Martin Bowles Der Management-Mythos: Seine Ausprägung und ...
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Dies soll nicht als Argument für eine Rückkehr zu traditionellen Mythen<br />
gelten. Mythen haben zumeist ihre eigenen Epochen <strong>und</strong> Lokalitäten <strong>und</strong><br />
verlieren ihre Ausdruckskraft, sobald die durch sie widergegebenen Bilder dem<br />
akkumulierten Wissen <strong>und</strong> den Vorstellungen der jeweiligen Ära nicht zu<br />
entsprechen vermögen. In solchen Zeiten können Individuen <strong>und</strong> Kulturen akute<br />
existentielle Ängste erleben; eine Angst vor Freiheit entsteht, <strong>und</strong> einige werden<br />
in ihrer Suche nach Sicherheit <strong>und</strong> Beistand versuchen, zu den alten Mythen<br />
<strong>und</strong> Bildern zurückzukehren. In solchen mythischen Übergangsperioden<br />
entstehen nach Hollis (1995) neue Einstellungen, Trends, Modeerscheinungen<br />
<strong>und</strong> Maskeraden, die dazu dienen, solcherlei Ängste zeitweilig abzuwehren.<br />
Gleichwohl sind wir alle der Empfindung gewahr, daß die Zeit «irgendwie<br />
aus den Fugen geraten» ist. Die mythische Krise des modernen Zeitalters<br />
ist nicht nur «außen», sondern auch «innen», im Herzen <strong>und</strong> in der Seele<br />
eines jeden Individuums verortet. T. S. Elliots Waste Land <strong>und</strong> Hollow Men<br />
sind Bilder, die diese mythische Krise der Moderne beschreiben. Hollis (1995,<br />
S. 51) schreibt: »Diejenigen Kräfte, die einstmals in Mythen gehalten <strong>und</strong><br />
geb<strong>und</strong>en waren, haben sich nun zur Pathologie der Moderne verwandelt.« Dies<br />
soll nicht bedeuten, daß wir heute gänzlich ohne Mythen leben. Dieser Artikel<br />
will vielmehr aufzeigen, daß wir derzeit mit einem neuen <strong>Mythos</strong>, dem<br />
<strong>Management</strong>-<strong>Mythos</strong>, leben; es bleibt jedoch fraglich, inwieweit dieser <strong>Mythos</strong><br />
den gesellschaftlichen <strong>und</strong> individuellen Interessen tatsächlich dient. Diesem<br />
<strong>Mythos</strong> wohnt kein numinoser Charakter inne, d. h. er vermag nicht das tiefere<br />
Wesen unserer Natur anzusprechen <strong>und</strong> ein weitläufigeres Schema der Dinge zu<br />
erfassen; er ist in diesem Sinne sogar antimythisch. Gleichwohl kann der<br />
<strong>Management</strong>-<strong>Mythos</strong> als Versuch verstanden werden, die Lücke zu füllen<br />
zwischen dem Niedergang des traditionell Mythischen, der durch Nietzsches<br />
«Gott ist tot» zum Ausdruck gebracht wird, <strong>und</strong> einer neuen mythischen Bewegung.<br />
Heidegger (1949) charakterisiert die Zeit, in der wir leben, als eine<br />
Periode »zwischen den Göttern, die verschw<strong>und</strong>en <strong>und</strong> denen, die noch nicht<br />
sind.«<br />
Organisation <strong>und</strong> <strong>Mythos</strong><br />
Schwartz (1986) argumentiert, daß das Produzieren<br />
von Mythen den wesentlichen Kern des Organisierens überhaupt ausmache. Er<br />
weist insbesondere darauf hin, daß Organisationen anscheinend zu dem Zwekke<br />
bestehen, solche Mythen zu produzieren, in deren Bezügen selbstreflexives<br />
Handeln für diejenigen, die diesen <strong>Mythos</strong> akzeptieren, überhaupt erst möglich<br />
wird. Um es anders auszudrücken: Diejenigen Mitglieder einer Organisation,<br />
die den <strong>Mythos</strong> akzeptieren, teilen einen Sinnzusammenhang, der ihrem<br />
organisatorischen Handeln erst Bedeutung <strong>und</strong> Wert verleiht. Die überwiegende<br />
Mehrzahl derjenigen, die diesen <strong>Mythos</strong> per se anfangs nicht akzeptieren,<br />
wird sich ihm anpassen, <strong>und</strong> sei es zunächst nur aufgr<strong>und</strong> von Eigennutz <strong>und</strong>