WagnerHelmuth.pdf - Goethe-Universität
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Eindruck, dass dem Staatssicherheitsministerium die Brisanz der Parallelwährung bewusst<br />
gewesen sein musste.<br />
1.4 Quellenkritik<br />
Bei der Bewertung der einzelnen Dokumente muss immer bedacht werden, zu welchem<br />
Zweck und für wen sie erstellt wurden. Die Dokumente für die höchsten Partei- und<br />
Staatsrepräsentanten sind fast immer nach dem gleichen Modell aufgebaut. Zunächst werden<br />
die allgemeinen Leistungen des Parteiapparates gelobt, am Ende finden sich dann Hinweise<br />
auf die Probleme. Dadurch soll verhindert werden, dass der Empfänger verärgert wird und in<br />
Unruhe gerät, weil etwas nicht wie geplant funktioniert oder das System bedroht zu sein<br />
scheint.<br />
Berichte von Außenstellen des Stasi-Apparates lassen die Absicht erkennen, die eigene<br />
Unentbehrlichkeit und Effizienz zu beweisen. Mit allergrößter Akribie wurden z.B. Berichte<br />
von Betriebsversammlungen angefertigt. Jeder Sprecher wird namentlich aufgeführt, so dass<br />
eventuell eine Verfolgung durch die Stasi möglich wurde. Andererseits werden wiederum<br />
Ereignisse unscharf d.h. ohne Namensnennung der Akteure beschrieben oder es ist sogar nur<br />
von Gerüchten die Rede, dass sich etwas ereignet habe. Hier vermute ich die Absicht, dass<br />
man einerseits nichts weglassen , andererseits aber auch nicht zu sofortigem gezielten Einsatz<br />
auffordern wollte.<br />
1.5 Ziel dieser Untersuchung<br />
Die Geschichte vom Untergang der DDR wird in der Literatur beschrieben als ein<br />
Zusammenwirken von weltpolitischen Umbrüchen, persönlichen Schwächen führender<br />
Persönlichkeiten und wirtschaftlichen Bedingungen. Was aber selten erwähnt wird, ist, dass<br />
diese Wirkgrößen eines Nährbodens im Weltbild großer Teile der Bevölkerung bedürfen,<br />
damit sie wirken können. Lucien Febvre hat sich im Zusammenhang mit der französischen<br />
Revolution damit beschäftigt, welche nur langfristig sich verändernden Beziehungen und<br />
Ordnungen der menschlichen Lebensverhältnisse notwendig sind, um einen Umbruch zu<br />
ermöglichen. „Es geht um Stimmungen, Vorurteile, Wünsche und Ängste, Wertvorstellungen<br />
und Verhaltensmuster einzelner Gruppen oder ganzer Zivilisationen, vorrangig der breiten<br />
Bevölkerung.“ 9<br />
9 Ernst Opgenoorth, Günther Schulz, Einführung in das Studium der neueren Geschichte, Paderborn, München,<br />
Wien, Zürich, 2001, Seite 230<br />
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