Der Zivilprozess lebt - die neueste Rechtsprechung ... - Anwaltsblatt
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MN Prozessrecht 16 BGH, Beschluss vom 4.5.2011 – XII ZB 632/10.<br />
Obwohl bei nicht prozessfähigen Personen an deren gesetzlichen<br />
Vertreter zuzustellen ist (§ 170 Abs. 1 ZPO), gilt<br />
<strong>die</strong>s nicht für <strong>die</strong> nach § 275 FamFG weiter verfahrensfähigen<br />
Betroffenen im Betreuungsverfahren. 16 Da <strong>die</strong> fehlende<br />
Prozessfähigkeit des Schuldners auch in der Zwangsvollstreckung<br />
ein Verfahrenshindernis ist, muss entsprechend § 57<br />
ZPO ein Verfahrenspfleger für den Schuldner bestellt werden.<br />
17<br />
2. Prozessführungsbefugnis (§ 51 Abs. 1 ZPO)<br />
a) Prozessstandschaft<br />
<strong>Der</strong> Kläger kann ein fremdes Recht aufgrund einer ihm vom<br />
Berechtigten erteilten Ermächtigung im eigenen Namen verfolgen,<br />
sofern er an der Durchsetzung ein eigenes schutzwürdiges<br />
Interesse hat. Ein solches Interesse ist bei verbandsmäßigen<br />
Zusammenschlüssen gegeben, wenn <strong>die</strong> in<br />
Frage stehende Rechtsverfolgung der satzungsgemäßen<br />
Wahrnehmung der geschäftlichen Belange der Verbandsmitglieder<br />
entspricht und <strong>die</strong> Klage nur auf einzelne Mitglieder<br />
beschränkt wird. 18<br />
Seit der gesetzlichen Anerkennung der Rechts- und Parteifähigkeit<br />
der Wohnungseigentümergemeinschaft kann<br />
der Verwalter Ansprüche der WEG nicht mehr im eigenen<br />
Namen als Prozessstandschafter geltend machen. 19 Die WEG<br />
kann zwar <strong>die</strong> Ausübung der auf <strong>die</strong> ordnungsgemäße Herstellung<br />
des Gemeinschaftseigentums gerichteten Rechte<br />
(Erfüllung, Nacherfüllung, Selbstvornahme, Vorschuss) der<br />
einzelnen Erwerber aus den Verträgen mit dem Veräußerer<br />
durch Mehrheitsbeschluss an sich ziehen, aber nicht <strong>die</strong><br />
Rechte der einzelnen Wohnungseigentümer geltend machen,<br />
wie großen Schadensersatz verlangen, den Erwerbsvertrag<br />
wandeln oder von ihm zurücktreten. 20<br />
Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens verliert der<br />
Schuldner <strong>die</strong> Prozessführungsbefugnis, soweit <strong>die</strong> Insolvenzmasse<br />
betroffen ist. <strong>Der</strong> Rechtsstreit wird unterbrochen,<br />
sogar ein Kostenfestsetzungsverfahren trotz rechtskräftiger<br />
Kostengrundentscheidung. 21<br />
Mit Aufhebung des Insolvenzverfahrens<br />
wird der Schuldner wieder prozessführungsbefugt<br />
(Parteiwechsel kraft Gesetzes). 22 <strong>Der</strong> Treuhänder ist jedoch<br />
als Partei kraft Amtes befugt, gegen <strong>die</strong> zur Tabelle<br />
festgestellten, in das Schlussverzeichnis des aufgehobenen<br />
Insolvenzverfahrens aufgenommenen Forderungen eine Verteilungsabwehrklage<br />
entsprechend § 767 ZPO zu erheben. 23<br />
Die Prozessführungsbefugnis des Zwangsverwalters bleibt<br />
für Rechtsstreitigkeiten erhalten, in denen es um Nutzungen<br />
aus der Zeit vor der Zuschlagserteilung geht. Das Rechtsschutzbedürfnis<br />
kann aber fehlen, wenn <strong>die</strong> betreibenden<br />
Gläubiger vollständig befriedigt wurden. 24 Eine nach Prozesseinleitung<br />
vermögenslos gewordene Partei, <strong>die</strong> den Prozess<br />
nach einer Abtretung und Ermächtigung durch den Zessionar,<br />
<strong>die</strong> Forderung prozessual geltend zu machen, fortführt,<br />
handelt grundsätzlich nicht rechtsmissbräuchlich. 25<br />
b) Vertretung<br />
Eine BGB-Gesellschaft wird gem. § 51 Abs. 1 ZPO in Verbindung<br />
mit § 714 BGB gerichtlich durch alle Gesellschafter vertreten,<br />
denen <strong>die</strong> Geschäftsführungsbefugnis zusteht, soweit<br />
der Gesellschaftsvertrag keine abweichenden Regelungen<br />
enthält. Eine Heilung des Vertretungsmangels ist dadurch<br />
möglich, dass <strong>die</strong> gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft als<br />
solche in den Prozess eintreten und <strong>die</strong> bisherige Prozessführung<br />
genehmigen. 26<br />
3. Mehrere Beteiligte am Rechtsstreit<br />
a) Parteiwechsel/Parteierweiterung<br />
aa) Richtigstellung der Parteibezeichnung<br />
Auch bei objektiv unrichtiger oder mehrdeutiger Bezeichnung<br />
liegt keine Parteiänderung vor, weil grundsätzlich <strong>die</strong>jenige<br />
Person als Partei anzusprechen ist, <strong>die</strong> erkennbar<br />
durch <strong>die</strong> Parteibezeichnung betroffen werden soll. 27<br />
Dies<br />
gilt auch bei Nachreichung einer aktuellen Eigentümerliste<br />
oder deren nachträgliche Korrektur, 28 auch noch in der Berufungsinstanz.<br />
29<br />
bb) Parteiänderung<br />
Die Klagefrist des § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG wird auch durch<br />
eine gegen <strong>die</strong> WEG gerichtete Klage gewahrt, wenn innerhalb<br />
der Frist der Verwalter angegeben und <strong>die</strong> Klage später<br />
im Wege eines Parteiwechsels gegen <strong>die</strong> übrigen Wohnungseigentümer<br />
umgestellt wird. 30 Werden vor Anerkennung der<br />
Parteifähigkeit der WEG <strong>die</strong> Eigentümer auf Werklohn wegen<br />
Arbeiten am Gemeinschaftseigentum in Anspruch genommen,<br />
kann nicht allein wegen der Änderung der <strong>Rechtsprechung</strong><br />
das Rubrum berichtigt werden; ein Parteiwechsel<br />
ist notwendig. 31 Ein Zustellungsmangel wird nach § 295<br />
Abs. 1, Alt. 1. ZPO dadurch geheilt, dass sich der Prozessbevollmächtigte<br />
der WEG auch für <strong>die</strong> übrigen Eigentümer<br />
bestellt und Abweisung der Klage beantragt. 32<br />
Ein Parteiwechsel<br />
braucht nicht schriftsätzlich, sondern kann auch<br />
durch Prozesserklärung in der mündlichen Verhandlung<br />
herbeigeführt werden. 33<br />
Ein Parteiwechsel innerhalb des<br />
Rechtsstreits begründet nicht ohne weiteres eine neue Angelegenheit.<br />
34<br />
Ein mit neuem Tatsachenvortrag verbundener<br />
Parteiwechsel ist in der Rechtsmittelinstanz nicht möglich,<br />
außer er wurde durch Gesetzesänderung begründet (zum<br />
Beispiel veränderte Zuständigkeit einer Behörde). 35<br />
b) Streitgenossen<br />
Notwendige Streitgenossenschaft liegt nach § 62 Abs. 1 Satz 1<br />
Fall 2 ZPO vor, wenn ein Recht aus materiell-rechtlichen<br />
Gründen nur von mehreren Berechtigten oder gegen mehrere<br />
Verpflichtete gemeinsam ausgeübt werden darf. So ist<br />
<strong>die</strong> Beschlussanfechtungsklage eines Wohnungseigentümers<br />
gegen <strong>die</strong> übrigen Eigentümer – nicht gegen <strong>die</strong> Eigentümergemeinschaft<br />
als solche – zu richten. 36<br />
Das gilt auch<br />
für <strong>die</strong> Berufung, wobei ein Streitgenosse weiter am Verfahren<br />
zu beteiligen ist, auch wenn er kein Rechtsmittel einge-<br />
17 BGH, Beschluss vom 17.8.2011 – I ZB 73/09.<br />
18 BGH, Urteil vom 21.9.2011 – VIII ZR 118/10.<br />
19 BGH, Urteil vom 28.1.2011 – V ZR 145/10.<br />
20 BGH, Urteil vom 19.8.2010 – VII ZR 113/09.<br />
21 BGH, Beschluss vom 15.5.2012 – VIII ZB 79/11.<br />
22 BGH, Beschluss vom 7.4.2011 – V ZB 11/10.<br />
23 BGH, Urteil vom 29.3.2012 – IX ZR 116/11.<br />
24 BGH, Urteil vom 11.8.2010 – XII ZR 181/08.<br />
25 BGH, Urteil vom 29.9.2011 – VII ZR 162/09.<br />
26 BGH, Urteil vom 19.7.2010 – II ZR 56/09.<br />
27 BGH, Urteil vom 22.9.2011 – IX ZR 209/10.<br />
28 BGH, Urteil vom 8.7.2011 – V ZR 34/11.<br />
29 BGH, Urteil vom 20.5.2011 – V ZR 99/10.<br />
30 BGH, Urteil 1.4.2011 – V ZR 230/10.<br />
31 BGH, Urteil vom 10.3.2011 – VII ZR 54/10.<br />
32 BGH, Urteil vom 5.3.2010 – V ZR 62/09.<br />
33 BGH, Urteil vom 17.9.2010 – V ZR 5/10.<br />
34 BGH, Beschluss vom 17.4.2012 – XI ZB 22/11.<br />
35 BGH, Beschluss vom 27.6.2012 – XII ZR 89/10.<br />
36 BGH, Urteil vom 11.11.2011 – V ZR 45/11.<br />
<strong>Der</strong> <strong>Zivilprozess</strong> <strong>lebt</strong> – <strong>die</strong> <strong>neueste</strong> <strong>Rechtsprechung</strong> des BGH, Geisler AnwBl 11 / 2012 855