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Der Zivilprozess lebt - die neueste Rechtsprechung ... - Anwaltsblatt

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MN Prozessrecht 149 BGH, Urteil vom 22.4.2010 – IX ZR 160/09.<br />

cc) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel<br />

(§ 531 Abs. 2 ZPO)<br />

<strong>Der</strong> Kläger kann in der Berufungsinstanz seine Klage erweitern<br />

im Hinblick auf in erster Instanz bereits gehaltenen<br />

Sachvortrag. 149 Nach Abschluss der mündlichen Verhandlung<br />

in erster Instanz neu entstandene Angriffs- und Verteidigungsmittel<br />

können jederzeit in das Berufungsverfahren eingeführt<br />

werden. 150 Unstreitiges Vorbringen ist nicht neu und<br />

daher immer zuzulassen. 151 Die Einrede der Dürftigkeit des<br />

Nachlasses (§ 1990 BGB) ist im Berufungsverfahren zuzulassen,<br />

denn für <strong>die</strong> Aufnahme des Vorbehalts der beschränkten<br />

Erbenhaftung bedarf es keines Sachvortrags. 152<br />

Für <strong>die</strong><br />

Anwendung des § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO ist <strong>die</strong> ungeschriebene<br />

Voraussetzung zu beachten, dass <strong>die</strong> Rechtsansicht<br />

des Gerichts des ersten Rechtszugs den Sachvortrag<br />

der Partei beeinflusst hat und daher mitursächlich dafür<br />

geworden ist, dass sich Parteivorbringen in das Berufungsverfahren<br />

verlagert. 153 Ein gerichtlicher Hinweis an <strong>die</strong><br />

erstinstanzlich obsiegende Partei ist erforderlich bei abweichender<br />

Ansicht des Berufungsgerichts in einem entscheidungserheblichen<br />

Punkt. 154 Eine Nachlässigkeit im Sinne von<br />

§ 531 Abs. 2 Satz Nr. 3 ZPO liegt nur dann vor, wenn <strong>die</strong> Partei<br />

gegen ihre Prozessförderungspflicht verstoßen hat. So<br />

darf eine Partei ein Vorbringen aus prozesstaktischen Erwägungen<br />

nicht zurückhalten, ist aber nicht verpflichtet, ihr<br />

nicht bekannte Tatsachen erst noch zu ermitteln. 155<br />

Es ist<br />

nicht nachlässig, wenn eine Partei erst durch ein Gutachten<br />

nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils Kenntnis von Tatsachen<br />

erlangt hat und <strong>die</strong>se im Berufungsverfahren vorträgt.<br />

156<br />

c) Aufhebung und Zurückweisung durch BGH<br />

(§ 563 Abs. 2 ZPO)<br />

Nach Aufhebung und Zurückweisung durch den BGH ist<br />

das Berufungsgericht nur an <strong>die</strong> Rechtsauffassung des BGH<br />

gebunden, auf der <strong>die</strong> Aufhebung des Berufungsurteils beruht.<br />

Bloße Hinweise des Revisionsgerichts für das wiedereröffnete<br />

Berufungsverfahren und <strong>die</strong> neue Entscheidung<br />

werden von der Bindungswirkung nicht erfasst. 157<br />

Die Bindungswirkung<br />

greift auch nicht, soweit sich in der Tatsacheninstanz<br />

ein neuer nicht präklu<strong>die</strong>rter Sachverhalt<br />

ergibt. 158<br />

Gibt der BGH <strong>die</strong> Einholung eines Sachverständigengutachtens<br />

vor, ist es willkürlich, wenn das Berufungsgericht<br />

<strong>die</strong>s mit überzogenen Anforderungen an <strong>die</strong> Darlegungslast<br />

ablehnt. 159<br />

2. Erledigung des Rechtsstreits<br />

Eine hilfsweise Erledigungserklärung ist unzulässig, wenn der<br />

Hauptantrag als unbegründet abgewiesen worden ist. 160<br />

Es<br />

wäre widersprüchlich, nach einer Abweisung des Hauptantrags<br />

als unbegründet auf den Hilfsantrag <strong>die</strong> Erledigung<br />

festzustellen. 161 Die erstmalige Erhebung der Einrede der Verjährung<br />

stellt im Laufe des Rechtsstreits auch dann eine erledigendes<br />

Ereignis dar, wenn <strong>die</strong> Verjährung bereits vor<br />

Rechtshängigkeit eingetreten ist; 162<br />

nicht <strong>die</strong> Verjährung,<br />

sondern erst <strong>die</strong> Erhebung der Einrede wirkt sich verändernd<br />

auf <strong>die</strong> Rechtslage aus. Die Kosten des Rechtsstreits sind<br />

dem Beklagten aufzuerlegen, wenn <strong>die</strong> Parteien eine vor<br />

dem unzuständigen Gericht erhobene, in der Sache aber begründete<br />

Unterlassungsklage übereinstimmend in der<br />

Hauptsache für erledigt erklären, nachdem der Beklagte <strong>die</strong><br />

Unzuständigkeit gerügt und sodann eine strafbewehrte Unterlassungserklärung<br />

abgegeben hatte. 163 Die Erledigung der<br />

Hauptsache kann noch in der Rechtsmittelinstanz erklärt werden.<br />

Wird durch <strong>die</strong> übereinstimmenden Erklärungen der<br />

Parteien der Rechtsstreit insgesamt erledigt, ist über alle bisher<br />

entstandenen Kosten des Rechtsstreits einschließlich der<br />

Kosten der Vorinstanzen zu entscheiden. 164 Wird nach übereinstimmender<br />

Teilerledigungserklärung durch Urteil zugleich<br />

in der Hauptsache und über <strong>die</strong> Kosten des erledigten<br />

Teils entschieden, so ist <strong>die</strong> Berufung nur zulässig, wenn der<br />

nicht erledigte Teil der Hauptsache <strong>die</strong> Berufungssumme erreicht.<br />

165 Gegen eine Kostenentscheidung gemäß § 91 a ZPO<br />

darf <strong>die</strong> Rechtsbeschwerde nicht aus materiell-rechtlichen<br />

Gründen zugelassen werden. 166 Bei einer einseitigen Erledigungserklärung<br />

des Klägers reduziert sich der Streitwert auf<br />

<strong>die</strong> bis dahin entstandenen Kosten nicht schon mit Eintritt<br />

des erledigenden Ereignisses, sondern erst, wenn der Kläger<br />

den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Dennoch<br />

reduziert der BGH den Streitwert für <strong>die</strong> Terminsgebühr<br />

auf das Interesse nach Erledigung, wenn <strong>die</strong> Erledigung<br />

vor dem Termin eingetreten ist. Obwohl RVG und<br />

ZPO hierfür keine Grundlage bieten, begründet er <strong>die</strong>s mit<br />

dem Grundsatz von Treu und Glauben. 167<br />

3. Klagerücknahme (§ 269 ZPO)<br />

Mit Rücknahme der Klage vor dem BGH sind <strong>die</strong> vorinstanzlichen<br />

Urteile wirkungslos. 168 Nimmt der Kläger im aktienrechtlichen<br />

Anfechtungsprozess im Rahmen eines Vergleichs <strong>die</strong><br />

Klage zurück, hat er – vorbehaltlich der Ausnahmeregelung<br />

des § 269 Abs. 3 Satz 2 Hs. 2 ZPO – auch <strong>die</strong> außergerichtlichen<br />

Kosten der auf Beklagtenseite beigetretenen, am Vergleich<br />

nicht beteiligten streitgenössischen Nebenintervenienten<br />

gemäß § 269 Abs. 3 Satz 2 Hs. 1 ZPO zu tragen. 169 Im Falle<br />

einer Klagerücknahme kommt ein der Kostenentscheidung<br />

nach § 269 Abs. 3 Satz 2 Hs. 1 ZPO entgegengerichteter materiell-rechtlicher<br />

Anspruch auf Kostenerstattung nicht in Betracht,<br />

wenn der Sachverhalt, der zu <strong>die</strong>ser Kostenentscheidung<br />

geführt hat, unverändert bleibt. 170<br />

4. Vorgreifliche Verfahren<br />

a) Schlichtungsverfahren (§ 15 a EGZPO)<br />

Eine Klage, der in einigen Bundesländern ein obligatorisches<br />

Schiedsverfahren vorauszugehen hat, ist zulässig, wenn der<br />

Kläger mit der Klageschrift eine von der Gütestelle aus-<br />

150 BGH, Beschluss vom 22.4.2010 – I ZR 17/09.<br />

151 BGH, Beschluss vom 23.6.2008 – GSZ 1/08.<br />

152 BGH, Urteil vom 2.2.2010 – VI ZR 82/09.<br />

153 BGH, Urteil vom 21.12.2011 – VIII ZR 166/11.<br />

154 BGH, Beschluss vom 17.4.2012 – VI ZR 126/11.<br />

155 BGH, Beschluss vom 10.6.2010 – Xa ZR 110/09.<br />

156 BGH, Beschluss vom 30.6.2010 – IV ZR 229/07.<br />

157 BGH, Beschluss vom 16.11.2010 – X ZR 104/08.<br />

158 BGH, Beschluss vom 28.10.2010 – Xa ZR 70/08.<br />

159 BGH, Beschluss vom 7.7.2010 – IV ZR 63/08.<br />

160 BGH, Beschluss vom 16.8.2010 – II ZR 105/09.<br />

161 BGH, Urteil vom 8.2.2011 – II ZR 206/08.<br />

162 BGH, Urteil vom 27.1.2010 – VIII ZR 58/09.<br />

163 BGH, Beschluss vom 18.3.2010 – I ZB 37/09.<br />

164 BGH, Beschluss vom 11.2.2010 – I ZR 154/08.<br />

165 BGH, Beschluss vom 12.4.2011 – VI ZB 44/10.<br />

166 BGH, Beschluss vom 8.3.2011 – VIII ZB 65/10.<br />

167 BGH, Beschluss vom 31.8.2010 – X ZB 3/09.<br />

168 BGH, Beschluss vom 1.6.2010 – XI ZR 63/10.<br />

169 BGH, Beschluss vom 14.6.2010 – II ZB 15/09.<br />

170 BGH, Urteil vom 16.2.2011 – VIII ZR 80/10.<br />

<strong>Der</strong> <strong>Zivilprozess</strong> <strong>lebt</strong> – <strong>die</strong> <strong>neueste</strong> <strong>Rechtsprechung</strong> des BGH, Geisler AnwBl 11 / 2012 861

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