GEMEINDEzeitung der Martin-Luther-Gemeinde, April/Mai 2013 Teil 1
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THEMA<br />
Hommage an Neukölln<br />
In Neukölln bin ich groß geworden<br />
und in Neukölln werde ich später<br />
als Studentin in einer Altbauwohnung-WG<br />
wohnen. Punkt. Hier bin<br />
ich zu Haus.<br />
Foto: D. Spanknebel<br />
Früher haben meine Freunde große Augen<br />
vor Angst gemacht, wenn ich ihnen erzählt<br />
habe, wo ich wohne. Jetzt werden immer<br />
noch große Augen gemacht, und zwar weil’s<br />
so schön hier ist.<br />
In Neukölln hat man alles auf einem bunten<br />
Haufen. Da ist <strong>der</strong> Bäcker, hier ist die Trattoria,<br />
dort die Arcaden, da die Kirche, hier<br />
das kleine, süße Café, und da wohne ich,<br />
guck. Besser geht’s doch nun wirklich nicht.<br />
Und dazu gibt’s hier ganz viele verschiedene<br />
Menschen. Italiener, Türken, Deutsche, Spanier,<br />
Araber und, und, und.<br />
Hier in Neukölln ist’s grün im Frühling und<br />
im Sommer, im Herbst ist’s schön bunt<br />
und im Winter liegt hier sogar Schnee. Du<br />
kannst dich in eins von hun<strong>der</strong>t kleinen,<br />
schnuckligen Cafés setzen, einen Ingwertee<br />
bestellen und einfach so ein Buch lesen.<br />
O<strong>der</strong> du machst nochmal einen Abstecher<br />
zum Tempelhofer Feld, das ist ganz nah dran<br />
an Neukölln, das kann man dazu zählen.<br />
Und am Samstag bummelst du über den<br />
Maybachufer-Stoffmarkt und kaufst ein paar<br />
schöne Stoffe. Vielleicht fahren wir heut<br />
noch ein bisschen mit dem Fahrrad durch<br />
den Kiez? Ich hätt´ jetzt ja Lust auf einen<br />
Sesamring. O<strong>der</strong> vielleicht doch auf eine<br />
Falafel Halloumi?<br />
Siehst du, was ich meine? Neukölln ist ganz<br />
schön beson<strong>der</strong>s. Und bunt. Hier willst du<br />
bleiben.<br />
Charlotte Weber-Spanknebel<br />
Heimat – was ist das?<br />
Was ist meine Heimat?<br />
In meiner Jugend in den 70er/80er Jahren war es verpönt<br />
das Wort „Heimat“ für sich in den Mund zu nehmen – das<br />
war altbacken, verstaubt und reaktionär. Damit konnte und<br />
wollte meine Generation nichts anfangen.<br />
Aufgewachsen bin ich am Kottbusser Damm in einer wun<strong>der</strong>bar<br />
großen Wohnung mit hohen Stuckdecken, die genau<br />
auf <strong>der</strong> Grenze zu Kreuzberg lag. Und da geht das Dilemma<br />
schon los. Gehörte ich nun nach Kreuzberg o<strong>der</strong> Neukölln?<br />
In meiner Kindheit und Jugend legte ich Wert darauf aus<br />
Kreuzberg zu sein, da schien mir mehr Bewegung und Verän<strong>der</strong>ung<br />
möglich.<br />
Aber dann wechselte ich an das Ernst-Abbe-Gymnasium<br />
und entdeckte kurze Zeit später die um die Ecke gelegene<br />
<strong>Martin</strong>-<strong>Luther</strong>-<strong>Gemeinde</strong> hier in Neukölln.<br />
Als Teenager entfernt man sich ja zwangsläufig von seiner<br />
Familie, will Distanz, ein eigenes Leben. Dies habe ich<br />
definitiv in <strong>der</strong> Jugendarbeit Anfang <strong>der</strong> 80er Jahre bei<br />
<strong>Martin</strong> <strong>Luther</strong> gefunden. Über lange Zeit war mein Wochenrhythmus<br />
durch gemeinsame Aktivitäten mit an<strong>der</strong>en in<br />
den Räumen <strong>der</strong> <strong>Gemeinde</strong> bestimmt. Doch bedeutete dies<br />
schon Heimat? Was macht das aus?<br />
Durch die Jugendarbeit bin ich auch das erste Mal nach England<br />
gefahren und fühlte mich dort von Anfang an zuhaus.<br />
Ein zuvor mir unbekanntes Band verknüpft mich mit dieser<br />
Insel, ihren Landschaften und Menschen und vor allem<br />
ihrem Humor und <strong>der</strong> Sprache. Und so zieht es mich immer<br />
wie<strong>der</strong> dorthin. Sobald ich englischen Boden betrete, kann<br />
ich heute sagen, es breitet sich in mir ein wohliges Gefühl<br />
von „hier gehörst du hin“ und damit wohl von Heimat aus.<br />
Marion Loerzer<br />
14 <strong>Gemeinde</strong>zeitung <strong>April</strong>|<strong>Mai</strong> <strong>2013</strong>