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der kürzeste weg zu sich selbst führt um die welt herum. - Matarka

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62 István Molnár<br />

Im Zuge <strong>der</strong> Neuromantik setzte nach 1900 eine bis <strong>zu</strong>m Ende <strong>der</strong> Weimarer Republik<br />

anhaltende Welle von Reisen deutscher Schriftsteller nach In<strong>die</strong>n ein. Noch heute<br />

lesenswerte Reiseeindrücke von ihren indischen Reisen legte u. a. <strong>der</strong> als Verfasser des<br />

Kin<strong>der</strong>buchklassikers „Die Biene Maja“ bekannt gewordene Waldemar Bonsels vor.<br />

Die bedeutendsten literarischen Früchte trug <strong>die</strong> In<strong>die</strong>nbegeisterung von Hermann<br />

Hesse, <strong>der</strong> <strong>selbst</strong> In<strong>die</strong>n bereiste, <strong>sich</strong> ausgiebig mit indischer Philosophie und Literatur<br />

auseinan<strong>der</strong>setzte und vor allem mit seiner Kult-Erzählung „Siddharta“<br />

Brücken baute von <strong>der</strong> In<strong>die</strong>nbegeisterung <strong>der</strong> Neuromantiker <strong>zu</strong>r Hippie- und<br />

Aussteiger-Kultur <strong>der</strong> sechziger bis achtziger Jahre, <strong>der</strong>en Anhänger bei indischen<br />

Gurus nach Erleuchtung suchten. Natürlich gehört Keyserling <strong>zu</strong> <strong>der</strong> Gruppe <strong>der</strong><br />

In<strong>die</strong>nbewun<strong>der</strong>er. 12<br />

In den beiden In<strong>die</strong>nbil<strong>der</strong>n, dem romantischen und dem utilitaristischen, spiegeln <strong>sich</strong><br />

zwei antagonistische Grundpositionen des europäischen Selbstverständnisses wi<strong>der</strong>. Wir<br />

finden beide in allen europäischen Län<strong>der</strong>n nebeneinan<strong>der</strong>, aber in zwei Län<strong>der</strong>n dominierte<br />

jeweils das eine: in Deutschland das romantische, in England das utilitaristische.<br />

Im romantischen In<strong>die</strong>nbild verkörpert <strong>die</strong> indische Kultur das, was das mo<strong>der</strong>ne<br />

Europa verloren <strong>zu</strong> haben glaubt: <strong>die</strong> ursprüngliche Vollkommenheit und Ganzheitlichkeit<br />

<strong>der</strong> menschlichen Existenz, <strong>die</strong> Harmonie von Mensch, Natur und Gott, <strong>die</strong> religiöse Geborgenheit,<br />

<strong>die</strong> poetische, göttlich beseelte Welt.<br />

Das utilitaristische In<strong>die</strong>nbild, das in <strong>der</strong> Tradition <strong>der</strong> Aufklärung steht, weist In<strong>die</strong>n<br />

auf <strong>der</strong> Stufenleiter <strong>der</strong> Weltgeschichte einen Platz ganz unten <strong>zu</strong>, während<br />

Europa ganz oben steht. Im Gegensatz <strong>zu</strong> den Romantikern, für <strong>die</strong> <strong>die</strong> Geschichte<br />

ein einziger Abstieg von den Höhen eines in <strong>der</strong> Vergangenheit liegenden Goldenen<br />

Zeitalters ist, sehen <strong>die</strong> Utilitaristen <strong>die</strong> Menschheitsentwicklung als konstante<br />

Aufwärtsbe<strong>weg</strong>ung: von dunklen, primitiven Anfängen <strong>zu</strong>m Licht, <strong>zu</strong> Aufklärung,<br />

Vernunft und Fortschritt. Europas Aufgabe sei es, den an<strong>der</strong>en <strong>zu</strong> helfen, auf <strong>der</strong><br />

Stufenleiter weiter nach oben <strong>zu</strong> klettern. 13<br />

Es ist charakteristisch, dass vor allem in Krisenzeiten <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne <strong>die</strong> „Heile Welt“ in<br />

In<strong>die</strong>n gesucht wird. Immer wie<strong>der</strong> hat es seitdem Wellen <strong>der</strong> In<strong>die</strong>nbegeisterung in westlichen<br />

Län<strong>der</strong>n gegeben, vor allem, scheint es, in Krisenzeiten <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne. Sie sind Ausdruck<br />

des Zweifels und des Unbehagens am Weg, den Europa mit <strong>der</strong> Mo<strong>der</strong>ne eingeschlagen<br />

hat. Zur Mo<strong>der</strong>ne gehört offenbar von Anfang an <strong>der</strong> Wi<strong>der</strong>spruch da<strong>zu</strong>, <strong>der</strong> <strong>sich</strong> in <strong>der</strong><br />

Suche nach <strong>der</strong> vormo<strong>der</strong>nen, <strong>der</strong> „heilen“ Welt nie<strong>der</strong>schlägt. Ein Ort (neben an<strong>der</strong>en)<br />

<strong>die</strong>ser Heilen Welt ist seit <strong>der</strong> Romantik In<strong>die</strong>n.<br />

Vor allem in Deutschland lassen <strong>sich</strong> in <strong>der</strong> Zeit <strong>der</strong> Romantik viele Belege in Literatur<br />

und Philosophie für das romantische In<strong>die</strong>nbild finden. 10 Von einer neuen In<strong>die</strong>nwelle<br />

wurde Deutschland vor dem Ersten Weltkrieg erfasst, vom „Aufbruch nach Asien“ ist<br />

<strong>die</strong> Rede. Schriftsteller wie Hermann Hesse, Max Dauthendey und Stefan Zweig, Philoso-<br />

12 SCHMIDT 2006.<br />

13 LÜTT 1998.

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