Werkbeschreibung - Singkreis Wohlen
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HANS-URS WILI 26 MOZART: c-moll-Messe KV 427<br />
20.01.2013 MENDELSSOHN: Violinkonzert e-moll op. 64<br />
(MozartMendelssohn2012f.docx)<br />
letzten komponierten Credo-Teils (Et incarnatus est) weist zwischen Fagott und Solo-Sopran<br />
zwei leere Notensysteme auf. Diese Notationsweise findet man aber auch in MOZARTS<br />
Zauberflöte KV 620 in Paminas Arie Ach, ich fühl es bei exakt gleicher Instrumentation wie<br />
dem Et incarnatus est. Tonart, Taktart und Instrumentation sind auch bereits identisch in der<br />
Sopranarie Deh vieni, non tardi aus dem 4. Akt der Oper Le nozze di Figaro KV 492. Auch<br />
dort fehlen die Hörner. Dies alles spricht gegen frühere Rekonstruktionsversuche, welche<br />
dem Credo zwei Hornstimmen beifügen wollten.<br />
89 In den meisten MOZART-Messen sind die langen Texte von Gloria und Credo je als<br />
ganze Sätze komponiert. Nur sind beinahe alle Messen MOZARTS aus der Salzburger Zeit<br />
Missae breves, d.h. sogenannte Kurzmessen (dazu vgl. Rz. 22 mit Fn. 29 hiervor). Davon<br />
gibt es freilich zwei Ausnahmen: Die sogenannte Dominicus-Messe KV 66 und die<br />
sigenannte Waisenhaus-Messe KV 139 wurden als Missae solemnes, als feierliche<br />
Grossmessen komponiert. In diesen Messen unterteilte MOZART Gloria und Credo je in<br />
mehrere Einzelsätze. Interessanter Weise entsprechen diese Einzelsätze ausnahmslos den<br />
komponierten Teilsätzen in MOZARTS c-moll-Messe KV 427. Dies ist zwar kein<br />
unumstösslicher Beweis, aber doch ein starkes Indiz dafür, dass MOZART auch für die<br />
fragmentarische c-moll-Messe eine Unterteilung des Credos in fünf Sätze geplant haben<br />
dürfte. Fehlend wären dann die Credo-Sätze zu<br />
a. Crucifixus est sub Pontio Pilato,<br />
b. Et resurrexit tertia die,<br />
c. Et in Spiritum Sanctum,<br />
d. Et unam sanctam catholicam et apostolicam ecclesiam und<br />
e. Et vitam venturi saeculi.<br />
90 Weil darin Teile des Messtextes notiert sind, wurden MOZARTS Skizzen zum Agnus<br />
Dei-Schlussteil Dona nobis pacem (vgl. Rz. 76 hiervor) im Manuscript zum Opernfragment<br />
L’Oca del Cairo der c-moll-Messe zugeordnet. Dies ist eine mögliche Hypothese, die es nahe<br />
legt, weiter nach anderen MOZART-Skizzen zu suchen, welche (noch) keinen Messetext<br />
enthalten. LEVIN hat alle diese Entwürfe aus den Jahren 1781 bis 1785 studiert und dabei<br />
mehrere handschriftliche Skizzen MOZARTS aus dem Jahre 1783 – also dem Jahr der<br />
Uraufführung des Messefragments – gefunden, die in einem Zusammenhang mit der c-moll-<br />
Messe KV 427 stehen dürften. In diesem Jahr hat sich MOZART an Chorwerken neben der c-<br />
moll-Messe einzig mit dem Opernfragment L’Oca del Cairo KV 422 befasst. Als Fremdkörper<br />
im Notenmaterial zu dieser Oper findet sich neben den Skizzen zum Dona nobis pacem auch<br />
eine achtstimmige Doppelfuge in d-moll, deren erstes Thema sehr wohl zum Text des<br />
Crucifixus est sub Pontio Pilato passt; zudem setzt die parallele Moll-Tonart (d-moll) für den<br />
Passionsteil des Credos jene des Incarnatus est (F-Dur) überzeugend fort.<br />
91 Den Doppelchor im Qui tollis peccata mundi muss MOZART handschriftlich in den<br />
Instrumentalstimmen verdoppelt haben. Dies lässt sich aus der Partitur Pater FISCHERS (Rz.<br />
74 hiervor) schliessen. Dies lässt die Annahme unwahrscheinlich erscheinen, MOZART habe<br />
den Doppelchor im Sanctus und Benedictus durch einen bloss vierstimmigen Chor ersetzt.<br />
Ein detaillierter Vergleich insbesondere der Hosanna-Fuge hat LEVIN zum Schluss geführt,<br />
dass FISCHERS Partitur eine sekundäre Vereinfachung gewesen sein muss: Diese Fuge<br />
enthält ein Thema zumeist in Achteln und ein Gegenthema in Sechzehnteln. Weil anfangs<br />
der Fuge die Posaunen das Thema mitspielen, muss dieses dem ersten Chor zugewiesen<br />
gewesen sein, derweil der zweite Chor das Gegenthema zu singen hatte.<br />
92 Zur Vervollständigung der c-moll-Messe bietet sich schliesslich MOZARTS<br />
Umwidmung ihres Kyrie und ihres Gloria zu einer Auftragskomposition der Wiener<br />
Tonkünstler-Societät 1785 an: Er sollte für eines ihrer Wohltätigkeitskonzerte einen Psalm<br />
vertonen. Er unterlegte den beiden Messesätzen einen italienischen Text über den<br />
reumütigen David und schuf so die Kantate Davidde penitente KV 469 (vgl. auch Rzz. 109-