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Werkbeschreibung - Singkreis Wohlen

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HANS-URS WILI 30 MOZART: c-moll-Messe KV 427<br />

20.01.2013 MENDELSSOHN: Violinkonzert e-moll op. 64<br />

(MozartMendelssohn2012f.docx)<br />

begonnen haben in der Hoffnung, den von Fürsterzbischof COLLOREDO verabscheuten<br />

feierlichen neapolitanischen Stil für Messen bei einer Aufführung vom Papst absegnen zu<br />

lassen.<br />

110 Dann aber bleibt als Ausgangspunkt meiner eigenen neuen Hypothese folgendes<br />

Faktum: MOZART hat das Kyrie und das Gloria seiner c-moll-Messe 1785 als<br />

Auftragskomposition der Wiener Tonkünstler-Societät 1785 für eines ihrer<br />

Wohltätigkeitskonzerte zur Kantate Davidde penitente KV 469 umgewidmet. Eigentlich hätte<br />

er einen Psalm vertonen sollen. Stattdessen unterlegte er den beiden Messesätzen einen<br />

italienischen Text über den reumütigen David. Interessant ist freilich eine kleine Analyse der<br />

Vorgeschichte sowie die Ankündigung des Konzerts, die EDUARD HANSLICK in seiner<br />

Habilitationsschrift dokumentiert hat: JOSEPH HAYDN hatte für die 1772 gegründete<br />

Tonkünstler-Societät 1775 das Oratorium Il ritorno di Tobia komponiert und uraufgeführt;<br />

1784 führte er es „ganz neu bearbeitet“ erneut als Wohltätigkeitskonzert für die Tonkünstler-<br />

Societät auf. 73 Die jährlich zwei Wohltätigkeitskonzerte der Tonkünstler-Societät brachten<br />

zumeist Oratorien oder Kantaten zur Aufführung, und beinahe alle andern Werke ausser<br />

HÄNDELS Oratorien und HAYDNS Il ritorno di Tobia waren herzlich unbedeutend und sind<br />

längst vergessen. Eines davon war 1775 ein Oratorium „Davide il penitente“ von FERDINANDO<br />

GASPARO BERTONI (1725-1813), Direktor des Konservatoriums San Lazaro in Venedig. 74 Ein<br />

Jahr nach der erneuten Aufführung von HAYDNS Oratorium Il Ritorno di Tobia nun war<br />

MOZART an der Reihe. Angekündigt wurde seine Kantate als „Il Davide penitente, eine ganz<br />

neue, dieser Zeit angemessene Cantate von Herrn W. A. MOZART, dazu Sinfonie von HAYDN,<br />

Violinconcert von MARCHAUD, Chöre von GASSMANN und SACHINI, Oboenkonzert des<br />

LEBRUN“. 75 Der italienische Text dürfte vom neapolitanischen Opernkomponisten SAVERIO<br />

MATTEI (1714-1774) stammen. Man mag der Konzertankündigung also eine Spitze gegen die<br />

banale Vertonung des Stoffes ein Jahrzehnt zuvor entnehmen 76 , aber ebenso sehr MOZARTS<br />

eigene Wertschätzung seiner Komposition aus dem Torso der c-moll-Messe. Nicht an der<br />

Musik, sondern am liturgischen Text lag es also, dass MOZART die Messe liegen liess.<br />

111 MOZART hat das Interesse an christlicher Theologie verloren: Der Messtext ist ihm<br />

bedeutungslos geworden, anders als eine Umschreibung der Reue eines der grossen<br />

alttestamentlichen Darsteller. Klerikerfürst COLLOREDO wirkt nach. 77 Die Nachricht von der<br />

ausserehelichen Schwangerschaft seines „Bäsle“ MARIA ANNA THEKLA MOZART (Vater: ein<br />

Geistlicher – der Domkanonikus THEODOR FRANZ DE PAULA MARIA Freiherr von REIBELD)<br />

1783 mag noch zusätzlich nachgeholfen haben. Weshalb aber erscheint MOZART ein<br />

alttestamentlicher Stoff „dieser Zeit angemessen“, der Vertonung wert? Das Toleranzpatent<br />

Kaiser JOSEPHS II. erlaubte seit Ende März 1782 erstmals auch den Juden wirtschaftliche<br />

Emanzipation 78 und den Erwerb von Grundeigentum. 79 Nicht zufällig reiste der Papst im<br />

73 HANSLICK, 33.<br />

74 HANSLICK, 31; KOLLPACHER 725-728.<br />

75 HANSLICK, 33. Vgl. auch Rzz. 92-94 mit Tabelle g hiervor. HAYDN und MOZART figurieren also auf dieser<br />

Konzertannonce gemeinsam. Es ist kaum Zufall, dass sie sich bei der Tonkünstler-Societät ebenso wie bei den<br />

Freimaurerlogen praktisch gleichzeitig engagieren. Von den übrigen Komponisten dieses Konzerts ist heute<br />

nurmehr FRANZ DANZIS Schwager, der Mannheimer Oboenvirtuose LUDWIG AUGUST LEBRUN (1752-1790) mit<br />

seinen entzückenden sechs Oboenkonzerten bekannt.<br />

76 Zu MOZARTs Ausfälligkeiten vgl. nur Rz. 40 mit Fn. 57 hiervor. MOZART war BERTONI nachweislich bereits auf<br />

seiner Italienreise 1771 begegnet; zwei Briefen LEOPOLD MOZARTS vom 29. April und vom 11. Juni 1778 zufolge<br />

hat damals Fürsterzbischof COLLOREDO vergeblich versucht, BERTONI als Kapellmeister nach Salzburg zu<br />

verpflichten. Vgl. KOLLPACHER 726.<br />

77 Vgl. Rzz. 16-20 sowie Rz. 22 Fn. 29 hiervor.<br />

78 Vgl. Hofreskript vom 13. Weinmonat 1781, Marginale: „Die Akatholiken können zum Häuser- und Güterkaufe,<br />

zum Bürger- und Meisterrechte, zu akademischen Würden und Zivilbedienstungen künfig dispensando<br />

zugelassen werden“. Ferner Hofdekret vom 31. März 1782: „Diese allerhöchste Entschliessung hat auch Bezug<br />

auf die Judenkinder; denn gleichwie ein akatholisches Kind von seinen Aeltern nicht genommen, und in dem<br />

katholischen Glauben erzogen werden kann, so darf auch kein Judenkind getauft werden, bis man nicht<br />

versichert ist, dass es die hinlängliche Erkenntniss, und entweder einen übernatürlichen, oder einen aus<br />

Überzeugung erfolgten Antrieb zur Taufe habe, wozu weder Furcht noch Anlockung, noch was immer für eine<br />

Leidenschaft die Ursache gegeben haben. Und diess ist jedesmal gründlich zu untersuchen, weil es der Religion

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