Der Zivilprozess lebt - die neueste Rechtsprechung ... - Anwaltsblatt
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MN Prozessrecht 37 BGH, Urteil vom 24.1.2012 – X ZR 94/10.<br />
legt hat. 37<br />
Bei Verdacht einer Unfallmanipulation darf der<br />
neben seinem Versicherungsnehmer verklagte Haftpflichtversicherer<br />
im Prozess sowohl als Streitgenosse als auch als<br />
Streithelfer nach §§ 61, 69 ZPO seine eigenen Interessen<br />
wahrnehmen. 38 Stellt der wegen Abtretung nicht ermächtigte<br />
Prozessstandschafter <strong>die</strong> Klage erst nach Ablauf der durch<br />
<strong>die</strong> Klageerhebung zu wahrenden Frist um, dass er in erster<br />
Linie Zahlung an den Abtretungsempfänger und nur hilfsweise<br />
an sich selbst beantragt, und wird er erst später vom<br />
Abtretungsempfänger zur Prozessführung ermächtigt, wirkt<br />
<strong>die</strong> Ermächtigung nicht auf den Zeitpunkt der Klageerhebung<br />
zurück. 39<br />
c) Streitverkündung (§§ 72, 73 ZPO)<br />
Ist aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unklar, wer<br />
von mehreren in Betracht kommenden Personen passivlegitimiert<br />
ist, muss der Anwalt <strong>die</strong> Interventionswirkung im Folgeprozess<br />
nach §§ 68, 74 ZPO und <strong>die</strong> Verjährungshemmung<br />
nach § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB herbeiführen. 40<br />
<strong>Der</strong><br />
Anwalt sollte <strong>die</strong> Bezeichnung des Anspruchsgrundes nicht<br />
zu eng fassen, um <strong>die</strong> Reichweite der Verjährungshemmung<br />
nicht zu beschränken. Ist <strong>die</strong> Verjährung eines bestimmten<br />
Anspruchs dem Grunde nach gehemmt, so erfasst sie auch<br />
auf ihm beruhende Schadenspositionen, <strong>die</strong> nicht Gegenstand<br />
des Vorprozesses waren. 41 Allein <strong>die</strong> Möglichkeit, dass<br />
ein Urteil für nachfolgende Prozesse eine faktische Präzedenzwirkung<br />
haben kann (zum Beispiel inhaltsgleiche<br />
AGB), begründet nicht das nach § 66 Abs. 1 ZPO erforderliche<br />
rechtliche Interesse. 42 Nach §§ 72 Abs. 2 Satz 2, 73 Satz 2<br />
ZPO sind Gericht oder gerichtlicher Sachverständige nicht<br />
„Dritte“ und eine Streitverkündung nicht zuzustellen, aber<br />
dem gegnerischen oder auch dem eigenen Prozessbevollmächtigten.<br />
43 Die Zulässigkeit der Streitverkündung ist erst<br />
im Folgeverfahren zu prüfen. Da im Rechtsstreit zwischen<br />
entfernterem Abkömmling und Erben über <strong>die</strong> Pflichtteilsberechtigung<br />
<strong>die</strong> Wirksamkeit der Pflichtteilsentziehung des<br />
näheren Abkömmlings nicht geklärt wird, kann sich der<br />
Erbe nur durch Streitverkündung und Hinterlegung nach<br />
§ 372 BGB hinreichend davor schützen, <strong>die</strong> dem Pflichtteilsberechtigten<br />
geschuldete Leistung mehrfach erbringen zu<br />
müssen. 44<br />
d) Nebenintervention<br />
Die Beitrittserklärung eines Nebenintervenienten in einem<br />
beim Landgericht anhängigen selbständigen Beweisverfahren<br />
unterliegt nicht dem Anwaltszwang. 45 Da der Nebenintervenient<br />
nach rechtskräftiger Zurückweisung seiner Nebenintervention<br />
(§ 73 Abs. 3 ZPO) nicht mehr Prozessbeteiligter<br />
ist, hat er nicht mehr <strong>die</strong> Befugnis, Prozesshandlungen für<br />
<strong>die</strong> von ihm unterstützte Partei vorzunehmen. 46 <strong>Der</strong> einfache<br />
Streithelfer (§ 66 ZPO) kann – anders als der notwendige<br />
Streitgenosse – ein Rechtsmittel nur solange einlegen, wie<br />
<strong>die</strong> Rechtsmittelfrist für <strong>die</strong> Hauptpartei läuft ohne<br />
Rücksicht darauf, ob und wann ihm das anzufechtende Urteil<br />
zugestellt worden ist. 47 Wurden <strong>die</strong> Berufung der Hauptpartei<br />
und <strong>die</strong> Berufung des Streithelfers bei verschiedenen<br />
Gerichten eingelegt, ist <strong>die</strong> Entscheidung über <strong>die</strong> Berufung<br />
von dem Gericht zu treffen, bei dem das Rechtsmittel der<br />
Hauptpartei anhängig ist. 48 Nach Rücknahme der Berufung<br />
durch <strong>die</strong> Hauptpartei kann der Streithelfer, der selbst kein<br />
Rechtsmittel eingelegt hat, das Berufungsverfahren nicht<br />
fortsetzen. 49<br />
4. Rechtsschutzbedürfnis<br />
Das Rechtsschutzbedürfnis für eine Leistungsklage ergibt sich<br />
regelmäßig aus der Nichterfüllung einer fälligen Forderung,<br />
50 aber nicht mehr für eine Vollstreckungsabwehrklage<br />
wegen eines Zurückbehaltungsrechts, wenn <strong>die</strong> Forderung<br />
bis auf 0,04 Euro erloschen ist. 51 Ein rechtliches Interesse an<br />
einer alsbaldigen Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens<br />
eines Rechtsverhältnisses ist gegeben, wenn dem Recht<br />
oder der Rechtslage des Klägers eine gegenwärtige Gefahr<br />
der Unsicherheit droht und das erstrebte Urteil geeignet ist,<br />
<strong>die</strong>se Gefahr zu beseitigen, zum Beispiel Klage eines Erbprätendenten<br />
gegen einen anderen Erbprätendenten auf Feststellung<br />
seiner Miterbenstellung, obwohl das Urteil nur zwischen<br />
den Parteien wirkt und ein Erbscheinsverfahren<br />
bereits stattgefunden hat; 52<br />
Feststellung unerlaubter Handlung<br />
bei Schuldnerwiderspruch; 53<br />
bei drohender Verjährung;<br />
54<br />
Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen<br />
vor Eintritt des Schadens; 55 Feststellung, dass eine Forderung<br />
mangels Fälligkeit derzeit nicht zu erbringen ist, aber nicht,<br />
wenn der Schuldner <strong>die</strong> geforderte Leistung bereits erfüllt<br />
hat. 56 Ein Kläger ist nicht gehalten, seine Klage in eine Leistungs-<br />
und eine Feststellungsklage aufzuspalten, wenn bei<br />
Klageerhebung erst ein Teil des Schadens entstanden und<br />
<strong>die</strong> Entstehung weiteren Schadens nach dem Vorbringen des<br />
Klägers noch zu erwarten ist. 57<br />
5. Postulationsfähigkeit vor dem BGH (§ 78 ZPO)<br />
Da Abgabe zu Protokoll der Geschäftsstelle möglich ist<br />
(§§ 91 a Abs. 1, 78 Abs. 3 ZPO), kann <strong>die</strong> Erledigung auch<br />
vom nicht beim BGH zugelassenen Rechtsanwalt erklärt<br />
und Kostenantrag gestellt werden. 58 Einstweilige Einstellung<br />
der Zwangsvollstreckung aus dem Berufungsurteil kann nur<br />
der beim BGH zugelassene Anwalt beantragen. 59 Beauftragt<br />
eine Partei ihren Berufungsanwalt um Stellungnahme zum<br />
beim BGH eingelegten Rechtsmittel des Gegners, kann <strong>die</strong><br />
Vergütung für <strong>die</strong>se Einzeltätigkeit nach RVG-VV Nr. 3403<br />
erstattungsfähig sein, sofern <strong>die</strong> gleiche Tätigkeit eines Verfahrensbevollmächtigten<br />
nach § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO zu erstatten<br />
wäre und kein beim BGH zugelassener Rechtsanwalt<br />
bestellt wurde. 60<br />
Behörden können sich in Familiensachen<br />
gem. § 114 Abs. 3 Satz 1 FamFG vertreten lassen, vor dem<br />
38 BGH, Beschluss vom 29.11.2011 – VI ZR 201/10.<br />
39 BGH, Urteil vom 18.1.2012 – IV ZR 142/11.<br />
40 BGH, Urteil vom 16.9.2010 – IX ZR 203/08.<br />
41 BGH, Urteil vom 8.12.2011 – IX ZR 204/09.<br />
42 BGH, Beschluss vom 10.2.2011 – I ZB 63/09.<br />
43 BGH, Beschluss vom 8.2.2011 – VI ZB 31/09.<br />
44 BGH, Urteil vom 13.4.2011 – IV ZR 204/09.<br />
45 BGH, Beschluss vom 12.7.2012 – VII ZB 9/12.<br />
46 BGH, Beschluss vom 1.6.2011 – VIII ZB 96/10.<br />
47 BGH, Beschluss vom 24.5.2012 – VII ZB 24/11 mit Anm. Reinelt,<br />
jurisPR-BGHZivilR 14/2012 Anm. 1.<br />
48 BGH, Beschluss vom 29.11.2011 – V ZB 157/11.<br />
49 BGH, Beschluss vom 16.12.2010 – Xa ZR 110/08.<br />
50 BGH, Urteil vom 10.11.2010 – XII ZR 37/09.<br />
51 BGH, Beschluss vom 27.1.2011 – VII ZB 21/09.<br />
52 BGH, Urteil vom 14.4.2010 – IV ZR 135/08.<br />
53 BGH, Urteil vom 2.12.2010 – IX ZR 41/10.<br />
54 BGH, Urteil vom 7.4.2011 – I ZR 34/09.<br />
55 BGH, Urteil vom 25.2.2010 – VII ZR 187/08.<br />
56 BGH, Urteil vom 6.6.2012 – VIII ZR 198/11.<br />
57 BGH, Beschluss vom 06.03.2012 – VI ZR 167/11.<br />
58 BGH, Beschluss vom 24.10.2011 – IX ZR 244/09.<br />
59 BGH, Beschluss vom 12.8.2009 – XII ZA 30/09.<br />
60 BGH, Beschluss vom 10.7.2012 – VI ZB 7/12.<br />
856 AnwBl 11 / 2012 <strong>Der</strong> <strong>Zivilprozess</strong> <strong>lebt</strong> – <strong>die</strong> <strong>neueste</strong> <strong>Rechtsprechung</strong> des BGH, Geisler