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Werkbeschreibung - Singkreis Wohlen

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HANS-URS WILI 46 MOZART: c-moll-Messe KV 427<br />

20.01.2013 MENDELSSOHN: Violinkonzert e-moll op. 64<br />

(MozartMendelssohn2012f.docx)<br />

beruhigtes, in sich gekehrtes, reines Gemüt“ verlange. 155 In der Tat begann MENDELSSOHN<br />

intensiv und anhaltend mit der Frage zu beschäftigen, „wie es zu machen sein sollte, dass<br />

die Musik ein integrirender Teil des Gottesdienstes, und nicht blos ein Concert werde, das<br />

mehr oder weniger die Andacht anrege“ 156 . Eine erste Frucht davon war 1827 die<br />

Choralbearbeitung Christe, Du Lamm Gottes MWV A 5.<br />

139 MENDELSSOHN hatte sofort erkannt, dass sowohl die unter König FRIEDRICH WILHELM<br />

III. erarbeitete Preussische Agende von 1816 und 1822 als auch JUSTUS THIBAUT mit dem<br />

blossen Rückgriff auf den reformatorischen Choral grösste Kirchenmusik immer noch völlig<br />

verkannten: Das „Haupt und das Wichtigste“ sei ihnen „unbekannt“, nämlich: dass man „im<br />

SEBASTIAN ... alles zusammen“ habe. Das Manuscript von BACHS Matthäuspassion, das<br />

MENDELSSOHN 1823 auf seinen Wunsch als 14Jähriger zur Weihnacht geschenkt erhalten<br />

hatte, war ihm Offenbarung geworden. Er griff noch 1827 wieder darauf zurück und begann,<br />

das Werk mit einem 16stimmigen Chor bei sich zuhause zu erarbeiten. Nicht zufällig<br />

komponierte MENDELSSOHN in dieser Zeit das 16stimmige Hora est, welches an die Ecce<br />

apparebit-Fuge aus BACHS h-moll-Messe BWV 232 erinnert. Als weiteres Nebenprodukt<br />

dieser Auseinandersetzung mit den Ansprüchen einer Kirchenmusik, die religiös mehr denn<br />

Andachtsunterhaltung und musikalisch mehr als Epigonentum zu sein hatte, legte FELIX<br />

MENDELSSOHN seiner älteren Schwester FANNY am 5. November 1827 die Motette Tu es<br />

Petrus für gemischten Chor, Soli und Orchester op. 111 = MWV A 4 auf den<br />

Geburtstagstisch. MENDELSSOHNS intensiver Beschäftigung mit JOHANN SEBASTIAN BACH 157<br />

entsprang dann noch 1828 auch seine Choralbearbeitung Jesu, meine Freude MWV A 6.<br />

Kammermusikalisch komponierte Mendelssohn sein Streichquartett in a-Moll für zwei<br />

Violinen, Viola und Violoncello op. 13 = MWV R 22, dessen thematisches Material er seinem<br />

im gleichen Jahr unter dem Eindruck der Nachricht vom Hinschied LUDWIG VAN BEETHOVENS<br />

komponierten Lied Frage „Ist es wahr“ op. 9 Nr. 1 = MWV K 39 entnahm.<br />

140 Die Erarbeitung von BACHS Matthäuspassion ging keineswegs reibungslos ab.<br />

ZELTER stand dem Unternehmen skeptisch gegenüber: Dass die „gelehrte Perücke“ BACH<br />

dem Publikum wieder schmackhaft gemacht werden könne, glaubte er kaum; auch fehlten<br />

gedrucktes wie handschriftliches Notenmaterial. Selbst ein BACH-Verehrer wie der Zürcher<br />

Liedgesangpionier HANS GEORG NÄGELI (1773-1836) 158 fand, man mute dem Publikum mit<br />

dieser Passion allzu viel zu; ausserdem stehe zu befürchten, einem Musiker jüdischer<br />

Abstammung könnte das Einfühlungsvermögen in BACHschen Geist abgehen (!). 159 Aber<br />

FELIX benötigte ZELTERS Zustimmung, damit er die Passion von dem 300köpfigen Chor der<br />

Singakademie singen lassen konnte. ZELTER sträubte sich dagegen, denn Publikum wie<br />

Singakademie würden überfordert, und schalt die insistierenden FELIX MENDELSSOHN und<br />

seinen Freund EDUARD DEVRIENT entnervt „Rotznasen“. Verletzt entgegnete MENDELSSOHN<br />

seinem Lehrer: „Dass es ein Komödiant und ein Judenjunge sein müssen, die den Leuten<br />

die grösste christiliche Musik wiederbringen!“ 160 Der Vorwurf sass. ZELTER lenkte ein – und<br />

155 Hier zit. nach WILDHAGEN 9f.<br />

156 So MENDELSSOHN in einem Brief von 1835; MENDELSSOHN erkannte aber ebenso klar die Unergiebigkeit eines<br />

blossen Rückgriffs auf alte Meister: „von eigentlich kirchicher oder (...) gottesdienstlicher Musik kenne ich nur die<br />

alt-italiänischen Sachen für die päpstliche Capelle, wo aber wieder die Musik nur begleitend ist und sich der<br />

Funktion unterordnet und mitwirkt wie die Kerzen, der Weihrauch usw.“ Dementsprechend äusserte sich<br />

MENDELSSOHN dann 1831 nach seinem Rombesuch über zeitgenössische vatikanische Kirchenmusik vernichtend:<br />

„Die Compositionen taugten nichts“. Alles hier zit. nach WILDHAGEN 8f.<br />

157 Vgl. BWV 227!<br />

158 NÄGELI hatte 1801 als erster JOHANN SEBASTIAN BACHS Wohltemperiertes Klavier verlegt, welches FANNY<br />

MENDELSSOHN 1817 den Eltern vollständig vorgespielt hatte. Vgl. Rz. 123 hiervor.<br />

159 Als hätte es einer Widerlegung überhaupt bedurft, schuf MENDELSSOHN 1829 seine Choralkantate Nr. 6 für<br />

Solo, Chor und Streicher Wer nur den lieben Gott lässt walten MWV A 7. Gleichzeitig begann MENDELSSOHN 1829<br />

mit den ersten Psalmvertonungen, und zwar mit dem 115. Psalm Non nobis Domine/Nicht unserm Namen, Herr<br />

op. 31 MWV A 9, in welchem nicht nur BACHS Polyphonie und MOZARTS späte Kirchenmusik, sondern auch<br />

GEORG FRIEDRICH HÄNDELS (1685-1759) von MENDELSSOHN kurz zuvor eigenhändig kopierte, in Italien entstandene<br />

Vertonung von Psalm 110 Dixit Dominus HWV232 von 1707 anklingen.<br />

160 WERNER 66.

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