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GEMEINDEzeitung der Martin-Luther-Gemeinde, April/Mai 2013 Teil 1

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THEMA<br />

Mehr als ein paar Acker Land<br />

Heimat – was ist das eigentlich?<br />

Oh du mein Heimatland und Blasmusik<br />

im Festzelt, Luis Trenker und <strong>der</strong><br />

Förster vom Silberwald, Vertriebenenverbände,<br />

die lautstark den Verlust<br />

<strong>der</strong> Heimat beklagten, das war es, was<br />

zuerst den Begriff Heimat für mich<br />

geprägt hat.<br />

Heimat, das kam mir vor wie etwas Rückwärtsgewandtes,<br />

etwas für Ewig-Gestrige,<br />

es klang national und somit politisch<br />

fragwürdig und war ganz bestimmt nichts,<br />

womit ich etwas zu tun haben wollte.<br />

Aber was ist das eigentlich wirklich –<br />

Heimat? Der Begriff selber ist von seiner<br />

Herkunft her unverdächtig. Aus dem<br />

Germanischen leitet er sich her und bezeichnet<br />

zunächst einmal nichts weiter als<br />

den Platz, an dem man lebt. Im Mittelalter<br />

und auch später noch wurde <strong>der</strong> Begriff in<br />

einem rechtlichen Sinn gebraucht, Heimat<br />

war dort, wo man Nie<strong>der</strong>lassungsrecht hatte,<br />

wo man wohnen und seinem Handwerk<br />

nachgehen durfte und wo man im Falle<br />

von Bedürftigkeit auch Unterstützung<br />

erhielt. Heimat – eine klare Sache also.<br />

Erst im Zuge <strong>der</strong> fortschreitenden<br />

Industrialisierung wurde <strong>der</strong> Begriff mit<br />

emotionaler Bedeutung aufgeladen. In <strong>der</strong><br />

Romantik wurde Heimat mehr und mehr<br />

zum Sehnsuchtsort, zu einer<br />

Idee von heiler Welt und unverfälschter<br />

Natur, in die sich<br />

die Menschen hinein träumten<br />

aus einer sich rasant<br />

verän<strong>der</strong>nden Wirklichkeit,<br />

in <strong>der</strong> sie zunehmend nicht<br />

mehr zurecht kamen.<br />

Im Zuge <strong>der</strong> Nationalbewegung<br />

im 19. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />

wurde Heimat dann schließlich<br />

ein politischer Begriff<br />

im Sinne von Vaterland und<br />

Nation. In dieser Bedeutung<br />

wurde <strong>der</strong> Begriff mehr<br />

und mehr von rechten und<br />

völkischen Bewegungen<br />

okkupiert bis hin zum Nationalsozialismus,<br />

als Heimat dann zu etwas<br />

wurde, das alles Fremde ausgrenzte.<br />

Heimat ist ein sehr deutscher Begriff für den<br />

es in an<strong>der</strong>en Sprachen keine Entsprechung<br />

gibt. Übersetzt wird die Heimat meist zum<br />

Vaterland, aber das trifft es nicht wirklich.<br />

Heimat und Vaterland sind nicht zwangsläufig<br />

synonyme Begriffe.<br />

Sicherlich ist Heimat normalerweise auch <strong>der</strong><br />

Ort, an dem ein Mensch geboren wurde und<br />

wo er aufgewachsen ist. Und natürlich werden<br />

wir geprägt von den Landschaften und<br />

Traditionen mit denen wir groß werden. Aber<br />

das Gefühl <strong>der</strong> Heimat ist nicht an diesen Ort<br />

gebunden. Im Gegenteil. Oftmals ist es eine<br />

Enttäuschung an einen Ort zurückzukehren,<br />

den man als Heimat begreift. Alles ist<br />

auf einmal viel kleiner, viel schäbiger, ganz<br />

fremd und überhaupt nicht mehr wie<strong>der</strong>zuerkennen,<br />

abgerissen, umgebaut, zugebaut.<br />

© S. Hofschlaeger / Pixelio.de<br />

Heimat kann viel mehr sein als ein Ort. Zur<br />

Heimat gehören unsere Erinnerungen, dazu<br />

gehören Geschichten und Musik, Riten und<br />

Gebräuche. Heimat kann in Geräuschen, Gerüchen,<br />

Geschmäckern stecken und sie kann<br />

sich in <strong>der</strong> Sprache verbergen, in Dialekten,<br />

Sprachmelodien und Worten. Und natürlich<br />

gehören die Menschen zur Heimat, die Familie,<br />

die Freunde, Nachbarn und Bekannten.<br />

Heimat ist ein ziemlich komplexes Gefüge<br />

aus vielen Faktoren. Und manchmal wird es<br />

erst spürbar, was alles dazu gehört, wenn<br />

man in <strong>der</strong> Fremde ist und plötzlich merkt,<br />

was fehlt. Heimweh nennen wir das. Heimat<br />

ist auch etwas sehr individuelles und wird<br />

von jedem Menschen unterschiedlich erlebt.<br />

Aber wo genau ist denn nun Heimat? Die<br />

Männer und Frauen aus unserer Offenen<br />

Kaffeerunde am Dienstag sagen es mir. Heimat<br />

ist überall da, wo man sich wohl fühlt.<br />

Und natürlich ist es möglich an<strong>der</strong>swo eine<br />

neue Heimat zu finden, auch darin sind sie<br />

sich einig. Und sie müssen es wissen. Viele<br />

von ihnen waren nach dem Krieg gezwungen,<br />

ihre ursprüngliche Heimat zu verlassen<br />

und sagen jetzt mehrheitlich aus voller Überzeugung,<br />

dass Berlin ihre Heimat ist.<br />

Wir können also auch woan<strong>der</strong>s als an<br />

unserem Herkunftsort eine neue Heimat finden.<br />

Wir können heimisch werden und neue<br />

Wurzeln schlagen an einem Ort, an dem es<br />

uns gut geht, an dem wir alles haben, was<br />

wir zum Leben brauchen, an dem wir uns<br />

aufgehoben fühlen im sozialen Gefüge, an<br />

dem wir uns willkommen fühlen.<br />

Wir können uns unsere Heimat sogar<br />

aussuchen, nichts an<strong>der</strong>es ist es, was in<br />

dem gebräuchlichen Wort Wahlheimat zum<br />

Ausdruck kommt. Natürlich kann nicht je<strong>der</strong><br />

überall heimisch werden, natürlich kann<br />

es eine Weile dauern und natürlich nutzt<br />

uns aller Wille heimisch zu werden nichts,<br />

wenn uns die Umgebung nicht freundlich<br />

aufnimmt. Und natürlich ist es beson<strong>der</strong>s<br />

schwierig, wenn man seine alte Heimat<br />

gegen seinen Willen aufgeben musste und<br />

eigentlich gar keine neue Heimat finden<br />

möchte.<br />

Eine neue Heimat finden, heißt ja aber nicht,<br />

dass die alte Heimat verloren gehen muss.<br />

Sie kann in unseren Erinnerungen, unseren<br />

Traditionen und Bindungen weiterleben. Wir<br />

können sie bei uns haben, wie eine Schnecke<br />

ihr Haus.<br />

Monika Krauth<br />

<strong>Gemeinde</strong>zeitung <strong>April</strong>|<strong>Mai</strong> <strong>2013</strong><br />

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