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Der Zivilprozess lebt - die neueste Rechtsprechung ... - Anwaltsblatt

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MN Prozessrecht 213 BGH, Urteil vom 21.9.2010 – VIII ZB 73/09.<br />

dem selbstständigen Beweisverfahren tatsächlich nicht<br />

durchgeführt worden ist und deshalb keine Fristsetzung zur<br />

Klageerhebung nach § 494a Abs. 1 ZPO möglich ist. 213 Soweit<br />

dem Antragsteller eine Klage auf Feststellung offen steht,<br />

dass eine Verpflichtung des Antragsgegners bestanden hat,<br />

kann er in jenem Verfahren eine Kostengrundentscheidung<br />

erreichen, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens<br />

umfasst. 214<br />

Da eine Kostenentscheidung in entsprechender<br />

Anwendung von § 91 a ZPO nicht ergehen kann, ist eine<br />

im selbstständigen Beweisverfahren unzulässige einseitige<br />

Erledigungserklärung des Antragstellers in eine Antragsrücknahme<br />

mit der Kostenfolge des § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO umzudeuten.<br />

215<br />

VII. Hemmung der Verjährung durch Rechtsverfolgung<br />

(§ 204 BGB)<br />

Verjährungsprobleme spielen in der anwaltlichen Praxis eine<br />

überragende Rolle. Die <strong>Rechtsprechung</strong> des BGH ist zusammenfassend<br />

gläubiger- und anwaltsfreundlich, wenn auch<br />

<strong>die</strong> Grenzen der Großzügigkeit deutlich aufgezeigt werden.<br />

1. Klageerhebung (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB)<br />

Die Verjährung wird gehemmt durch <strong>die</strong> Klage des Berechtigten,<br />

das ist neben dem ursprünglichen Rechtsinhaber und<br />

seinem Nachfolger auch der Prozessstandschafter. 216 Die verjährungshemmende<br />

Wirkung der gewillkürten Prozessstandschaft<br />

tritt aber erst in dem Augenblick ein, in dem <strong>die</strong>se<br />

prozessual offen gelegt wird oder offensichtlich ist. 217<br />

Auch<br />

<strong>die</strong> unzulässige Klage eines Berechtigten hemmt <strong>die</strong> Verjährung,<br />

zum Beispiel Klage vor unzuständigem Gericht, fehlendes<br />

Interesses bei Feststellungsklage, vorgeschriebenes<br />

Vorverfahren nicht eingehalten, dem Forderungsinhaber<br />

fehlt <strong>die</strong> Prozessführungsbefugnis oder der Anspruch ist anderweitig<br />

rechtshängig gemacht worden. 218 Eine Klage<br />

hemmt <strong>die</strong> Verjährung nur für Ansprüche in der Gestalt<br />

und in dem Umfang, wie sie mit der Klage rechtshängig gemacht<br />

werden. Maßgebend ist daher der den prozessualen<br />

Leistungsanspruch bildende Streitgegenstand. Eine Teilklage,<br />

mit der verschiedene Ansprüche geltend gemacht werden,<br />

hemmt in Höhe des insgesamt eingeklagten Betrages auch<br />

dann <strong>die</strong> Verjährung eines jeden <strong>die</strong>ser Ansprüche, wenn<br />

<strong>die</strong>se ohne nähere Aufgliederung geltend gemacht worden<br />

sind. 219<br />

Die Stufenklage hemmt <strong>die</strong> Verjährung des Anspruchs<br />

auf Zugewinnausgleich auch dann, wenn im Auskunftsantrag<br />

ein falscher Stichtag für das Endvermögen genannt<br />

ist. 220 Ein Anhörungsrügeverfahren hemmt nicht den<br />

Verjährungseintritt. 221<br />

Ein Gläubiger ist nicht gehalten zur<br />

Hemmung der Verjährung <strong>die</strong> Klage gemäß § 185 Nr. 1 ZPO<br />

öffentlich zustellen zu lassen, wenn der Aufenthaltsort des<br />

Schuldners nicht ermittelbar ist. 222 <strong>Der</strong> Anwalt hat keine allgemeine<br />

Pflicht, aus Gründen des sicheren Verjährungsschutzes<br />

neben der Führung von Verhandlungen andere verjährungshemmende<br />

Maßnahmen zu ergreifen. 223<br />

2. Mahnverfahren (§ 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB)<br />

Die Zustellung eines Mahnbescheids hemmt <strong>die</strong> Verjährung<br />

des geltend gemachten Anspruchs nur, wenn <strong>die</strong>ser im Antrag<br />

hinreichend individualisiert ist. Die Bezugnahme auf<br />

Unterlagen reicht aus. Ist ein solches Schriftstück dem Antragsgegner<br />

bekannt, braucht es dem Mahnbescheid nicht in<br />

Abschrift beigefügt zu werden; auch schadet <strong>die</strong> Falschangabe<br />

des Datums eines Schreibens nicht, wenn für den<br />

Antragsgegner ohne weiteres ersichtlich ist, um welches<br />

Schreiben es sich handelt. 224 Die Aufschlüsselung eines Gesamtbetrags<br />

ist nur erforderlich bei mehreren geltend gemachten<br />

Einzelforderungen, aber noch nicht bei einer einheitlichen<br />

Schadensersatzforderung (z. B. „Schadensersatz<br />

aus Mietvertrag“), <strong>die</strong> sich aus mehreren unselbstständigen<br />

Rechnungsposten zusammensetzt. 225<br />

Verjährungshemmung<br />

kann trotz unwirksamer Zustellung eines Mahnbescheids<br />

eintreten, wenn der Anspruchsinhaber für <strong>die</strong> wirksame Zustellung<br />

alles aus seiner Sicht Erforderliche getan hat, der<br />

Anspruchsgegner in unverjährter Zeit von dem Erlass des<br />

Mahnbescheids und seinem Inhalt Kenntnis erlangt und <strong>die</strong><br />

Wirksamkeit der Zustellung ebenfalls in unverjährter Zeit<br />

im Rechtsstreit geprüft wird. 226<br />

Die Berufung auf eine Verjährungshemmung<br />

kann im Einzelfall rechtsmissbräuchlich<br />

sein, wenn der Mahnbescheidsantrag <strong>die</strong> bewusst wahrheitswidrige<br />

Erklärung enthält, dass <strong>die</strong> Gegenleistung bereits erbracht<br />

sei. 227<br />

3. Selbstständiges Beweisverfahren (§ 204 Abs. 1 Nr. 7 BGB)<br />

Die Verjährung des Vergütungsanspruchs des Auftragnehmers<br />

wird gehemmt, wenn er zur Aufklärung von Werkmängeln<br />

ein selbstständiges Beweisverfahren einleitet, um <strong>die</strong><br />

Abnahmereife seiner Werkleistungen und <strong>die</strong> tatsächlichen<br />

Voraussetzungen für <strong>die</strong> Fälligkeit seines Vergütungsanspruchs<br />

nachweisen zu können. 228<br />

Hemmung tritt auch<br />

ein, wenn der Antrag dem Antragsgegner statt förmlicher<br />

Zustellung nur formlos übersandt wurde. 229 Die Hemmung<br />

endet gem. § 204 Abs. 2 BGB sechs Monate nach der sachlichen<br />

Erledigung des Verfahrens. Diese liegt beim schriftlichen<br />

Sachverständigengutachten regelmäßig vor, wenn das<br />

Gutachten den Parteien übergeben wird; bei mündlicher Erläuterung<br />

des Gutachtens mit dem Verlesen oder der Vorlage<br />

zur Durchsicht des Sitzungsprotokolls über <strong>die</strong> Vernehmung<br />

des Sachverständigen. Hat das Gericht eine Frist gesetzt oder<br />

haben <strong>die</strong> Parteien dem Gericht nach Erhalt des Gutachtens<br />

innerhalb eines angemessenen Zeitraums Einwendungen<br />

oder Anträge oder Ergänzungsfragen mitgeteilt, endet das<br />

Beweisverfahren erst mit dem Verstreichen <strong>die</strong>ser Frist oder<br />

der Erledigung der Anträge oder Ergänzungsfragen. 230<br />

4. Schwebende Verhandlungen (§ 203 BGB)<br />

Verhandlungen sind weit auszulegen und schweben schon<br />

dann, wenn eine der Parteien Erklärungen abgibt, <strong>die</strong> der je-<br />

214 BGH, Urteil vom 21.9.2010 – VIII ZB 73/09<br />

215 BGH, Beschlüsse vom 24.2.2011 – VII ZB 20/09; vom 7.12.2010 – VIII ZB 14/10.<br />

216 BGH, Urteil vom 29.10.2009 – I ZR 191/07.<br />

217 BGH, Beschluss vom 6.4.2010 – VII ZR 166/08.<br />

218 BGH, Urteil vom 9.12.2010 – III ZR 56/2010.<br />

219 BGH, Beschluss vom 1.6.2010 – VI ZR 346/08.<br />

220 BGH, Urteil vom 24.5.2012 – IX ZR 168/11.<br />

221 BGH, Urteil vom 10.5.2012 – IX ZR 143/11.<br />

222 BGH, Urteil vom 28.2.2012 – XI ZR 192/11.<br />

223 BGH, Beschluss vom 1.7.2010 – IX ZR 40/07.<br />

224 BGH, Urteil vom 14.7.2010 – VIII ZR 229/09.<br />

225 BGH, Urteil vom 17.11.2010 – VIII ZR 211/09.<br />

226 BGH, Urteil vom 26.2.2010 – V ZR 98/09.<br />

227 BGH, Urteil vom 21.12.2011 – VIII ZR 157/11.<br />

228 BGH, Beschluss vom 9.2.2012 – VII ZR 135/11.<br />

229 BGH, Urteil vom 10.3.2011 – VII ZR 168/09.<br />

230 BGH, Urteil vom 28.10.2010 – VII ZR 172/09.<br />

864 AnwBl 11 / 2012 <strong>Der</strong> <strong>Zivilprozess</strong> <strong>lebt</strong> – <strong>die</strong> <strong>neueste</strong> <strong>Rechtsprechung</strong> des BGH, Geisler

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