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Werkbeschreibung - Singkreis Wohlen

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HANS-URS WILI 40 MOZART: c-moll-Messe KV 427<br />

20.01.2013 MENDELSSOHN: Violinkonzert e-moll op. 64<br />

(MozartMendelssohn2012f.docx)<br />

E.c.<br />

Taufe und Reisen<br />

128 Statt ihren ersten Sohn FELIX nach jüdischer Sitte als Dreizehnjährigen Bar mizwa 117<br />

werden zu lassen, erzogen ABRAHAM und LEA MENDELSSOHN-SALOMON ihre Kinder praktisch<br />

ab Geburt im evangelischen Glauben und liessen sie am 21. März 1816 taufen. Als letzte<br />

konvertierten ABRAHAM und LEA MENDELSSOHN auf der Rückreise von der mehrmonatigen<br />

Schweizer Reise in Frankfurt am 4. Oktober 1822 zum Protestantismus 118 und erweiterten<br />

gleichzeitig ihren Familiennamen MENDELSSOHN nach dem Vorbild von LEAS Bruder und<br />

ABRAHAMS Schwager JAKOB SALOMON – er war mit der Taufe in die preussische Diplomatie<br />

aufgenommen worden – um den Zusatz BARTHOLDY 119 . Zuvor hatte die ganze Familie<br />

ABRAHAM und LEA MENDELSSOHNS während mehrerer Monate Süddeutschland und die<br />

Schweiz besucht, wo sie von Schaffhausen und Altstätten im Rheintal via Stoss, Wattwil,<br />

Glarus, Zug und Schwyz in die Innerschweiz zu einer Besteigung der Rigi und zum Fuss des<br />

Gotthard, dann über Luzern, Huttwil, Sumiswald, Walkringen, Grosshöchstetten,<br />

Oberdiessbach und Thun nach Interlaken, Lauterbrunnen, Mürren, Wengernalp, Grindelwald,<br />

Giessbachfälle, Haslital, Interlaken, Spiez, Bern, Freiburg und Vevey via Schloss Chillon,<br />

Clarens, Aigle, Bex und das Rhonetal hinauf zum Simplon, allerdings ohne wie geplant zu<br />

den Borromäischen Inseln zu gelangen, zurück nach Saint-Maurice, anschliessend nach<br />

Chamonix und schliesslich via Lausanne – hier traf FELIX MENDELSSOHN am 9. September<br />

1822 völlig zufällig auf den grossen Pariser Opernkomponisten JACQUES FRANÇOIS ÉLIE<br />

FROMENTAL HALÉVY (1799-1862) 120 – nach Genf reiste, bevor sie via Yverdon – hier musste<br />

FELIX am 23. September 1822 frühmorgens vor der Abreise noch dem hochbetagten<br />

Pädagogen JOHANN HEINRICH PESTALOZZI (1746-1827) vorspielen (vgl. Rz. 131 hiernach) –<br />

Neuenburg, Val de Ruz, Saint-Imier, Sonceboz, Pierre Pertuis, Moutier, Laufen und Basel<br />

nach Deutschland zurückkehrte. Privatlehrer HEYSE begleitete die Familie, so dass die<br />

Ausbildung der Kinder keinen Unterbruch erlitt.<br />

129 Im Rahmen dieser Reise also besuchte die Familie MENDELSSOHN vom 31. August<br />

bis zum 4. September 1822 bei garstigem Wetter auch die Stadt Bern. Kein einziges Mal<br />

gaben die tief hängenden Wolken der Familie bei ihren wiederholten Besuchen auf der<br />

Münsterplattform die Sicht auf die Alpen frei. 121 Offensichtlich war aber in Bern nicht nur das<br />

Wetter tadelnswert; die 17jährige FANNY – sie schrieb Dutzende Briefe aus der Schweiz –<br />

berichtet vom Besuch schöner Strassen beim Stadtgraben, dem prächtigen Spital, vom<br />

Mangel an vernünftigem Deutsch, weil in Bern französisch „überhaupt bon ton zu sein“<br />

scheine; und unverblümt: „Uebrigens ist der ganze Canton Bern, und namentlich die<br />

Hauptstadt, für Sittenverderbniss berüchtigt. Du glaubst nicht, was man davon für<br />

Geschichten erzählt. – Der gesellschaftliche Ton in Bern soll in den vornehmen Zirkeln<br />

unmässig steif sein. ... Kein einziger von allen denen die wir in Bern kennen lernten, war mit<br />

117 Als Dreizehnjähriger wird ein Jude Bar mizwa, d.h. religiös mündig und somit voll berechtigter und pflichtiger<br />

Sohn des Gesetzes, der im jüdischen Gottesdienst auch Texte des Ersten Testaments in hebräischer Sprache<br />

vorzulesen hat. Vielleicht war die Schweizer Reise 1822 für die assimilationswilligen Eltern auch ein guter<br />

Vorwand, um FELIX Bar Mizwa-Feier ohne grosses Aufhebens in der jüdischen Gemeinde zu umgehen: FELIX war<br />

1822 13jährig.<br />

118 Vgl. Brief FANNY MENDELSSOHNS aus Bern vom 31. August 1822 an MARIANNE MENDELSSOHN, in: KLEIN,<br />

Schweizer Reise, 22, 98, 128, 150 Fn. 78 und 153 Fn. 15.<br />

119 KAZNELSON 8, 722, 877 und 879f.<br />

120 Brief FANNY MENDELSSOHNS vom 11. September 1822 an MARIANNE MENDELSSOHN, in: KLEIN, Schweizer Reise,<br />

108 mit Fn. 97. HALÉVY, eigentlich ELIAS LÉVY, Sohn eines jüdischen Kantors aus Paris, war 1819 als Preisträger<br />

des Prix de Rome, des bedeutendsten kompositorischen Preisausschreibens (spätere Gewinner u.a. 1825<br />

ADOLPHE ADAM [1803-1856], 1830 HECTOR BERLIOZ [1803-1869, dazu vgl. Rz. 142 hiernach], 1832 AMBROISE<br />

THOMAS [1811-1896], 1839 CHARLES GOUNOD [1818-1893], 1857 GEORGES BIZET [1838-1875], 1863 JULES<br />

MASSENET [1842-1912], 1884 CLAUDE DEBUSSY [1862-1918], 1901 MAURICE RAVEL [1875-1937], 1908 NADJA<br />

BOULANGER [1887-1979], 1913 LILI BOULANGER [1893-1918], 1919 JACQUES IBERT [1890-1962], 1938 HENRI<br />

DUTILLEUX [*1916]) europaweit berühmt geworden. Die bekannteste unter HALÉVYS 40 Opern ist La juive (1835)<br />

auf ein Libretto von EUGÈNE SCRIBE (1791-1861). Dazu vgl. FEIL 569f.<br />

121 Briefe FANNY MENDELSSOHNS aus Vevey vom 5./6. September 1822 an MARIANNE MENDELSSOHN und vom 7./8.<br />

September 1822 an Grossmutter BELLA SALOMON, sowie aus Bern vom 31. August 1822 an Prof. KARL FRIEDRICH<br />

ZELTER, in: KLEIN, Schweizer Reise, 99-101 und 136.

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