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der kürzeste weg zu sich selbst führt um die welt herum. - Matarka

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66 István Molnár<br />

Die wahren Gründe für seine Reise in und <strong>um</strong> <strong>die</strong> Welt her<strong>um</strong> sind nicht Neugierde, auch<br />

nicht Forschungstrieb: „Was mich hinaustreibt in <strong>die</strong> weite Welt, ist eben das, was so viele<br />

ins Kloster getrieben hat: <strong>die</strong> Sehnsucht nach Selbstverwirklichung.“ 20 Letztere kann <strong>sich</strong><br />

aber vollziehen, wenn man ein Möglichkeitsmensch ist, <strong>sich</strong> aller potenziellen, schl<strong>um</strong>mernden<br />

Anlagen, latenten Dispositionen bewusst ist. Da<strong>zu</strong> ist aber nur <strong>der</strong> Metaphysiker<br />

fähig, <strong>der</strong> alles von einem höchsten Blickpunkt <strong>zu</strong> sehen vermag.<br />

Der Metaphysiker verhält <strong>sich</strong> <strong>zu</strong>m Dichter, wie <strong>die</strong>ser <strong>sich</strong> <strong>zu</strong>m Schauspieler verhält.<br />

Der Komödiant stellt dar, <strong>der</strong> Dichter schafft, <strong>der</strong> Metaphysiker antizipiert im<br />

Sinne alle mögliche Darstellung und Schöpfung. So darf er in keiner Gestaltung<br />

aufgehen, darf er mit keiner <strong>sich</strong> identisch fühlen; sein Bewusstseinszentr<strong>um</strong> muss<br />

mit dem <strong>der</strong> Welt <strong>zu</strong>sammenfallen, er muss jede einzelne Erscheinung vom Standpunkte<br />

Gottes aus sehen. 21<br />

Nach den einführenden Gedankengängen macht <strong>sich</strong> Keyserling auf den Weg nach den<br />

Tropen. In Ceylon nimmt er <strong>die</strong> Möglichkeit wahr, <strong>zu</strong> erörtern, dass alles Leben in den<br />

tropischen Gegenden Vegetation ist, dass <strong>die</strong> Sehnsucht aus <strong>der</strong> Fülle hinaus als mächtigstes<br />

Motiv des Tropenbewohners gilt. All das kann man aber als Vorbereitung für <strong>die</strong> erste<br />

große Destination: In<strong>die</strong>n betrachten. Nachdem er im Zusammenhang mit Ceylon ausführlich<br />

den Buddhismus analysiert, <strong>die</strong>sen von mehreren Ge<strong>sich</strong>tspunkten aus mit dem Christent<strong>um</strong><br />

verglichen hat, kommt er im heiß ersehnten Land, auf dem indischen Subkontinent<br />

an. An <strong>der</strong> ersten Station, in Rameshvaram wird er gleich in den Sog einer Prozession von<br />

Pilgern hineingezogen. Der europäische Weltreisende beschreibt mit Begeisterung, wie er<br />

Pilger ohne Ende gewahrte, „Hierophanten und Tempelbe<strong>die</strong>nstete <strong>um</strong> ikonenhaft geschmückte<br />

Elefanten, <strong>um</strong> goldglänzende Wagen und Tragbahren her<strong>um</strong> <strong>sich</strong> bei Fackelschein<br />

<strong>zu</strong> festlichem Zuge rüsten.“ 22 Hinter ihm folgte <strong>die</strong> Göttin,<br />

hochthronend auf kostbarem Palankin. So ging es, bei dröhnendem Paukengerassel,<br />

bei grellem Klarinettengekreisch, bis tief in <strong>die</strong> Nacht in feierlichem Rundgang<br />

durch <strong>die</strong> herrlichsten Säulengänge <strong>der</strong> Welt, an <strong>der</strong>en Wänden <strong>die</strong> aufgereihten<br />

frommen, von den Fackeln sprunghaft belichtet, <strong>sich</strong> ehrfurchterschauernd neigten.<br />

23<br />

Keyserling scheint hier <strong>sich</strong> <strong>selbst</strong> <strong>zu</strong> wi<strong>der</strong>sprechen, er schil<strong>der</strong>t ja <strong>die</strong> tatsächlichen Ereignisse<br />

mit aller Schönheit <strong>der</strong> Formen und Farben, fast alle Sinnesorgane ansprechend.<br />

Gleich kommt aber <strong>der</strong> Übergang aus <strong>der</strong> physisch wahrnehmbaren Sphäre in <strong>die</strong> geistigen<br />

Bereiche. Die Verbindung wird einfach mit einem zweckgemäßen Satz gewährleistet: „Was<br />

mir auffällt, ist, dass <strong>die</strong>se noch so verschiedenartigen Pilger irgendwie doch eines Geistes<br />

sind.“ 24 Was danach folgt, gehört schon <strong>zu</strong>m Terrain <strong>der</strong> religiösen, philosophischen Medi-<br />

20 Ebd., 4<br />

21 Ebd., 5–6<br />

22 Ebd., 95<br />

23 Ebd., 95<br />

24 Ebd., 96

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