong>r</strong> Hand. Wir<br />
re<strong>de</strong>n hier <strong>von</strong> chemisch bestimmten Ursachen und also <strong>von</strong> vorsichtigen<br />
Vergiftungsversuchen, welche eine überaus große Mannigfaltigkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Erscheinungen<br />
darbieten; <strong><strong>de</strong>r</strong> rote Fa<strong>de</strong>n ihrer Verursachlichung ist also jeweils bekannt. Zu ihnen gehören<br />
die homöopathischen Arzneiprüfungen an Gesun<strong>de</strong>n. Es ist wesentlich, daß sie eben<br />
Gesundheitsstörungen mit reicher symptomatischer Glie<strong><strong>de</strong>r</strong>ung darstellen und daß wir auch<br />
an ihnen die Heilten<strong>de</strong>nz <strong>de</strong>s Organismus beobachten können, sofern sie nicht übermäßig<br />
zerstörend einwirken. Die Erscheinungen wer<strong>de</strong>n zuerst oft stürmisch, da schwächer und es<br />
tritt vielfach - wie eine Erholung <strong>de</strong>s Lebens - das Gegenteil <strong>von</strong> <strong>de</strong>m ein, was zuerst bewirkt<br />
wur<strong>de</strong>: <strong><strong>de</strong>r</strong> abnormen Erregung folgt Stumpfheit und Schlaf, <strong>de</strong>m Durchfall Verstopfung, <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
gesteigerten Rüstigkeit große Ermüdung; so bringen sich die Organe o<strong><strong>de</strong>r</strong> Systeme wie<strong><strong>de</strong>r</strong> in<br />
eine Lage, welche Erholung ermöglicht. Wenn wir also bei experimentell erzeugten<br />
Krankheiten ähnliche Vorgänge beobachten, wie <strong>de</strong>n spontan entstan<strong>de</strong>nen, so dürfen wir<br />
um so weniger Be<strong>de</strong>nken tragen, bei<strong>de</strong> in eine gemeinsame Naturbetrachtung zu nehmen,<br />
als ja vielfach auch in <strong>de</strong>n Krankheiten Gifte, Toxine ihre Rolle spielen. Wir wer<strong>de</strong>n auch<br />
sagen müssen: <strong><strong>de</strong>r</strong> Inhalt solcher Lebensstörungen ist eben ihre Dynamik. Die Stoffe, welche in<br />
Frage kommen sind Urheber falscher Dynamik in <strong>de</strong>m sonst geordneten System unserer<br />
Lebensbewegungen. Nur durch Ablenkung und Vergewaltigung <strong><strong>de</strong>r</strong> Lebensvorgänge sind<br />
die Stoffe wirksam. Sollten wir unter <strong>de</strong>m Brechakt o<strong><strong>de</strong>r</strong> unter einem epileptischen Anfall, o<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
unter einer Entzündung an<strong><strong>de</strong>r</strong>es verstehen, als eine Ueberwältigung <strong><strong>de</strong>r</strong> Dynamis <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
biologischen Eigengesetzlichkeit? Irgendwelche Ablenkungen <strong>de</strong>s authochtonen Szepters<br />
sind also vorgefallen, wenn aus <strong>de</strong>m dynamischen System <strong>de</strong>s Organismus Störungen<br />
hervorbrechen und hat schon Hahnemann diese Einsicht bewährt, so sind wir heutzutage -<br />
bei mo<strong><strong>de</strong>r</strong>ner Auffassung <strong><strong>de</strong>r</strong> Stoffe und <strong>de</strong>s Lebens - um so mehr berechtigt, seine<br />
Ausdrucksweise anzunehmen. Alles ist Dynamismus und das menschliche Leben erhebt unter<br />
allen Lebenserscheinungen sein Szepter am höchsten. Sagen wir also mit Hahnemann, wenn<br />
er <strong>von</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Krankheit spricht: „Eine dynamische Störung“ und fahren mit ihr fort: „wird durch<br />
eine überlegene dynamische Störung ausgelöscht, wenn diese ihrer Art nach sehr ähnlich ist.“<br />
Die <strong>Homöopathie</strong> führt eine solche, sehr ähnliche in <strong>de</strong>n Kranken, das heißt in <strong>de</strong>n ähnlich<br />
gestörten Organismus ein. Es ist nicht zu erwarten, daß sich diese gleichartigen<br />
Ausschreitungen einfach addieren, sie durchsetzten vielmehr die tiefen unerkannten<br />
Schichten und kommen in Konflikt mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Eigengesetzlichkeit <strong>de</strong>s Lebens. Je<strong>de</strong>s Organ, je<strong>de</strong>s<br />
System hat seine Maxima und Minima <strong><strong>de</strong>r</strong> Leistung und <strong>de</strong>s inneren Antriebs. Wenn die<br />
zweite, die homöopathische Störung einsetzt, so be<strong>de</strong>utet das gedanklich wohl ein<br />
Weitertreiben auf <strong><strong>de</strong>r</strong> Störungsbahn, aber möglicherweise gera<strong>de</strong> <strong>de</strong>shalb eine Annäherung<br />
an <strong>de</strong>n kritischen Punkt, wo die Funktionen wie<strong><strong>de</strong>r</strong> umschlagen. Man darf nur daran <strong>de</strong>nken,<br />
daß sich nach <strong>de</strong>m zweiten Kräftestoß eine Wellenbewegung ausgleichen kann. Es ist wohl zu<br />
beachten, daß kein an<strong><strong>de</strong>r</strong>er Kraftweg im Organismus <strong>von</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> homöopathischen Arzneigabe<br />
beschritten wird, eine Konzentration und Sparsamkeit, welche keine an<strong><strong>de</strong>r</strong>e<br />
Arzneianwendung aufweist. Nur <strong><strong>de</strong>r</strong> schon gebahnte Störungsweg wird zum Schauplatz <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Hilfsversuche. Ganz an<strong><strong>de</strong>r</strong>s die allopathische Richtung mit Inanspruchnahme verschie<strong>de</strong>ner<br />
und verschie<strong>de</strong>nartiger Heilwege. Ein Vernunftbeweis für die Trefflichkeit <strong>de</strong>s<br />
homöopathischen Heilverfahrens wird im biologischen Sinne hier zu fin<strong>de</strong>n sein. Auch besteht<br />
im Symptombild <strong><strong>de</strong>r</strong> Arzneivergiftung eine <strong><strong>de</strong>r</strong> Natur anvertraute kausale Verbindung mit <strong>de</strong>m<br />
willkürlich gewählten Experimentierstoff. Durch Kontrollversuche können Zweifel<br />
ausgeschlossen wer<strong>de</strong>n. Die Natur weist uns einen gera<strong>de</strong>n Weg zwischen <strong><strong>de</strong>r</strong> Ursache und<br />
<strong>de</strong>m Symptombild, einen Weg, <strong>de</strong>ssen Verlängerung in die übereinstimmen<strong>de</strong>n<br />
37
Krankheitssymptome ganz <strong>von</strong> selbst einmün<strong>de</strong>t, ein Wink zum biologischen Vertrauen und<br />
zur gleichen Zeit ein Wink <strong><strong>de</strong>r</strong> Natur, <strong>de</strong>n Hahnemann hier verstand und aufnahm, während<br />
die gelehrte Medizin noch heute in <strong>de</strong>n verborgenen Zwischenglie<strong><strong>de</strong>r</strong>n ihre Untersuchungen<br />
verfolgt.<br />
Mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Enge <strong>de</strong>s homöopathischen Heilweges hängt es zusammen, daß so<br />
außeror<strong>de</strong>ntlich kleine Gaben <strong>de</strong>s zuständigen Aehnlichkeitsmittels gegeben wer<strong>de</strong>n. Die<br />
Molekel haben sich nicht zu zerstreuen, sind nicht <strong>de</strong>m Zufall o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> uninteressierten<br />
Oertlichkeit überlassen: ihre Wahlverwandtschaft zieht sie gera<strong>de</strong>zu nach <strong>de</strong>m Wurzelgebiet<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Krankheit. Dies ist ja durch die Uebereinstimmung <strong><strong>de</strong>r</strong> Naturerscheinungen ihres Giftes mit<br />
<strong>de</strong>m vorliegen<strong>de</strong>n Krankheitsfall höchst wahrscheinlich gewor<strong>de</strong>n. Und gera<strong>de</strong> dieser<br />
Gedanke führt uns nun noch tiefer. Wir vergessen nicht, daß es Erfahrungsgrundlagen sind,<br />
die Hahnemann schuf und zu <strong><strong>de</strong>r</strong>en Verständnis er später auch mit Selbstbeschränkung<br />
theoretisierte. Aber wir wollen doch die Urteilsgrundlagen auch an sich verfolgen und noch<br />
fragen, was bei nur gedanklicher Voraussetzung <strong><strong>de</strong>r</strong> homöopathischen Heilbeziehung gelten<br />
muß. Es ist vorher nur noch ein Blick zu werfen auf das A r n d t - S c h u l z s c h e Reizgesetz,<br />
welches die Tragkraft bewährt hat, die homöopathischen Gedanken aufzunehmen und sie in<br />
seiner Weise nutzbar zu machen. Die starken Reize, welche schädigen, leiten nach jener<br />
Auffassung unsere Arzneiprüfungen; die so feinen Reize <strong><strong>de</strong>r</strong> Heilgaben bewegen sich auf <strong>de</strong>n<br />
gleichen Bahnen, wie <strong><strong>de</strong>r</strong> Reizstoff und beleben (erhöhen) nur die Empfänglichkeit <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
erkrankten Gebil<strong>de</strong>. Die Symptomatologie dieser Bahnungen in Verbindung mit <strong>de</strong>m teilweise<br />
aufgeklärten physiologischen Chemismus, kann als therapeutischer Wegweiser gelten und<br />
somit ist die <strong>Homöopathie</strong> zu einer gewissen Anerkennung gebracht. Dies etwa <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Standpunkt <strong>von</strong> A . B i e r . Die Wahrscheinlichkeit <strong>de</strong>s Arndt-Schulzschen Reizgesetztes kommt<br />
in weitestgehen<strong>de</strong>m Maße auch <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Homöopathie</strong> zugute.<br />
C.<br />
Wen<strong>de</strong>n wir uns nun <strong><strong>de</strong>r</strong> homöopathischen Frage auf Grund bloßer Vernunftsgesetze<br />
zu, so muß gelten, daß die bei<strong>de</strong>n Erscheinungsreihen <strong><strong>de</strong>r</strong> Aehnlichkeit, nämlich die <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Arzneimittelsymptome und die <strong><strong>de</strong>r</strong> Krankheitssymptome vorerst erfahrungsmäßig weitgehend<br />
übereinstimmen. Wenn nun dies zutrifft, so muß in <strong>de</strong>m überaus komplizierten System <strong>de</strong>s<br />
menschlichen Lebens eine Verwandtschaft <strong><strong>de</strong>r</strong> bei<strong><strong>de</strong>r</strong>seitigen Ursachen angenommen<br />
wer<strong>de</strong>n. Es kann nicht Zufall sein, daß so auffallend sich <strong>de</strong>cken<strong>de</strong> Naturerscheinungen<br />
auftreten und bis in die feinsten Verzweigungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Symptome ähnlich sind. Einige<br />
gemeinsame Züge könnten auf Zufall beruhen, aber wo die Uebereinstimmung durchgreift, ist<br />
es höchst wahrscheinlich, daß die Aehnlichkeiten verursacht sind durch gemeinsame<br />
Erregungen im unerkennbaren Hintergrun<strong>de</strong>. Zu je<strong><strong>de</strong>r</strong> Wirkung müssen wir eine Ursache<br />
<strong>de</strong>nken, zu sehr ähnlichen Wirkungen in komplizierten Systemen bedarf es sehr ähnlicher<br />
Ursachen, die übereinstimmend angreifen. Demnach wurzelt <strong><strong>de</strong>r</strong> homöopathische Gedanke<br />
nicht allein in <strong><strong>de</strong>r</strong> Erfahrung, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n er ist auch in <strong><strong>de</strong>r</strong> Konstruktion unserer Vernunft verankert.<br />
Gewiß ist, daß schon in sehr verschie<strong>de</strong>nen Menschen Gedanken dieser Art aufkeimten,<br />
Gedanken, die <strong>de</strong>n Symptomen <strong>von</strong> Gift und Krankheit nachgingen, selbst bis in die Signatur<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Heilkräfte sich verloren, aber niemals zu einer wissenschaftlichen Verfolgung <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Naturbeziehungen gediehen. Erst Hahnemann, <strong><strong>de</strong>r</strong> auf Aehnlichkeiten zwischen<br />
Chinawirkung und Wechselfieber aufmerksam gewor<strong>de</strong>n war, brachte <strong>de</strong>n Keim zur<br />
fruchtbaren Entwicklung. Alle vorgängigen Beobachter, zu <strong>de</strong>nen auch H i p p o k r a t e s<br />
gehörte, vermochten <strong><strong>de</strong>r</strong> Anregung nicht jene I<strong>de</strong>e abzugewinnen, welche <strong><strong>de</strong>r</strong> ganzen<br />
Naturbeziehung eine Wendung ins Fruchtbare, ins Wissenschaftliche gab, nämlich die<br />
Arzneisymptome künstlich durch Experimente zu erzeugen. Hier war <strong><strong>de</strong>r</strong> springen<strong>de</strong> Punkt <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Entwicklung, welche <strong>de</strong>n Arzneizauber aus <strong>de</strong>m Bereich <strong>de</strong>s Märchens, <strong>de</strong>s Wun<strong><strong>de</strong>r</strong>lan<strong>de</strong>s<br />
entführte und ihn für naturwissenschaftliche Betrachtung sicherte. Zwar vermag die Erkenntnis<br />
nicht <strong>de</strong>n Wegen und Stufen <strong><strong>de</strong>r</strong> Arzneiwirkung im einzelnen zu folgen; aber das ist auch<br />
nicht erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>lich, weil wir sie im Geleit <strong>von</strong> gesetzlichen Naturwirkungen wissen. Wir for<strong><strong>de</strong>r</strong>n,<br />
daß es so sei durch <strong>de</strong>n Bau unserer Vernunft und eben damit hat sich die Wahrscheinlichkeit<br />
eingefun<strong>de</strong>n, daß man auf <strong>de</strong>m Aehnlichkeitswege heilen könne. Und diese<br />
Wahrscheinlichkeit rechnet auf die Erfahrung aus Vernunftgrün<strong>de</strong>n: <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Aehnlichkeitsgedanke hat apriorischen Wert. Die Lebenswege im Organismus und die<br />
Bedingungen, unter welchen auf die Erscheinungen <strong><strong>de</strong>r</strong> entsprechen<strong>de</strong>n Reihen in <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Wirklichkeit gehofft wer<strong>de</strong>n kann, sind undurchdringlich für unser Auge; jedoch im<br />
allgemeinen muß damit zu rechnen sein, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Arzneizauber auf homöopathischem Weg<br />
38
sich enthülle. Dieser Sachlage entsprechend muß aber um so genauer darauf geachtet<br />
wer<strong>de</strong>n, daß die Aehnlichkeiten individuell wirkend vorhan<strong>de</strong>n sind. Und ebenso bleibt<br />
maßgebend, daß dann die Größe <strong><strong>de</strong>r</strong> Arzneigabe auf <strong>de</strong>m eingeengten Weg <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Aehnlichkeitsbeziehung keinen erheblichen Ueberfluß darstelle. Dann ist es ein reinliches<br />
Arbeiten im Sinne <strong>de</strong>s Erfin<strong><strong>de</strong>r</strong>s, <strong>de</strong>n seine Ent<strong>de</strong>ckungen in ein Land getragen haben, <strong>de</strong>ssen<br />
Eigenart für an<strong><strong>de</strong>r</strong>e - und seien sie sonst noch so vortrefflich unterrichtet - nicht zu überblicken<br />
sind. Er war berechtigt, das Wort zu sprechen: „Macht’s nach, aber macht’s genau nach.“<br />
Und wir sind verpflichtet, sorgsam auf seine Bedingungen zu achten. Wir sehen also, daß die<br />
<strong>Homöopathie</strong> eine Wahrscheinlichkeit a priori für sich hat. Wir berufen uns auf diese nicht, um<br />
<strong>de</strong>n Erfahrungsbeweis zu umgehen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n vielmehr, um zu <strong>de</strong>m letzteren einzula<strong>de</strong>n. Wo<br />
Augenschein und Kausalgesetz in <strong>de</strong>n an<strong><strong>de</strong>r</strong>sartigen Arzneiwirkungen, im Gebiet <strong>de</strong>s<br />
Gegensatzes, an <strong><strong>de</strong>r</strong> Oberfläche <strong>de</strong>s Geschehens auf ihre Rechnung kommen, da ist es <strong>von</strong><br />
Wert, einen Ausdruck für Wahrscheinlichkeit zu besitzen, welcher die arzneiliche Vernunft<br />
tiefer geleitet und sie in Schutz nimmt, wo die Beobachtungen sie nicht weiter verfolgen<br />
können. Deshalb gehört gera<strong>de</strong> diese Betrachtung zu <strong>de</strong>n Unterlagen <strong>de</strong>s Beweises für<br />
Arzneimittelwirkungen. Und damit wären wir bei <strong><strong>de</strong>r</strong> tiefsten Schicht <strong>de</strong>s arzneilichen Wertes<br />
angekommen, dort, wo <strong><strong>de</strong>r</strong> eigentliche Arzneizauber zu Hause ist, <strong>de</strong>nn in jenen direkten<br />
Kausalbeziehungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Oberschichten macht es sich nicht begleitend; er will hervorgehen<br />
aus <strong>de</strong>m Gebiet <strong>de</strong>s biologische Vertrauens. Sein Reiz, <strong><strong>de</strong>r</strong> uns Aerzten nach unserer<br />
rationalistischen Schulung verdächtig vorkommt, weil wir nicht ohne weiteres die Kausalkette<br />
in ihm erkennen, scheint nur für die Naiven und für die Hilfsbedürftigen da zu sein. Er ist aber<br />
auch uns gegeben und zur wissenschaftlichen Fortbildung anvertraut, er gehorcht nicht<br />
min<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>n Kräftegleichungen und <strong>de</strong>n Naturwirkungen, als die sichtlich auf Gegensätzen<br />
beruhen<strong>de</strong>n Heilvorgänge. Wird dies verstan<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>m Sinne, daß die undurchsichtige<br />
Schicht <strong><strong>de</strong>r</strong> Lebensreaktionen in naturwissenschaftlicher Gesinnung <strong>de</strong>m biologischen<br />
Vertrauen anheimgeben wird, so sehen wir die homöopathischen Heilungen auf <strong>de</strong>m<br />
gleichen Fel<strong>de</strong> allgemeiner Gesetzlichkeit.<br />
Die homöopathische Arznei ist in <strong><strong>de</strong>r</strong> I<strong>de</strong>e <strong>de</strong>s Systems mit allen Vorzügen<br />
ausgestattet: wichtige Rolle <strong><strong>de</strong>r</strong> experimentellen Metho<strong>de</strong> (Arzneiprüfungen), biologische<br />
Tiefenwirkung, Oekonomie <strong>de</strong>s Verfahrens gegenüber <strong>de</strong>m Kräftestand <strong>de</strong>s Kranken,<br />
genaues Zielen <strong><strong>de</strong>r</strong> Wirkung, natürliche Grundlagen im Symptombild ohne Raum für<br />
irrtümliche Auslegungen. Dazu kommt noch ein beson<strong><strong>de</strong>r</strong>es Merkmal: die apriorische<br />
Begründung <strong><strong>de</strong>r</strong> Wahrscheinlichkeit. Jetzt fragt es sich nur, wie dieses System - unter<br />
Einhaltung <strong><strong>de</strong>r</strong> Versuchsbedingungen - zur Erfahrung sich stellt. An <strong><strong>de</strong>r</strong> Erfahrungsheilkun<strong>de</strong> ist<br />
die Prüfungsarbeit. Es muß sich zeigen, ob die homöopathischen Arzneien sich vom Nichts<br />
unterschei<strong>de</strong>n und ob sie brauchbare Werkzeuge in <strong><strong>de</strong>r</strong> Hand <strong>de</strong>s Arztes sind, wie<br />
Hahnemann es behauptet hat.<br />
5. Schlüsse und Beispiele<br />
Die Unterlagen, welche beweisen, daß Arzneien die natürlichen Heilungsvorgänge<br />
unterstützen, sind teils Ergebnisse <strong><strong>de</strong>r</strong> Beobachtung, welche uns bei gegensätzlichen<br />
Wirkungen durch direkte Kausalverbindungen belehrt, teils sind sie an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Wirkungen, welche<br />
in tieferen Schichten <strong><strong>de</strong>r</strong> Lebenstätigkeit sich abspielen und in Heilungsergebnissen sich<br />
äußern. Ferner sind sie naturwissenschaftliche Kombinationen mit experimenteller Grundlage,<br />
beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s bei Reiztherapie und <strong>Homöopathie</strong>. Endlich zeigt sich bei tieferem Eindringen in<br />
das Problem <strong><strong>de</strong>r</strong> apriorische Hintergrund, welcher für die <strong>Homöopathie</strong> wichtig ist. Die<br />
Beobachtung <strong>von</strong> Krankheitsfällen in ihrem Verlauf ohne und mit Anwendung <strong>von</strong><br />
Arzneimitteln führt zu <strong>de</strong>nken<strong>de</strong>n Beurteilungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Einzelfälle. Ohne die stichhaltige<br />
menschliche Vernunft ist die Beurteilung nicht <strong>de</strong>nkbar. Große Zahlenreihen statistischer Art<br />
schalten die Urteilskraft eher aus und geben <strong>de</strong>m Zufalle Berechtigung. Nur, wo man ganz auf<br />
<strong>de</strong>nken<strong>de</strong> Durchdringung verzichten muß, kann Statistik etwas leisten. In <strong><strong>de</strong>r</strong> Medizin bringt sie<br />
die große Gefahr, diagnostische Reihen als Gleichheiten aufstellen zu müssen, während Fälle<br />
mit <strong><strong>de</strong>r</strong>selben Diagnose in ihrem Heilverhältnis sehr verschie<strong>de</strong>n sein können. Deshalb bleiben<br />
geläuterte Erfahrung und Beobachtung in Verbindung mit umfassen<strong>de</strong>n Kenntnissen die<br />
besseren Unterlagen <strong>de</strong>s Urteils und zuletzt geht dieses auf genaue Beobachtung und auf die<br />
Konstruktion unserer Vernunft zurück. Diese bemächtigt sich mit Erfolg <strong>de</strong>s Einzelfalls und führt<br />
unter Berücksichtigung aller wesentlichen Bedingungen das Urteil zu einer hohen<br />
Wahrscheinlichkeit. Auch dies Verhältnis stempelt die Medizin zu einer K u n s t , die sich<br />
wissenschaftlicher Mittel bedient, ohne aus solchen restlos verstan<strong>de</strong>n zu wer<strong>de</strong>n.<br />
39
An einigen Beispielen soll noch nachgewiesen wer<strong>de</strong>n, wie Arzneiwirkungen<br />
beobachtet wer<strong>de</strong>n können.<br />
Als ich selbst im zwanzigsten Lebensjahr mich befand, fand ich <strong>de</strong>n zufälligen<br />
Gebrauch <strong><strong>de</strong>r</strong> Arnikatinktur <strong><strong>de</strong>r</strong>art angenehm, daß ich (an einem heißen Sommertag)<br />
beschloß, einige Tropfen da<strong>von</strong> auf ein Glas frischen Wassers wie Limona<strong>de</strong> zu trinken. Es<br />
mögen 6 bis 10 Tropfen gewesen sein. Ungefähr 10 Minuten nach diesem unvorsichtigen<br />
Genuß fühlte ich ein nie wahrgenommenes Rasseln auf meiner Brust nebst Hustenreiz. Ich warf<br />
rasch nacheinan<strong><strong>de</strong>r</strong> mehrere Löffel voll reines Blut aus. Vorher hatte ich niemals an<br />
Derartigem gelitten. Allerdings waren meine bei<strong>de</strong>n Eltern einem Lungenlei<strong>de</strong>n erlegen und<br />
ich vermutete <strong>de</strong>shalb sofort, daß dasselbe auf mich warte. Es fiel mir aber auch ein, daß<br />
Arnika Blutungen erregen solle und da hatte ich nun gleich einen Beweis dafür. Etwas Husten<br />
stellte sich ein, ebenso Fieber, <strong><strong>de</strong>r</strong> Husten brachte blutgefärbten Auswurf, beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s<br />
morgens. So vergingen bei gemil<strong><strong>de</strong>r</strong>tem Erscheinen einige Wochen, wobei Müdigkeit und<br />
Mangel an Eßlust sich zeigten. Ich fand in einem homöopathischen Buche, daß Calcarea<br />
carbonica bei beginnen<strong><strong>de</strong>r</strong> Lungenerkrankung mit ähnlichen Erscheinungen ein bewährtes<br />
Heilmittel sei und nahm dasselbe in mehreren Gaben, stets einige Streukügelchen. Von dieser<br />
Zeit an erfolgte ein gesundheitlicher Aufschwung. Die Blutungen hörten allmählich auf;<br />
jedoch noch nach Monaten kam es an einzelnen Tagen vor, daß ein morgendlicher Husten<br />
etwas blutigen Auswurf <strong>von</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Brust brachte. Welche Beweiskraft hat nun diese kleine<br />
Geschichte? Für Liebhaber <strong>von</strong> Massenbeweisen gar keine, wenn man so will. Aber für mich<br />
sprach sie aus, daß Arnika eine Arznei sei, daß sie das Befin<strong>de</strong>n relativ Gesun<strong><strong>de</strong>r</strong> ernstlich und<br />
gefährlich stören könne, daß sie Blutungen verursachen könne. Und da ich dies<br />
übereinstimmend in früher schon festgelegten Beobachtungen bestätigt fand, so erblickte<br />
ich Zusammenhänge, gegen die kein vernünftiger Grund sprach. Die Arzneiprüfungen<br />
Hahnemanns sind größer angelegte und absichtlich gewonnene Beweise <strong>von</strong> <strong>de</strong>n<br />
Arzneikräften. Unter ihren Schutz trat meine eigene eng begrenzte Erfahrung und gewann<br />
dadurch. Wollte man diese Gedankenverbindung ablehnen, so wäre das willkürlich. Das<br />
Denken bedarf <strong><strong>de</strong>r</strong> Zügel und muß seinen Weg durch Erfahrungen nehmen. An<strong><strong>de</strong>r</strong>en und<br />
früheren Menschen die Fähigkeit für positive Beobachtungen ohne weiteres abzustreiten, ist<br />
töricht. Die Krankheitsgeschichte hat aber auch noch ihre Calcareaseite. Hier machte sich<br />
ein ähnlicher Gang <strong><strong>de</strong>r</strong> Gedanken geltend. Daß früher schon unter sehr ähnlichen<br />
Verhältnissen Heilwirkungen <strong>von</strong> Calcarea beobachtet wur<strong>de</strong>n, war für mich Grund genug,<br />
ein so harmloses Mittel in meiner kritischen Lage anzuwen<strong>de</strong>n. Später kam dann die Einsicht<br />
hinzu, daß tuberkulöse Vorgänge durch Verkalkung abgegrenzt und unschädlich gemacht<br />
wer<strong>de</strong>n können. Endlich fand sich noch <strong><strong>de</strong>r</strong> Einblick in die Beziehung <strong><strong>de</strong>r</strong> Aehnlichkeit: w e i l<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Kalk solche Krankheitserscheinungen für sich an Gesun<strong>de</strong>n hervorruft, kennt er die<br />
Schleichwege <strong><strong>de</strong>r</strong> Lungenlei<strong>de</strong>n und reicht in seiner Wirkung bis zu <strong><strong>de</strong>r</strong>en organischen<br />
Grundlagen zurück. Wer sich solcher Sicherungen <strong><strong>de</strong>r</strong> Wahrscheinlichkeit in <strong>de</strong>n<br />
Arzneiwirkungen nicht bedienen will, <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>de</strong>nkt nicht in <strong>de</strong>n nächstliegen<strong>de</strong>n ärztlichen<br />
Vorstellungen. Er <strong>de</strong>nkt wohl vielleicht großzügiger, aber auch abwegiger. Den Gewinn <strong>von</strong><br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Erkenntnis und Verwertung jener Naturbeziehungen hat <strong><strong>de</strong>r</strong>jenige, welcher in sparsamer<br />
Weise das Notwendige erfaßt und - wenn es sich erfahrungsgemäß bewährt - gelten läßt. Alle<br />
diese Beobachtungen müssen in einen großen Plan <strong><strong>de</strong>r</strong> ärztlichen Hilfeleistungen eingefügt<br />
wer<strong>de</strong>n. Aus diesem Plan treten sie wie<strong><strong>de</strong>r</strong> abgegrenzt hervor als das homöopathische<br />
Verfahren.<br />
Unter diesen Gesichtspunkt gehört auch folgen<strong>de</strong> Erfahrung: Ein Kind <strong>von</strong> 5 Jahren<br />
erkrankt an Halsentzündung mit Fieber. Am zweiten Tag <strong><strong>de</strong>r</strong> Erkrankung wird das Schlucken<br />
schmerzhafter, die linke Man<strong>de</strong>l zeigt einen flachen diphtherischen Belag. Der Knabe schläft<br />
viel, aber je<strong>de</strong>smal bei Erwachen weint er, o<strong><strong>de</strong>r</strong> brüllt er vielmehr, weil dann <strong><strong>de</strong>r</strong> Hals so weht<br />
tue. Nach <strong><strong>de</strong>r</strong> homöopathischen Heilbeziehung erhält das Kind Lachesis 30. Potenz, zwei<br />
Tropfen in Wasser schluckweise. Sofort setzt Besserung ein und nach einigen Tagen ist <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Knabe genesen. Wür<strong>de</strong> man mehrere <strong><strong>de</strong>r</strong>artige Fälle zur Verfügung haben, wäre die<br />
Beweiskraft für die Rolle <strong>de</strong>s Arzneimittels erhöht. In <strong><strong>de</strong>r</strong> Tat weist die homöopathische Literatur<br />
solche Vorkommnisse öfter auf: die Verschlimmerung beim Erwachen fällt ins Gewicht, wo<br />
auch die übrigen Naturerscheinungen stimmen. Aber auch, wenn man da<strong>von</strong> nichts wüßte,<br />
wenn man nur die Parallelerscheinungen zwischen <strong>de</strong>m eigenartigen Schlangengift und <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Halsentzündung kennen wür<strong>de</strong>, dürfte man eine Beschleunigung <strong><strong>de</strong>r</strong> Heilung wegen dieser<br />
Wurzelbeziehung annehmen aus <strong>de</strong>n nachgewiesenen apriorischen Grün<strong>de</strong>n, die auch<br />
40
einem Einzelfall ihren Schutz ange<strong>de</strong>ihen lassen. Freilich ist das immer nur eine theoretische<br />
Wahrscheinlichkeit, die aber praktisch fürs Han<strong>de</strong>ln zugängig und fruchtbar ist.<br />
Bei <strong>de</strong>n vielen an<strong><strong>de</strong>r</strong>sartigen Arzneibeziehungen in Krankheiten kann sich ein<br />
vernünftiges Urteil auch auf E r k e n n t n i s s e stützen. In meiner Praxis verwen<strong>de</strong> ich öfters ein<br />
Kropfmittel, das vorwiegend aus Fucus vesicolosus besteht. Es ist ein Komplex; seine<br />
hervortreten<strong>de</strong> Wirkung geht auf hyperplastische Schilddrüsen beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s junger Personen.<br />
Ich habe eine große Reihe <strong>von</strong> Fällen, wo <strong><strong>de</strong>r</strong> Halsumfang innerhalb 4 bis 6 Wochen um<br />
mehrere Zentimeter zurückging unter großer Erleichterung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kranken. Hier ist also ein<br />
Gebiet, wo leicht mit Massenbeweisen gearbeitet wer<strong>de</strong>n kann. Wir können uns jedoch <strong>de</strong>n<br />
Wert <strong><strong>de</strong>r</strong> Erfahrung schon mit wenigen Fällen sichern. Auch hier arbeiten wir nur mit<br />
Wahrscheinlichkeiten für <strong>de</strong>n Einzelfall, wenn es auch im allgemeinen erwiesen ist, daß jenes<br />
fucushaltige Heilmittel selbst in geringer Gabe, wenn es nur fein verteilt, Kröpfe heilt. Auf<br />
homöopathische Beziehungen scheint dieser Gebrauch nicht zurückzugehen. Fucus erzeugt<br />
keine Kröpfe. Vielmehr scheint das in ihm verdickte Jod - nebst an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Meeresstoffen - direkt<br />
för<strong><strong>de</strong>r</strong>lich auf die Schilddrüsen zu wirken. Man begegnet am Weltmeer selten kropfigen<br />
Menschen, während sie im Binnenland häufiger und häufiger wer<strong>de</strong>n. Man müßte also eine<br />
direkte kausale Wirkung annehmen, vielleicht einen Ersatz mangeln<strong><strong>de</strong>r</strong> Meeresstoffe. Es wäre<br />
ein Ernährungsproblem. Sobald sich Grün<strong>de</strong> für diese Auffassung fin<strong>de</strong>n, häufen sie sich<br />
zugleich für die antipathische Heilwirkung. Diese stellt eine direkte kausale Notwendigkeit dar.<br />
Aber in <strong>de</strong>m Wi<strong><strong>de</strong>r</strong>streben mancher Fälle <strong>von</strong> Kropf, sich so heilen zu lassen, offenbart sich die<br />
Vielgestaltigkeit pathologischer Vorgänge, welche unter einem Decknamen<br />
zusammengefaßt wer<strong>de</strong>n. So kommt man niemals über alle praktischen und theoretischen<br />
Schwierigkeiten hinweg und fin<strong>de</strong>t niemals <strong>von</strong> vornherein die volle Sicherheit. Weitere<br />
Betrachtung beson<strong><strong>de</strong>r</strong>er Heilbeziehungen könnte noch viele Modifikationen ergeben; aber<br />
im Grun<strong>de</strong> wäre immer wie<strong><strong>de</strong>r</strong> die Geltung <strong><strong>de</strong>r</strong> Vernunftsgesetze mit ähnlichen Darlegungen<br />
zu bewähren: die Unterlagen für die Heilwirkung <strong><strong>de</strong>r</strong> Arzneien müssen immer wie<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
zurückverfolgt wer<strong>de</strong>n.<br />
Anhang - Mo<strong><strong>de</strong>r</strong>ne Bewegungen in <strong><strong>de</strong>r</strong> Augenheilkun<strong>de</strong><br />
Der Herausgeber dieser Schrift mag dieselbe nicht abschließen, ohne <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
überwältigen<strong>de</strong>n Wirkung zu ge<strong>de</strong>nken, die zwei Werke über Ophthalmologie auf ihn<br />
ausgeübt haben.<br />
Ich habe stets gerne mit inneren Heilmitteln und auf Grund konstitutioneller Kuren<br />
kranke Augen behan<strong>de</strong>lt. Als ich vor zwei Jahren erfuhr, daß eine Metho<strong>de</strong> existiere,<br />
Kurzsichtige durch Konvexgläser zu bessern, so imponierte mir das gewaltig, <strong>de</strong>nn es sprach<br />
mich auf <strong>de</strong>m Wege <strong><strong>de</strong>r</strong> Aehnlichkeitsbeziehung als ein homöopathisches Verfahren an.<br />
Man hatte ja die krankhaft erhöhte Konvexität <strong>de</strong>s kurzsichtigen Auges lange genug mit <strong>de</strong>m<br />
elen<strong>de</strong>n, aber blen<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Hilfsmittel konkaver Gläser behan<strong>de</strong>lt; aber man hatte dabei so<br />
vielfach <strong>de</strong>n Fortschritt <strong><strong>de</strong>r</strong> Kurzsichtigkeit und schließlich die Entartung <strong>de</strong>s Auges<br />
(Netzhautablösung!) erlebt, daß ich hoch erfreut war, hier einen Ausweg zu sehen, <strong><strong>de</strong>r</strong> mich<br />
dann auch nicht täuschte, weil ich an <strong>de</strong>n eigenen Augen und an an<strong><strong>de</strong>r</strong>en die gute Wirkung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> abspannen<strong>de</strong>n Gläserbehandlung (mit Konvexgläsern) erlebt habe. Es ist dies ein<br />
wahrhaft biologisches Verfahren, welches <strong>de</strong>m Auge einen Anreiz verleiht, sich wie<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
anzupassen und das <strong>von</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Netzhaut entartete Bild <strong><strong>de</strong>r</strong> Gegenstän<strong>de</strong> tatsächlich rückwärts<br />
zu verlegen, so daß es mehr und mehr die empfin<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Schicht wie<strong><strong>de</strong>r</strong> erreicht, während es<br />
vorher im Glaskörperraum abgesetzt wur<strong>de</strong>.<br />
Wir haben glücklicherweise <strong>de</strong>n genialen Augenarzt, welcher diese Metho<strong>de</strong><br />
ausgebil<strong>de</strong>t und begrün<strong>de</strong>t hat, noch unter uns; es ist D r . G r a f Wi s e r , Geh. Medizinalrat<br />
und Vorstand <strong><strong>de</strong>r</strong> Augenklinik in Bad Eilsen.<br />
Ich wandte mich damals an <strong>de</strong>n genannten Herrn und erfuhr <strong>von</strong> ihm, daß<br />
<strong>de</strong>mnächst ein Buch über die neue Metho<strong>de</strong> erscheinen wer<strong>de</strong>; <strong><strong>de</strong>r</strong> Titel ist:<br />
Die Erhaltung <strong>de</strong>s Augenlichtes<br />
Die Gefahren <strong><strong>de</strong>r</strong> Kurzsichtigkeit und <strong><strong>de</strong>r</strong>en Verhütung durch sachgemäße<br />
Behandlung. Von Dr. med. Graf Wiser. Preis geb. 5 M. Ritterverlag, Berlin W 30.<br />
41
In diesem Buche fin<strong>de</strong>t sich natürlich nicht meine homöopathische, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n eine<br />
wirklich physiologische Begründung <strong><strong>de</strong>r</strong> Metho<strong>de</strong> und es ist <strong>de</strong>m Buche im Interesse <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Jugend sowie aller Augenlei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n weiteste Verbreitung zu wünschen. Der geehrte Herr<br />
Verfasser beabsichtigt in Kürze auch ein beson<strong><strong>de</strong>r</strong>es Werk über Glaukom erscheinen zu<br />
lassen, welches diese ver<strong><strong>de</strong>r</strong>bliche Krankheit vom konstitutionellen Standpunkte aus würdigt.<br />
Solchen Arbeiten kann die <strong>Homöopathie</strong> überall die Hand bieten: die Begründungen mögen<br />
sich stets auf physiologisch-wissenschaftlichem Bo<strong>de</strong>n bewegen, aber es ist merkwürdig, daß<br />
<strong>von</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Aehnlichkeitsbeziehung her die größte Aneignungsfähigkeit für alles praktisch<br />
Brauchbare waltet, wie das vorherige Beispiel nahelegt.<br />
Für die Zukunft läßt sich auf Grund solcher Leistungen, wie die <strong>von</strong> Dr. Graf Wiser,<br />
erwarten, daß die Ophthalmologie mehr biologisch als chirurgisch, mehr konstitutionell als<br />
lokalistisch sich anschicken wird: bessere Tage für die augenlei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Menschheit!<br />
Es ist für die <strong>de</strong>utschen Aerzte leicht, auch über das Werk <strong>von</strong> Geh.-Rat Wiser zu<br />
unterrichten; über eine an<strong><strong>de</strong>r</strong>e ophthalmologische Umsturzbewegung muß ich etwas<br />
ausführlicher sein, da sie uns zunächst fremd ist, das grundlegen<strong>de</strong> Buch bisher nicht in<br />
<strong>de</strong>utscher Sprache erschien und meines Wissens kein <strong>de</strong>utscher Ophthalmologe sie zu seiner<br />
Sache gemacht hat.<br />
Allerdings besteht eine <strong>de</strong>utsche Bearbeitung <strong>von</strong> Frau Elsbeth Friedrichs, welche<br />
das amerikanische Werk uns nahe gebracht hat. Titel:<br />
Lernt wie<strong><strong>de</strong>r</strong> sehen!<br />
Neue Heilwege für kranke Augen.<br />
Verlag Paul Schrecker, Grimma i. S. geb. 4 M.<br />
Diesem Werk und einer anschließen<strong>de</strong>n Monatsschrift verdanke ich zunächst meine<br />
Bekanntschaft mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Sache; <strong><strong>de</strong>r</strong> Titel <strong>de</strong>s ursprünglich amerikanischen Buches ist:<br />
The cure of imperfect sight by treatment without glasses<br />
By W. H. Bates M. D.<br />
Central Fixation Publishing Co., New York City<br />
(anscheinend zuerst 1920 erschienen).<br />
Dr. Bates nun ist ein überaus eindrucksvoller Ophthalmologe, <strong><strong>de</strong>r</strong> das Unglaublichste<br />
mit einfachsten Mitteln fertig bringt, ein geborener Arzt, Künstler und Biologe. Die<br />
grundlegen<strong>de</strong> I<strong>de</strong>e seiner Arbeit ist, daß die physiologische Funktion ihr Organ bil<strong>de</strong>t, schleift<br />
und auch heilt, daß es sich fast überall um eine „Erziehung <strong>de</strong>s Auges“ han<strong>de</strong>lt und daß<br />
hierdurch - bei geschickter Anwendung - die herrlichsten Erfolge zu erzielen sind. Man muß<br />
sein Buch lesen und studieren! Es schlägt fröhlich lachend <strong>de</strong>n überkommenen<br />
Anschauungen ins Gesicht, fin<strong>de</strong>t es z. B. nützlich und gut, recht kleine Schrift zum Lesen<br />
auszusuchen, im Liegen, im Fahren zu lesen und auch bei ganz schwachem Licht die Augen<br />
zu üben. Man könnte manchmal an einen Scherz <strong>de</strong>nken - aber alle Hochachtung vor seinen<br />
eingehen<strong>de</strong>n - auch experimentellen - Studien, vor seinen Krankengeschichten, vor <strong>de</strong>n<br />
trefflichen Beobachtungen und wahrhaft ergreifen<strong>de</strong>n Ent<strong>de</strong>ckungen. Sicher schießt er<br />
manchmal übers Ziel, so mit <strong>de</strong>m Rat, alle Brillen wegzuwerfen, mutig in die volle Sonne zu<br />
sehen. Welcher Ent<strong>de</strong>cker und ab origine Anfänger hätte aber nicht auch einige Schrullen<br />
gehabt!<br />
Ich will mich dabei nicht aufhalten: das Werk ist zu groß und zu schön, um bei einigen<br />
Schwächen zu verweilen, über welche ohnehin <strong>de</strong>m Autor noch die Gegenbemerkung<br />
zusteht! Ich will lieber zur Sache eilen und - so gut ich kann - <strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen ärztlichen und<br />
augenärztlichen Leser kirre machen, Dr. Bates in seiner Tätigkeit selbst kennen zu lernen. Von<br />
32 Kapiteln wer<strong>de</strong> ich 4 (gekürzt und frei übersetzt) vorführen; <strong>von</strong> mir aus ist genug gesagt<br />
und wenn <strong>de</strong>m geehrten Leser in <strong><strong>de</strong>r</strong> Batesschen Ophthalmiatrik eine neue Welt<br />
entgegentritt, so möge er sich getrost sagen: eine Heerstraße nach <strong><strong>de</strong>r</strong> Zukunft, Ausblick in<br />
eine geistigere Auffassung <strong><strong>de</strong>r</strong> Heilkun<strong>de</strong>!<br />
19. Kapitel<br />
Erleichterung <strong>von</strong> Schmerz und an<strong><strong>de</strong>r</strong>n Symptomen durch Hilfe <strong>de</strong>s Gedächtnisses<br />
Seit vielen Jahren sagen mir Kranke, die durch meine Behandlung geheilt wor<strong>de</strong>n<br />
waren, daß nach Wie<strong><strong>de</strong>r</strong>herstellung ihres Augenlichtes sie <strong>von</strong> Schmerzen erleichtert wor<strong>de</strong>n<br />
seien, nicht allein in Augen und Kopf, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch in an<strong><strong>de</strong>r</strong>n Teilen <strong>de</strong>s Körpers, selbst bei<br />
42
scheinbar organischer Ursache, o<strong><strong>de</strong>r</strong> durch Unfall. Es war so schlagend, daß ich einige<br />
Tausend Fälle darauf untersuchte und fand, daß bei vollem Sehvermögen o<strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Erinnerung an volles S, d. h. an etwas vollkommenes Gesehenes, sie keinen Schmerz irgendwo<br />
lei<strong>de</strong>n, während ich fand, daß Anstrengung zu sehen, in verschie<strong>de</strong>nen Teilen <strong>de</strong>s Körpers<br />
Schmerz erzeugte. Unter „vollkommenem Sehen“ ist nicht das Sehen eines komplizierten<br />
Gegenstan<strong>de</strong>s zu verstehen, Wörter usw.; es genügt, die Farbe vollkommen zu sehen und die<br />
am leichtesten zu sehen<strong>de</strong> Farbe ist s c h w a r z . Aber ein vollkommenes S wird selten länger<br />
als 5 Minuten - gewöhnlich nicht einmal so lang - festgehalten.<br />
Für praktische Zwecke <strong><strong>de</strong>r</strong> Schmerzerleichterung ist <strong>de</strong>shalb das Erinnerungsbild<br />
wichtiger als das Sehen selbst.<br />
Wird schwarz vollkommen erinnert, so wird, wenn nicht andauern<strong>de</strong>, so doch eine<br />
vorübergehen<strong>de</strong> Schmerzerleichterung erzielt. Man kann dann die Haut stechen und<br />
quetschen, das Ohrläppchen klemmen, und es wird kein Schmerz gefühlt. Zu gleicher Zeit<br />
wird <strong><strong>de</strong>r</strong> Tastsinn feiner. Auch Geruch und Gehör wer<strong>de</strong>n besser, <strong><strong>de</strong>r</strong> Geist tätiger. Man<br />
unterschei<strong>de</strong>t Temperaturen besser, lei<strong>de</strong>t aber nicht an Hitze o<strong><strong>de</strong>r</strong> Frieren. Organische<br />
Zustän<strong>de</strong> mögen nicht an<strong><strong>de</strong>r</strong>s wer<strong>de</strong>n; aber die <strong>von</strong> ihnen verursachten Symptome wie<br />
Fieber, Schwäche, Schock, sind erleichtert. Leute, welche gelernt haben, unter allen<br />
Umstän<strong>de</strong>n die Erinnerung an schwarz festzuhalten, fürchten die zahnärztliche Hilfe nicht.<br />
Erinnern sie sich einer „Schwarz“ - Perio<strong>de</strong>, so verursacht ihnen das Bohren keinen Schmerz<br />
und sie wer<strong>de</strong>n nicht einmal vom Ausziehen eines Zahnes belästigt. Es ist möglich,<br />
chirurgische Operationen ohne Betäubung zu machen, wenn <strong><strong>de</strong>r</strong> Patient gelernt hat, sich<br />
schwarz völlig vorzustellen. Hier nur einige wenige schlagen<strong>de</strong> Fälle:<br />
Eine Operation am Augapfel mußte öfter wie<strong><strong>de</strong>r</strong>holt wer<strong>de</strong>n und lokale, später<br />
allgemeine Anästhesie war eine Notwendigkeit. Schließlich war es höchst wünschenswert,<br />
ohne jene auszukommen. Die Patientin wur<strong>de</strong> fähig durch vollkommene Vorstellung <strong>von</strong><br />
schwarz <strong>de</strong>m Schmerz entgegenzutreten.<br />
Zuerst vergaß sie ihre Erinnerung bei Berührung <strong>de</strong>s Augapfels; später war sie<br />
erfolgreich im Festhalten und die Operation wur<strong>de</strong> glücklich ausgeführt. Patientin fühlte<br />
keinen Schmerz mehr und ihre Selbstkontrolle war besser, als bei Kokain. Später wur<strong>de</strong>n noch<br />
14 Operationen unter diesen Bedingungen gemacht. Der Kranke fühlte dabei keinen<br />
Schmerz und auch nachher we<strong><strong>de</strong>r</strong> diesen noch das Wundgefühl.<br />
Patientin meinte, daß sie wohl bei einem frem<strong>de</strong>n Operateur nicht so erfolgreich<br />
gewesen wäre; allein sie hatte nachher bei einem unbekannten Dentisten zwei Extraktionen<br />
zu bestehen, die sie unter Festhaltung einer Perio<strong>de</strong> schwarz ebenfalls schmerzlos<br />
durchmacht.<br />
Ein Mann, <strong><strong>de</strong>r</strong> vorher sehr nervös im Stuhl <strong>de</strong>s Zahnarztes gesessen war und mit<br />
Betäubungen 4 Extraktionen durchzumachen gehabt hatte, überraschte jetzt <strong>de</strong>n Dentisten<br />
durch seine Nervenstärke, nach<strong>de</strong>m er die Wirkung <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorstellung schwarz kennengelernt<br />
hatte. Ohne Beihilfe wur<strong>de</strong> nun ein Zahn gezogen und <strong><strong>de</strong>r</strong> Dentist blickte ungläubig, als <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Kranke behauptete, keinen Schmerz gefühlt zu haben.<br />
In <strong>de</strong>m zweiten Fall, bei einer Frau, wur<strong>de</strong>n vom Zahnarzt die Nerven dreier Zähne<br />
entfernt, ohne Schmerz zu erregen.<br />
Ein Knabe <strong>von</strong> 14 Jahren trug eine Verletzung <strong><strong>de</strong>r</strong> Kornea da<strong>von</strong> mit tiefer Einbettung<br />
eines Fremdkörpers, <strong>de</strong>ssen Entfernung bei Kokain bisher nicht gelungen war; er hatte große<br />
Schmerzen. Der Knabe wur<strong>de</strong> angewiesen, nach einem schwarzen Gegenstand zu sehen,<br />
dann die Augen zu schließen und nur schwarz festzuhalten. Dies schon brachte ihm<br />
Erleichterung und dann sollte er sich <strong>de</strong>s Schwarz auch bei offenen Augen erinnern. Der<br />
Fremdkörper wur<strong>de</strong> nun unter großen Schwierigkeiten beseitigt, was beträchtliche Zeit in<br />
Anspruch nahm und keine Schmerzen mehr machte.<br />
Dr. Bates erzählt nun einen andren Fall <strong>von</strong> Schmerz, durch eine Hirngeschwulst bei<br />
einer Frau verursacht. Ein Chirurg brachte ihm diese Kranke mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Bemerkung, hier wer<strong>de</strong> er<br />
seine Kunst vergeblich anwen<strong>de</strong>n. Bates bezweifelte die Existenz eines Hirntumors und<br />
versprach Besserung binnen 5 Minuten. Die Patientin wur<strong>de</strong> angewiesen, auf einen großen<br />
schwarzen Buchstaben zu sehen, dann die Augen mit ihren Handflächen zu schließen, um<br />
volles Dunkel zu erzeugen. - Sie sollte sich nun an die Schwärze <strong>de</strong>s Buchstabens erinnern, bis<br />
sie nun alles schwarz sah. In weniger als 3 Minuten sagte sie: Ich sehe nun alles vollkommen<br />
schwarz; ich fühle keinen Schmerz in meinem Kopf; ich bin vollständig erleichtert und danke<br />
Ihnen sehr. Der Chirurg geriet in Verwirrung und verließ <strong>de</strong>n Raum ohne ein Wort. Um Rückfall<br />
43
zu vermei<strong>de</strong>n, wur<strong>de</strong> Patient angewiesen sechsmal täglich o<strong><strong>de</strong>r</strong> öfter zu palmieren 6 . Der<br />
Schmerz zeigte sich nicht mehr und sie kam nach einigen Wochen in die Klinik, ihre<br />
Dankbarkeit zu bezeugen.<br />
Nicht allein die Symptome tiefer liegen<strong><strong>de</strong>r</strong> Ursachen wer<strong>de</strong>n durch die Erinnerung an<br />
vollkommenes Sehen wie in obigen Fällen geheilt, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch die zugrun<strong>de</strong> liegen<strong>de</strong>n<br />
Krankheiten selbst wer<strong>de</strong>n erleichtert. Husten, Erkältung, Heufieber, Rheumatismen, Glaukom<br />
befin<strong>de</strong>n sich unter solchen Zustän<strong>de</strong>n.<br />
Eines Tages kam ein Patient, <strong><strong>de</strong>r</strong> sich wegen gemischten Astigmatismus in Behandlung<br />
befun<strong>de</strong>n hatte, mit schwerer Erkältung. Sie hustete ununterbrochen, bei<strong>de</strong> Augen flossen<br />
und auch die Nase. Etwas Fieber mit schwerem Augen- und Kopfschmerz; <strong><strong>de</strong>r</strong> Patient war<br />
wegen entzündlicher Schwellung <strong><strong>de</strong>r</strong> Nase unfähig, Luft durch sie zu holen. Palmieren war in<br />
einer halben Stun<strong>de</strong> erfolgreich und mit <strong>de</strong>m Aufhören <strong>von</strong> Schmerz und Ausflüssen ging<br />
auch die Nase auf; Atmung und Temperatur wur<strong>de</strong>n normal.<br />
Ein Knabe <strong>von</strong> 4 Jahren mit Keuchhusten fühlte sich stets erleichtert, wenn er seine<br />
Augen be<strong>de</strong>ckte und sich an schwarz erinnerte. Die Hustenanfälle kamen weniger häufig<br />
und in einigen Wochen war er genesen.<br />
Ein Mann, <strong><strong>de</strong>r</strong> je<strong>de</strong>n Sommer an Heufieber litt, welches die ganze Jahreszeit<br />
andauerte, war völlig erleichtert, nach<strong>de</strong>m er eine halbe Stun<strong>de</strong> palmiert hatte und drei<br />
Jahre war er ohne Rückfall.<br />
Ein Mann <strong>von</strong> 65 Jahren, <strong><strong>de</strong>r</strong> seit 6 Monaten an Rheumatismus ohne Besserung<br />
behan<strong>de</strong>lt wor<strong>de</strong>n war, bekam vorübergehen<strong>de</strong> Erleichterung durch Palmieren und als sein<br />
Sehen sich gebessert hatte, war auch <strong><strong>de</strong>r</strong> Rheumatismus weg.<br />
In vielen Fällen <strong>von</strong> Glaukom wur<strong>de</strong> nicht nur <strong><strong>de</strong>r</strong> Schmerz, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch <strong><strong>de</strong>r</strong> damit<br />
oft vergesellschaftete Druck durch Palmieren völlig gehoben. In einigen Fällen wur<strong>de</strong> sogar<br />
durch einmalige Behandlung die Spannung dauernd beseitigt.<br />
Weshalb die Erinnerung an schwarz solche Effekte habe sollte, kann nicht völlig geklärt<br />
wer<strong>de</strong>n, wie auch die Heilkraft mancher Arzneien nicht zu erklären ist. Je<strong>de</strong>nfalls ist es klar,<br />
daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Körper weniger empfänglich gegen Störungen sein muß, wenn <strong><strong>de</strong>r</strong> Geist sich unter<br />
Kontrolle befin<strong>de</strong>t und nur, wenn dies zutrifft, kann die Erinnerung an schwarz völlig<br />
festgehalten wer<strong>de</strong>n. Wenn - nach bekannten Tatsachen - <strong><strong>de</strong>r</strong> Geist Schmerz erzeugen kann,<br />
so ist es nicht erstaunlich, daß er ihn auch beseitigen kann samt <strong>de</strong>n Bedingungen, die ihn<br />
erregen. Dies ist zweifellos die Erklärung <strong>von</strong> Glaubens- und Christian-science-Kuren. Wie auch<br />
die Sache sei, so ist sie je<strong>de</strong>nfalls durch vielfache tatsächliche Erfahrung begrün<strong>de</strong>t und sie ist<br />
<strong>von</strong> größtem praktischem Wert.<br />
Mit etwas Uebung gelingt es je<strong>de</strong>m gut sehen<strong>de</strong>n Menschen, das Schwarz<br />
vollkommen innezuhaben bei geschlossenen und be<strong>de</strong>ckten Augen; bei noch etwas mehr<br />
Uebung kann je<strong><strong>de</strong>r</strong> es mit offenen Augen lernen. Bei heftigem Schmerz zwar mag die<br />
Kontrolle über das Erinnerungsvermögen schwierig sein und <strong><strong>de</strong>r</strong> Beistand <strong>von</strong> jemand, <strong><strong>de</strong>r</strong> die<br />
Metho<strong>de</strong> beherrscht, ist notwendig. Mit solchem Beistand aber wird sie niemals unmöglich<br />
sein. -<br />
(Anmerkung <strong>de</strong>s Uebersetzers: Die Metho<strong>de</strong> wird in ihrer Wirkung verständlich durch<br />
folgen<strong>de</strong> Betrachtung. Wer nur schwarz sieht und dies festhält, <strong><strong>de</strong>r</strong> hat das gesamte Gebiet<br />
seiner Lebensbewegungen und Interessen aus seinem Bewußtsein verbannt. Wür<strong>de</strong> er z. B.<br />
nur rot, gelb, blau, grün sehen, so wäre noch eine Farbe da die Stimmung machen könnte.<br />
Bei Schwarz ist nur Ruhe da und kein Raum für etwas, solange Schwarz festgehalten wird.<br />
Jene Ruhe scheint das Heilmittel zu sein. Sie be<strong>de</strong>utet volle Kraftsparung auf <strong>de</strong>m Gebiet <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Geisteskraftquellen. Diese können sich damit vollständig <strong>de</strong>n inneren Aufgaben <strong>de</strong>s<br />
Organismus zuwen<strong>de</strong>n, <strong><strong>de</strong>r</strong>en vornehmste bei Schmerz und Kranksein die Heilung ist. Diese<br />
also wird ungewohnt geför<strong><strong>de</strong>r</strong>t durch ein beson<strong><strong>de</strong>r</strong>es und einzigartiges Verhalten <strong>de</strong>s<br />
Gesamtorganismus. Bates erfaßt alle Zusammenhänge).<br />
Kapitel 21<br />
Schielen und Schwachsichtigkeit; ihre Ursache<br />
6<br />
Palmieren <strong>von</strong> Palma, Handfläche. So nennt Bates das regelmäßige Blen<strong>de</strong>n durch Auflegen <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Hän<strong>de</strong> mit gekreuzten Fingern.<br />
44
Kapitel 22<br />
Ihre Kur (Gekürzt wie<strong><strong>de</strong>r</strong>gegeben)<br />
Die in <strong>de</strong>n Lehrbüchern angegebenen Ursachen <strong>de</strong>cken wohl einige Fälle, in an<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
versagen die und alle Behandlungsmetho<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n als sehr unsicher im Erfolg angesehen.<br />
Daß es am Einklang <strong><strong>de</strong>r</strong> mitwirken<strong>de</strong>n Muskulatur <strong>de</strong>s Auges fehle, wenn die Harmonie bei<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Bil<strong><strong>de</strong>r</strong> nicht hergestellt wer<strong>de</strong>n kann, war allgemein angenommen. Operationen auf dieser<br />
Grundlage waren sehr in Mo<strong>de</strong>; heutzutage wer<strong>de</strong>n sie <strong>von</strong> <strong>de</strong>n meisten Autoritäten als letzte<br />
Zuflucht aufgeschoben. Viele Personen sind allerdings da<strong>von</strong> gebessert wor<strong>de</strong>n; aber in<br />
vielen Fällen wur<strong>de</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Zustand auch schlechter. Oftmals war <strong><strong>de</strong>r</strong> Erfolg nur ein kosmetischer;<br />
das Zusammenbringen <strong><strong>de</strong>r</strong> Augenli<strong><strong>de</strong>r</strong> wur<strong>de</strong> doch nicht erreicht.<br />
Die Muskeltheorie war so wenig tauglich, daß die I<strong>de</strong>e <strong>von</strong> D o n d e r s , es lägen<br />
Refraktionsfehler zugrun<strong>de</strong>, Hypermetropie für Strabismus convergens und Myopie für<br />
divergens, allgemein angenommen wur<strong>de</strong>. Auch diese Theorie jedoch erwies sich als nicht<br />
ausreichend und heute gibt es mehrere Ansichten, die geteilt akzeptiert wur<strong>de</strong>n. Nach<br />
H a n s e n - G r u t liegt <strong><strong>de</strong>r</strong> Fehler in <strong><strong>de</strong>r</strong> großen Mehrheit <strong><strong>de</strong>r</strong> Fälle in einem Nerven<strong>de</strong>fekt.<br />
W o r t h und seine Schüler legen Wert auf das Fehlen <strong><strong>de</strong>r</strong> sog. Fusionsfähigkeit und<br />
suchen durch Prismen sie zu erzielen.<br />
Stevens glaubt an falschen Bau <strong><strong>de</strong>r</strong> Augenhöhle und will dies durch Operation<br />
ausgleichen. Alle diese Theorien erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>n, daß man Tatsachen weg<strong>de</strong>uten muß. Das<br />
ungewisse Resultat <strong><strong>de</strong>r</strong> Operation spricht gegen die gefor<strong><strong>de</strong>r</strong>te Wichtigkeit <strong>de</strong>s Muskeln,<br />
zumal erhebliche Fehler dieser vorhan<strong>de</strong>n waren, ohne das Schielen erfolgte; auch besteht<br />
keine sichere Wechselwirkung zwischen Paralyse und Schielen. Worth wie<strong><strong>de</strong>r</strong>um fand so viele<br />
Fälle, die in <strong><strong>de</strong>r</strong> Fusion nicht durch Uebung gebessert wur<strong>de</strong>n, daß er Muskeloperation<br />
empfahl; Don<strong><strong>de</strong>r</strong>s war genötigt, bei <strong><strong>de</strong>r</strong> Mehrheit <strong>von</strong> Hypermetrophen zuzugeben, daß diese<br />
Vorbedingung nicht genüge, Schielen zu erzeugen. Daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Stand <strong>de</strong>s Sehvermögens nicht<br />
ausschlaggebend ist für das Schielen, wird durch eine Menge <strong>von</strong> Tatsachen bewiesen.<br />
Gewöhnlich ist das Sehen <strong>de</strong>s eingedrehten Auges schwächer, als das <strong>de</strong>s gut<br />
stehen<strong>de</strong>n, aber es gibt auch umgekehrte Fälle. Von zwei blin<strong>de</strong>n Augen kann das eine<br />
eingedreht sein, das an<strong><strong>de</strong>r</strong>e normal stehen; auch können bei<strong>de</strong> richtig stehen. Ein gutes und<br />
ein blin<strong>de</strong>s Augen können bei<strong>de</strong> richtig stehen. Je blin<strong><strong>de</strong>r</strong> ein Auge, <strong>de</strong>sto stärker sein<br />
Schielen im allgemeinen; Ausnahmen sind häufig und es gibt sogar Fälle, wo ein gut<br />
sehen<strong>de</strong>s Auge dauernd eingedreht ist.<br />
Kommen und Gehen <strong>de</strong>s Schielens ist öfter <strong><strong>de</strong>r</strong> Fall und mit Wechsel <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Schielrichtung sogar. Mit <strong>de</strong>mselben Refraktionsfehler schielt eine Person und die an<strong><strong>de</strong>r</strong>e<br />
nicht. Ein dritter schielt mit einem refraktorisch abweichen<strong>de</strong>n Auge. Ein vierter schielt zuerst<br />
mit einem Auge, dann mit <strong>de</strong>m an<strong><strong>de</strong>r</strong>en. In einem fünften wechselt die Stärke <strong>de</strong>s Schielens.<br />
Einer fühlt sich besser ohne Behandlung und Brille; ein an<strong><strong>de</strong>r</strong>er mit diesen. Diese Kuren mögen<br />
vorübergehend o<strong><strong>de</strong>r</strong> dauernd sein und die Rückfälle können mit und ohne Gläser kommen.<br />
In <strong><strong>de</strong>r</strong> Konstitution <strong>de</strong>s Auges läßt sich überhaupt kein zureichen<strong><strong>de</strong>r</strong> Grund für das<br />
Schielen auffin<strong>de</strong>n. Die Differenz im Sehen zuungunsten <strong>de</strong>s schielen<strong>de</strong>n Auges kann als<br />
Ursache <strong>de</strong>s Schielens gelten, aber auch das Schielen als Ursache <strong>de</strong>s Schlechtsehens. Man<br />
nimmt allgemein an, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> Geist das Bild zu unterdrücken bestrebt sei, welches doch nicht<br />
zur Einung gelangt. Es gibt in<strong>de</strong>ssen viele schielen<strong>de</strong> Augen ohne Schwachsichtigkeit und<br />
viele schwachsichtige Augen ohne Schielen. Die Autoren sprechen sich oft über die<br />
Unmöglichkeit aus, die Amblyopie zu heilen; gleichwohl ist bekannt, daß beim Verlust <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Sehkraft <strong>de</strong>s guten Auges, das amblyope Auge noch zu irgen<strong>de</strong>iner Perio<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Lebens<br />
normal wird.<br />
Es gibt auch eine „paradoxe Diplopie“, wobei die - durchaus nicht immer<br />
vorhan<strong>de</strong>nen - Doppelbil<strong><strong>de</strong>r</strong> unerklärlicherweise nicht auf <strong><strong>de</strong>r</strong> berechneten Seite erscheinen,<br />
son<strong><strong>de</strong>r</strong>n umgekehrt.<br />
Alle Theorien sind ungenügend, diese Tatsachen zu erklären, aber es ist Tatsache, daß<br />
in allen Fällen <strong>von</strong> Schielen Anstrengung <strong><strong>de</strong>r</strong> Augen konstatiert wer<strong>de</strong>n kann und daß<br />
Befreiung <strong>von</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Anstrengung in allen Fällen das Schielen heilt, ebenso die Amblyopie und<br />
<strong>de</strong>n Refraktionsfehler. Es ist auch Tatsache, daß Personen mit normalem Sehen künstlich<br />
schielen können, wenn sie sich anstrengen; dies wird beson<strong><strong>de</strong>r</strong>s <strong>von</strong> Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>n zum Vergnügen<br />
geübt und <strong>von</strong> ihren erwachsenen Beobachtern mit Mißbilligung vermerkt, weil sie fürchten,<br />
die Augen möchten schielend stehen bleiben. Durch geeignete Anstrengung kann<br />
45
tatsächlich je<strong>de</strong> Art <strong>von</strong> Schielen produziert wer<strong>de</strong>n. Mit dieser Uebung ist eine Schädigung<br />
<strong>de</strong>s Sehens nicht selten verbun<strong>de</strong>n. -<br />
Die Schlußfolgerung aus Vorstehen<strong>de</strong>m be<strong>de</strong>utet, daß Schielen, Schwachsichtigkeit<br />
und Refraktionsfehler funktionelle Störungen sind und da sie behoben wer<strong>de</strong>n mit Beseitigung<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Anstrengung, so folgt daraus, daß die Metho<strong>de</strong>n, welche Entspannung und zentrale<br />
Fixation bewirkten, für die Behandlung jener Augenfehler anzuwen<strong>de</strong>n sind.<br />
Wie im Falle <strong><strong>de</strong>r</strong> Refraktionsfehler, so verschwin<strong>de</strong>n hier Schielen und<br />
Schwachsichtigkeit alsbald, wenn <strong><strong>de</strong>r</strong> Patient hinreichen<strong>de</strong> geistige Kontrolle erlangt hat, sich<br />
einer Perio<strong>de</strong> mit vollkommenem Schwarz zu erinnern.<br />
Vorübergehend kann auf diesem Wege eine Befreiung schon in wenigen Sekun<strong>de</strong>n<br />
erzielt wer<strong>de</strong>n; eine dauern<strong>de</strong> Kur erfor<strong><strong>de</strong>r</strong>t natürlich mehr.<br />
Einer <strong><strong>de</strong>r</strong> besten Wege, geistige Kontrolle über das Schielen zu gewinnen, ist es, das<br />
Schielen absichtlich zu verstärken o<strong><strong>de</strong>r</strong> freiwillig an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Arten <strong>de</strong>s Schielens zu bezeugen 7 .<br />
Dr. Bates bil<strong>de</strong>t eine Patientin ab, welche für Schieloperation schlechte Aussichten<br />
darbot. Sie wur<strong>de</strong> angeleitet, alle Arten <strong>von</strong> Schielen zu produzieren, was ihre Kopfschmerzen<br />
erhöhte, aber nach längerer Zeit in volle Heilung überleitete.<br />
Eine weitere Kur besteht darin, daß man Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>, etwa bis zu 6 Jahren, mit Atropin<br />
behan<strong>de</strong>lt durch täglich zweimalige Einträufelung einer einprozentigen Lösung. Dies<br />
erschwert das Sehen und macht helles Licht unangenehm. Dem entgegen muß das Kind<br />
entspannen und dies kuriert das Schielen. - Anmerkung <strong>de</strong>s Herausgebers: Auf <strong>de</strong>m<br />
Arzneigebiete scheint Bates weniger glücklich zu kombinieren, als auf <strong>de</strong>m ihm gewohnten.<br />
Ob ein Kind, welches monatelang örtlich mit Atropin behan<strong>de</strong>lt wur<strong>de</strong>, noch befähigt ist,<br />
physiologische Wirkungen auf sein überwältigtes Auge auszuüben, ist höchst zweifelhaft.<br />
Auch muß gegen diese gewaltsame Giftmetho<strong>de</strong> aus guten Grün<strong>de</strong>n protestiert wer<strong>de</strong>n.<br />
Erfreulicher ist folgen<strong>de</strong>s:<br />
Die Besserung, welche infolge Erziehung <strong>de</strong>s Auges bei Schielen und Amblyopie<br />
eintritt, ist manchmal so rapi<strong>de</strong>, daß sie unglaublich wird. Folgen<strong>de</strong> Beispiele mögen es<br />
zeigen:<br />
Ein Mädchen <strong>von</strong> 11 Jahren hatte konvergieren<strong>de</strong>s vertikales Schielen <strong>de</strong>s linken<br />
Auges. Das Sehen war 3/200. Im Nahepunkt war es so unvollkommen, daß Lesen nicht<br />
möglich war. S auf <strong>de</strong>m rechten Auge war normal, sowohl in <strong><strong>de</strong>r</strong> Nähe als Ferne. Sie trug<br />
Gläser Konvex 4 kombiniert mit 0,5. Axe 90 fürs rechte Auge und Konvex 5,5 fürs linke Auge,<br />
hatte aber keinen Nutzen da<strong>von</strong>. Schaute seitlich vom großen C mit <strong>de</strong>m linken Auge, so sah<br />
sie besser als direkt; wenn sie aber aufgefor<strong><strong>de</strong>r</strong>t wur<strong>de</strong>, meine Finger hier zu zählen, sah sie<br />
sofort <strong>de</strong>n großen Buchstaben schlechter.<br />
Nun beeindruckte ich sie mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Tatsache, daß sie die Karte besser lesen könnte,<br />
wenn sie seitlich sah, d. h. nach ihrem Willen schlechter o<strong><strong>de</strong>r</strong> besser; ebenso mußte sie<br />
einsehen, daß wenn sie die Karte schlechter las, ihr Sehen besser war und dies abnahm,<br />
sobald sie jene <strong>de</strong>utlich sah. Wenn <strong><strong>de</strong>r</strong> Blick <strong>von</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Karte zu einem Punkt schweifte, <strong><strong>de</strong>r</strong> 3 Fuß<br />
seitlich lag und wo sie erstere kurze Zeit schlechter sah, steigerte sich S zu 10/200. Ihre<br />
Geschicklichkeit, durch Schweifen schlechter zu sehen, steigerte sich durch Uebung so sehr,<br />
daß in weniger als 10 Tagen in bei<strong>de</strong>n Augen S normal wur<strong>de</strong> und in weniger als 2 Wochen zu<br />
20/10 sich erhöhte, während Diamantschrift <strong>von</strong> 3 Zoll bis 20 Zoll gelesen wur<strong>de</strong>. In weniger als<br />
3 Wochen war ihr Fernsehen auf 20/5 bei künstlichem Licht gehoben und sie las<br />
mikroskopische Schrift auf 2 Zoll; die Proben sind auf bei<strong>de</strong>n Augen und auf je<strong>de</strong>m einzelnen<br />
gemacht wor<strong>de</strong>n. Ebenso las sie frem<strong>de</strong> Texte gera<strong>de</strong> so gut wie die ihr gewohnten. Sie<br />
wur<strong>de</strong> angewiesen, die Behandlung zu Hause fortzusetzen, um einem Rückfall vorzubeugen;<br />
am Schlusse <strong>von</strong> 3 Jahren war keiner eingetreten. Während <strong><strong>de</strong>r</strong> Uebungen blieb das gesun<strong>de</strong><br />
Auge be<strong>de</strong>ckt; aber in <strong><strong>de</strong>r</strong> übrigen Zeit trug sie es frei.<br />
Ein sehr bemerkenswerter Fall betraf ein vierzehnjähriges Mädchen, das stets geschielt<br />
hatte. Der innere Rektus <strong>de</strong>s rechten Auges war geschnitten wor<strong>de</strong>n, als sie 2 Jahre alt<br />
gewesen; aber noch zog es das Auge einwärts. Sie weigerte sich, ein Deckglas über <strong>de</strong>m<br />
guten Auge zu tragen, weil sich die Freundinnen darüber aufhielten; es genierte sie mehr, als<br />
das Schielen selbst. Eines Tages verlor sie ihre Brille in Schnee, aber <strong><strong>de</strong>r</strong> strenge Vater sorgte<br />
für eine an<strong><strong>de</strong>r</strong>e. Nun erklärte sie sich für krank und weigerte sich, zur Schule zu gehen. Ich<br />
sagte <strong>de</strong>m Vater, daß seine Tochter hysterisch sei und sich einbil<strong>de</strong>te, krank zu sein, um<br />
7<br />
Ein Weg <strong><strong>de</strong>r</strong> Aehnlichkeit und <strong>de</strong>shalb <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Homöopathie</strong> angenähert.<br />
46
Behandlung zu vermei<strong>de</strong>n. Mit Hilfe <strong>de</strong>s Vaters gab ich ihr zu verstehen, daß sie jetzt zu folgen<br />
habe, bis sie ganz kurierte sei, und sie machte sich augenblicklich mit solcher Energie und<br />
Intelligenz ans Werk, daß in einer halben Stun<strong>de</strong> die Sehkraft <strong>de</strong>s schielen<strong>de</strong>n amblyopischen<br />
Auges <strong>von</strong> 3/200 zu 20/30 gebessert war. Nun ging sie in die Schule zurück, trug ein Deckglas<br />
auf <strong>de</strong>m gesun<strong>de</strong>n Auge; aber wenn sie etwas sehen wollte, so schaute sie darüber hinweg.<br />
Ihr Vater folge ihr zur Schule und bestand darauf, daß sie das schwächere Auge statt<br />
<strong>de</strong>s besseren gebrauchte. Sie überzeugte sich, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> einfachste Weg aus ihrer Mühsal <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
sei, sich meinen Anordnungen zu fügen und in weniger als einer Woche war das Schielen<br />
gehoben und sie sah vollkommen auf bei<strong>de</strong>n Seiten. Im Beginn <strong><strong>de</strong>r</strong> Behandlung konnte sie<br />
ihre Finger nicht auf 3 Fuß zählen auf <strong>de</strong>m schwächeren Auge und binnen 3 Wochen,<br />
einschließlich aller Zeit, die sie verloren hatte, sah sie vollkommen gut. Als sie geheilt war, blieb<br />
immer noch die Frage, ob sie das Deckglas vor <strong>de</strong>m guten Auge tragen müsse, ihre<br />
Hauptsorge. Sie wur<strong>de</strong> versichert, daß es nur bei etwaigem Rückfall notwendig wür<strong>de</strong>; es trat<br />
aber niemals ein Rückfall ein.<br />
Ein Mädchen <strong>von</strong> 8 Jahren hatte Schielen und Amblyopie seit Kin<strong>de</strong>stagen. R war S<br />
10/40, L 20/30. Gläser besserten nicht. Patient wur<strong>de</strong> 20 Fuß <strong>von</strong> einer Snellentafel hingesetzt<br />
und das schwächere Auge wur<strong>de</strong> be<strong>de</strong>ckt. Sie ward angewiesen, <strong>de</strong>n großen Buchstaben<br />
anzusehen und seine Deutlichkeit zu betrachten. Dann wur<strong>de</strong> sie angewiesen, 3 Fuß<br />
rückwärts <strong>von</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> Karte zu sehen und zu beachten, daß <strong><strong>de</strong>r</strong> große Buchstabe un<strong>de</strong>utlich<br />
wur<strong>de</strong>.<br />
Der Sehpunkt wur<strong>de</strong> nun näher und näher an <strong>de</strong>n Buchstaben gebracht, bis sie <strong>de</strong>n<br />
Umstand würdigte, daß ihr Sehen min<strong><strong>de</strong>r</strong> wur<strong>de</strong>, wenn sie auch nur wenige Zoll zur Seite<br />
schaute. Sah sie auf einen kleinen Buchstaben so vermin<strong><strong>de</strong>r</strong>te schon eine Abweichung <strong>von</strong><br />
weniger als einem Zoll das Sehen. Nach<strong>de</strong>m sie gelernt hatte, die Amblyopie <strong>de</strong>s besseren<br />
Auges zu steigern, so wur<strong>de</strong> dies be<strong>de</strong>ckt und sie wur<strong>de</strong> angewiesen, auch das Sehen <strong>de</strong>s<br />
an<strong><strong>de</strong>r</strong>n und schwächeren Auges durch Vermehrung <strong><strong>de</strong>r</strong> exzentrischen Fixation<br />
herabzusetzen, was in wenigen Minuten erreicht wur<strong>de</strong>. Es wur<strong>de</strong> ihr nun klar gemacht, daß<br />
die Ursache ihres Sehfehlers in <strong><strong>de</strong>r</strong> Gewohnheit lag, auf Gegenstän<strong>de</strong> mit einem Teil <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Netzhaut zu sehen, <strong><strong>de</strong>r</strong> seitwärts vom wahren Mittelpunkt <strong>de</strong>s Sehens lag. So sollte sie jetzt<br />
gera<strong>de</strong>aus die Snellentafel lesen. In weniger als einer halben Stun<strong>de</strong> wur<strong>de</strong> das Sehen <strong>de</strong>s<br />
linken Auges normal, während rechts <strong>von</strong> 10/40 zu 10/10 gebracht wur<strong>de</strong>. Die Kur war in zwei<br />
Wochen vollständig. - Noch einige und zum Teil komplizierte Fälle wer<strong>de</strong>n mitgeteilt. Die<br />
erfindungsreiche Naivität und Unabhängigkeit <strong>de</strong>s amerikanischen Augenarztes ist<br />
bewun<strong><strong>de</strong>r</strong>nswert!<br />
Kapitel 28<br />
Die Geschichte <strong>von</strong> Emily<br />
Die Wirksamkeit <strong><strong>de</strong>r</strong> Metho<strong>de</strong>, unvollständiges Sehen ohne Gläser zu heilen, hat sich in<br />
Tausen<strong>de</strong>n Fällen, nicht nur in meiner eigenen Praxis, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch <strong><strong>de</strong>r</strong>jenigen vieler<br />
Personen, <strong>von</strong> <strong>de</strong>nen ich gar nichts erfahren haben mag, bewährt; <strong>de</strong>nn fast alle Patienten,<br />
die geheilt wer<strong>de</strong>n, gehen zu weiteren Kuren für an<strong><strong>de</strong>r</strong>e vor. Eines abends sagte mir eine<br />
Dame, sie habe eine Anzahl meiner Patienten besucht; aber als sie <strong><strong>de</strong>r</strong>en Namen erwähnte,<br />
konnte ich mich keines <strong><strong>de</strong>r</strong>selben erinnern; <strong>de</strong>mnach sagte ich dies und sie fuhr fort: „Das<br />
kommt da<strong>von</strong>, daß Sie sie durch Vollmacht kuriert haben. Sie behan<strong>de</strong>lten we<strong><strong>de</strong>r</strong> Frau Jones,<br />
noch Frau Braun, aber Sie kurierten Frau Schmidt und diese heilte die an<strong><strong>de</strong>r</strong>n Damen. Sie<br />
heilten nicht Herrn und Frau Simpkins, o<strong><strong>de</strong>r</strong> Frau Simpkins Mutter und Bru<strong><strong>de</strong>r</strong>, aber Sie erinnern<br />
sich, Herrn Simpkins Sohn vom Schielen geheilt zu haben und er kurierte dann <strong>de</strong>n Rest <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Familie.“<br />
In Schulen, wo die Snellenkarte gebraucht wur<strong>de</strong>, um schlechtem Sehen<br />
vorzubeugen und es zu heilen, nahmen die Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>, nach<strong>de</strong>m sie selbst geheilt waren, oftmals<br />
die Praxis auf und behan<strong>de</strong>lten mit größtem Enthusiasmus und Erfolg ihre Mitschüler, Eltern<br />
und Freun<strong>de</strong>. Sie machten eine Art Spiel aus <strong><strong>de</strong>r</strong> Ophthalmologie und überwachten mit<br />
größtem Interesse <strong>de</strong>n Fortschritt je<strong><strong>de</strong>r</strong> Klasse.<br />
An einem schönen hellen Tag herrscht dann große Freu<strong>de</strong>, weil die Kin<strong><strong>de</strong>r</strong> gut sehen;<br />
an trüben Tagen waltet entsprechen<strong>de</strong> Depression. Ein Mädchen kurierte 21 Kin<strong><strong>de</strong>r</strong> in 6<br />
Monaten. Ein an<strong><strong>de</strong>r</strong>es 12 in 3 Monaten, ein drittes entfaltete eine förmliche<br />
ophthalmologische Praxis und verrichtete Dinge, auf die ältere und erfahrene Praktiker hätten<br />
stolz sein können.<br />
47
Eines Tages fragte ich auf <strong>de</strong>m Schulweg <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s dieses nach seinem<br />
Sehrvermögen, welches sehr unvollkommen gewesen war. Sie antwortete, daß es nun recht<br />
gut sein und daß ihre Kopfschmerzen ganz vergangen seien. Ich prüfte ihr Sehen und fand es<br />
normal. Dann sprach ein an<strong><strong>de</strong>r</strong>es Kind, <strong>de</strong>ssen S auch sehr schlecht gewesen war, in unsere<br />
Unterhaltung: Ich sehe jetzt auch ganz gut; Emily kurierte mich (auf das erste Mädchen<br />
weisend). „Wirklich“, sagte ich; „wie machte sie das?“ Das zweite Mädchen erklärte nun, daß<br />
Emily ihr die Karte gelesen habe, welche sie auf Entfernung <strong>von</strong> wenig Fuß nicht hatte sehen<br />
können. Am nächsten Tag schob die kleine Lehrerin <strong>de</strong>n Gegenstand etwas weiter weg und<br />
so fort, so daß Patient bald, wie die an<strong><strong>de</strong>r</strong>n Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>, die Sache sehen konnte. Emily befahl ihr<br />
nun, das rechte Auge zu be<strong>de</strong>cken und die Karte nur links zu lesen. Bei<strong>de</strong> Mädchen fan<strong>de</strong>n<br />
jetzt zu ihrem Schreck, daß das unbe<strong>de</strong>ckte Auge anscheinend blind war. Der Schularzt<br />
wur<strong>de</strong> beraten und erklärte, nichts tun zu können, da das Auge blind sei <strong>von</strong> Geburt und<br />
keine Behandlung helfen wür<strong>de</strong>. Aber Emily ließ sich nicht schrecken; sie unternahm die<br />
Behandlung. Das gute Auge mußte geschlossen wer<strong>de</strong>n; ganz nahe <strong><strong>de</strong>r</strong> Karte zeigte sich<br />
dann, daß sie sogar kleine Buchstaben lesen konnte. Der kleine Praktiker war vertrauensvoll<br />
und nach vielen Monaten war <strong><strong>de</strong>r</strong> Patient in Besitz normalen Sehens in bei<strong>de</strong>n Augen. Der Fall<br />
war hochgradige Kurzsichtigkeit und <strong><strong>de</strong>r</strong> Schularzt, <strong><strong>de</strong>r</strong> kein Spezialist war, hatte <strong>de</strong>n<br />
Unterschied gegen wirkliche Blindheit übersehen.<br />
In <strong><strong>de</strong>r</strong>selben Klasse war auch ein kleines Mädchen mit angeborenem Star; aber bei<br />
meiner Anwesenheit dort war <strong><strong>de</strong>r</strong> Defekt bereits verschwun<strong>de</strong>n. Auch dies war scheinbar<br />
eine Folge <strong>von</strong> Emilys Wirksamkeit. Der Schularzt hatte erklärt, das nicht zu helfen sei, außer<br />
durch Operation; aber diese wur<strong>de</strong> nicht befürwortet, da das an<strong><strong>de</strong>r</strong>e Auge gut war.<br />
Demnach nahm Emily die Sache in die Hand. Sie stellte die Patientin ganz nahe vor die Karte,<br />
aber - bei be<strong>de</strong>cktem gutem Auge - konnte nicht einmal das große C gesehen wer<strong>de</strong>n. Nun<br />
bewegte Emily die Karte zwischen Patient und Licht, wo dann auf 3 bis 4 Fuß eine<br />
unbestimmte Wahrnehmung erfolgte. Dann wur<strong>de</strong> die Entfernung vergrößert, bis auf 10 Fuß<br />
gesehen wur<strong>de</strong> und einige <strong><strong>de</strong>r</strong> größeren Buchstaben unbestimmt hervortraten. Endlich, nach<br />
6 Monaten, wur<strong>de</strong> sie fähig, die Karte auch mit <strong>de</strong>m schlimmen Auge zu lesen. Ich fand ihr<br />
Sehvermögen auf bei<strong>de</strong>n Seiten normal und sagte zu Emily: „Du bist ja ein großartiger Doktor,<br />
du machst dir alle untertan.“ Das Kind aber rief ohne weiteres: „Mamie, komm daher.“<br />
Mamie kam und ich sah nach ihren Augen, die nichts Abnormes hatten. „Ich heilte sie“,<br />
sagte Emily. „Von was?“ fragte ich. „Kreuzauge (Schielen)“, sagte sie. Mit wachsen<strong>de</strong>m<br />
Erstaunen fragte ich: „Wie?“ Sie beschrieb nun ihr Vorgehen ganz ähnlich <strong>de</strong>m in <strong>de</strong>n<br />
früheren Fällen. Sie hatte gefun<strong>de</strong>n, daß das Schielauge so gut wie blind war und so schien es<br />
ihr, daß man Mamie zuerst das Augenlicht wie<strong><strong>de</strong>r</strong>geben müsse und da sie nie etwas<br />
Aerztliches gelesen hatte, wußte sie nicht, das dies unmöglich war. Sie be<strong>de</strong>ckte Mamie das<br />
gute Auge und das an<strong><strong>de</strong>r</strong>e übte zu Hause und in <strong><strong>de</strong>r</strong> Schule, bis zuletzt das Sehen normal<br />
wur<strong>de</strong> und das Auge gera<strong>de</strong> stand. Der Schularzt hatte das Auge operieren wollen, aber<br />
glücklicherweise wollte Mamie nicht. So war sie <strong>de</strong>nn jetzt mit zwei völlig guten Augen da!<br />
„Noch etwas?“ forschte ich, als Mamies Fall erledigt war. Emily sagte: „Hier ist Rose. Sie<br />
hatte die ganze Zeit Plage mit <strong>de</strong>n Augen und konnte nichts sehen am schwarzen Brett.<br />
Immer wie<strong><strong>de</strong>r</strong> mußte sie zu Hause bleiben. Der Arzt gab ihr Gläser; aber diese nützten nichts<br />
und sie wollte sie nicht tragen. Auf Ihre Zusage, die Lesekarte wür<strong>de</strong> uns helfen, war ich<br />
geschäftig an ihr, erst ganz nahe, dann etwas ferner mit <strong><strong>de</strong>r</strong> Karte; jetzt kann sie alles richtig<br />
sehen und ihr Kopf schmerzt nicht mehr. Sie kommt je<strong>de</strong>n Tag in die Schule und wir danken<br />
Ihnen alle sehr.“<br />
Solche Geschichten könnten unglaublich vermehrt wer<strong>de</strong>n. Emilys erstaunliche<br />
Leistungen mögen wohl nicht verdoppelt wer<strong>de</strong>n, aber wenige be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong> Kuren waren<br />
sehr zahlreich. Sie zeigen, daß die Wohltaten <strong><strong>de</strong>r</strong> Metho<strong>de</strong> vorbeugend und heilend<br />
Sehfehler zu beseitigen, auch für die Schulen sehr weitgreifend sind. Nicht nur<br />
Brechungsfehler wer<strong>de</strong>n geheilt, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch ernstere Defekte und nicht nur Kin<strong><strong>de</strong>r</strong>n wur<strong>de</strong><br />
geholfen, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n auch Familien und Freun<strong>de</strong>n. -<br />
Der Amerikanismus zeigt uns älteren Europäern im allgemeinen kein sympathisches<br />
Gesicht; um so wohltuen<strong><strong>de</strong>r</strong> empfin<strong>de</strong>t es <strong><strong>de</strong>r</strong> Urheber dieser Skizzen, daß in <strong><strong>de</strong>r</strong> Arbeit <strong>von</strong> Dr.<br />
Bates unverschleierte Ursprünglichkeit einer großen wissenschaftlichen Leistung uns<br />
entgegentritt. Er so befähigt ist, an <strong><strong>de</strong>r</strong> Quelle alles Guten zu schöpfen und so frei ist <strong>von</strong><br />
unbrü<strong><strong>de</strong>r</strong>licher Gesinnung und <strong>de</strong>m gewöhnlichen Vorteilsgeist, <strong><strong>de</strong>r</strong> gehört einer Nation an,<br />
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die auch noch mehr Gutes in ihrem Schoß bringt und <strong>von</strong> welcher sich die Zukunft <strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Menschheit Hel<strong>de</strong>n zu ihrer Führung erhoffen darf!<br />
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